Israels lebensnotwendige Sicherheitsbedürfnisse für einen dauerhaften Frieden

Israels lebensnotwendige Sicherheitsbedürfnisse für einen dauerhaften Frieden

Welche Sicherheitsbedürfnisse Israels müssen erfüllt werden, bevor ein Friedensvertrag mit den Palästinensern unterzeichnet werden kann? Wie lassen sich Stabilität und Nachhaltigkeit des Friedensprozesses zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch gewährleisten, wenn Israel nach wie vor bedroht ist und die arabischen Regime in ihren Grundfesten erschüttert werden? Wie können dem jüdischen Staat Sicherheiten und eine Garantie seiner verteidigungsfähigen Grenzen geboten werden?

Diese grundlegenden Fragen stehen im Zentrum der politischen Debatte, wie sie sowohl in Staatskanzleien als auch in der Weltöffentlichkeit geführt wird. Die romantische Vision eines neuen Nahen Ostens – idyllisch und mit einem reichen wie einträglichen gemeinsamen Markt – steht leider nicht unmittelbar bevor.

Die Kämpfe zwischen Israel und Hamas – langfristige Implikationen

· Die aktuelle Konfrontation zwischen Israel und der Hamas begann nicht mit dem Raketenhagel, sondern mit den verstärkten Terroraktivitäten entlang der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen. Die Strategie der Hamas hat sich in den vergangenen zwei Jahren gewandelt – sie geht davon aus, dass der „Islamische Frühling“ das Kräfteverhältnis zwischen der arabischen Welt und Israel verschoben hat.

· Ägypten wird nunmehr von der Muslimbruderschaft geführt, der Mutterbewegung der Hamas. Die neue islamistische Regierung Ägyptens betrachtet die Hamas als strategischen Partner im Kampf gegen Israel. Tatsächlich ist die Hamas nunmehr in der Lage, mittels des ägyptischen Regimes den Dialog mit den Vereinigten Staaten und Europa zu führen.

· Dank des „Islamischen Frühlings“, der die politische Karte des Nahen Ostens neu prägt, wird der gegenwärtigen Generation die Befreiung Palästinas „vom Fluss bis zum Meer“ als absolut realistisches Ziel geboten. Umgekehrt hat Israel aus der Perspektive der Hamas angesichts des wachsenden strategischen Drucks sein Gleichgewicht verloren, während die Türkei und Ägypten nunmehr im Wesentlichen zu bitteren Gegnern innerhalb eines neuen Nahen Ostens herangewachsen sind.

· Die Hamas sieht in jeder Runde des bewaffneten Kampfes gegen Israel nur eine weitere Stufe in einem langjährigen Zermürbungskrieg. Ihre Führer hoffen darauf, dass die immer schwereren und gewalttätigeren Ausbrüche schließlich Israels Widerstandskräfte aufbrauchen und die Massen zur Errichtung einer vereinten militärischen Front zur Befreiung Palästinas anstacheln werden.

· Trotz der erlittenen militärischen Schläge geht die Hamas gestärkt aus dieser Runde des Konfliktes hervor. In ihrem Raketenfeuer auf Tel Aviv und Jerusalem konnte sich die Hamas der Sympathien in der arabischen Welt sicher sein. Die Gaza zukommenden Finanzhilfen werden es ihr ermöglichen, ihre militärische Infrastruktur für die nächste Runde wieder aufzubauen.

Bei Angriff auf iranische Atomanlagen: Hisbollah droht mit Raketenbeschuss Israels

· Die in Israel intensiv geführte öffentliche Debatte über einen möglichen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen hat den Iran wie auch die Hisbollah dazu gebracht, ihre Vergeltungsdrohungen zu verschärfen. Der militärische Berater des Obersten Führers Ali Khamenei General Yahya Rahim Safavi hat am 8. September angekündigt, dass die Hisbollah im Falle eines israelischen Angriffs zurückschlagen würde.

· Einem Bericht der libanesischen Zeitung Al Joumhouria zufolge besuchte der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Iran Saeed Jalali im August den Libanon und gab der Hisbollah grünes Licht für den unmittelbaren Einsatz militärischer Gewalt gegen Israel für den Fall eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen.

· Im September 2012 gestand der Kommandeur der Iranischen Revolutionsgarden General Mohammed Ali Jaafari auf einer Pressekonferenz in Teheran, dass einige seiner Kräfte in Syrien und im Libanon im Einsatz wären. Jaafaris anscheinend ehrliche Äußerungen geschahen in einem Moment der Unaufmerksamkeit und geben den tatsächlichen operationellen Stand der Dinge wieder.

· Am 17. August erklärte der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah: „Ein israelischer Angriff gibt dem Iran die Möglichkeit Israel zu zerstören, wovon er seit 32 Jahren träumt. […] Unsere Raketen sind bereit und haben ihre Ziele im Visier […] und wir werden nicht darauf warten, dass dies noch irgendjemand absegnet.“

· Die Bestätigung, dass Nasrallah grünes Licht für einen unmittelbaren Angriff auf strategische Ziele in Israel erhalten hat, widerspricht seinen vorherigen Aussagen, dass im Falle eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen die Hisbollah sich versammeln, darüber beraten und entscheiden würde, wie sie zu reagieren habe. Derartige Äußerungen haben in der Vergangenheit zu jener Fehleinschätzung geführt, die Hisbollah träfe ihre Entscheidungen unabhängig und richte sich nicht automatisch nach Teherans Befehlen.

Israels Sicherheitspolitik – Ein Update

· Aus sicherheitspolitischer Perspektive erfährt Israel gegenwärtig eine Phase der Ruhe: Die Welle von Selbstmordattentaten liegt hinter uns und gegen die Raketenangriffe ist eine Abschreckungspolitik in Stellung. Zur selben Zeit sieht sich unsere nationale Sicherheit aber auch präzedenzlosen Herausforderungen gegenüber – einschließlich der Möglichkeit eines nuklear bewaffneten Iran oder gar eines ganzen atomaren Nahen Ostens.

· Dass der Iran an seiner Atomwaffenfähigkeit arbeitet steht nicht mehr zur Debatte. Alles, was sie noch tun müssen, ist sich zum Bau zu entscheiden. Über das nötige Wissen zum Zusammenbau eines nuklearen Sprengkopfes verfügen sie. Entsprechend lautet der Konsens in der Welt der Nachrichtendienste: Der Iran ist eine Gefahr.

· Ich kann mir nicht vorstellen, dass Saudi Arabien, Ägypten oder irgendein anderes arabisches Land einen nuklear bewaffneten Iran dulden wird. Fragt man irgendeinen der arabischen Herrscher, dann wird er – wenngleich nicht öffentlich – antworten, dass der Iran, und nicht Israel, die größte Gefahr darstellt.

Die Palästinensische Versöhnung – Übernimmt Hamas die PLO?

Ende Dezember 2011 wurden in Kairo die Grundlagen für einen historischen Wandel innerhalb der Palästinenserbewegung gelegt. Der Führer von PLO und Fatah und Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas ebnete den Weg für eine neue Partnerschaft mit der Hamas und dem Islamischen Dschihad für das Verwalten der Belange der Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen sowie ihre Repräsentation.

Dieses Abkommen zur Versöhnung und strategischen Partnerschaft kam auf einem Treffen zwischen Abbas und Hamas-Führer Khaled Mashaal am 22. Dezember in Kairo zustande. Zu seiner Umsetzung sind drei Schritte vorgesehen: 1. Eine umfassende nationale Versöhnung, 2. eine Reform der PLO sowie 3. eine Einigung über ein strat egisches Vorgehen in allen für die Palästinenser gravierenden Fragen. Der Pragmatismus der Hamas, der sich in ihrer Bereitschaft ausdrückt, die Autorität von Abbas als PA-Präsident und PLO-Chef anzuerkennen, deutet jedoch in keinster Weise auf einen strategischen Wandel in der Hamas-Politik oder eine Akzeptanz des PLO-Ansatzes hin – ganz sicher jedoch nicht im Hinblick auf die Interimsabkommen mit Israel und deren Ursprung im von Israel und Arafat im September 1993 unterzeichneten Schreiben zur wechselseitigen Anerkennung. Die PLO-Institutionen durch die offene Vordertür zu betreten ist für die Hamas das Trojanische Pferd, mit dem sie die oberste Stelle palästinensischer Autorität von innen erobern kann, einschließlich der internationalen Anerkennung und mehr. Die Hamas sieht darin den kürzesten und effizientesten Weg, um die Früchte des Islamischen Frühlings zu ernten, der den Konflikt zwischen Israel und den verschiedenen Regimen und Völkern des Nahen Ostens verschärft. Dies dürfte es der PA schwer machen, ohne breite innere wie arabische Unterstützung mit Israel zu verhandeln.
Aus israelischer Perspektive sind die nahöstlichen wie palästinensischen Entwicklungen bedenklich. Die Autonomiebehörde schmiedet eine strategische Allianz mit radikalen islamistischen Kräften, während der Westen zur gleichen Zeit ihrer Mutterorganisation – die Muslimbruderschaft – anerkennt und eine Politik verfolgt, die im Nahen Osten als Schwäche gesehen wird. Der Schachzug von Abbas garantiert seinem Regime Stabilität, doch dürfte er sich sehr wahrscheinlich als ein Absägen des Astes auf dem Abbas sitzt herausstellen, da er der Hamas ermöglicht, einen Brückenkopf zur Übernahme von PA- und PLO-Institutionen zu bauen. Dieses Szenario würde Israel nachhaltig vor große Herausforderung in der palästinensischen Frage stellen und trägt in sich ein hohes Potential für eine regionale Eskalation.

Ägyptens islamistische Parteien: Eine Gefahr für den Frieden mit Israel?

· Der gegenwärtig in den Medienberichten vorherrschende Optimismus darüber, dass die ägyptischen Muslimbrüder wie auch die Salafisten bereit wären, den Friedensvertrag mit Israel unangetastet zu lassen beruht auf allgemeinen Aussagen hochrangiger Vertreter beider Parteien. In jenen heißt es, dass Ägypten sich an die unterzeichneten internationalen Verträge zu halten habe.

· Bei genauerer Betrachtung der Positionen zeigen sich jedoch dezidiert andere Tendenzen. Beide suchen nach Möglichkeiten, die Camp David-Vereinbarungen auf eine Weise loszuwerden, die diplomatische wie wirtschaftliche Nachteile minimiert und Ägypten wieder in die vorderste Front jener einreiht, die Israel die Stirn bieten.

· Die Muslimbruderschaft hat dazu eine Reihe von Kriterien erarbeitet, mit denen internationale Verträge auf den Prüfstand gestellt werden können, einschließlich des Camp David-Abkommens. Dazu gehören die Erwägungen des islamischen Sharia-Rechts, die Haltung der ägyptischen Bevölkerung sowie die Frage, in wie weit sich Israel aus ägyptischer Perspektive an die Vereinbarungen hält.

· Es ist ein strategisches Ziel der ägyptischen Islamisten, Ägypten wieder zur führenden regionalen Kraft im diplomatischen wie militärischen Kampf gegen Israel zu machen. Dazu gehört die Infragestellung des Camp David-Abkommens und dessen Überprüfung durch das neue ägyptische Parlament, in dem die islamistischen Parteien dominieren, oder durch einen Volksentscheid, durch welchen die Verantwortung zukünftiger ägyptischer Regierungen bei einer Aufhebung des Friedensvertrages abgemildert werden würde.

· Diese Entwicklungen können jedoch von Seiten der Amerikaner und ihrer Alliierten verhindert werden, sollten sie sich entschließen, eine entschlossene Haltung gegen jede Initiative einzunehmen, die droht, den Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten zu untergraben. Dazu gehört auch, dass die politische Klasse Ägyptens sich der Konsequenzen einer solchen Aktion vollständig bewusst ist.

Die Hamas am Scheideweg – Aufstieg der Muslimbrüder

· Die Hamas beginnt, das sinkende Schiff des Assad-Regimes zu verlassen. Viele ihrer hochrangigen Kader haben sich bereits in Gaza niedergelassen. Gleichzeitig hat der Iran seine Hilfe eingeschränkt.

· So stellt sich nicht nur die Frage nach einem neuen Unterschlupf für den politischen Führer der Hamas Khaled Mashaal und seine Leute. Der Hamas wird auch ein politischer Preis abverlangt: sie muss den Terror reduzieren und sich von einer pro-iranischen wie pro-syrischen „Muqawama“-(Widerstands)-Bewegung in eine jener Muslimbrüderparteien verwandeln, wie sie gerade überall in der arabischen Welt dabei sind, die Kontrolle zu übernehmen.

· Die Hamasführung in Gaza bevorzugt dabei ihre Beziehungen nach Kairo, sind doch die Aussichten auf eine Dominanz der Muslimbruderschaft in Ägypten weit größer als anderswo und bietet die Nähe zu Gaza sich vielversprechend an für einen eventuellen Zusammenschluss der Kräfte im Kampf für die Errichtung des weltweiten Kalifats.

· Das Problem ist nur, dass weder das ägyptischen Militär noch die dortigen Muslimbrüder sie dabei als militante Bewegung dulden werden, die die heikle Sicherheitslage in Ägypten bedroht und damit das fragile Gleichgewicht, das die ägyptische Bruderschaft zusammen mit dem Militär in Kairo zu etablieren wünscht. Dabei ist die Frage nicht, dass die Bruderschaft der Hamas ihren Charakter als „Widerstandsbewegung“ nehmen möchte, ganz im Gegenteil. Nur soll sie diesen nicht von Kairo aus praktizieren.

· Was bleibt der Hamas also übrig? Ihren „Widerstand“ aufzugeben ist nicht möglich. „Widerstand“ nur von Gaza aus wäre denkbar, doch die Führung ist sich nicht sicher, ob sie einen weiteren israelischen Militärschlag von der Größenordnung der Operation von 2009 zu überleben in der Lage ist. Daher bestrebt sie, den „Widerstand“ in das Westjordanland zu verlagern – und genau dies geschieht soeben – doch dort steht ihr die israelische Armee gegenüber.