Iranisch-Saudische Beziehungen vor dem Abgrund

Die Hinrichtung eines der wichtigsten Schiitenführer Saudi Arabiens Scheich Nimr Baqir al-Nimr, der die schiitische Protestwelle während des Arabischen Frühlings anführte, treibt die historischen Spannungen zwischen Teheran und Riad auf einen neuen Höhepunkt. In seinen Predigten hatte er das saudische Königshaus scharf kritisiert ("Befreit Palästina und nicht Bahrain") und seine Unterstützung für den Iran bekundet.(1) Diese Reden wurden zur Grundlage für das 2014 ausgesprochene Todesurteil, das zusammen mit 46 anderen, auf Terrorismusanschuldigungen beruhenden (vier davon galten Schiiten) Anfang Januar vollstreckt wurde. Die Hinrichtung führte zu Unruhen im Gouvernement Qatif im Osten des Königreichs.

Der Oberste Führer des Iran Khamenei verlor keine Zeit damit, die Drohung auszusprechen, dass diese Hinrichtung nicht ohne Konsequenzen bleiben werde. Der Iran hatte bereits zuvor einige Male vor der Vollstreckung gewarnt. Khamenei erklärte: "Zweifelsohne wird das Blut dieses unschuldigen Märtyrers seine Spuren hinterlassen. Saudische Politiker werden die Rache des Himmels spüren." (2) Die Worte Khameneis, der das Schweigen des Westen und der Menschenrechtsorganisationen anklagte, verbreiteten sich in sozialen Netzwerken in verschiedenen Sprachen. (3)

Khamenei attackierte die saudische Politik gegenüber den Schiiten Bahrains und des Jemen, zog eine Verbindung zwischen den Israel zugeschriebenen gezielten Tötungen Kuntars (Hisbollah) und Scheich Yassins (Hamas) mit der Hinrichtung al-Nimrs und beschwor, dass Erweckungs- und Widerstandsbewegungen nie durch Anschläge unterdrückt werden könnten. (4) Die iranischen Medien beeilten sich, Verurteilungen schiitischer Geistlicher und anderer aus der ganzen Welt zu veröffentlichen – aus dem Irak, aus Pakistan, aus dem Jemen (Ansar Allah), von der Hisbollah und der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP).

Ganz unmittelbar auf die Hinrichtung und die scharfe Verurteilung durch Khamenei stürmte ein iranischer Mob die saudische Botschaft in Teheran, zündete sie an, riss die Fahne des Königsreich herab und schändete sie. Saudi Arabien wiederum verkündete umgehend, dass es den diplomatischen Kontakt zum Iran abbrechen werde. Bahrain, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Sudan folgten sofort dem Beispiel Riads. Der Iran benannte ebenso schnell die Straße, in der sich die saudische Botschaft befindet, in Nimr Baqir al-Nimr Straße um.