US-Angriff auf Syrien – Droht ein Regionalkrieg?

US-Angriff auf Syrien – Droht ein Regionalkrieg?

Yoni Ben Menachem


Arabische Kommentatoren fällt es schwer, eine logische Erklärung für das Verhalten des syrischen Präsidenten Bashar Assad zu finden und dessen Entschluss, chemische Waffen gegen die Rebellen der Idlib-Region einzusetzen.

Folgt man ihnen, dann war es eine massive Fehleinschätzung: Assads Truppen stehen in der Region nicht unter Druck und das Gebiet von Khan Sheikhoun ist strategisch unbedeutend. Es scheint, als habe es sich um ein unnötiges militärisches Abenteuer gehandelt. Es hätte klar sein müssen, dass eine solche Aktion die Empörung der internationalen Gemeinschaft und damit eine eventuelle militärische Reaktion nach sich ziehen würde. Dennoch ließ sich Assad dazu hinreißen.

Die syrische Entscheidung führte zu einem militärischen Eingreifen der Amerikaner und damit zu einer Krise der Supermächte, deren Ende nicht abzusehen ist.
    
Der Besuch des US-Außenministers Rex Tillerson diese Woche wurde nicht abgesagt. Auf seinen Treffen mit dem russischen Außenminister Sergei Lavrov und mit Präsident Putin wird er versuchen, die Krise einzudämmen, nachdem Russland davor gewarnt hat, dass der amerikanische Angriff gefährliche Konsequenzen haben werde.

Ziel der Amerikaner war es, nicht nur Präsident Bashar Assad, sondern auch dem Iran und Nordkorea durch diesen Angriff eine Botschaft zu senden. Diese Botschaft wurde verstanden, doch der Raketenangriff könnte nicht nur in Syrien, sondern auch in der Türkei, der Ukraine und Osteuropa Folgen haben.

Der amerikanische Angriff auf den syrischen Flughafen kam nicht überraschend. Präsident Trump deutete an, dass er eine militärische Option erwäge. Syrien und Russland waren entsprechend vorbereitet.

Am 8. April berichtete die Zeitung Rai al-Yawm, dass die Syrer zwei Tage vor dem amerikanischen Angriff Teil der Luftwaffen von der T4-Basis auf die russische Basis in Latakia verlegt hätten, wo sie durch das russische S-400-Luftabwehrsystem vor einem amerikanischen Angriff geschützt waren.

Komplexe Lage in Syrien

Russland wie Syrien sind über den amerikanischen Angriff entrüstet. Die syrische Regierung bestreitet die Verantwortung für den Chemiewaffeneinsatz in Idlib und rüstet sich für weitere Konfrontationen mit den Vereinigten Staaten.

Russland hat derweil die Koordination der Flüge im syrischen Luftraum mit den Amerikanern ausgesetzt, was zu Zwischenfällen im Luftraum führen könnte.

Sowohl Syrien als auch die Hisbollah drohen Washington, dass der Angriff schwerwiegende Konsequenzen für die amerikanische Politik im Nahen Osten haben werde.

Während der Nahe Osten am Rande eines eruptiven Vulkans steht, kann Präsident Trump den Schlag in den Augen vieler Amerikaner und westlicher Staaten als Erfolg verbuchen. Doch die Situation könnte sich schnell als vertrackt herausstellen. Assad gilt als stur und rachsüchtig und auch der russische Präsident Putin dürfte den Gesichtsverlust nicht so schnell vergeben und zeigen wollen, dass er und nicht Trump der stärkste Staatsmann in der Welt ist.

Die moderate sunnitische Achse begrüßte den amerikanischen Angriff, abgesehen von Ägypten, das sich neutral verhielt und Russland wie die Vereinigten Staaten dazu aufrief, die Krise schnell einzudämmen und nicht zu eskalieren.

Auch die syrische Opposition feierte den Schlag und rief zu einer Ausweitung der Luftschläge gegen andere syrische Flughäfen auf sowie zur Einrichtung einer Flugverbotszone auf, um Assad an seiner fortgesetzten Bombenkampagne zu hindern.

Tatsächlich dürfte der amerikanische Angriff und das Massaker mit Hilfe von Chemiewaffen bis auf weiteres jede Möglichkeit einer politischen Verhandlungslösung in Genf beerdigt haben.

Möglich, dass Präsident Assad dies beabsichtigte, als er den Befehl zum Angriff mit Chemiewaffen gab. Assad hat immer wieder bekundet, dass nur durch eine militärische Lösung die Rebellen geschlagen und seine Kontrolle in ganz Syrien wiedergeherstellt würde.

Assad agiert daher selbstbewusst mit der Unterstützung Russlands, des Iran und der Hisbollah. Er kann militärische Erfolge vor Ort vorweisen und hat vor, den Kampf gegen die Rebellen trotz des amerikanischen Angriffs fortzusetzen und sich dabei auf die russische Abschreckung zu verlassen.

Die Konsequenz für Israel

Israel hat den amerikanischen Angriff als Zeichen begrüßt, dass US-Präsident Trump gewillt ist, der "Achse des Bösen" Iran-Syrien-Hisbollah entgegenzutreten und dabei sogar militärische Schritte einzuleiten.

Russland hat jedoch angekündigt, die syrische Luftabwehr zu stärken. Diese Entwicklung könnte für Israel gefährlich werden, sollte Syrien S-400 Luftabwehrsysteme erhalten. Die israelische Luftwaffe operiert gelegentlich im syrischen Luftraum und wäre somit bedroht.

Völlig unklar ist auch, wie stark die israelisch-russischen Verständigungen über die Nutzung des syrischen Luftraums davon beeinträchtigt wären.

Dabei stellt die Aussetzung der amerikanisch-russischen Kooperation in dieser Frage einen gefährlichen Präzedenzfall dar, der auch die israelisch-russische Übereinkunft betreffen könnte.

Putins hat Premier Netanyahu für dessen Parteinahme für die amerikanische Reaktion auf den Chemiewaffenangriff in Idlib ohne internationale Untersuchung getadelt. Dies ist bereits eine beunruhigendes Zeichen, dass sich die militärische Koordination in Syrien verschlechtern könnte und auch dass Israels Forderung an Russland, den iranischen Zugriff auf Syrien zu unterbinden, geschwächt wird.

Am 8. April berichtete Rai al-Yawm, dass Syrien, Iran und die Hisbollah einen Mehrfrontenangriff auf Israel erwägen würden, sollten die USA ihre Angriffe auf Syrien ausweiten. Ins Spiel gebracht wurden mögliche Angriffe auf US-Ziele im Golf. Das Risiko eines regionalen Krieges ist somit gestiegen.

Die Amerikaner haben hingegen klargestellt, dass der Schlag gegen Syrien eine einmalige Angelegenheit gewesen sei mit der Absicht, Assad beim Einsatz von Chemiewaffen gegen Zivilisten eine Grenze zu setzen. Um diese Botschaft zu unterstreichen würden zusätzlich Wirtschaftssanktionen gegen das syrische Regime verhängt.

Die Syrer versuchen derweil, Israel die Mitschuld an dem Angriff zu geben. Der syrische Vizeaußenminister behauptete, der Angriff sei eine Folge des israelischen Scheiterns in Syrien.

Präsident Trump hingegen hat mit dem Einsatz unter Beweis gestellt, dass er die Haltung Israels und der moderaten sunnitischen Staaten teilt, was die Gefahren der "Achse des Bösen" angeht.

Die sunnitischen Staaten zeigen sich erfreut, dass der neue US-Präsident seinen Worten Taten folgen lässt im Unterschied zu seinem Vorgänger Obama, der den Iran durch das Atomabkommen nur noch gestärkt habe.

Präsident Trump hat diesen Kurs umgekehrt. Bis zum Chemiewaffeneinsatz gegen die Rebellen war Trump in erster Linie auf den Kampf gegen den IS fokussiert. Nach dem Angriff hat sich bei Trump die Einsicht in die Gefährlichkeit Bashar Assads durchgesetzt, was zum politischen Kurswechsel und Anstrengungen führen könnte, Assad zu stürzen.

Diese Entwicklungen sind gefährlich und verkomplizieren das Schlachtfeld in Syrien weiter. Sie könnten damit zu einem Schneeball für einen  potentiellen Regionalkrieg werden. Israel muss daher mit äußerster Umsicht agieren.