Der Gaza-Krieg von 2014 aus israelischer Perspektive: Ein Überblick

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Raketenbeschuss durch die Hamas aus dem dicht bevölkerten Gaza-City, 15. Juli 2014. Das israelische Kraftwerk in Ashkelon ist im Hintergrund sichtbar.  (AFP/Thomas Coex)


Der Gaza-Krieg von 2014 aus israelischer Perspektive: Ein Überblick

Hirsh Goodman


Die abgewendete Katastrophe

Der Gaza-Krieg von 2014 erwies sich als grundlegendes Ereignis in Israel, einen Moment, in dem eine potentielle Katastrophe abgewendet wurde als indirektes Resultat eines Krieges, den Israel nicht wünschte und zu beschränken suchte, nachdem die Feindseligkeiten ausgebrochen waren. Während der folgenden 50 Tage Krieg, die am 8. Juli einsetzten, lehnte die Hamas 11 internationale  Versuche, einen Waffenstillstand herbeizuführen, ab oder verletzte diesen. Währenddessen saßen ihre Führer sicher in Bunkeranlagen des Gazastreifens oder im Hauptquartier in Katar, gleichgültig gegenüber dem Leiden ihres Volkes.

Sieben Wochen später, am 26. August, willigte die Hamas schließlich ein, die Waffen schweigen zu lassen. Sie hatte nichts erreicht, vier ihrer Topkommandeure waren gefallen und auch der legendäre Kommandeur des militärischen Flügels des Hamas, Mohamed Deif, galt als getötet, wenngleich dies noch nicht bestätigt wurde.

Durch eine künstliche Verlängerung des Konfliktes und den Versuch, die in Gaza sitzenden internationalen Medien bzw. die Meinung der Weltöffentlichkeit so zu manipulieren, dass Israels militärische Reaktion als Kriegsverbrechen wahrgenommen würde, hatte die Hamas gehofft, dass die Welt Israel verurteilen und dazu zwingen würde, den Forderungen der Hamas nachzugeben. Zu diesen gehörten: offene Grenzen, ein Hafen und ein Flughafen. Dafür sollte der Krieg beendet werden. Das ganze wurde „Opferdoktrin“ genannt.(1)

Doch sie ging nicht auf. Israel hatte auf Grund seiner Erfahrungen im Kampf mit der Hamas 2008-9 und 2012 das Verhindern einer internationalen Verurteilung zum elementaren Teil der eigenen Verteidigungsdoktrin gemacht und war bereit, genau jene Art von Zermürbungskampf zu führen, von dem die Hamas ausgegangen war, dass ihn Israel vermeiden würde.

Durch die punktgenauen Luftschläge mit ihren – angesichts der Wohnblöcke im Herzen von Gaza-City, wo sich die Hamas-Kommandozentralen, Waffendepots und andere militärische Infrastruktur befanden – erstaunlich minimalen Kollateralschäden, machten die IDF klar, dass sie diesen Krieg führen und die Unterstützung ihrer wichtigsten Alliierten behalten konnten, und darüber hinaus sogar das still schweigende Einverständnis der gemäßigten arabischen Welt. Dass sie mit etwas anderem gerechnet hatte, erwies sich als große Fehleinschätzung der Hamas.



Während des Krieges lehnte die Hamas 11 Versuche, einen Waffenstillstand herbeizuführen, ab oder verletzte diesen. Währenddessen saßen ihre Führer sicher in Bunkeranlagen des Gazastreifens gleichgültig gegenüber dem Leiden ihres Volkes.




Das Gleiche galt für den Versuch, den Konflikt zu verlängern. Auf diese Weise hat sich die Hamas im Wesentlichen selbst eine Niederlage bereitet. Der Einmarsch Israels reichte zwar nur drei Kilometer weit, da die IDF Kampf in Gazas Bevölkerungszentren vermeiden wollten. Doch indem die Hamas es auf einen israelischen Einsatz von Bodentruppen ankommen ließ, verriet sie ihren viel heimtückischeren Plan. Sie hatte still und heimlich Vorkehrungen für Überraschungsangriffe auf Israel getroffen, die zum Massaker an zahllosen israelischen Zivilisten geführt und auf die zivile Infrastruktur Israels wie Kraftwerke und andere empfindliche Einrichtungen abgezielt hätten.

Im Herzen dieses Plans stand ein anspruchsvolles Netzwerk von Angriffstunneln, das unter der israelischen Grenze hindurch führte und für welches zig Millionen Dollar ausgegeben worden waren. In den Tunneln war genug Zement verbaut worden, das nach konservativen Schätzungen für zwei mehrgeschossigen Krankenhäuser, 20 Schulen, drei Hochhäuser und einige andere öffentliche Strukturen gereicht hätte.

Dass die Hamas Tunnel zum Schmuggel von Waffen und Gütern nach Gaza verwendet sowie für Verteidigungszwecke, war allgemein bekannt. Doch das während des Krieges entdeckte Tunnelsystem war von völlig neuer Qualität: Das Netzwerk verfügte über 32 Angriffstunnel mit verschiedensten Verzweigungen und Ausgängen in unterschiedlichen Baustadien. Vielen von ihnen sollten tief unter die Grenze bis nach Israel reichen und hätten ermöglicht, hunderte wenn nicht gar tausende von bewaffneten Terroristen auf Mission zum Massenmord ins israelische Kerngebiet zu schicken.

Mit Finanzhilfen wie der aus Katar, hatte die Hamas eine Infrastruktur für einen Überraschungsangriff aufgebaut. Zusätzlich zu dem Angriff durch die Tunnel wären tausende von Raketen wären auf israelische Wohngebiete nieder gegangen, von denen manche dreimal so hohe Bevölkerungsdichte aufweisen wie Gaza.(2)  Gleichzeitig wäre dieser Angriff durch Kampfschwimmer aus dem Meer begleitet gewesen und Terroristen, die mit Hilfe von Paraglidern strategische Ziele in Israel angegriffen hätten(3)  – soviel ist nunmehr aus der Aufrüstung der Hamas ersichtlich.

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Hamas-Terroristen sammeln sich in einem Untergrundtunnel in Gaza. 18. August 2014.
(Reuters/Mohammed Salem)


Hier arbeitete die Hamas an der Möglichkeit einer terroristischen Version des Yom-Kippur-Krieges von 1973. Damals hatten Ägypten und Syrien einen Überraschungsangriff auf die israelischen Truppen im Sinai und auf dem Golan gestartet. Heute wären jedoch die Städte Israels zu Schlachtfelder und die israelischen Zivilisten zu den Opfern des Krieges geworden. Es wäre kein Krieg gewesen, um Gebiete zurückzugewinnen, die man im letzten Krieg verloren hatte, sondern die  unauslöschliche Botschaft, dass die Hamas die Existenz Israels niemals hinnehmen würde.

Israel hatte die Bedrohung durch diese Tunnel unterschätzt und die Bedeutung der beiden 2013 entdeckten, ausgeklügelten Tunnel nicht vollständig verstanden, deren Ausgänge mehrere hundert Meter weit auf israelisches Gebiet hineinragten. Man war damals davon ausgegangen, dass die Hamas sie lediglich für lokale Terroranschläge gebrauchen wollte, wenn auch von etwas größerem Ausmaß als in der Vergangenheit. So dachte man, die Hamas habe lediglich vor, Geiseln zu nehmen, um sie nach Gaza zu verschleppen und als Mittel zu nutzen, um die Erleichterung der von Israel und Ägypten verhängten Blockade gegen sie zu erpressen, so dass sie militärisch nutzbares Material importieren könnte.

Dazu hätte auch gehört, dass die Gruppe die Freilassung von Hamas-Mitgliedern aus israelischen Gefängnissen verlangt hätte. 2006 hatte die Terrororganisation einen Tunnel benutzt, um den damals 19-jährigen israelischen Soldaten Gilad Shalit zu entführen, der fünf Jahre später im Austausch für 1,207 verurteilte Terroristen freikam.(4)  Israel interpretierte diese 2013 entdeckten Tunnel, trotz ihrer neuen Qualität in dem Kontext der von der Hamas geplanten Entführungen.

Die öffentlichen Verlautbarungen der Hamas bestärkten – vielleicht so absichtlich wie gerissen – die israelische Interpretation der Tunnel. Im Oktober 2013 schrieb z.B. einer der führenden Hamas-Politiker Moussa Abu Marzouk auf seiner Facebook-Seite: „Die entdeckten Tunnel waren ziemlich teuer zu bauen – in Hinblick auf Geld, Anstrengungen und Blut. Doch all dies verblasst, wenn es darum geht, unsere heldenhaften Gefangenen zu befreien […] Es wäre nicht möglich gewesen, hunderte unserer Leute frei zu bekommen, hätte es den Shalit-Tunnel nicht gegeben.“(5) 

Israel deutete die Angelegenheit weiterhin so, dass die Hamas diese, die Grenzen unterwandernden Tunnel auch deshalb gebaut hatte, um in Gaza relevant zu bleiben in Zeiten, in denen ihre Macht nicht mehr gefestigt scheint. 2013 hatte sich die geostrategischen Situation im Nahen Osten dramatisch zum Nachteil der Hamas verändert, und so sah Israel in den entdeckten Tunneln der Hamas, von denen man ausging, dass es kaum ein Dutzend sein könnten, ein taktisches Element, nicht jedoch Teil einer vielschichtigen Strategie für einen Überraschungsangriff auf Israel, der dem Land mehr zugesetzt hätte als je zuvor.

Der Gaza-Krieg von 2014 erwies sich für Israel nicht nur dahingehend als entscheidend, wie er von der Hamas geführt und von der internationalen Presse in Gaza berichtet wurde, sondern weil mit ihm ganz unbeabsichtigt die Möglichkeit eines zukünftigen Massakers in Israel verhindert wurde.

Ein Krieg, den Israel nicht gesucht hat

Der Krieg von 2014 war ein Krieg, den Israel gern verhindert hätte, bei dem alles getan wurde, ihn zu begrenzen und in dem Israel sogar alle internationalen Waffenstillstände unterstützt hat, selbst wenn die ganze militärische Infrastruktur der Hamas in Gaza intakt geblieben wäre.

Der Krieg kam für Israel zu einem schwierigen Zeitpunkt: Die von den Amerikanern lancierte Friedensinitiative zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehöre, die sogenannte „Kerry-Initiative“ endete offiziell am 14. Mai 2014, als plötzlich, für Amerikaner wie Israelis überraschend, der Verhandlungspartner Israels – die PA – ankündigte, sie werde mit der Hamas eine Regierung der nationalen Versöhnung bilden. Ihre ehemaligen Gegner von der Hamas hatten 2007 in einem gewaltätigen Militärputsch die Macht in Gaza an sich gerissen, um demonstrativ ein Gegenmodell zu jeder Form von Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern zu schaffen.

Für die PA war die Allianz mit der Hamas eine Möglichkeit, sich in Gaza neu zu etablieren, nachdem sie durch die Hamas im Juni 2007 mit Gewalt vertrieben worden war. Die Hamas stimmte der Versöhnungsregierung zu in der Hoffnung, die finanzielle Krise, der sich Gaza ausgesetzt sah, könnte so vermindert werden. Als Gegenleistung wurde die Hamas im Westjordanland anerkannt, wo sie lange Zeit verboten gewesen war.

Sehr schnell begann die Hamas, im Westjordanland wieder Demonstrationen abzuhalten, inklusive ihrer grünen Fahnen und anti-israelischen Rhetorik. Gleichzeitig setzten dem Experten Ehud Yaari zufolge, hinter der Hand „deutliche Anstrengungen zur Vorbereitung von Terroroperationen gegen Israel vom Westjordanland aus [ein], in der Hoffnung, die PA damit zu destabilisieren und die Sicherheitspartnerschaft mit Israel zu unterbrechen.“(6) 

Das erneute Auftauchen der Hamas-Militanz brachte einen Anstieg der Gewalt im Westjordanland mit sich. Es kam zu sporadischen Angriffen mit Schusswaffen gegen Israelis und an der Grenze zwischen dem Ost- und den Westteil von Jerusalem zu täglichen Übergriffen auf die Straßenbahn, die arabische und jüdische Stadtteile miteinander verbindet.

Auch auf dem Tempelberg nahmen die Demonstrationen und Zusammenstöße zwischen Arabern und der Polizei an Umfang und Gewalt zu. Die Lage galt als explosiv. Auf dem Golan im Norden sorgte das Auftauchen von militanten Dschihadisten-Gruppen in der Nähe des israelischen Grenze zu Syrien für ein Gefühl allgemeiner Instabilität und potentieller Eskalation.

Obwohl seit Anfang Juni ein stetiges Raketenfeuer von Gaza auf Israel zu verzeichnen war, hielt sich die israelische Politik zurück, anstatt aus der Luft Vergeltungsschläge gegen die Raketenabschussrampen und andere marginale Teile der militärischen Infrastruktur der Hamas in Gaza zu fliegen. Israel wollte die Situation im Westjordanland und in Jerusalem nicht verschärfen oder auf eine Art und Weise agieren, so dass die Aufmerksamkeit der Dschihadisten von Syrien aus auf den israelischen Konflikt mit dem Palästinensern gelenkt würde.

Israel war sich jedoch darüber hinaus der Schwierigkeiten bewusst, die ein Kampf in Gaza bedeutet: hohe Bevölkerungsdichte, der bekannte Missbrauch von Zivilisten und ziviler Infrastruktur durch die Hamas zu militärischen Zwecken, die komplizierten juristischen und menschenrechtlichen Fragestellungen, die mit einem größeren Krieg in Gaza einhergehen. Egal wie sorgfältig der Konflikt beherrscht würde, all dies wirkte auf die politischen Entscheidungsträger Israels abschreckend. V.a. die führenden Köpfe des Sicherheitsestablishments waren sich darin einig, dass der Raketenterror aus dem Süden eingedämmt und kontrolliert werden könne, anstatt ihn proaktiv im großen Stil anzugehen.

Nach israelischer Einschätzung Israels waren die Raketen nichts anderes als der Versuch der Hamas, nach Scheitern der Friedensgespräche in der neuen von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas ausgerufenen Einheitsregierung Augenhöhe zu erlangen.

Die Hamas wiederum verband mit ihren Angriffen die Forderung, dass Israel den nach der Operation „Wolkensäule“ 2012 verhängten Einfuhrstopp für gewisse Waren aufhebe, der nach dem Sturz des Muslimbrüder-Regimes in Ägypten im Sommer 2013 schmerzhafter geworden war.

Der neue Präsident von Ägypten Abdel Fattah el-Sisi hatte hunderte von Tunneln unter der Grenze Gaza-Ägypten geschlossen, die jahrelang die freie Zufuhr von Gütern und Waffen in den Gazastreifen gestattet hatten und die zudem Einkommensquelle der Hamas gewesen war, konnte sie doch von den Betreibern der Tunnel Steuern eintreiben.(7)

Der Wegfall dieser Einkünfte verschärfte die prekäre finanzielle Situation der Hamas und machte es ihr unmöglich, die 42,000 Beamte zu bezahlen, die sie anstelle derer ernannt hatte, die der PA loyal waren und die ironischerweise immer noch Gehälter aus dem Westjordanland bezogen.(8)  Die Arbeitslosigkeit in Gaza lag bei 46 Prozent – und 58 Prozent für die unter 30 – und das Bruttoinlandsprodukt war mit durchschnittlich 4 Dollar halb so groß wie im Westjordanland.(9) 

Diese ökonomischen Realitäten sowie die Brutalität der Hamas gegen all jene, die ihrer streng islamischen Haltung nicht folgen und wachsende Bitterkeit gegenüber dem ausschweifenden Lebenstil der Hamas-Führung ließen den Widerwillen gegen das Regime wachsen. Es wurde für die Hamas notwendig, die Dynamik, in der sie sich befand, zu verändern. Dies führte zum sporadischen Raketenfeuer auf Israel und die Versuche, die Tunnel Ende 2013 und Anfang des Sommer 2014 zur Entführung von Geiseln nach Gaza zu nutzen.

Diese Dynamik nahm eine neue Wendung, als in der Nacht zum 12. Juni 2014 Hamas-Aktivisten im Westjordanland drei israelische Teenager entführten, nachdem es ihnen gelungen war, sie an einer Bushaltestelle außerhalb der Siedlung Alon Shvut (Teil des Gush-Etzion-Blocks) in ihr Auto zu locken. Ein hochrangiges Hamas-Mitglied, das gegenwärtig in der Türkei lebt, nachdem Israel ihn 2010 deportiert hatte, hatte den Plan dazu entworfen und sorgte für seine Umsetzung.

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Der israelische Premier Netanyahu spricht auf der Beerdigung von Eyal Yifrach, Naftali Frankel und Gilad Shaar am 1. Juli 2014.
 Die drei wurden von der Hamas im Westjordanland am 12. Juni entführt und ermordet. (PMO/Flickr)


Die IDF versuchten, die entführten Teenager ausfindig zu machen und die Täter zu stellen, und begannen daher mit der Operation „Brothers’ Keeper“ – der größten Militäraktion im Westjordanland seit dem Höhepunkt der Zweiten Intifada 2002. Gleichzeitig wurde massiv gegen die Hamas-Institutionen in der West Bank vorgegangen, die sich wieder auszubreiten begonnen hatten und durch die im Rahmen des Shalit-Austauschs freigelassenen Terroristen wiederbelebt wurden. 51 der damals Freigelassenen wurden während der Operation verhaftet.(10)

Die Entführung und die Ungewissheit über das Schicksal der drei Studenten erregte Israel in nahezu präzedenzlosem Ausmaß. Die Schmerzen der Familien waren medial vermittelt und berührten in ihrer so vertrauten und vorbildhaften Art und Weise die ganze Nation.

Als am 15. Juni 30,000 Israelis aus allen Schichten der Gesellschaft sich an der Klagemauer einfanden, um für die Sicherheit der Entführten zu beten, wurden vier Raketen aus Gaza auf Ashkelon gefeuert, einer israelischen Stadt nördlich des Gazastreifens. Zwei der Raketen, die sonst auf Wohngebiete niedergegangen wären, wurden vom erst vor Kurzem in Israel installierten und sehr erfolgreichen Raketenabwehrsystem „Eiserne Kuppel“ abgefangen. Die anderen beiden landeten in offenem Feld und richteten keinen Schaden an.

Vier Tage später, am 19. Juni, starben fünf Mitglieder eines Hamas-Spezialkommandos, als ein Tunnel in Südgaza kollabierte und sie begrub.(11)  Angenommen wird, dass die Toten Mitglieder einer Sondereinheit waren und darin trainiert, Israelis zu entführen.

Der israelische Geheimdienst hatte vor einem bevorstehenden Angriff der Hamas durch einen Tunnel gewarnt – geplant für Ende Juni oder im Juli –,  der am südlichen Ende in Richtung des Kibbutzes Sufa gebaut worden war. Israel hatte diesen Tunnel bombardiert und gehofft ihn zu zerstören. Dass er in Folge einstürzte, hat aller Einschätzung nach einen weiteren Entführungsversuch vereitelt.

Die Ereigniskette von der Bildung der Regierung der nationalen Versöhnung zwischen der PA und der Hamas über das Auftauchen der al-Qaida-ähhnlichen Terrorgruppen an der nördlichen Grenze bis hin zum beständigen Raketenbeschuss der Hamas verdichtete sich zu einem Empfinden anhaltender Bedrohung in den Augen der israelischen Öffentlichkeit. Das Maß war voll, als am 30. Juni die Leichen der drei Teenager eilig verscharrt in einem flachen Grab auf einem Grundstück nördlich von Hebron gefunden wurden, das einzig für diesen Umstand gekauft worden war. Es kam heraus, dass hinter den Entführungen Mitglieder des Qawasmeh-Clans steckten, der für seine enge Beziehungen mit der Hamas bekannt ist. 15 Mitglieder des Clans starben während der Zweiten Intifada, davon neun als Selbstmordattentäter.

Die Spannungen erreichten einen Höhepunkt als am 2. Juli ein 16-jähriger Palästinenser – Mohamed Abu Khdeir – in Jerusalem entführt und lebendig verbrannt wurde. Seine Leiche wurder später in einem Wald bei Jerusalem gefunden. Am 6. Juli verhaftete die israelische Polizei drei jüdische Verdächtige, die die Tat gestanden und aussagten, sie hätten aus Rache für die ermordeten israelischen Teenager gehandelt.

Im Westjordanland wurde die Atmosphäre explosiv. Es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen in Jerusalem, einschließlich des Tempelberges. Die Regierung entschied sich jedoch abermals, ihre Reaktion auf den eskalierenden Raketenterror so niedrigschwellig es ging zu halten, um keinen aus dem Ruder laufenden Grenzkonflikt zu kreiieren.

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Das Raketenabwehrsystem "Eiserne Kuppel" in Tel Aviv feuert eine Abfangrakete auf einen aus Gaza kommenden Raketenangriff, 9. Juli 2014.
 (AP/Dan Balilty)


Angesichts des Erfolgs der „Eisernen Kuppel“ und dem vergleichsweise geringen Schaden, den die  zunehmenden Raketenangriffe verursachten, sowie der Komplexität einer groß angelegten Militäroperation in Gaza, entschied sich die israelische Sicherheitskabinet – trotz wachsender innerer Kritik der Inaktivität, aber auf starkes Anraten des Verteidigungsestablishments – für fortgesetzte Zurückhaltung. Man hoffte, das Problem mit Gaza schließlich diplomatisch lösen zu können. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass man in Momenten wie diesen mit kühlem Kopf und verantwortlich handeln sollte und nicht überstürzt,“ sagte der israelische Premierminister Netanyahu am 6. Juli.(12)  Man beurteilte die Lage so, dass die Hamas nicht einen umfassenden Krieg anstrebte, sondern lediglich das taktische Ziel hatte, ihre Unterstützung und Kontrolle in Gaza zu halten.

Die Situation eskalierte jedoch zusehends. Am 7. Juli wurden Panzerabwehrraketen auf IDF-Truppen entlang des Grenzzauns gefeuert.(13)  Später starben sechs Hamas-Kämpfer bei der Explosion in einem noch nicht fertig gestellten Tunnel in Südgaza. Insgesamt 68 Raketen wurden an diesem Tag von der Hamas und anderen Gruppen auf Israel geschossen, u.a. auch die große südisraelische Stadt Beersheba.(14)

In der Nacht zum 8. Juli erreichten die palästinensischen Raketen Tel Aviv, Jerusalem und Hadera, über 100 Kilometer nördlich von Gaza. Kampftaucher der Hamas wurden bei dem Versuch in Israel einzudringen in Zikim abgefangen, einem Strand nördlich von Gaza.

Der Krieg mit der Hamas wurde unvermeidlich und so wurde am 8. Juli in Reaktion auf die wachsenden Angriffe aus Gaza die Operation „Schutzrand“ ausgerufen.

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Einwohner Beershebas begutachten die Schäden an einem Haus vom 12. Juli 2014, nachdem es von eine palästinensischen Rakete aus dem Gazastreifen getroffen wurde.
Ohne "Eiserne Kuppel" würden hunderte von israelischen Häusern ähnlich aussehen. (AFP/Menahem Kehana)

Opfer des Krieges: Die Wahrheit

Operation „Schutzrand“ eskalierte zu einem 50-tägigen Konflikt, in dem die Hamas und andere Gruppen 4,258 Raketen und zahllose Mörsergranaten auf Israel abfeuerten. Israel reagierte mit 5,226 Luftschlägen und einer begrenzten Bodenkampagne.(15)  Wie viele Menschen tatsächlich in Gaza starben, ist bis heute nicht vollständig geklärt, doch man geht von über 2,100 toten Kämpfern und Zivilisten aus. Auf israelischer Seite gab es 74 Tote. Hätte das Raketenabfangsystem „Eiserne Kuppel“ nicht 735 Raketen abgefangen, deren Ziele in dicht bevölkerten Gebieten lagen, dann wäre die Zahl der israelischen Opfer weit höher gewesen.(16) 

Doch nicht nur die Toten und Verwundeten waren Opfer des Krieges. Die Wahrheit blieb ebenfalls auf der Strecke.

Die Beweise für die Kriegsverbrechen der Hamas und ihre Verletzungen aller akzeptierten humanitären Normen sind reichlich und unwiderlegbar – von der Platzierung ihrer Hauptquartiere unter Krankenhäusern(17)  über Tunneleingänge unter Wohnhäusern und Raketenabschussrampen in Schulen hin zu der Lagerung von Waffen in Moscheen. Die Liste ist nahezu endlos. In einem Interview mit CBC-News vom 30. Juli bestätigte der Direktor des UN-OCHA:  „Ja, die bewaffneten Gruppen feuern ihre Raketen auf Israel aus unmittelbarer Nähe zu UN-Gebäuden und Wohngebieten.  Absolut.“ (18)

Sich der internationalen Kritik bewusst, die die Operation „Gegossenes Blei“ vom Winter 2008-9 und der Konflikt von 2012 nach sich zogen und angesichts der Schwierigkeiten, einen Feind zu bekämpfen, der sich tief in die zivile Infrastruktur eingegraben hat, trafen die israelischen Streitkräfte präzedenzlose Vorkehrungen, um Kollateralschäden zu vermeiden. Israel wählt seine Ziele nach äußerst rigiden Kriterien aus, unterstützt von zahlreichen Expertenmeinungen – auch hinsichtlich der völkerrechtlichen Aspekte –, verwendet Präzisionsmunition, um die Kollateralschäden zu verhindern, macht die Zerstörung von Gebäuden von Sondergenehmigungen abhängig und warnt die Zivilisten der zu beschießenden Gebiete vor.

Der höchstrangige Offizier der Vereinigten Staaten, der Vorsitzende der Vereinigten Generalstäbe Gen. Martin Dempsey bestätigte auf einem Forum des Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York vom 6. November 2014, dass „Israel außerordentlich weit gegangen [ist], um Kollateralschäden und zivile Opfer in Gaza zu vermeiden.“ Er zitierte die verschiedenen Schritte, die Israel unternommen hatte, um die Zivilisten zum Verlassen der Gebiete aufzufordern, die angegriffen würden, auch unter Preisgabe des operationellen Überraschungsmoments, und sagte, er habe ein Pentagon-Team entsandt, um das israelische Vorgehen zu studieren beim „Versuch der Begrenzung ziviler Opfer, einschließlich der Vorankündigung, welche Gebäude man zerstören wird.“ (19)



Israel ist "außerordentlich weit gegangen, um Kollateralschäden und zivile Opfer in Gaza zu vermeiden.“
Gen. Martin Dempsey, Vorsitzender der Vereinigten Generalstäbe der USA,
6. November 2014




Gen. Martin Dempsey, Vorsitzender der Vereinigten Generalstäbe der USA, lobt die "umfangreichen Anstrengungen" Israels, zivile Opfer in Gaza zu vermeiden.


Doch das ist nicht das Bild, das die meisten Menschen von diesem Krieg haben, denn 50 Tage lang wurde die öffentliche Meinung stärker von dem Bildmaterial der Hamas und ihrer Berichterstattung  gefüttert, das geschickt manipuliert wurde, um der „Opferdoktrin“ Genüge zu tun. Die Opferzahlen wurden trotz undurchsichtiger Quellenlage und ohne Bestätigung wie ein Evangelium heruntergebetet. Nur wenige der internationalen Medien, die sich während des Konfliktes in Gaza aufhielten (oder deren Redakteure daheim), wagten es, die ihnen auferlegten Beschränkungen in Frage zu stellen aus Angst vor Vergeltung.

Ein deutliches Zeichen wie schwerwiegend diese Beschränkungen waren, lässt sich aus der Erklärung der Foreign Press Association (FPA) vom 11. August in Jerusalem ablesen, in dem die FPA „aufs Schärfste gegen die offenkundigen, unablässigen, gewalttätigen und unorthodoxen Methoden der Hamas-Authoritäten und ihrer Vertreter gegen internationale Journalisten in Gaza im vergangenen Monat [protestiert].“ (20)  Die Stellungnahme führte aus, dass die internationale Presse „nicht durch Drohungen oder Druck davon abgehalten werden [kann], zu berichten, denn sonst würde ihren Lesern und Zuschauern ein objektives Bild der Verhältnisse verweigert.“

In einer deutlichen Verurteilung der Hamas-Versuche, die Medien zu kontrollieren, heißt es zum Schluss: „Wir sind uns auch dessen bewusst, dass die Hamas versucht, ein ‘Auswahlverfahren’ zu etablieren, dass, faktisch, diverse Journalisten auf eine schwarze Liste setzen würden. Ein solches Verfahren wird von der FPA entschieden abgelehnt.“

Die IDF gehören zu den ersten, die eingestehen würden, dass – aller Vorsichtsmaßnahmen zum  Trotz – Unfälle passieren und Zivilisten unabsichtlich getötet werden. Auch gibt es individuelle Überschreitungen durch einzelne Soldaten, die sich der Kontrolle der Vorgesetzten entziehen.



Dabei ist selektive Blindheit kein doppelter Standard – es ist die Abwesenheit eines Standards.




Aus diesen Gründen verkündete das IDF-Military Advocate General’s Corps (MAG) am 10. September auf einer Pressekonferenz vor der internationalen Presse, dass eine vorläufige militärische Untersuchung von 55 mutmaßlichen Fällen militärischen Fehlverhaltens sowie fünf möglichen Fällen von strafrechtlichen Verhaltung anberaumt sei, wozu Fälle gehörten wie der Tod von 16 Zivilisten, die in einer UN-Schule in Beit Hanoun Zuflucht gefunden hatten sowie der Tod von vier Jungen, die starben, als sie am Strand von Gaza spielten. (21)

Am 6. Dezember erklärte der Sprecher der IDF, dass auf Grundlage der Empfehlung des FFAM (Fact Finding Assessment Mechanism) – einem unabhängigen juristischen Untersuchungskomitee – acht weitere strafrechtliche Untersuchungen in die Wege geleitete wurden und 85 weitere Fälle derzeit überprüft würden. (22) 

Einige Menschenrechtsgruppen, deren antiisraelische Vorurteile in der Vergangenheit deutlich waren, haben eingewandt, dass die IDF nicht vertrauenswürdig genug sei, sich selbst zu überprüfen. Dieser Einwand ignorierte jedoch vorsätzlich die strenge Bindung der IDF an das Völkerrecht, die Unabhängigkeit und Transparenz des militärischen Justizsystems, die enge Zusammenarbeit der IDF mit dem Internationalen Roten Kreuz und verschiedenen UN-Institutionen wie UNIFIL, UNTSO, UNDOF und UNDRWA, sowie den Umstand, dass die IDF wie alle Teile der Regierung der Judikative des Höchsten Gerichtes unterstehem, wo alle Fragen rechtlich überprüft werden, einschließlich der Durchführung von Militäroperationen.

Dabei ist selektive Blindheit kein doppelter Standard – es ist die Abwesenheit eines Standards. Man nehme z.B. das Problem der „Verhältnismäßigkeit“. Israel wird „beschuldigt“, weil es „nur“ 74 Todesopfer auf israelischer Seite gab, von denen 67 Soldaten im Einsatz waren. Die Opferzahl im Gazastreifen wird dagegen mit 2,100 Toten beziffert, darunter ungefähr 500 Kinder, auch wenn noch nicht abschließend geklärt ist, wie viele der Toten Hamas-Kämpfer waren, wie viele als menschliche Schutzschilde starben oder aus natürlichen Ursachen in den 50 Tagen des Krieges oder als Opfer der 875 Raketen, die aus Gaza abgefeuert wurden, aber in Gaza einschlugen.(23)

Anthony Reuben, Statistikexperte der BBC, warnte in einem am 8. August veröffentlichten und am 15. August überarbeiteten Bericht, dass bei den Opferzahlen in Gaza Vorsicht angebracht sei, habe sich doch in der Vergangenheit erwiesen, dass die Zahl der gefallenen Hamas-Kämpfer immer weit höher sei, als von der Hamas eingestanden.(24) 

Reuben zitierte eine Analyse der New York Times vom August 2014, in der die Namen von 1,431 Toten in Gaza überprüft wurden und man herausfand, dass „der Bevölkerungsanteil, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zu den Hamas-Kämpfern gehört – Männer zwischen 20 und 29 Jahren –, […] in den Opferzahlen überdurchschnittlich repräsentiert [ist]. Sie stellen 9 Prozent der 1.7 Mio Einwohner Gazas, doch unter den Getöteten, deren Alter mitgeteilt wurde, sind es 34 Prozent.“(25)  Reuben stellte desweiteren fest, dass das Verhältnis von Männern zu Frauen drei zu eins war, was auch darauf hinweist, dass weit mehr der Toten Kämpfer gewesen seien, als die zu dem Zeitpunkt veröffentlichten Zahlen der Hamas oder der UN andeuteten.

Doch die eigentliche Wahrheit, die in diesen unverhältnismäßigen Zahlen zum Ausdruck kommt, findet sich in den absolut gegensätzlichen Perspektiven, die Israel und die Hamas jeweils dem Wert eines menschlichen Lebens zukommen lassen. Der Respekt für die Lebenden und das Leben ist einer der grundsätzlichen Werte, auf denen Israel gründet. Die Hamas hingegen hängt einem Kultus des Todes an, in dem Selbstmordattentäter und das Abschlachten unschuldiger Opfer die Währung des eigenen Denkens sind.

Während die Hamas ihre Ressourcen in Terrortunnel und andere Instrumente des Todes investiert hat, entwickelte Israel mit Hilfe der Vereinigte Staaten, das Raketenabwehrsystem „Eiserne Kuppel“. Mit einer Trefferquote von über 90 Prozent fing es 735 Raketen ab, deren Flugbahn auf israelische Bevölkerungszentren gerichtet war. Insgesamt feuerte die Hamas 4,258 Raketen während des Krieges. Hätten diese alle ihre Ziele erreicht, dann wären die Opferzahlen auf israelischer Seite maßlos höher als bei den sechs Fällen, als durch die Raketen Zivilisten zu Tode kamen.(26)   Die möglichen Schäden für die israelische Infrastruktur lassen sich gar nicht schätzen.

Die fehlende Symmetrie der Opfer ist nicht Resultat einer mutmaßlich unverhältnismäßig eingesetzten Gewalt von Seiten Israels während des Krieges, sondern auch dem Umstand geschuldet, dass die Hamas Zivilisten als menschliche Schutzschilde einsetzt. Israel hat keine Kosten gescheut, einen umfangreichen Apparat zum Zivilschutz und Notfall einzurichten, zudem ein landesweites Frühwarnsystem, gekennzeichnete Sicherheitszonen an allen öffentlichen Orten, gesetzlich vorgeschriebene befestigte Schutzräumen in allen Häusern und Evakuierung von Gebieten in unmittelbarer Nähe zum Gazastreifen. Zusätzlich wurden alle Sommerlager, Hochzeiten, Fußballspiele und andere öffentliche Anlässe untersagt, die in Reichweite der Hamas-Raketen hätten stattfinden sollen.

Die Asymmetrie verfügt über viele Facetten jenseits der reinen Zahlen, wie der ehemalige Direktor des israelischen Geheimdienstes Shin Bet, Ami Ayalon, am 23. Juli in einem Artikel in der New York Times treffend auf den Punkt brachte: „Ethik und Moral lassen sich nicht am Abzählen von Leichen festmachen. Dass so viel mehr Palästinenser als Israelis starben, heißt nicht, dass unser Anliegen, oder dieser Krieg, aus unserer Perspektive ein ungerechtfertigter ist. Viel mehr Deutsche als Amerikaner starben im Zweiten Weltkrieg, ohne dass dies heißt, dass Hitler im Recht war und Amerika im Unrecht.“(27)

Aufgrund vergangener Erfahrung war sich Israel darüber absolut im Klaren, welche Schwierigkeiten ein Krieg in Gaza mit sich bringen würde – immerhin ein Gebiet von  360 Quadratkilometern, ungefähr zweimal die Größe von Washington D.C., bewohnt von 1.82 Mio Einwohnern und zu 75 Prozent urbanisiert. Ohne die fürchterliche Realität leugnen zu wollen, die der Krieg für die Menschen in Gaza bedeutet hat, muss man sich doch vor Augen halten, dass 5,226 Luftschläge gegen die Hamas, die sich während der 50 Tage in der zivilen Infrastruktur eingegraben hatte, ein weit höhere Opferzahl produziert hätten, wären Israel die Folgen für die Zivilbevölkerung gleichgültig.

Falsches Spiel des Menschenrechtsrates

Die Regierungen der Welt, einschließlich der gemäßigt arabischen, standen überwältigend hinter Israel, auch wenn es anti-israelische Demonstrationen von NGOs in Europa und den Vereinigten Staaten gab. Die Regierenden waren sich darüber im Klaren, welche Partei den Krieg begonnen hatte und dafür verantwortlich war, dass der Konflikt fortdauerte, indem sie alle internationalen Schlichtungsversuche ablehnte.

Auch gab es für sie keinerlei Zweifel, welche Seite vorsätzlich unschuldige Zivilisten gefährdete und welche Seite alles versuchte, diese zu schützen, welche Seite die internationalen Konventionen im Kampf einhielt und welche Seite sie brüskierte.

Am 8. Juli verurteilte der Sprecher des Weißen Hauses Josh Earnest entschieden „den fortgesetzen Raketenbeschuss auf israelisches Gebiet und die vorsätzlichen Angriffe auf Zivilisten durch Terrororganisationen in Gaza“ und fügte hinzu, dass „kein Land […] Raketenangriffe auf seine Zivilisten hinnehmen [kann]. Wir unterstützen Israels Selbstverteidigungsrecht gegen diese böswilligen Attacken.“(28) 



Am 8. Juli verurteilte der Sprecher des Weißen Hauses Josh Earnest entschieden „den fortgesetzen Raketenbeschuss auf israelisches Gebiet und die vorsätzlichen Angriffe auf Zivilisten durch Terrororganisationen in Gaza“ und fügte hinzu, dass „kein Land […] Raketenangriffe auf seine Zivilisten hinnehmen [kann]. Wir unterstützen Israels Selbstverteidigungsrecht gegen diese böswilligen Attacken.“




Der kanadische Außenminister John Baird bekräftigte, dass „Israel […] jedes Recht [hat], sich selbst gegen solche kriegerischen Akte des Terrorismus zu verteidigen,“(29)  und UN-Generalsekretär Ban Ki-moon „verurteil[te] die jüngsten mehrfachen Raketenangriffe auf Israel von Gaza aus“ und forderte, dass „die unterschiedslosen Angriffe auf zivile Gebiete“ aufzuhören hätten.(30) 

Der Botschafter der EU in Israel, Lars Faaborg Andersen, drückte seine „eindeutige Solidarität“ mit den Israelis aus;(31)  der britische Premier David Cameron „verurteilte die entsetzlichen Angriffe, die die Hamas verübt“(32) die deutsche Kanzlerin Angela Merkel rief am 9. Juli Premier Netanyahu an, um ihm ihre Unterstützung zuzusichern und hat, Berichten zufolge, „die Raketenangriffe der Hamas aufs Schärfste verurteilt.“(33)  Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier forderte in einer Stellungnahme, dass „ der mörderische Raketenbeschuss der Hamas auf israelische Städte sofort gestoppt werden [müsse]“.(34)

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Am 23. Juli 2014 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat eine Resolution, in der Israel verurteilt wird. Die Resolution erwähnt die Hamas kein einziges Mal. (UN/Jean-Marc Ferré/Flickr)


Im scharfen Gegensatz dazu jedoch – wenn auch nicht völlig überraschend – veröffentlichte der UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) eine Stellungnahme, deren Einseitigkeit und Vorverurteilung Israels bemerkenswert ist:

„Am 23. Juli 2014 hat der Menschenrechtsrat eine Resolution verabschiedet, in der entschieden wurde, dass eine unabhängige, internationale Kommission eingerichtet werden soll, um alle Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ostjerusalem, und besonders im besetzten Gazastreifen im Rahmen der seit dem 13. Juni 2014 durchgeführten Militäroperationen zu untersuchen. Der Bericht soll dem Rat zu seiner 28. Sitzung im März 2015 vorgelegt werden.“(35)


Im Weiteren werden Israels „massive […] Militäroperationen missbilligt“ und Israel „aufs Schärfste [verurteilt] für die […] massive Verletzung der internationalen Menschenrechte und fundamentalen Freiheiten wie es durch die israelischen Militäroperationen geschah […], die unverhältnismäßige und unterschiedslose Angriffe beinhaltet haben […] einschließlich des Angriffs auf medizinisches und humanitäres Personal, was Kriegsverbrechen gleichkommen könnte“. All dies – und es ist nur ein kleiner Auszug aus dem eigentlichen Dokument – bevor eine Untersuchung der Umstände des Krieges überhaupt eröffnet worden war.

Die Einseitigkeit ist auch in den Aspekten unverholen, die von der Resolution nicht benannt werden: nicht erwähnt werden die tausende von unterschiedslosen Raketen- und Mörserangriffen auf Israel, der psychologische Terror, den israelische Zivilisten in Folge des unablässigen Beschusses durchmachen mussten, ganz zu schweigen von der Evakuierung tausender israelischer Familien und dem schweren wirtschaftlichen Schaden, der dem Land durch den Krieg zugefügt wurde, wozu auch die Schließung seines internationalen Flughafens und seiner Häfen als Folge der Raketen zählt.

Indem hervorgehoben wird, dass die Kommission des Menschenrechtsrats lediglich „alle Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ostjerusalem, und besonders im besetzten Gazastreifen“ untersuchen will, hat sie es Israel unmöglich gemacht, mit ihr zusammenzuarbeiten und dem schon gefällten Urteil dadurch Legitimität zu verleihen.

Stattdessen hat Israel sich entschieden, mit dem Untersuchungsausschuss des UN-Hauptquartiers, der von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eingerichtet wurde, zusammenzuarbeiten, um die Schäden von UNRWA- und UN-Einrichtungen während des Krieges zu prüfen sowie Fälle zu untersuchen, in denen Waffen in UN-Gebäuden gefunden wurden.  Israel unterstützt das Bemühen um Wahrheit des Ausschusses; um herauszufinden, was sich tatsächlich in den UN-Einrichtungen ereignet hat, welche Rolle sie vor dem Krieg spielten und ob es irgendeine geheime Zusammenarbeit zwischen UN-Mitarbeitern und der Hamas vor und während des Krieges gab.

Die Schäden, die der Krieg den Menschen in Gaza und ihrem Eigentum bereitet hat, sollen so nicht bestritten werden, doch wie selbst die Satellitenfotos der UN belegen, hat sich nahezu die gesamte Aktivität der IDF auf jene Gebiete Gazas in Nähe zur israelischen Grenze konzentriert, wo die Eingänge von dutzenden der Geheimtunnel entdeckt worden waren und wo die Hamas hunderte von Raketenrampen und Mörser in ziviler Infrastruktur versteckt hatte.

Zu keinem Zeitpunkt des Krieges sind israelische Bodentruppen weiter als drei Kilometer in Gaza eingedrungen und dies nur, um die Tunnel und die Raketenabschussrampen zu zerstören, die dort entdeckt worden waren. Die IDF-Bodentruppen hielten sich gezielt von Ballungszentren in Gaza fern, auch wenn sich dort eine hohe Dichte der militärischen Infrastruktur der Hamas befindet wie auch die Bunker im Untergrund aus, von denen aus die Hamas-Führung den Krieg lenkte.

Während die Welt durch Bilder der Zerstörung an bestimmten Orten in Gaza in die Irre geführt wurde, zeigt eine Analyse der UN-Satellitenfotos, die während des Krieges geschossen wurde, dass 72 Prozent der zerstörten Gebäude sich „innerhalb von drei Kilometern von der israelischen Grenze entfernt“ befanden, viele von ihnen im Shuja’iya-Viertel, wo die Hamas einen Großteil ihrer dem Angriff dienenden Infrastruktur konzentriert und verborgen hatte.(37) 

Die gleiche Auswertung zeigt deutlich, wie es Israel gelang, lebenswichtige Infrastruktur in Gaza zu verschonen, während die Hamas tausende von Raketen ohne Unterschied auf israelische Städte mit dreimal so hoher Bevölkerungsdichte wie Gaza schoss.

Wenn Israel es so gewollt hätte, wäre Gaza einfach durch Aushungern zur Aufgabe gewzungen worden, indem man die Zufuhr von Lebensmitteln nach Gaza von Israel aus kontrolliert hätte. Doch trotz wiederholter Angriffe auf die Grenzübergänge durch Hamas und andere und unter großen persönlichen Risiken ermöglichten es israelische Beamte, den Zugang von 5,779 Lastkraftwagen mit Gütern und 20 Mio Litern Treibstoff während des Krieges.
 

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Das medizinischen Corps kümmert sich um palästinensische Zivilisten in einem Feldlazarett der IDF auf der israelischen Seite des Grenzübergangs Erez. (IDF/Flickr)


Über 250 Krankenwagen und 4,000 Palästinenser und Ausländer durften während der Operation „Schutzrand“ die Grenze von Gaza nach Israel überqueren, einige zur Behandlung in einem Feldkrankenhaus, das Israel in unmittelbarer Grenznähe zu genau diesem Zweck errichtet hatte. Andere wurden in Krankenhäuser weiter im Landesinneren oder ins Ausland gebracht. Während der gesamten Dauer des Konfliktes versorgte Israel den Gazastreifen mit Elektrizität, außer in den Momenten, in denen Stromleitungen zerstört wurden und nicht ohne große Risiken für die Techniker sofort repariert werden konnten. Israel betrachtete den Krieg als gegen die Hamas gerichtet, nicht aber gegen die Menschen in Gaza.

Indem der Menschrechtsrat willentlich Scheuklappen anlegt, was die tatsächlichen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeht, die die Hamas-Führung gegen ihre eigene Bevölkerung begeht, macht er sich der Billigung von Barbarei und der Ermutigung von Terrorismus schuldig. Dass dies unter dem Schirm einer internationalen Organisation, die dem Schutz der Menschenrechte verpflichtet scheint, geschieht, gibt diese Rechte dem Gespött preis.

Für jeden objektiven Beobachter sollte es die Hamas sein – und nicht Israel –, die von der Welt verurteilt wird. Die Hamas – und nicht Israel –, sollte Gegenstand der Empörung jener zahllosen Menschenrechtsgruppen werden, die stattdessen behaupten, das Vorgehen Israels im Krieg sei unverhältnismäßig gewesen, die sich aber gleichzeitig völlig gleichgültig geben gegenüber den schrecklichen Verbrechen der Hamas gegen ihre eigene Bevölkerung.

Israel für seine Art der Kriegsführung zu verurteilen, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Hamas hingegen zu ignorieren, kommt also der Ermutigung von Terrorismus gleich. Kriege sind niemals sauber und immer hässlich. Die Perversion der Wahrheit aber, die sie begleitet, ist nicht minder gefährlich.

Es wäre so einfach wie billig, die von westlichen Koalitionen in Ländern wie Irak, Libyen, Afghanistan und anderswo verursachten Kollateralschäden aufzuzählen, denen tausende von Zivilisten zum Opfer fielen und wo Krankenhäuser und Schulen ohne Vorsatz zerstört wurden.

Doch Israel geht es weder um Vergleiche noch um Entschuldigungen für sein Vorgehen während der Operation „Schutzrand“. Im Gegenteil, es hat Medien und Vertreter ausländischer Armeen dazu eingeladen, sich die IDF-Expertise in der Minimierung ziviler Opfer unter unmöglichen Umständen anzuschauen und zu lernen.

Es wäre ein Gewinn für die Welt, wenn der UN-Menschenrechtsrat dem nachkommen würde.



Es sollte die Hamas sein – und nicht Israel –, die von der Welt verurteilt wird. Die Hamas – und nicht Israel –, sollte Gegenstand der Empörung jener zahllosen Menschenrechtsgruppen werden. Die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Hamas hingegen zu ignorieren, kommt also der Ermutigung von Terrorismus gleich.




Die Endphase

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Premier Netanyahu,Verteidigungsminister Moshe Yaalon und IDF-Generalstabschef Gen-lt. Benny Gantz vor der Presse, 27. August 2014. (AP/Sebastian Scheiner)


In der ersten Augustwoche zog Israel seine Bodentruppen aus Gaza ab. 32 Angriffstunnel mit vielen Ein- und Ausgängen waren entdeckt und zerstört worden. Die IDF erklärten ihre Mission für beendet.(38)  Premierminister Netanyahu sah sich hohem politischen Druck ausgesetzt – u.a. von wichtigen Ministern im eigenen Kabinet – , die IDF tiefer nach Gaza eindringen zu lassen oder sogar den ganzen Gazastreifen zurückzuerobern, den Israel unilateral vor einem Jahrzehnt 2005 geräumt hatte, als es 8,000 Israelis dazu zwang, ihre Wohnungen aufzugeben und 21 jüdische Gemeinden in Gaza abriss.

Doch der Gedanke, erneut Kontrolle über Gaza zu übernehmen, spielte in den Köpfen der obersten Entscheidungsträger Anfang August keine Rolle. Stattdessen konzentrierten sie sich darauf, wie man diesen bereits einen Monat andauernden Konflikt beenden, nicht, wie man ihn verlängern könnte. Im Hintergrund gab es während der Kämpfe Anzeichen, dass die Hamas sich langsam dazu bereit erklärte, den Waffenstillstandsvorschlägen der Kairoer Gespräche zuzustimmen, auch wenn noch keine der Bedingungen erfüllt worden waren.

Und so wurde für den 10. August eine 72-stündige Feuerpause, beginnend um 0 Uhr vereinbart. Sie wurde dann auf fünf Tage ausgeweitet bis zum 18. August, und danach, auf Wunsch der Ägypter, um weitere 24 Stunden bis zum Ende des 19. August.

Acht Stunden vor Auslaufen der Verlängerung bis zum 19. August wurde eine Raketensalve auf Beersheba und Netivot, einer Stadt von 30,000 Einwohnern in Südisrael gefeuert, und später dann ebenso auf Ashkelon, Ashdod, Tel Aviv und Jerusalem – insgesamt waren es 50 Raketen.

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Die Hamas und andere Terrorgruppen des Gazastreifens feuerten während des Gaza-Krieges 2014 mehr als 4,500 Raketen auf Israel.
 (IDF-Präsentation, 3. September 2014)


Anfänglich reagierte die israelische Luftwaffe auf ausgewählte Ziele, in derselben Art wie man den Krieg bis zu diesem Zeitpunkt geführt hatte. Doch die Verletzung der jüngsten Feuerpause durch die Hamas, die bereits so viele zuvor gebrochen hatte, führte in Israel zur Einsicht, dass ein neuer Ansatz von Nöten war, um den Konflikt zu beenden.

Es war offensichtlich, dass die Hamas den diplomatischen Prozess in Kairo nutzte, um den Krieg zu verlängern. Indem sie Feuerpausen einging, nur um sie wieder zu brechen, bis wenigstens ein Teil ihrer Bedingungen erfüllt wurden, hoffte die Hamas, den Menschen in Gaza, die sie ruiniert hatte, wenigstens etwas zu bieten. Sich anders zu verhalten wäre dem Eingeständnis der Niederlage gleichgekommen, um die es sich in der Realität handelte.

Kurz vor Mitternacht des 19. August wurde die israelische Delegation von den Verhandlungen in Kairo abgezogen.(39)  Noch in derselben Nacht griffen israelische Kampfflugzeuge zwei Mal ein dreigeschossiges Haus im Sheikh-Radwan-Viertel in Gaza-City an. Es handelte sich um ein Haus der Al-Dalou-Familie, in dem sich nach nachrichtendienstlich gesicherten Erkenntnissen der seine Familie besuchende Mohammed Deif befand – Kommandeur der militärischen Flügels der Hamas und seit Jahrzehnten ganz oben auf der israelischen Liste meistgesuchter Terroristen.

Die ersten beiden Raketen waren Hochpräzisionsgeschosse mit hoher Durchschlagskraft. Sie versagten allerdings bei der Detonation. Beim zweiten Angriff mit drei Raketen, wenige Minuten später, wurde das Haus zerstört. Deifs Frau und Kind starben, während es bislang keine eindeutigen Beweise dafür gibt, dass Deif selbst auch dabei ums Leben kam.(40) 

Was Israel mit dem Angriff jedoch deutlich machte, war, dass – egal ob Deif tot oder noch am Leben war – es möglich ist, den Krieg in die Häuser der Hamas-Führung zu tragen und so zu zeigen, dass die Strategie des Missbrauchs der Menschen in Gaza als menschliche Schutzschilde, der Gewalt, ihre Häuser, Schulen, Moscheen und Krankenhäuser in Hamas-Bunker zu verwandeln, sie nicht länger schützen würde. Der Krieg wurde so persönlich und die Hamas-Führung und nicht allein ihre Infrastruktur wurde zum Ziel.

Entsprechend starben zwei Tage später, kurz vor Morgengrauen des 21. August, drei weitere Topkommandeure der Hamas in einem Angriff auf Rafah im Süden Gazas: Raed Atta, enger Vertrauter Deifs, verantwortlich für das Tunnelsystem der Hamas und einer der wenigen, der es in allen Teilen kannte; Mohammed Abu Shamalah, Kommandeur des südlichen Gazastreifens, ebenfalls enger Vertrauter Deifs und hochrangiges Mitglied der militärischen Führung der Hamas; und Mohammed Barhoum.(41) 

Dies stellte für die Hamas einen Schlag dar, von dem sie sich nicht erholen konnte. Amos Harel, Ha’aretz-Redakteur für Militärfragen bezeichnete ihn als einen „Tie-Breaker“. Ein Teil der obersten militärischen Führung der Hamas war ausgeschaltet worden, die Integrität des eigenen Sicherheitsapparates war als irreparabel kompromitiert enttarnt, die Raketenarsenale erschöpft, Nachschubrouten abgeschnitten und die Führung im Chaos, gespalten und in Angst um ihr Leben.

Damit war der Krieg für die Hamas im Wesentlichen vorbei. Zwar kam es noch eine Woche lang zu Gewalt, in der die Hamas noch 100 Raketen am Tag auf Israel schoss und Israel mit verstärkten Luftschlägen reagierte, doch danach schwiegen die Waffen.

Am 26. August veröffentlichte das ägyptische Außenministerium eine Erklärung, in der verkündet wurde, dass die israelische und palästinensische Führung einen unbegrenzten Waffenstillstand für 19 Uhr desselben Tages ausgerufen hätten.(42)  Noch eine Stunde vor Inkrafttreten traf eine Mörsergranate aus Gaza den Kibbutz Nirim und forderte die letzten israelischen Opfer – Ze’ev Etzion, 55, und Shahar Melamed, 43, Vater von drei Kindern.

Die New York Times berichtete an diesem Tag von Jerusalem aus über den Waffenstillstand, dass die Hamas ihren Sieg verkündet hätte, „auch wenn sie den Großteil ihrer Forderungen aufgeben und schließlich einen von Ägypten vermittelten Deal annehmen musste, der sich kaum von dem unterschied, der schon am siebenten Tag der Kämpfe auf dem Tisch lag.“ (43)

Wäre die Hamas also bereits am siebenten Tag bereit zu einem Waffenstillstand gewesen, dann wären zahlreiche Leben gerettet und viel Zerstörung abgewendet worden. Dann wiederum – angesichts des Ausmaßes der während des Krieges enttarnten und unschädlich gemachten militärischen Infrastruktur ist kaum abzuschätzen, wieviel Leben letztlich durch diesen Krieg gerettet wurden.

Lehren für die Zukunft

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Die Hamas bereitet den nächsten Krieg mit Israel vor. (AP/Mohammed Asad)


Mit der Installation der „Eisernen Kuppel“ als effektives Abwehrmittel gegen die Raketenbedrohung durch die Hamas in der November 2012 Operation „Wolkensäule“ – damals mit 86 Prozent Trefferquote und seitdem kontinuierlich verbessert – hat die Terrorgruppe ihre Strategie überdacht. Die Tunnel waren noch im Anfangsstadium, nur sporadisch genutzt für lokalisierte Angriffe unter der Grenze hindurch auf israelische Soldaten und Zivilisten, die sich in der Nähe Gazas aufhielten.

Mit Hilfe in Sachen Expertise, Waffen, Ausbildung, Geldern, Unterstützung und Ermutigung durch den Iran, die Türkei, Katar, die ägyptischen Muslimbruderschaft und andere hat die Hamas eine neue Strategie entwickelt, um Israel zu schädigen – es wurde eine Kampfgruppe mit allen Elementen einer regulären Armee geschaffen: eine hierarchische Kommandostruktur geteilt in sechs regionale Brigaden mit entwickelten Führungs- und Kontrollebenen, hoch motivierten Spezialeinheiten wie Kampftauchern und Paraglidern, Wärmesensorausrüstung, Panzer- und Luftabwehrraketen sowie, schließlich, 32 Angriffstunneln, von denen einige bis zu 18 Meter tief unter der Erde verliefen. Alles, um den Feind – Israel – tief und schwer zu schlagen.

Zusammen mit dem Palästinensischen Islamischen Dschihad verfügte die Hamas am Vorabend der Operation „Schutzrand“ über eine integrierte Kampfkraft von ca. 32,000 gut ausgebildeten und ausgerüsteten sowie hoch motivierten Kämpfern, die sich deutlich von den fliehenden ägyptischen Soldaten oder den an ihren Posten gebundenen syrischen während des Yom-Kippur-Krieges unterschieden.

Im Kontext der Missionen, für den diese Männer trainiert wurde, stellte die Armee der Hamas in Gaza im Wesentlichen die größte Konzentration von Selbstmordattentätern in der Welt dar, die über sechs Jahre zu Kosten von Millionen von Dollar zusammengestellt worden war für einen einzigen Terrorangriff, der, wie der 11. September, unauslöschlich  geworden wäre.

Doch der Plan schlug fehl, da die Hamas ihren Gegner unterschätzt hatte. Sie glaubte, Israel wäre so sehr von der Weltmeinung abgeschreckt, dass es den Forderungen der Hamas nachgegeben hätte. Keine Seite erwartete, dass der Krieg 50 Tage dauern würde – Israel unterschätzte anfänglich die von den Tunneln ausgehende Gefahr und die Hamas, nach all den Mühen in Planung und Investition, begriff nicht, dass die „Opferkarte“ nicht mehr wirkte.

Der einzige Weg, die Hamas zu schlagen, ist allerdings nicht militärische Stärke, denn gleich, wie viele Maßnahmen getroffen werden, lassen sich Kollateralschäden im Konflikt nicht vermeiden. Die Hamas kann dann besiegt werden, wenn man ihre eigene Waffe gegen sie richtet, d.h. wenn man sie für ihre Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich macht,  und für jene demokratischen Prozesse sorgt, die es den Menschen in Gaza gestattet, sich eine bessere Zukunft zu wählen als die ihr nun von der Hamas auferzwungene Realität.

Indem man die Hamas für ihre Verbrechen nicht haftbar macht, zündet man bereits an der Lunte für den nächsten Konflikt. Dies ist die wichtigste Botschaft des Gaza-Krieges von 2014. Sie muss verstanden werden, soll die nächste Runde des Blutvergießens verhindert werden.




Hirsh Goodman ist der Initiator eines Programms für Medienstrategie des Institute for National Security Studies der Universität Tel Aviv. Er ist ehemaliger Armeekorrespondent der Jerusalem Post, Chefredakteur von The Jerusalem Report und Strategic Fellow des Washington Institute for Near East Policy.


Texte:

Hirsh Goodman und Dore Gold
Der Gaza-Krieg von 2014: Einleitung

Hirsh Goodman
Der Gaza-Krieg von 2014 aus israelischer Perspektive: Ein Überblick

Dore Gold
Die Wahrheit über den Gaza-Krieg von 2014

David Benjamin
Israel, Gaza und das Humanitäre Völkerrecht – Maßnahmen zur Begrenzung ziviler Opfer

Alan Baker
Rechtliche Aspekte des Hamas-Krieges gegen Israel: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und das israelische Recht auf Selbstverteidigung

Dore Gold
Die Grenzen der Diplomatie

Daniel P. Rubenstein
Das Tunnelnetzwerk der Hamas: Geplanter Massenmord

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1  Gabi Siboni, “Operations Cast Lead, Pillar of Defense, and Protective Edge: A Comparative Review,” The Lessons of Operation Protective Edge, Anat Kurz and Shlomo Brom, eds. (Tel Aviv: Institute for National Security Studies, 2004), pp. 27-36, http://www.inss.org.il/uploadImages/systemFiles/Operations%20Cast%20Lead,%20Pillar%20of%20Defense,%20and%20Protective%20Edge_%20A%20Comparative%20Review.pdf
2  Gaza density: 4,822 per sq. km., Palestinian Central Bureau of Statistics, “Gaza Abacus, The Economist, 7. August 2014, http://www.economist.com/blogs/pomegranate/2014/08/israel-and-palestinians.
Density of Israeli cities: Bnai Brak 21,031 per sq. km.; Givatayim 16,329; Bat Yam 15,913; Tel Aviv 7,947, “Localities, Population and Density per Sq. Km., by Metropolitan Area and Selected Localities, 2009,” Statistical Abstract of Israel 2010, Israel Central Bureau of Statistics, Table 2.16, http://www1.cbs.gov.il/reader/shnaton/templ_shnaton_e.html?num_tab=st02_16&CYear=2010
3  Adiv Sterman, “Captured Hamas Operative Reveals Paragliding Attack Plan,” Times of Israel, 30. Juli 2014, http://www.timesofisrael.com/captured-hamas-operative-reveals-paragliding-attack-plan/
4  Ethan Bronner, “Israel Frees Palestinians in 2nd Stage of Exchange,” New York Times, 18. Dezember 2011, http://www.nytimes.com/2011/12/19/world/middleeast/israel-begins-second-part-of-prisoner-swap.html
5  Mitch Ginsburg, “How Hamas Dug Its Gaza ‘Terror Tunnel,’ and How the IDF Found It,” Times of Israel, 16. Oktober 2013, http://www.timesofisrael.com/how-the-tunnels-in-gaza-are-dug-and-detected/
6  Ehud Yaari, “Hamas Searches for a New Strategy,” Washington Institute for Near East Policy, Policy Notes No. 19, Oktober 2014, http://www.washingtoninstitute.org/uploads/PolicyNote19_Yaari4.pdf
7  Karin Laub and Ibrahim Barzak, “Hamas Displays Gaza Grip, as Protest Call Fails,” AP, 1. November  2013, http://bigstory.ap.org/article/hamas-displays-gaza-grip-protest-call-fails
8  Ibid., http://bigstory.ap.org/article/hamas-displays-gaza-grip-protest-call-fails
9  Eran Yashiv, “The Economics of the Gaza Situation: A Crucial Element in the Conflict and the Resolution, INSS Insight No. 585, 6. August  2014, http://www.inss.org.il/index.aspx?id=4538&articleid=7459
10  Aron Donzis and Spencer Ho, “Israel Rearrests 51 Palestinians Freed under Shalit Deal,” Times of Israel, 18. Juni 18, 2014, http://www.timesofisrael.com/israel-scoops-up-51-palestinians-freed-under-shalit-deal/
11  Saud Abu Ramadan, “Five Hamas Members Die as Gaza Tunnel Collapses,” Ha’aretz, 19. Juni 2014, http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/1.599950
12  “Six Jewish Suspects Held in Palestinian Teen’s Death,” VOA News, 6. Juli 2014, http://www.voanews.com/content/israel-strikes-ten-sites-in-gaza-strip/1951687.html
13  Ron Ben-Yishai and Matan Tzuri, “Gaza Militants Resume Rocket Fire on Southern Israel, Attack IDF Troops on Border,” Ynet News, 7. Juli 2014, http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4538943,00.html
14  William Booth and Ruth Eglash, “Muslims and Jews in Jerusalem Fear More Abductions, as Rockets from Hamas Fly,” Washington Post, 7. Juli 2014, http://www.washingtonpost.com/world/with-arrest-of-six-jews-in-arab-teens-killing-israel-confronts-its-own-extremists/2014/07/07/422a49aa-05b9-11e4-a0dd-f2b22a257353_story.html
15  Ben Hartman, “50 Days of Israel’s Gaza Operation, Protective Edge – by the Numbers,” Jerusalem Post, 28. August  2014, http://www.jpost.com/Operation-Protective-Edge/50-days-of-Israels-Gaza-operation-Protective-Edge-by-the-numbers-372574
16 Ibid., http://www.jpost.com/Operation-Protective-Edge/50-days-of-Israels-Gaza-operation-Protective-Edge-by-the-numbers-372574
17  William Booth, “While Israel Held Its Fire, the Militant Group Hamas Did Not,” Washington Post, 15. Juli 2014, http://www.washingtonpost.com/world/middle_east/while-israel-held-its-fire-the-militant-group-hamas-did-not/2014/07/15/116fd3d7-3c0f-4413-94a9-2ab16af1445d_story.html
18  “UN Director on Gaza School Shelling,” CBC News, 30. Juli 2014, http://www.cbc.ca/player/News/Politics/Power%2B&%2BPolitics/ID/2479781349/
19  David Alexander, “Israel Tried to Limit Civilian Casualties in Gaza: U.S. Military Chief,” Reuters, 6. November  2014, http://www.reuters.com/article/2014/11/06/us-israel-usa-gaza-idUSKBN0IQ2LH20141106
20  Statements, Foreign Press Association [Israel], 11. August  2014, http://www.fpa.org.il/?categoryId=73840
21  Isabel Kershner, “Israel, Facing Criticism, to Investigate Possible Military Misconduct in Gaza,” New York Times, 10. September  2014, http://www.nytimes.com/2014/09/11/world/middleeast/gaza-strip-israel-criminal-investigation.html
22  Jodi Rudoren, “Facing Rights Accusations, Israel Opens Gaza Inquiries,” New York Times, 6. Dezember  2014, http://www.nytimes.com/2014/12/07/world/middleeast/israel-opens-new-investigations-into-gaza-strip-war.html
23  William Booth, “Here’s What Really Happened in the Gaza War (According to the Israelis),” Washington Post, 3. September  2014, http://www.washingtonpost.com/blogs/worldviews/wp/2014/09/03/heres-what-really-happened-in-the-gaza-war-according-to-the-israelis/?hpid=z5
24  Anthony Reuben, “Caution Needed with Gaza Casualty Figures,” BBC News, 11. August  2014, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-28688179
25  Jodi Rudoren, “Civilian or Not? New Fight in Tallying the Dead from the Gaza Conflict,” New York Times, 5. August  2014, http://www.nytimes.com/2014/08/06/world/middleeast/civilian-or-not-new-fight-in-tallying-the-dead-from-the-gaza-conflict.html?_r=0
26  “MDA Teams Treated 842 Casualties as a Result of Rockets Being Fired at Israel,” Magen David Adom in Israel, 29. August 2014, http://www.mdais.com/316/7004.htm
27  Ami Ayalon, “Israel’s Response Is Proportionate to Hamas’s Threat,” New York Times, 23. July  2014,
http://www.nytimes.com/roomfordebate/2014/07/22/self-defense-or-atrocties-in-gaza/israels-response-is-proportionate-to-hamass-threat
28  Nidal al-Mughrabi and Ori Lewis, “Hamas Rockets Land Deep in Israel as It Bombards Gaza Strip,” Reuters, 8. Juli 2014, http://www.reuters.com/article/2014/07/08/us-palestinians-israel-idUSKBN0FC0JP20140708
29  John Baird, “Baird Condemns Hamas Rocket Attacks on Israel,” johnbaird.com, 8. Juli 2014,
http://johnbaird.com/2014/07/09/baird-condemns-hamas-rocket-attacks-on-israel/
30 Secretary-General Ban-Ki-moon, “Statement Attributable to the Spokesman for the Secretary-General on Violence in Gaza and Southern Israel,” United Nations, 8. Juli 2014, http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=7846
31  Hazel Ward, “Israel, Hamas Face Off in New Gaza Conflict,” AFP, 8. Juli 2014, http://news.yahoo.com/israel-hamas-face-off-gaza-conflict-203639358.html
32  David Cameron MP, “PM Call with Israeli Prime Minister,” Prime Minister’s Office [UK], 9. Juli 2014,  https://www.gov.uk/government/news/pm-call-with-israeli-prime-minister
33  “Germany Condemns Rocket Attacks on Israel,” Press and Information Office of the Federal Government [Germany], 10. Juli 2014,  http://www.bundesregierung.de/Content/EN/Artikel/2014/07_en/2014-07-10-krise-nahost_en.html
34  Ibid., http://www.bundesregierung.de/Content/EN/Artikel/2014/07_en/2014-07-10-krise-nahost_en.html
35  “Ensuring Respect for International Law in the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem,” Resolution adopted by the UN Human Rights Council, S-21/1, 23. Juli 2014,
http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/SpecialSession/Session21/A-HRC-RES-S-21-1_en.doc
36  Barak Ravid, “Israel Agrees to Work with Gaza Probe into Attacks on UN Facilities,” Ha’aretz, 20. November  2014, http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/.premium-1.627422
37  Nathan Guttman, “U.N. Maps Show Pinpoint Accuracy of Israel’s Strikes on Gaza,” Forward, 6. Oktober  2014,
http://forward.com/articles/206766/un-maps-show-pinpoint-accuracy-of-israels-strikes/?p=all
38  “Mission accomplished: We have destroyed Hamas’ tunnels leading from Gaza into Israel. All of Israel is now safer.” IDF Spokesperson, Twitter, 5. August  2014, https://twitter.com/IDFSpokesperson/status/496571365281898496
39  “Cairo Truce Talks Collapse as Rocket Fire, Gaza Strikes Resume,” Ha’aretz, 19. August 2014,
http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/1.611367
40  Isabel Kershner and Fares Akram, “After Strike on Family, Fate of Hamas Commander Is Unknown,” New York Times, August 20, 2014, http://www.nytimes.com/2014/08/21/world/middleeast/israel-gaza-strip.html?_r=0
41  “IDF Targets Senior Hamas Terrorists in Gaza,” Israel Defense Forces blog, 21. August  2014,
http://www.idfblog.com/blog/2014/08/21/idf-targets-senior-hamas-terrorists-gaza/
42 Jonathan Ferziger and Saud Abu Ramadan, “Israel, Hamas Accept Gaza Cease-Fire Accord,” Bloomberg, 26. August  2014, http://www.bloomberg.com/news/2014-08-26/egypt-says-cease-fire-between-israel-gaza-groups-starts-today.html
43  Jodi Rudoren, “Cease-Fire Extended, But Not on Hamas’s Terms,” New York Times, 26. August  2014,
http://www.nytimes.com/2014/08/27/world/middleeast/israel-gaza-strip-conflict.html?_r=0