Irans Kampf um regionale Vorherrschaft – Vorwort

Die Veröffentlichung dieser überarbeiteten sowie neu betitelten Ausgabe der 2007 vom Jerusalem Center for Public Affairs erstmals unter dem Namen Iran, Hizbullah, Hamas and Global Jihad: A New Conflict Paradigm veröffentlichten Studie kommt in einem entscheidenden Moment. Seit der Erstausgabe kurz nach dem Zweiten Libanonkrieg haben regionale Ereignisse die These der Studie bestätigt: Nicht der israelisch-palästinensische Konflikt, sondern der iranische Einsatz terroristischer Handlanger im Kampf um regionale Vorherrschaft ist die primäre Ursache politischer Instabilität im Nahen Osten. Zusammen konzentrieren sich die Artikel dieser überarbeiteten Studie Iran’s Race for Regional Supremacy auf folgende, essentielle Frage:

Hat der Westen die Bedeutung des israelisch-palästinensischen Konfliktes übertrieben und gleichzeitig die neue iranische Rolle in der Region herabgespielt?

Diese neue Ausgabe bietet den notwendigen Kontext, um sich dieser Frage mit Bedacht zu nähern, ganz besonders im Rahmen der dramatischen Entwicklungen, welche seit der Veröffentlichung der Erstausgabe im Januar 2007 stattfanden.

Die globale Reichweite von Irans ballistischem Raketenprogramm

• Iran weiß, dass er einen Krieg gegen die Vereinigten Staaten nicht gewinnen kann. Offenes Ziel der iranischen Politik ist es, den USA und ihren Alliierten mit einem Abschreckungskrieg eines solchen Ausmaßes zu drohen, dass diese Option unakzeptabel wird. Aus dieser Perspektive investiert er geschickt in die Verstärkung von Abschreckung und Multiplikatoren von Kampfkraft, anstatt veraltete Ausrüstung zu ersetzen.
• Worin investiert Iran? In Präzisionsmunition, Antischiffsraketen, nukleare Waffen, ballistische Raketen und Raumfahrtmöglichkeiten. Die neue Shahab 3ER Rakete (basierend auf der nordkoreanischen No Dong) mit einer Reichweite von 2.,000 km, welche Ankara und Alexandria bedrohen kann, gibt dem Iran Druckmittel für den gesamten Nahen und Mittleren Osten.
• Iran hat achtzehn Raketen des mobilen Typs BM25 mit Abschussvorrichtung von Nordkorea erhalten, welche Ziele in Europa erreichen können. In der Vergangenheit wurden BM25 in zwei Modellen produziert: eines mit der Reichweite von 2.,500 km, das andere mit einer Reichweite von 3.,500 km.
• Gutründlich fundierten Berichten zufolge gelang es Iran, eine Reihe von strategischen Marschflugkörpern russischer Bauart vom Typ Kh-55 aus der Ukraine zu schmuggeln, vermutlich nicht mit der Absicht, sie einzusetzen, sondern um sie nachzubauen.
• 1998 kündigte Iran sein Raumfahrtprogram an. Eine Trägerrakete, welche eine Satelliten von 300 kg in den Orbit befördert, kann in eine Interkontinentalrakete umgebaut werden, welche mehr als 300 kg über Washington abwerfen könnte.
• Irans politische Führung strebt nach der Fähigkeit zur globalen Machtprojektion im Namen des Islam. Sie fordert die Anerkennung, dass der Islam 25% der Menschheit umfasse und somit seinen rechtmäßigen Platz in globalen Entscheidungsprozessen erhalte. Verlautbarungen dieser Art handeln nicht von Selbstverteidigung.

Verteidigungsfähige Grenzen – Problemstellung und Empfehlung (Synopsis)

Das Programm der israelischen Regierung, sich aus dem Gazastreifen zurückzuziehen, war in der Annahme verankert, dass Israel für diesen Schritt seitens der palästinensischen Autonomieregierung mit keinerlei Gegenleistung rechnen könne – dennoch beschloss Israel den Rückzug aus dem Gazastreifen, um mit den Vereinigten Staaten zu Übereinkommen über die Zukunft der politischen Verhandlungen zu gelangen.

Israel fordert sichere Grenzen

Betrachtet man Israels Grenzen von einem rein militärisch-professionellen Standpunkt, so geht hervor, dass ein Rückzug auf die Linien von 1967 Israel aus folgenden Gründen in eine schwierige Lage brächte:

• Israel wäre nicht länger imstande, sich gegen eine zukünftige konventionelle militärische Bedrohung zu verteidigen. Angesichts der aktuellen Lage im Nahen Osten kann niemand garantieren, dass sich eine solche Bedrohung nicht in Realität verwandelt.
• Israels Fähigkeit, im Fall eines Raketenangriffs die Zerstörung seiner nationalen Infrastrukturen zu verhindern, würde erheblich geschwächt und auch seine Zweitschlagkapazität würde sich beträchtlich verringern.
• Auf Grund dieser beiden Schwächen wächst die Wahrscheinlichkeit, dass Israels Feinde beschließen, ihre Möglichkeiten zu verwirklichen, und auf eine der beiden Arten oder in Kombination dieser beiden anzugreifen.
• Was den Terrorismus anbelangt: bei einer Konfrontation mit Steilfeuerartillerie – von Mörsergranaten bis zu Raketenfeuer – ist es unerlässlich, dass die Entfernung zwischen Israels künftigen Grenzen und seinen zentralen Infrastrukturen groß genug ist. Nur dann können solche Angriffe scheitern. Darüber hinaus ist eine jenseits des Zauns gelegene Sicherheitszone für jeden Sicherheitszaun ein notwendiges Element, wenn dieser wirksam vor Infiltrationen schützen soll.

Erklärungen zu UN-Sicherheitsratsresolution 242 zum Nahen Osten vom 22. November 1967

Seit über 30 Jahren bildet die UN Sicherheitsratsresolution 242 den maßgebenden Bezugspunkt der gesamten arabisch-israelischen Diplomatie. Jedes bedeutende arabisch- israelische Abkommen – vom 1979 abgeschlossenen ägyptisch-israelischen Friedensvertrag über die Abkommen von Oslo – beziehen sich auf Resolution 242. In ausschlaggebendem Maße definierte Resolution 242 zum ersten Mal die internationalen Erwartungen über das Ausmaß eines zukünftigen israelischen Rückzugs von Gebieten, die die israelische Armee im Sechs-Tage-Krieg von 1967 erobert hatte. Dieser Rückzug wurde mit dem zwischen den Parteien zu erreichenden Frieden gekoppelt. Resolution 242 bildet auch die Grundlage für Israels Recht auf verteidigungsfähige Grenzen.

Resolution 242

Resolution 242

Der Sicherheitsrat, als Ausdruck seiner ständigen Besorgnis über die ernste Lage im Nahen Osten, unter Betonung der Unzulässigkeit des Erwerbs von Territorium durch Krieg und der Notwendigkeit, für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu wirken, in dem jeder Staat in der Region in Sicherheit leben kann, unter Betonung ferner, daß alle Mitgliedsstaaten durch die Annahme der Charta der Vereinten Nationen die Verpflichtung eingegangen sind, in Übereinstimmung mit Artikel 2 der Charta zu handeln.

Militärisch-strategische Aspekte der Topographie des Westjordanlandes im Hinblick auf die Sicherheit des Staates Israel

Auf Grund seiner Lage und seiner Topographie hat das Westjordanland eine besonders wichtige Rolle in der nationalen Sicherheit Israels eingenommen, seitdem die israelische Armee es 1967 eroberte. Das Westjordanland stellt mit einer Fläche von 5500 km2 ein relativ kleines Gebiet dar. Es befindet sich jedoch in unmittelbarer Nähe der Küstenebene Israels, in der 70% der israelischen Bevölkerung und 80% der Produktionsstätten des Landes angesiedelt sind. Darüber hinaus bestehen die Gebiete von Judäa und Samarien hauptsächlich aus einer Hügelkette, die sich von Nord nach Süd erstreckt und die wichtigsten, in der Küstenebene gelegenen Infrastrukturen der Landes überragt – u.a. den internationalen Flughafen des Landes, Hi-Tech Industrieanlagen und die meisten Autobahnen und Schnellstraßen, die Haifa, Tel Aviv und Jerusalem miteinander verbinden. Das Regenwasser, das von dieser Hügelkette in die Grundwasserleitung im westlichen Samarien strömt, liefert 30% des Trinkwassers Israels.

Verteidigungsfähige Grenzen und Regionale Stabilität

Seit Israel im Sechs-Tage-Krieg von 1967 die West Bank vom jordanischen Königreich eroberte, befindet sich die internationale Gemeinschaft in einer paradoxen Situation. Einerseits wurde Israel dazu aufgerufen, seine Streitkräfte gegen einen Friedensvertrag mit seinen Nachbarn abzuziehen; andererseits besteht jedoch die Einsicht, dass eine Friedensregelung regionale Stabiltät in einem so leicht entflammbaren Nahen Osten gewährleisten muss. Diese miteinander konkurrierenden Ziele spiegeln sich in der einstimmigen Entscheidung des UN Sicherheitsrates von November 1967 in Resolution 242 wider, in der Israel aufgerufen wird, sich „von Territorien” zurückzuziehen, jedoch nicht von „allen Territorien”. Wie Präsident Johnson damals darstellte, bedeute eine Wiederherstellung des status quo ante eine Garantie für das Ausbrechen eines neuen Krieges. Daher rief der UN Sicherheitsrat, statt der Wiedereinrichtung der früheren Waffenstillstandslinien, von denen aus Israel angegriffen worden war, zur Errichtung von „sicheren und anerkannten Grenzen” auf.

Der Golan und die syrisch-israelischen Verhandlungen

· Die israelischen Unterhändler dürften in ihren Diskussionen mit den Syrern schnell auf drei Kernfragen stoßen, welche nicht so einfach gelöst werden können: die Einigung über den Grenzverlauf, Sicherheitsvereinbarungen und die syrisch-iranische Allianz.
· Unmittelbar vor dem Ausbruch des Yom-Kippur-Krieges brachte Syrien entlang der Grenze 1 400 Panzer gegen Israels 177 in Stellung – ein Kräfteverhältnis von 8 zu 1 für Syrien. Sollte Syrien sein beachtliches Raketenarsenal im Kriegsfall einsetzen, um israelische Reserven aufzuhalten, so wächst die Bedeutung des Golan für Israels Verteidigung, denn in dem Fall kann Israels kleinere, stehende Armee länger ohne Reserven standhalten.
· Als Israel einen Friedensvertrag mit Ägypten schloss, verpflichtete es sich zu einem vollständigen Rückzug hin zu internationalen Grenzen. In den fünfziger Jahren hatte Syrien Gebiete innerhalb der israelischen Grenzen erobert – die demilitarisierte Zone in al-Hamma, das Banias-Gebiet und den Küstenstreifen am Nordostufer des See Genezareth.
· Sollte Israel der syrischen Forderung nach einem Rückzug zu der Linie vom 4. Juni 1967 zustimmen, würde es nicht nur die syrische Aggression belohnen, sondern auch die Kontrolle von Israels größtem Süßwasser-Reservoir gefährden. Israel sollte mit Syrien nicht über eine Grenze verhandeln, welche entweder der vom 4. Juni 1967 oder der älteren internationalen Grenze entspricht, denn beide sind nicht verteidigungsfähig.
· In der Vergangenheit haben die Vereinigten Staaten Israel wiederholte diplomatische Zusagen gegeben, dass Israel sich nicht aus den Golan-Höhen zurückziehen müsse – angefangen bei dem Schreiben US-Präsident Fords an Premier Yitzhak Rabin vom 1. September 1975, über die Erneuerung der Versicherungen in der Madrid-Friedenskonferenz durch US-Außenminister James Baker bis zur erneuerten Verpflichtung von US-Außenminister Warren Christopher im September 1996.
· Selbst wenn Syrien nach vorheriger Absprache mit Teheran, Schritte zu einer anscheinenden Reduzierung der Bindung an Iran einleiten würde: die Aufgabe des Golan wäre irreversibel, politische Ausrichtungen von Staaten des Nahen Ostens sind hingegen notorisch unbeständig. Es wäre ein Kardinalfehler, würde Israel seine eigene Sicherheit dadurch gefährden, dass es einem Rückzug aus dem Golan zustimmt.