Das neue Programm der Hamas

Das neue  Programm der Hamas

Jonathan D. Halevi

Am 1. Mai 2017 präsentierte Khaled Mashal, Führer der Hamas, das neue politische Programm der Gruppe, mit dem allerdings die Hamas-Charter nicht aufgehoben wird, sondern auf die aktuelle politische Situation zugeschnittene Strategien vorgestellt werden.(1)

Zu den wichtigsten Punkten des Dokuments gehören:

–    Die Vollständige Anerkennung des Islam als einzige Autorität für Strategien und Ziele.

–    Die Leugnung des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung auf dem Gebiet Israels bei gleichzeitiger Behauptung, dass die Gründung Israels unrechtmäßig gewesen sei und Zionismus ein Feind der Menschheit. Die Hamas behauptet, sie bekämpfe "die Juden nicht, weil sie Juden sind, sondern die Zionisten, die Palästina besetzt halten."

–    Die Übertragung einer "arabisch-islamischen" und "heiligen islamischen" Identität auf das Gebiet Palästinas, womit jegliche Beziehung oder jedes Anrecht von Juden und Christen auf das Land bestritten wird. [Die Hamas glaubt auf Grundlage des Korans und islamischer Quellen, dass Jesus weder jüdisch noch christlich gewesen sei, sondern ein Prophet des Islam, die die islamische Doktrin von Allah empfangen habe.]

–    Die Rechtfertigung des gegenwärtigen Kampfes zur Befreiung Palästinas in seiner bewaffneten Form, sowie Legitimierung der Existenz und Aktivität von "Kampfgruppen", d.h. palästinensischen Terrororganisationen.

–    Die Bereitschaft, einen Palästinenserstaat in temporären Grenzen von 1967 zu akzeptieren als Schritt im bewaffneten Kampf zur Zerstörung Israels – "vom Fluss bis zum Meer".

–    Die Anerkennung der PLO bei gleichzeitiger Forderung von Neuwahlen für alle ihre Institutionen und Infragestellung der politischen Linie der Organisation im Hinblick auf die mit Israel unterzeichneten Abkommen.

–    Ein Lob für die "freien Völker" der Welt, die den palästinensischen Kampf gegen Israel unterstützen.

Die Absicht hinter dem neuen Programm

Analysiert man das Dokument im Kontext der Politik der Hamas der vergangenen Jahre so wird deutlich, dass das wesentliche Ziel der Veröffentlichung die Demonstration einer ausgewiesenen politischen Flexibilität sein soll, die einen Dialog mit dem Westen, internationalen Institutionen und den Vereinten Nationen herbeizuführen wünscht. Der gegenwärtig als Terrororganisation eingestuften Hamas würde so Anerkennung als legitimer politischer Akteur verliehen. Hochrangige Hamas-Vertreter versuchen so innerhalb der internationalen Gemeinschaft den Eindruck zu erwecken, dass die Zeit für die Palästinenser arbeitet und ein Bündnis mit Israel sich langfristig nicht rentieren wird.

Dabei erkennt die Hamas die Autorität der Vereinten Nationen, ihre Institutionen und Resolutionen gar nicht an, einschließlich der Resolution 181, mit der das Land in Israel und Palästina hätte geteilt werden sollen. In jüngerer Zeit hat sich die Politik der Gruppe jedoch geändert. Sie ist nunmehr bereit, sich am politischen Spiel zu beteiligen, sofern es ihren Zielen dient und ihre grundlegenden islamistischen Dogmen nicht in Frage stellt, nach denen sie sich richtet, und den Dschihad zur Zerstörung Israels vorantreibt.

Gleichzeitig soll damit der Weg geebnet werden für eine Übernahme der PLO. Oberstes Ziel der Hamas ist es, die politische Macht, die es durch ihre Kontrolle des Gazastreifens und durch die Unterstützung durch islamische Staaten wie Iran erworben hat, auszunutzen, um die entsprechenden palästinensischen Institutionen an sich zu reißen, die von der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden. Deswegen drängt die Hamas darauf, der PLO beizutreten. Was nach außen als Versöhnungsprozess dargestellt wird, ist tatsächlich der Versuch, die Organisation an sich zu reißen. International gilt die PLO als exklusive und einzige anerkannte Vertretung der Palästinenser. Sollte die Hamas sie übernehmen, dann sichert sie sich nicht nur die Legitimität, die zur Herrschaft über alle Palästinensergebiete braucht, sie erhält somit auch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft im Kampf gegen Israel.

Damit wird die Palästinensische Autonomiebehörde herausgefordert. Die politische Landschaft der Palästinenser ist aktuell ein Nullsummenspiel zwischen der PA, die Gaza nicht kontrolliert, und der Hamas, die derweil die Legitimität der PA in Frage stellt und sie durch die Übernahme von PLO-Institutionen zu Fall bringen möchte. Die Hamas untergräbt, wo sie nur kann, die Kontrolle des Westjordanlands durch die PA. Dazu stachelt sie immer wieder zu neuen Ausbrüchen der Intifada in verschiedenen Formen auf, führt eine Propagandaschlacht gegen die Abbas-Regierung und bereitet die organisatorischen Infrastruktur vor für den Moment, in dem Abbas die politische Bühne verlässt.

Gegenwärtig möchte die Hamas den Status Quo ihres Konfliktes mit Israel aufrechterhalten und hat daher kein Interesse, eine weitere Runde militärischer Gewalt in Gaza auszulösen, es sei denn, sie kommt zu der Auffassung, dass dies ihrem Ziel, Abbas zu stürzen und die PA-Institutionen des Westjordanlandes zu übernehmen dienlich ist.

Um Israel und sein Vermögen zur Ausübung des Selbstverteidigungsrechts zu schwächen, wird die Hamas zu diplomatischen, rechtlichen und Propaganda-Maßnahmen greifen wie diplomatischen Druck, Resolutionen internationaler Organisationen, Sanktionen und Entscheidungen internationaler Gerichtshöfe. Die Hamas legt dabei besonderen Wert auf linke Organisationen und Aktivisten, die die Palästinenser in ihrem Kampf unterstützen.

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1. http://hamas.ps/en/post/678/a-document-of-general-principles-and-policies