Der sechste Kongress der Fatah, der nach zwanzig Jahren erstmalig wieder zusammentritt, dürfte v.a. nach zwei Gesichtspunkten beurteilt werden: seinen Beschlüssen und die Zusammensetzung der neuen Fatah-Führung. An dieser Stelle sollen die zu erwartenden Entscheidungen untersucht werden, während eine Einschätzung der neuen Führung zukünftigen Analysen vorbehalten bleibt.
Das internationale Interesse an dem Fatah-Kongress ist hoch, da ein Großteil der internationalen Gemeinschaft das Palästinenserproblem als Schlüssel für die ganze Breite der nahöstlichen Konflikte betrachtet. Viele Beobachter interessiert, inwieweit der Kongress die Aussichten für eine Neuaufnahme des Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern, oder gar für den Beginn eines regionalen Friedenprozesses auf Basis der bilateralen israelisch-palästinensischen Verständigung voranbringen oder zurückwerfen wird.
In dieser Hinsicht ist die entscheidende Frage, ob die Fatah ihr historisches Prinzip des „bewaffneten Kampfes“ – Muqawama – aufgeben und sich zu auf Kompromissen basierenden Friedensverhandlungen bereit erklären wird, so wie es von der vergangenen Kadima-Regierung Israels und den palästinensischen Unterhändlern, geführt vom Palästinenserführer Mahmoud Abbas und dem ehemaligen PA-Premier Abu Ala, ausgiebig diskutiert wurde. Die beiden relevanten Papiere, die von dem Fatah-Kongress diskutiert und gebilligt werden müssen, sind das politische Programm und die „Interne Order“.Das Politische Programm könnte von vielen so betrachtet werden, als würde es einen Fortschritt hinsichtlich der Akzeptanz einer politischen Lösung und der Ablehnung von Gewalt widerspiegeln – auch wenn es nicht so weit geht, das Prinzip des „bewaffneten Kampfes“ aufzuheben. Das Papier bekennt sich zur Arabischen Friedensinitiative, spricht mit vage bleibenden Formulierungen vom „Rückkehrrecht“ – „basierend auf der UN-Resolution 181“ nicht jedoch in Erfüllung dieser Resolution und bietet eine „Intifada der Steine“ (die erste Intifada) als das dem militärischen Kampf zu bevorzugende Modell an.
Die Fatah bleibt in der "Internen Order" jedoch beim bewaffneten Kampf als Strategie zur Befreiung ganz Palästinas und zur Vernichtung Israels. Im Artikel 12 wird aufgerufen zur „vollständigen Befreiung Palästinas und zur Vernichtung des zionistischen Besatzungsstaates ökonomisch, politisch, militärisch und kulturell.“ (Tatsächlich ist eine der im Politischen Programm für eine „friedliche Intifada“ vorgeschlagenen Methoden ein wirtschaftlicher Boykott Israels).
Artikel 13 fordert „die Errichtung eines souveränen demokratischen Palästinenserstaates auf dem Gebieten des ganzen Palästina, in dem die legitimen Rechte seiner Bürger auf Grundlage von Gerechtigkeit und Gleichheit ohne Diskriminierung von Rasse, Religion oder Glauben bewahrt werden, und dessen Hauptstadt Jerusalem ist.“ Während das Politische Programm eine „Ein-Staaten-Lösung“ nur für den Fall erwähnt, dass die „Zwei-Staaten-Lösung“ scheitert, betrachtet die „Interne Order“ erstere als einzige Lösung. Und Artikel 17 sagt: „Die bewaffnete Revolution des Volkes ist der einzige und unvermeidliche Weg zur Befreiung Palästinas.“
Schließlich stellt Artikel 19 fest: „Der bewaffnete Kampf ist eine Strategie und nicht nur eine Taktik. Eine bewaffnete Revolution des arabisch-palästinensischen Volkes ist der entscheidende Faktor in einem Befreiungskrieg und für die Vernichtung der zionistischen Existenz. Dieser Kampf wird nicht ruhen, bis das zionistische Gebilde vernichtet und Palästina befreit ist.“