Das neue Programm der Hamas

Am 1. Mai 2017 präsentierte Khaled Mashal, Führer der Hamas, das neue politische Programm der Gruppe, mit dem allerdings die Hamas-Charter nicht aufgehoben wird, sondern auf die aktuelle politische Situation zugeschnittene Strategien vorgestellt werden. Analysiert man das Dokument im Kontext der Politik der Hamas der vergangenen Jahre so wird deutlich, dass das wesentliche Ziel der Veröffentlichung die Demonstration einer ausgewiesenen politischen Flexibilität sein soll, die einen Dialog mit dem Westen, internationalen Institutionen und den Vereinten Nationen herbeizuführen wünscht. Der gegenwärtig als Terrororganisation eingestuften Hamas würde so Anerkennung als legitimer politischer Akteur verliehen. Hochrangige Hamas-Vertreter versuchen so innerhalb der internationalen Gemeinschaft den Eindruck zu erwecken, dass die Zeit für die Palästinenser arbeitet und ein Bündnis mit Israel sich langfristig nicht rentieren wird.

Der Islamische Staat als heimliches Vorbild

Der Islamische Staat stellt die regionalen Akteure vor eine gewaltige Herausforderung. Nicht nur wird eine islamische Vision im Irak und Syrien realisiert, der in der Tradition eine besondere Bedeutung zukommt. Dem Islamischen Staat gelingt es zudem, seine Herrschaft auszubauen, den Vereinigten Staaten und dem Westen furchtlos die Stirn zu bieten, tausende Muslime aus aller Welt anzuziehen und Millionen mehr zu inspirieren. Die führenden islamischen Organisationen – die von Scheich Yusuf al-Qaradawi geführte Internationale Union Muslimischer Gelehrter, die Muslimbruderschaft und Hizb ut-Tahrir – haben den Aufuf des "Kalifen" Baghdadi zur Gefolgschaft aller Muslime abgelehnt. Ihrer Meinung nach stimmen die Bedingungen, unter denen das Kalifat errichtet wurde, nicht mit den vom Islam geforderten überein, so dass es als unwirksam zu gelten habe. Gleichzeitig lehnen es diese Gruppen vehement ab, dass die Vereinigten Staaten sowie die internationale und arabische Koalition militärisch gegen den IS vorgehen. Die ambivalente Haltung dieser Organisationen zum IS liegt in der deutlichen Herausforderung begründet, die das Kalifat für sie darstellt. Einerseits können sie dem Kalifen keine Gefolgschaft schwören, da es eine vollständige Unterwerfung unter die Herrschaft des IS bedeuten würde mit allem, was dazu gehört. Andererseits wollen sie natürlich das Kalifat gegen die internationale und arabische Koalition verteidigen, selbst wenn sie sich darüber im Klaren sind, dass ein Erstarken des IS den Sturz existierender arabischer Regime und eine Annexion zusätzlicher Staaten durch Baghdadis Truppen bedeuten könnte. Die Hamas ist gegenwärtig dem temporären Waffenstillstand in Gaza verpflichtet. Diese Zeit reduzierter Terrorgefahr aus Gaza hat, auch wenn sie nur eine Vorbereitung für die nächste Runde sein dürfte, ein Vakuum hinterlassen. Der IS hat dieses Vakuum mit dschihadistischen Erfolgsmeldungen vom Schlachtfeld gefüllt, indem er den Westen ohne Unterlass bekämpft, islamisches Recht durchsetzt und verspricht, Palästina zu befreien, sobald die arabische "Verräterregime" in Saudi Arabien und Jordanien gestürzt sind.

Angesichts dieser Herausforderung, die die Unterstützung der Hamas zu untergraben droht und bereits jetzt dazu geführt hat, das Hamas-Aktivisten die Organisation verlassen haben, um sich dem IS anzuschließen, versucht die Hamas eine neue Front gegen Israel im Westjordanland und Jerusalem zu eröffnen oder doch zumindest die Welle des "privaten Dschihad" auszunutzen, die so viele bereits mitgerissen hat. Dieser Ansatz deckt sich mit dem strategischen Ziel der Hamas, die Herrschaft der Autonomiebehörde im Westjordanland zu überwinden, die palästinensische Regierungsgewalt an sich zu reißen und das Westjordanland zur Ausgangsbasis für den nächsten Terrorkrieg gegen Israel zu nutzen – dann von einer weit besseren Position als gegenwärtig in Gaza.

Auf diese Weise hat die Hamas die Terrormethoden des IS übernommen, ohne die Quelle zu nennen. Je mehr sich der stillschweigende Konkurrenzkampf mit dem IS an der palästinensischen Basis verschärft, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Hamas auf diese Methoden zurückgreifen wird. Auf diese Weise – und dadurch, dass sie wiederholt eine "dritte Intifada" beschwört – will die Hamas als ausdauernde dschihadistische Widerstandskraft gegen Israel gesehen werden.

Obamas Richtungswechsel und die westliche Strategie in der Syrienfrage

• Das syrische Regime ist weit schwächer als den meisten Beobachtern bewusst ist. In allen Regionen gelingt es den Rebellen, das Moment für sich zu gewinnen. Die desperate Situation des Regimes zeigt sich in seiner zunehmenden Abhängigkeit von irregulären und Freiwilligenverbänden aus dem Iran, dem Irak und dem Libanon.

• Sollten die Amerikaner eingreifen, dann wäre von den islamistischen Rebellen keine Dankbarkeit zu erwarten, die es als Versuch einer imperialen Macht wahrnehmen werden, ihre Eigeninteressen in der Region und als Beistand für Israel durchzusetzen. Sollten die Amerikaner dagegen nichts unternehmen, dann wird ihnen vorgeworfen werden, Völkermord gestattet und das Assad-Regime ermutigt zu haben.

• Ein begrenzter Militärschlag hätte sehr wohl seine Vorteile. Auf diese Weise wird das syrische Regime gezwungen, sich zu bewegen, doch auch die Rebellen erhalten Antrieb, den militärischen Druck zu erhöhen, ohne dass eine ausländische Intervention von Nöten ist.

• Die wirkliche Herausforderung für die Amerikaner besteht allerdings in der Frage ihrer Fähigkeit, den Ausgang des Konfliktes so zu beeinflussen, dass am Ende Assad durch eine verantwortliche Führung ersetzt wird, die das Chaos ebenso zu verhindern vermag wie die Übernahme des Chemiewaffenarsenals durch Terrororganisationen.

Abbas: Zurück zur politischen Radikalität

· In seiner Rede zum Jahrestag der Gründung der Fatah vom 4. Januar präsentierte ihr Führer Mahmoud Abbas, Vorsitzender von Palästinensischer Autonomiebehörde und PLO, eine radikale politische Doktrin. Die von Abbas vorgetragene Botschaft bringt seine politischen wie nationalen Visionen zum Ausdruck, die er dem palästinensischen Volk hinterlassen möchte.

· In seiner Rede vermeidet es Abbas, einen Kompromiss mit Israel zu erwähnen, der ein Ende des Konfliktes bedeuten könnte. Weder verweist er auf die Land-für-Frieden-Formel noch auf die Errichtung eines Palästinenserstaates neben Israel. Stattdessen entschied er sich zu bekräftigen, dass die Palästinenser den Weg des Kampfes fortsetzen sollten, um den „Traum von einer Rückkehr“ der palästinensischen Flüchtlinge und der Millionen Nachgeborenen zu verwirklichen.

· Abbas verpflichtete sich, diesen Weg des Kampfes weiter zu beschreiten, den andere Palästinenserführer vor ihm gegangen waren. Dabei erwähnte er den Mufti von Jerusalem, Hadsch Amin al-Husseini, der dazu eine strategische Partnerschaft mit Nazideutschland einging, sowie die Führer von palästinensischen Terrororganisationen, die direkt für die Ermordung Tausender israelischer Zivilisten verantwortlich waren. Diese Figuren sind gleichberechtigte wie angemessene Partner im palästinensischen Kampf und ihre ideologische Programmatik, selbst wenn sie terroristisch und/oder radikalislamisch ist, dient als Quelle der Inspiration für das palästinensische Volk.

· Zu Ehren der Gründung der Fatah hielt ihr militärischer Arm, die al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, Ende Dezember Paraden mit Dutzenden von mit Sturmgewehren Bewaffneten in Hebron, Bani Na’im und im Kalandia-Flüchtlingslager nördlich von Jerusalem ab.

· Wer auch immer glaubte, dass Abbas nach der Resolution der UN-Vollversammlung vom 29. November 2012, die die PLO-Beobachtermission in der UNO zu einem Beobachterstaat machte, nun einen gemäßigteren Kurs einschlagen würde, muss zweifelsohne von den Worten Abbas enttäuscht sein. Er bereitet die Palästinenser nicht darauf vor, Frieden zu schließen, sondern kehrt vielmehr zu einer Rhetorik zurück, die den Konflikt fortsetzt und sogar verschärft.

Syrien „am Tag danach“

· Für Syrien schlägt bald die Stunde der Wahrheit. Das Regime Bashar Assads steht in Rückzugsgefechten und hat über weite Teile des Landes die Kontrolle verloren. Der syrische Vizepräsident Farouq al-Shara gab am 17. Dezember in einem Interview mit der libanesischen Zeitung al-Akhbar zu, dass er nicht daran glaube, dass die syrische Armee diesen Kampf noch gewinnen könne.

· Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Assad-Regime darauf hofft, den Status Quo Ante mit Hilfe chemischer Waffen wiederherzustellen. Stattdessen scheint wahrscheinlich, dass es sich darum bemühen wird, den Großteil seiner loyalen Truppen und strategischen Waffen (einschließlich der chemischen) in die alawitischen Enklave im Westen des Landes zu verlegen, um dort in der zukünftigen syrischen Ordnung als Abschreckung gegen Racheakte und als politische Trumpfkarte der alawitischen Bevölkerung zu fungieren.

· Während die Vereinigten Staaten und andere westliche Länder den Syrischen Nationalrat als einzigen und exklusiven Repräsentanten des syrischen Volkes anerkannt haben, betrachten die Rebellen diese neue Führung als von außen aufoktroyiert und sind allenfalls vorübergehend bereit, sie als Akteur zu akzeptieren, dem es gelingt, die zum Sturz des Regimes nötige internationale Unterstützung zu generieren.

· Tatsächlich wird der syrische Aufstand von militärischen Verbindungen dominiert, die das Regime seit März 2011 bekämpfen. Die überwiegende Mehrheit dieser Gruppen treten für islamistische, dschihadistische oder salafistische Überzeugungen ein.

· Die umfassende Unterstützung der Rebellen für die al-Nusra-Front, einem Arm der al-Qaida, gegen den Willen der Vereinigten Staaten und des Westens deuten die zukünftige Ausrichtung der syrischen Revolution an, die bereit zu sein scheint, den Islamismus zur Grundlage einer das Assad-Regime ersetzenden Regierung zu machen.

· Nach dem Sturz des Assad-Regimes dürfte Israel mit aller Wahrscheinlichkeit für eine Übergangszeit eine militärisch-terroristische Gefahr erwachsen. Diese Phase dürfte durch eine Instabilität der Regierung und einem Mangel an Kontrolle einiger Kampfverbände durch die Zentralgewalt geprägt sein.

Die Kämpfe zwischen Israel und Hamas – langfristige Implikationen

· Die aktuelle Konfrontation zwischen Israel und der Hamas begann nicht mit dem Raketenhagel, sondern mit den verstärkten Terroraktivitäten entlang der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen. Die Strategie der Hamas hat sich in den vergangenen zwei Jahren gewandelt – sie geht davon aus, dass der „Islamische Frühling“ das Kräfteverhältnis zwischen der arabischen Welt und Israel verschoben hat.

· Ägypten wird nunmehr von der Muslimbruderschaft geführt, der Mutterbewegung der Hamas. Die neue islamistische Regierung Ägyptens betrachtet die Hamas als strategischen Partner im Kampf gegen Israel. Tatsächlich ist die Hamas nunmehr in der Lage, mittels des ägyptischen Regimes den Dialog mit den Vereinigten Staaten und Europa zu führen.

· Dank des „Islamischen Frühlings“, der die politische Karte des Nahen Ostens neu prägt, wird der gegenwärtigen Generation die Befreiung Palästinas „vom Fluss bis zum Meer“ als absolut realistisches Ziel geboten. Umgekehrt hat Israel aus der Perspektive der Hamas angesichts des wachsenden strategischen Drucks sein Gleichgewicht verloren, während die Türkei und Ägypten nunmehr im Wesentlichen zu bitteren Gegnern innerhalb eines neuen Nahen Ostens herangewachsen sind.

· Die Hamas sieht in jeder Runde des bewaffneten Kampfes gegen Israel nur eine weitere Stufe in einem langjährigen Zermürbungskrieg. Ihre Führer hoffen darauf, dass die immer schwereren und gewalttätigeren Ausbrüche schließlich Israels Widerstandskräfte aufbrauchen und die Massen zur Errichtung einer vereinten militärischen Front zur Befreiung Palästinas anstacheln werden.

· Trotz der erlittenen militärischen Schläge geht die Hamas gestärkt aus dieser Runde des Konfliktes hervor. In ihrem Raketenfeuer auf Tel Aviv und Jerusalem konnte sich die Hamas der Sympathien in der arabischen Welt sicher sein. Die Gaza zukommenden Finanzhilfen werden es ihr ermöglichen, ihre militärische Infrastruktur für die nächste Runde wieder aufzubauen.

Palästinenser bestehen auf Rückkehrrecht

· Das Gerücht, der Palästinenserführer Mahmoud Abbas hätte bei einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Channel 2 TV am 2. November 2012 anscheinend das „Rückkehrrecht“ der palästinensischen Flüchtlinge entsorgt, erweist sich bei näherer Betrachtung der von Abbas selbst gelieferten Klarstellungen als gegenstandslos. In ihnen hatte dieser das Rückkehrrecht als „heiliges Recht“ bezeichnet und seine absolute Verpflichtung gegenüber diesen grundsätzlichen palästinensischen Positionen bekräftigt.

· Die sich zwischen Israel und den Palästinensern auftuende Kluft hinsichtlich der Flüchtlingsfrage ist unüberbrückbar. Aus palästinensischer Perspektive handelt es sich um ein Tabu, das nicht in Frage gestellt werden darf. Die Formulierung „eine gerechte und im Einvernehmen getroffene Lösung auf Grundlage von Resolution 194“ deutet nicht auf eine mögliche palästinensische Kompromissbereitschaft hin, denn „im Einvernehmen“ heißt nichts anderes, als Israel dazu zu zwingen, die palästinensische Forderung von „Gerechtigkeit“ umzusetzen.

· Sowohl die PLO als auch die Palästinensische Autonomiebehörde – und ebenso die Hamas-Regierung im Gazastreifen – halten in der palästinensischen Gesellschaft die Idee lebendig, dass die Flüchtlinge zurückkehren könnten, womit sie jede Möglichkeit ausschließen, dass die Flüchtlinge außerhalb der Lager angesiedelt werden, und gleichzeitig die Rolle der UNRWA bewahren, die als praktisches Symbol der Forderung nach Rückkehr fungiert.

· Unter den Palästinensern herrscht Konsens darüber, dass man, solange das Rückkehrrecht nicht umgesetzt ist, den Konflikt mit Israel aufrechterhalten kann, was so viel bedeutet, dass eine Fortsetzung des bewaffneten Kampfes gegen den jüdischen Staat auch nach der Errichtung eines Palästinenserstaates gerechtfertigt wäre. Damit stellt das „Flüchtlingsproblem“ die Trumpfkarte der Palästinenser dar, mit der sie Israel immer wieder konfrontieren werden.

· Die scharfen Reaktionen von palästinensischer Seite gegenüber den Äußerungen Abbas‘ zeugen vom Unvermögen der Palästinenserführung, in der Flüchtlingsfrage Israel entgegen zu kommen, selbst wenn sie es wünschen würde.

Die Palästinensische Versöhnung – Übernimmt Hamas die PLO?

Ende Dezember 2011 wurden in Kairo die Grundlagen für einen historischen Wandel innerhalb der Palästinenserbewegung gelegt. Der Führer von PLO und Fatah und Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas ebnete den Weg für eine neue Partnerschaft mit der Hamas und dem Islamischen Dschihad für das Verwalten der Belange der Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen sowie ihre Repräsentation.

Dieses Abkommen zur Versöhnung und strategischen Partnerschaft kam auf einem Treffen zwischen Abbas und Hamas-Führer Khaled Mashaal am 22. Dezember in Kairo zustande. Zu seiner Umsetzung sind drei Schritte vorgesehen: 1. Eine umfassende nationale Versöhnung, 2. eine Reform der PLO sowie 3. eine Einigung über ein strat egisches Vorgehen in allen für die Palästinenser gravierenden Fragen. Der Pragmatismus der Hamas, der sich in ihrer Bereitschaft ausdrückt, die Autorität von Abbas als PA-Präsident und PLO-Chef anzuerkennen, deutet jedoch in keinster Weise auf einen strategischen Wandel in der Hamas-Politik oder eine Akzeptanz des PLO-Ansatzes hin – ganz sicher jedoch nicht im Hinblick auf die Interimsabkommen mit Israel und deren Ursprung im von Israel und Arafat im September 1993 unterzeichneten Schreiben zur wechselseitigen Anerkennung. Die PLO-Institutionen durch die offene Vordertür zu betreten ist für die Hamas das Trojanische Pferd, mit dem sie die oberste Stelle palästinensischer Autorität von innen erobern kann, einschließlich der internationalen Anerkennung und mehr. Die Hamas sieht darin den kürzesten und effizientesten Weg, um die Früchte des Islamischen Frühlings zu ernten, der den Konflikt zwischen Israel und den verschiedenen Regimen und Völkern des Nahen Ostens verschärft. Dies dürfte es der PA schwer machen, ohne breite innere wie arabische Unterstützung mit Israel zu verhandeln.
Aus israelischer Perspektive sind die nahöstlichen wie palästinensischen Entwicklungen bedenklich. Die Autonomiebehörde schmiedet eine strategische Allianz mit radikalen islamistischen Kräften, während der Westen zur gleichen Zeit ihrer Mutterorganisation – die Muslimbruderschaft – anerkennt und eine Politik verfolgt, die im Nahen Osten als Schwäche gesehen wird. Der Schachzug von Abbas garantiert seinem Regime Stabilität, doch dürfte er sich sehr wahrscheinlich als ein Absägen des Astes auf dem Abbas sitzt herausstellen, da er der Hamas ermöglicht, einen Brückenkopf zur Übernahme von PA- und PLO-Institutionen zu bauen. Dieses Szenario würde Israel nachhaltig vor große Herausforderung in der palästinensischen Frage stellen und trägt in sich ein hohes Potential für eine regionale Eskalation.

Ägyptens islamistische Parteien: Eine Gefahr für den Frieden mit Israel?

· Der gegenwärtig in den Medienberichten vorherrschende Optimismus darüber, dass die ägyptischen Muslimbrüder wie auch die Salafisten bereit wären, den Friedensvertrag mit Israel unangetastet zu lassen beruht auf allgemeinen Aussagen hochrangiger Vertreter beider Parteien. In jenen heißt es, dass Ägypten sich an die unterzeichneten internationalen Verträge zu halten habe.

· Bei genauerer Betrachtung der Positionen zeigen sich jedoch dezidiert andere Tendenzen. Beide suchen nach Möglichkeiten, die Camp David-Vereinbarungen auf eine Weise loszuwerden, die diplomatische wie wirtschaftliche Nachteile minimiert und Ägypten wieder in die vorderste Front jener einreiht, die Israel die Stirn bieten.

· Die Muslimbruderschaft hat dazu eine Reihe von Kriterien erarbeitet, mit denen internationale Verträge auf den Prüfstand gestellt werden können, einschließlich des Camp David-Abkommens. Dazu gehören die Erwägungen des islamischen Sharia-Rechts, die Haltung der ägyptischen Bevölkerung sowie die Frage, in wie weit sich Israel aus ägyptischer Perspektive an die Vereinbarungen hält.

· Es ist ein strategisches Ziel der ägyptischen Islamisten, Ägypten wieder zur führenden regionalen Kraft im diplomatischen wie militärischen Kampf gegen Israel zu machen. Dazu gehört die Infragestellung des Camp David-Abkommens und dessen Überprüfung durch das neue ägyptische Parlament, in dem die islamistischen Parteien dominieren, oder durch einen Volksentscheid, durch welchen die Verantwortung zukünftiger ägyptischer Regierungen bei einer Aufhebung des Friedensvertrages abgemildert werden würde.

· Diese Entwicklungen können jedoch von Seiten der Amerikaner und ihrer Alliierten verhindert werden, sollten sie sich entschließen, eine entschlossene Haltung gegen jede Initiative einzunehmen, die droht, den Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten zu untergraben. Dazu gehört auch, dass die politische Klasse Ägyptens sich der Konsequenzen einer solchen Aktion vollständig bewusst ist.

Machtkämpfe in der Hamas: Die wachsende Rolle der Gaza-Führung

Die jüngste offene Konfrontation zwischen Mahmoud al-Zahar, dem Hamas-Außenminister Gazas, und dem Chef des Hamas-Politbüros in Damaskus Khaled Mashaal verdeutlicht die sich unter der Oberfläche verschärfenden Spannungen zwischen den beiden Hamas-Führungen in Gaza und Syrien.

· Al-Zahar besteht darauf, dass der Gaza-Hamas mehr Einfluss bei der Entscheidungsfindung eingeräumt wird, während die Hamas im Ausland das Machtzentrum außerhalb Palästinas behalten möchte.

· Seit dem israelischen Abzug aus Gaza 2005, dem deutlichen Sieg der Hamas bei den Parlamentswahlen von 2006 und der militärischen Machtübernahme Gazas durch die Hamas im Juni 2007 konnte die Hamas-Regierung einen Zuwachs an politischer und ökonomischer Macht verzeichnen. Sie unterhält internationale Beziehungen und erhebt Importsteuern für Lieferungen aus Israel und Ägypten, was eine beträchtliche Einkommensquelle darstellt. Damit ist die Abhängigkeit von der Hamas-Führung im Ausland schwächer geworden.

· Zusätzlich hat die Festigung der Hamas-Regierung in Gaza, wo die wichtigsten Streitkräfte der Hamas – die al-Qassam-Brigaden – stationiert sind, das Machtgefüge innerhalb der Terrororganisation allmählich verschoben. Al-Zahar hat die Autorität Mashaals in der Führung der Bewegung damit herausgefordert, dass er sich für eine Verlagerung des Machtzentrums aus dem Ausland nach „Palästina“ aussprach. Einen ähnlichen Prozess machte die Fatah 1994 durch, als die Palästinensische Autonomiebehörde errichtet wurde, was dazu führte, dass schließlich ein Großteil der Führung in den Palästinensergebieten lebte.

· Mashaal hat bewusst darauf verzichtet, auf diese Herausforderung durch al-Zahar zu reagieren, vermutlich um den Eindruck zu vermeiden, jener sei ein ebenbürtiger Rivale im Machtkampf. Mashaals Hauptziel ist gegenwärtig, die Versöhnung mit der Fatah zu propagieren, um einen Beitritt der Hamas in die PLO vorzubereiten. Ziel ist, diese international einzig als repräsentativ für die Palästinenser geltende Organisation zu übernehmen.