Syrien „am Tag danach“

· Für Syrien schlägt bald die Stunde der Wahrheit. Das Regime Bashar Assads steht in Rückzugsgefechten und hat über weite Teile des Landes die Kontrolle verloren. Der syrische Vizepräsident Farouq al-Shara gab am 17. Dezember in einem Interview mit der libanesischen Zeitung al-Akhbar zu, dass er nicht daran glaube, dass die syrische Armee diesen Kampf noch gewinnen könne.

· Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Assad-Regime darauf hofft, den Status Quo Ante mit Hilfe chemischer Waffen wiederherzustellen. Stattdessen scheint wahrscheinlich, dass es sich darum bemühen wird, den Großteil seiner loyalen Truppen und strategischen Waffen (einschließlich der chemischen) in die alawitischen Enklave im Westen des Landes zu verlegen, um dort in der zukünftigen syrischen Ordnung als Abschreckung gegen Racheakte und als politische Trumpfkarte der alawitischen Bevölkerung zu fungieren.

· Während die Vereinigten Staaten und andere westliche Länder den Syrischen Nationalrat als einzigen und exklusiven Repräsentanten des syrischen Volkes anerkannt haben, betrachten die Rebellen diese neue Führung als von außen aufoktroyiert und sind allenfalls vorübergehend bereit, sie als Akteur zu akzeptieren, dem es gelingt, die zum Sturz des Regimes nötige internationale Unterstützung zu generieren.

· Tatsächlich wird der syrische Aufstand von militärischen Verbindungen dominiert, die das Regime seit März 2011 bekämpfen. Die überwiegende Mehrheit dieser Gruppen treten für islamistische, dschihadistische oder salafistische Überzeugungen ein.

· Die umfassende Unterstützung der Rebellen für die al-Nusra-Front, einem Arm der al-Qaida, gegen den Willen der Vereinigten Staaten und des Westens deuten die zukünftige Ausrichtung der syrischen Revolution an, die bereit zu sein scheint, den Islamismus zur Grundlage einer das Assad-Regime ersetzenden Regierung zu machen.

· Nach dem Sturz des Assad-Regimes dürfte Israel mit aller Wahrscheinlichkeit für eine Übergangszeit eine militärisch-terroristische Gefahr erwachsen. Diese Phase dürfte durch eine Instabilität der Regierung und einem Mangel an Kontrolle einiger Kampfverbände durch die Zentralgewalt geprägt sein.

Anmerkungen zum neuen UN-Status der Palästinenser

Die Resolution der UN-Vollversammlung zur Aufwertung des palästinensischen Status hat weder einen Palästinenserstaat geschaffen noch den Palästinensern zu irgendeiner Form von Staatlichkeit verholfen. Resolutionen der Vollversammlung wie die vorliegende können das Völkerrecht und seine Praxis weder bestimmen noch diktieren.

· Die Gebiete des Westjordanlands wurden durch keinerlei rechtlich verbindliches Dokument oder Abkommen je zu souveränen palästinensischen Gebieten gemacht. Sowohl Israel als auch die Palästinenser erheben Anspruch auf umstrittene Gebiete.

· Durch die Aufwertung wurde weder der Status von Israel noch der der Gebiete in irgendeiner Form verändert. Damit ist auch die jüngste Behauptung der Palästinenserführung widerlegt, nach der Israel über Nacht zu einem Besetzer souveränen palästinensischen Territoriums geworden wäre.

· Keine der zwischen Israel und den Palästinensern unterzeichneten Vereinbarungen enthalten irgendeine Begrenzung der Baumaßnahmen auf dem ihrer jeweiligen Jurisdiktion unterstehenden Gebiet. Der Versuch der Palästinenserführung, die Siedlungsfrage zu isolieren und zur Vorbedingung für weitere Verhandlungen zu machen, verringert die Aussicht auf eine Rückkehr zu nachhaltigen Vereinbarungen.

· Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) ist nicht dazu verpflichtet, den Empfehlungen der UN-Vollversammlung zu folgen. Bislang hat der ICC vermieden, den Charakter unabhängiger Gerichtsbarkeit politisieren oder anderweitig kompromittieren zu lassen.

· Die vergeblichen Versuche, Israel und seine Politiker durch Anklagen zu kriminalisieren zeugen nicht vom Willen der Palästinenser, eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens zu schaffen, die notwendig wäre, um echte und aufrichtige Verhandlungen wieder aufzunehmen.

Die Kämpfe zwischen Israel und Hamas – langfristige Implikationen

· Die aktuelle Konfrontation zwischen Israel und der Hamas begann nicht mit dem Raketenhagel, sondern mit den verstärkten Terroraktivitäten entlang der Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen. Die Strategie der Hamas hat sich in den vergangenen zwei Jahren gewandelt – sie geht davon aus, dass der „Islamische Frühling“ das Kräfteverhältnis zwischen der arabischen Welt und Israel verschoben hat.

· Ägypten wird nunmehr von der Muslimbruderschaft geführt, der Mutterbewegung der Hamas. Die neue islamistische Regierung Ägyptens betrachtet die Hamas als strategischen Partner im Kampf gegen Israel. Tatsächlich ist die Hamas nunmehr in der Lage, mittels des ägyptischen Regimes den Dialog mit den Vereinigten Staaten und Europa zu führen.

· Dank des „Islamischen Frühlings“, der die politische Karte des Nahen Ostens neu prägt, wird der gegenwärtigen Generation die Befreiung Palästinas „vom Fluss bis zum Meer“ als absolut realistisches Ziel geboten. Umgekehrt hat Israel aus der Perspektive der Hamas angesichts des wachsenden strategischen Drucks sein Gleichgewicht verloren, während die Türkei und Ägypten nunmehr im Wesentlichen zu bitteren Gegnern innerhalb eines neuen Nahen Ostens herangewachsen sind.

· Die Hamas sieht in jeder Runde des bewaffneten Kampfes gegen Israel nur eine weitere Stufe in einem langjährigen Zermürbungskrieg. Ihre Führer hoffen darauf, dass die immer schwereren und gewalttätigeren Ausbrüche schließlich Israels Widerstandskräfte aufbrauchen und die Massen zur Errichtung einer vereinten militärischen Front zur Befreiung Palästinas anstacheln werden.

· Trotz der erlittenen militärischen Schläge geht die Hamas gestärkt aus dieser Runde des Konfliktes hervor. In ihrem Raketenfeuer auf Tel Aviv und Jerusalem konnte sich die Hamas der Sympathien in der arabischen Welt sicher sein. Die Gaza zukommenden Finanzhilfen werden es ihr ermöglichen, ihre militärische Infrastruktur für die nächste Runde wieder aufzubauen.