Bei Angriff auf iranische Atomanlagen: Hisbollah droht mit Raketenbeschuss Israels

Bei Angriff auf iranische Atomanlagen: Hisbollah droht mit Raketenbeschuss Israels
 
Brigadegeneral a.D. Dr. Shimon Shapira
 
 
·          Die in Israel intensiv geführte öffentliche Debatte über einen möglichen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen hat den Iran wie auch die Hisbollah dazu gebracht, ihre Vergeltungsdrohungen zu verschärfen. Der militärische Berater des Obersten Führers Ali Khamenei General Yahya Rahim Safavi hat am 8. September angekündigt, dass die Hisbollah im Falle eines israelischen Angriffs zurückschlagen würde.
 
·          Einem Bericht der libanesischen Zeitung Al Joumhouria zufolge besuchte der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Iran Saeed Jalali im August den Libanon und gab der Hisbollah grünes Licht für den unmittelbaren Einsatz militärischer Gewalt gegen Israel für den Fall eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen.
 
·          Im September 2012 gestand der Kommandeur der Iranischen Revolutionsgarden General Mohammed Ali Jaafari auf einer Pressekonferenz in Teheran, dass einige seiner Kräfte in Syrien und im Libanon im Einsatz wären. Jaafaris anscheinend ehrliche Äußerungen geschahen in einem Moment der Unaufmerksamkeit und geben den tatsächlichen operationellen Stand der Dinge wieder.
 
·          Am 17. August erklärte der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah: „Ein israelischer Angriff gibt dem Iran die Möglichkeit Israel zu zerstören, wovon er seit 32 Jahren träumt. […] Unsere Raketen sind bereit und haben ihre Ziele im Visier […] und wir werden nicht darauf warten, dass dies noch irgendjemand absegnet.“
 
·          Die Bestätigung, dass Nasrallah grünes Licht für einen unmittelbaren Angriff auf strategische Ziele in Israel erhalten hat, widerspricht seinen vorherigen Aussagen, dass im Falle eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen die Hisbollah sich versammeln, darüber beraten und entscheiden würde, wie sie zu reagieren habe. Derartige Äußerungen haben in der Vergangenheit zu jener Fehleinschätzung geführt, die Hisbollah träfe ihre Entscheidungen unabhängig und richte sich nicht automatisch nach Teherans Befehlen.
 
 
Iran: Die Hisbollah reagiert für uns
 
Die in Israel intensiv geführte öffentliche Debatte über einen möglichen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen hat den Iran wie auch die Hisbollah dazu gebracht, ihre Vergeltungsdrohungen zu verschärfen. Der Hisbollah kommt die zentrale Rolle in der iranischen Abschreckungs- und Angriffsstrategie gegen Israel zu. Sie gilt dem Iran als erste Verteidigungslinie in der räumlichen Dimension seines Konfliktes mit Israel. Dies wird von hochrangigen iranischen Vertretern öffentlich verlautbart und von Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah bestätigt.
 
 
So hat der militärische Berater des Irans Obersten Führers Ali Khamenei, General Yahya Rahim Safavi am 8. September klargestellt, dass die Hisbollah im Falle eines israelischen Angriffs zurückschlagen würde: „Sollte das zionistische Regime irgendetwas gegen uns unternehmen, dann werden die Gruppen des Widerstands – allen voran die libanesische Hisbollah – als unsere strategische Tiefe dienen und dem Regime eine entsprechende Antwort geben.“[1] Zusätzlich erklärte am selben Tag der stellvertretende Kommandeur der Revolutionsgarden General Hossein Salami, dass im Falle eines israelischen Angriffs auf den Iran „wir […] den Krieg an die Grenzen des Gegners tragen werden.“[2]
 
Der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Iran Saeed Jalali besuchte am 6. August den Libanon, wo er dem Grab des ehemaligen Militärkommandeurs der Hizbollah Imad Mughniyeh[3] einen Besuch abstattete und sich mit Nasrallah traf. Einem Bericht der libanesischen Zeitung Al Joumhouria vom 28. August zufolge gab Jalali der Hisbollah grünes Licht für den unmittelbaren Einsatz militärischer Gewalt gegen Israel für den Fall eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen.[4]
 
Militärische Vorbereitungen der Hisbollah
 
Das Treffen fand am Ende einer Militärübung der Hisbollah statt, die als die größte in ihrer Geschichte bezeichnet wurde. Zehntausend Hisbollahkämpfer einschließlich der „Spezialkräfte“ sowie neue Rekruten im Alter von 16-20 Jahren, die 2006 nicht an dem Krieg gegen Israel beteiligt waren, nahmen an dem dreitägigen Manöver teil, bei dem Verteidigungs- und Angriffsformationen geübt wurden, wozu auch eine simulierte Eroberung von Nordisrael gehörte. Al Joumhouria zufolge, die auch in der Vergangenheit über ähnliche Übungen der Hisbollah berichtet hatte,[5] übersah Nasrallah zusammen mit Offizieren der Iranischen Revolutionsgarden Teile des Manövers. Desweiteren hieß es, dass die Hisbollah damit begonnen hätte, die Einwohner des Südlibanon auf die Möglichkeit eines Krieges vorzubereiten, u.a. durch die Entrümpelung von Schutzkellern in den Dörfern Maroun al-Ras und Aita al-Shaab sowie der Stadt Bint Jbeil.[6]
 
Berichten zufolge hat die Hisbollah unter Aufsicht von iranischen Experten und in Berücksichtigung der Lehren aus dem Zweiten Libanonkrieg eine neue Reihe von Tunneln im Gebiet südlich des Litani-Flusses fertiggestellt. Die Tunnel sind mit fortschrittlichen Kommunikationsanlagen, Stromversorgung, Belüftung, Wasser, Küche und Toiletten ausgestattet, um Kämpfern einen längeren Verbleib im Untergrund zu ermöglichen. Ähnliche Tunnel werden auch aus Wadi al-Shara im Hermel-Gebiet nahe der syrischen Grenze gemeldet. Diese Tunnel sind v.a. aufgrund des darin Versteckten – in aller Wahrscheinlichkeit Raketen – von strategischer Bedeutung.[7]
 
Revolutionsgarden in Syrien und Libanon im Einsatz
 
Im September 2012 kam es zu einer heftigen Kontroverse über die Präsenz der Iranischen Revolutionsgarden in der Region. Ihr Kommandeur General Mohammed Ali Jaafari gab auf einer Pressekonferenz in Teheran zu, dass einige seiner Kräfte in Syrien und im Libanon im Einsatz wären. Seine Äußerungen wurden von den iranischen Behörden und dem iranischen Botschafter in Beirut sofort dementiert. Letzterer wurde zu einer Dringlichkeitssitzung mit dem libanesischen Präsidenten gerufen, um die Äußerungen Jaafaris zu erklären.[8]
 
Der Iran unterstützt die Hisbollah tatsächlich auf militärischer Ebene, wozu Training und Instruktionen der Milizkräfte ebenso gehören wie das Verstecken und der Einsatz des Hisbollah-Waffenarsenals. Angehörige der Revolutionsgarden sind auf den Trainingsbasen der Hisbollah stationiert und an den aktuellen militärischen Aktivitäten beteiligt. Eine ganze Reihe von iranischen Agenten und Emissäre, die nicht selten miteinander konkurrieren, sind ebenfalls im Libanon aktiv. Einige kommen von den iranischen Ministerien für Kultur und Islamische Führung sowie Bildung, andere operieren im Rahmen von Wirtschaftshilfe und wieder andere sind vom iranischen Geheimdienstministerium geschickt worden, um Informationen zu sammeln und die Infrastruktur des Terrorismus im Nahen Osten, in Europa und Südamerika vorzubereiten.
 
Jaafaris Äußerungen scheinen ehrlich und in einem Moment der Unaufmerksamkeit getätigt worden zu sein und geben den tatsächlichen operationellen Stand der Dinge wieder. Sie kamen für den Iran allerdings zu einem ungünstigen Zeitpunkt – sieht sich jener doch wegen seiner Unterstützung des syrischen Regimes einer internationalen Kampagne und Sanktionen ausgesetzt. Entsprechen wurden die Worte Jaafaris umgehend dementiert.
 
Nasrallah: Zum Angriff bereit
 
Am 17. August wurde vom Iran, der Hisbollah und all ihren Unterstützern in der Welt der sogenannte jährliche Al-Quds(Jerusalem)-Tag als Zeichen der Identifikation mit den Palästinensern begangen. Im Libanon hielt Nasrallah die Hauptrede. In ihr skizzierte er die Militärpläne des Iran für den Fall eines israelischen Angriffs auf seine Nuklearanlagen. Und er drohte damit, dass dies zehntausende Tote auf Israels Seite zur Folge hätte und nicht nur, wie israelische Behörden schätzen, drei- bis fünfhundert:
 
„Der Iran wird mit Macht und ohne zu zögern zurückschlagen. Ein israelischer Angriff gibt dem Iran die Möglichkeit Israel zu zerstören, wovon er seit 32 Jahren träumt. Die Hisbollah kann Israel nicht zerstören, aber das Leben von Millionen Israelis in eine Hölle verwandeln. Wir haben eine Reihe von Zielen, die nicht groß sind, doch mit einer kleinen Zahl von hochpräzisen Raketen beschossen werden können. Diese Raketen sind in unserer Hand und sie werden das Leben der Israelis zur Hölle machen. Wir kennen die Ziele und unsere Raketen sind bereit und haben ihre Ziele im Visier; und wir werden nicht darauf warten, dass dies noch irgendjemand absegnet.“
 
Damit deutete Nasrallah an, dass für einen Angriff bereits grünes Licht gegeben wurde.[9]
 
In einem Interview mit einem ihm freundlich gesinnten Journalisten gab Nasrallah am 4. September bekannt:
 
„Die Israelis versuchen immer, die Abschussrampen der Raketen beim ersten Angriff zu zerstören. Ich würde ihnen raten, sich nicht auf diesen ersten Schlag zu verlassen, denn selbst wenn auch nur eine kleine Zahl der Raketen den Angriff überleben würde, wären wir in der Lage, das Leben der Israelis zur Hölle zu machen. Wir haben nicht nur militärische Ziele im Visier. Wir werden jeden israelischen Angriff mit Gleichem vergelten. Wenn Israel davon redet, den Libanon zu zerstören, dann sage ich, dass wir alles in dem zionistischen Gebilde zerstören werden. Israel hat viele Schwachpunkte in seiner Wirtschaft, in seiner Industrie, Elektrizität und in seinen Atomanlagen. Greift also Israel an, ohne Rücksicht auf internationale Beschränkungen, dann kennen wir auch keine Beschränkungen in unserer Antwort. Die Raketen der Hisbollah können jedes Ziel in Israel erreichen. Und ich sage den Israelis, dass wir ihr Stromnetz treffen und damit enormen Schaden verursachen können.“
 
Nasrallah bestritt dabei, dass die Hisbollah Chemiewaffen benötige. Jene seien aus religiösen Gründen verboten.[10]
 
Im Sommer 2012 ließ sich Nasrallah in einer Rede zum sechsten Jahrestag des Zweiten Libanonkrieges zu einer überraschenden und verblüffenden „Offenbarung“ hinreißen. Er sagte, dass Israel in einer Operation namens „Quantitatives Gewicht“ in der ersten Stunde des Krieges damit gescheitert sei, die Langstreckenraketen der Hisbollah zu zerstören. Er behauptete, dass der Geheimdienst der Hisbollah die nachrichtendienstlichen Aktivitäten Israels aufgedeckt hätte, die bestrebt waren, den genauen Aufbewahrungsort der Raketen zu bestimmen. Die Raketen seien jedoch verlagert worden, ohne dass Israel den neuen Ort kenne. Folglich seien die Raketen bereits weg gewesen als Israel die vermeintlichen Stellen bombardierte.
 
„Wir wissen, dass Israel Informationen über uns sammelt und den Angriff auf uns plant. Doch wir werden euch in eurem ersten Angriff überraschen. Wir können Israel eine große Überraschung versprechen. Und ich möchte, dass die Menschen an die [militärischen] Fähigkeiten der Hisbollah glauben. Wir haben 2000 gewonnen [beim israelischen Rückzug aus dem Libanon] und 2006 [im Zweiten Libanonkrieg] und wir werden in jedem Krieg mit Israel noch größere Siege davon tragen.“[11]
 
Es scheint, dass die Verschärfung der Rhetorik von Seiten des Iran und der Hisbollah, massiv zurückzuschlagen, bei gleichzeitiger Benennung strategischer Ziele in Israel wie z.B. den Nuklearanlagen und das Stromnetz und bei der „Offenbarung“ Israels militärischer Schwäche zu Beginn des Krieges 2006 und der Verweis auf „Überraschungen“ für Israel eher Zeichen einer Sache sind – wachsende Angst vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff Israels.
 
Je intensiver der israelische Diskurs über die iranische Atomfrage, desto schärfer die Drohungen des Iran und der Hisbollah. Beide sehen sich als Teil eines israelischen Kriegsplans, demzufolge Israel beide zur gleichen Zeit angreifen wird. Daher die Bestätigung, dass Nasrallah grünes Licht für einen unmittelbaren Angriff auf strategische Ziele in Israel erhalten habe.
 
Dies widerspricht seinen vorherigen Aussagen, dass im Falle eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen die Hisbollah sich versammeln, darüber beraten und entscheiden würde, wie sie zu reagieren habe. Derartige Äußerungen haben in der Vergangenheit zu jener Fehleinschätzung geführt, dass die Hisbollah eine Bewegung sei, die ihre Entscheidungen unabhängig träfe und sich nicht automatisch nach Teherans Befehlen richte.
 
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[1] “Hezbollah Will Respond to Any Attack on Iran, Says Army Commander,” NOW Lebanon, 9. September 2012.
[2] Ibid.
[3] Al Intiqad, 6. August 2012.
[4] Al Joumhouria, 28. August 2012.
[5] Shimon Shapira, “Hizbullah Discusses Its Operational Plan for War with Israel,” Jerusalem Issue Brief, v. 11, no. 18, 2. November 2011, Jerusalem Center for Public Affairs.
[6] Al Joumhouria, 28. August 2012.
[7] Al Joumhouria, 2. Juli 2012.
[8] Ana Maria Luca, “The Iranian Consultants,” NOW Lebanon, 22. September 2012.
[9] Radio Nor, August 17, 2012.
[10] www.english.maqwema.org , 4. September 2012.
[11] NOW Lebanon, 18. Juli 2012.