IS-Anschläge in Teheran: Schlag für Rouhani, Chance für die Revolutionsgarden


IS-Anschläge in Teheran: Schlag für Rouhani, Chance für die Revolutionsgarden


Michael Segall


Der Islamische Staat (IS) hat die Verantwortung für die gleichzeitig koordinierten Terrorangriffe vom 7. Juni 2017 auf das iranische Parlamentsgebäude Madschlis und das Grabmahl des iranischen Revolutionsführers Ayatollah Khomeini übernommen. Die Organisation veröffentlichte dazu eine Erklärung durch ihre Medienabteilung sowie ein kurzes Video, das von einem der Angreifer auf das Parlament aufgenommen wurde. Dies geschah, noch bevor der Angriff auf die Madschlis beendet war. Insgesamt wurden 13 Menschen ermordet und mehr als 40 verwundet. 

Die Nachrichtenagentur des IS – Amaq News Agency – verkündete den ersten großen Anschlag im Iran mit verschiedenen arabischen Botschaften:

Sicherheitskräfte an Amaq Agentur: Kämpfer des IS haben Schrein des Khomeini und iranisches Parlament im Herzen Teherans angegriffen. (1)

Dies war der bislang größte Terroranschlag des IS im Herzen der iranischen Hauptstadt. Er zielte auf Zivilisten und prominente Symbole des Regimes. Organisationen, die mit dem IS verbündet sind, hatten in der Vergangenheit Anschläge auf die iranischen Grenztruppen und Revolutionsgarden (IRGC) verübt, v.a. in den stark von Sunniten bewohnten Provinzen Sistan und Baluchistan im Südosten des Iran, doch bislang noch keine auf Zivilisten. Im Laufe des vergangenen Jahres griffen arabische Separatisten auch in der westiranische Provinz Khuzestan an, wo Araber die Bevölkerungsmehrheit stellen und sich zahlreiche ölindustrielle Projekte finden.

"Tod Amerika, Tod Israel, Tod Saudi Arabien"


Die iranische Führung und hochrangige Vertreter der Revolutionsgarden verloren keine Sekunde, um Saudi Arabien der Urheberschaft zu bezichtigen. Behauptet wurde, dass die Saudis durch den Besuch von US-Präsident Donald Trump zu einer antiiranischen Allianz ermutigt worden wären. Der stellvertretende IRGC-Chef Hossein Salami drohte unverhohlen, das "Blut der Märtyrer, die im Terror starben durch einen Schlag gegen die Terroristen und die, die sie gesandt haben" zu rächen. (2) Der stellvertretende Chef des IRGC-Nachrichtendienstes beschuldigte die Vereinigten Staaten und Saudi Arabien, zu Söldner-Angriffen in Iran "eingeladen" zu haben. (3) In Anspielung an eine Erklärung des saudischen Kronprinzen und Verteidigungsministers Mohammed Bin Salman, der geäußert hatte, dass Saudi Arabien nicht warten werde, bis der Iran den Jemen übernimmt, sondern den Krieg in den Iran tragen würde, tweetete der iranische Außenminister Mohammad Zarif:

Despoten, die Terroristen unterstützen, drohen damit, den Kampf in unser Land zu tragen. Die Schergen greifen an, was ihre Herren am meisten fürchten: den Sitz der Demokratie. (4)

In einer Rede, mit der die Sitzung der Madschlis beendet wurde (die während des Angriffs nicht unterbrochen wurde), rief Parlamentsvorsitzender Ali Laridschani zu einer entschlossenen Niederschlagung des Terrorismus auf, was zu den Rufen "Tod Amerika, Tod dem saudischen Regime" (5) und  "Tod Israel" (6) führte.

IS-Aufruf zur Revolte aller Sunniten gegen das Schiitenregime

In den vergangenen Monaten hat der Propaganda-Apparat des IS seine Bemühen verstärkt, Iraner mit persischen Botschaften zu rekrutieren. Ende März 2017 veröffentlichte die Gruppe ein Video mit dem Titel "Persien zwischen gestern und heute", in dem iranische Militante die sunnitische Minderheit dazu aufrufen, Terrorgruppen zu bilden und die schiitischen Kräfte anzugreifen. Persisch sprechende IS-Mitglieder, die nicht unbedingt selbst Iraner sein müssen, beschreiben darin die Verfolgung und Hinrichtung von Sunniten im Iran und  drängen auf eine Revolte gegen das Regime, v.a. mit der Forderung, dass "Moscheen in Teheran und Isfahan niederzubrennen" seien. Das Video wirft dem Iran Heuchelei in seinem Kampf gegen Israel vor, da die iranischen Juden in Freiheit leben würden, während die Sunniten des Iran verfolgt würden. Ebenso wird Teheran der Heuchelei gegenüber den Vereinigten Staaten bezichtigt. (7) Seit März hat der IS weitere Aufrufe dieser Art der persischen Ausgabe seines Magazins Rumiyah veröffentlicht, dass auf Arabisch, Russisch, Indonesisch und Französisch erscheint und die Prophezeiungen des IS über seine Ausweitung und Eroberungen zum Inhalt hat.
 
Khamenei: Unser Engagement in Syrien und Irak verhindert Terror

Der Oberste Führer des Iran Ayatollah Khamenei zog eine Linie zwischen den Anschlägen und dem iranischen Engagement in Syrien und Irak. Er äußerte, dass, wenn der Iran sich nicht aktiv am Kampf gegen den IS in beiden Ländern beteiligt hätte, wo diese Anschläge geplant worden seien, es zu weit mehr Terrorismus im Iran selbst gekommen wäre. (8) Khameneis Worte decken sich mit der nationalen Sicherheitsstrategie des Landes, nach der die Grenzen des Landes im Ausland verteidigt werden müssen – sei es durch eine Unterstützung für Assad, die Hisbollah oder palästinensische Terrorgruppen, die der Iran als vorderste Verteidigungslinie gegen Israel betrachtet. Die koordinierten Anschläge in Teheran dürften daher gewichtige Folgen für den Iran haben – innenpolitisch wie außenpolitisch.

Ärger für Rouhani

Innenpolitisch dürfte der Angriff die Schwierigkeiten von Präsident Rouhani verschärfen, der am 20. Mai für eine zweite Amtszeit gewählt wurde. Er hatte im Wahlkampf Reformen im Bereich der Personen- und Bürgerrechte versprochen. Der Sicherheitsapparat dürfte die Anschläge jedoch dazu nutzen, um die Sicherheitsmaßnahme auszubauen, v.a. die gegen die sunnitischen und kurdischen Minderheiten, und nicht nur gegen diese. Jede Opposition gegen das Islamische Regime von Seiten des Reformlagers dürfte unterdrückt werden. Die iranische Bevölkerung wurde bislang von einem echten Blutzoll für die abenteuerliche Nahostpolitik der Revolutionsgarden verschont. Auch wenn zahlreiche IRGC- und Bassidschi-Kämpfer in Syrien und Irak gefallen sind, trug die iranische Zivilbevölkerung der großen Städte bislang keine eigene Last. Nach diesen Anschlägen dürfte die Kritik an der iranischen Außenpolitik lauter, aber auch entsprechend härter unterdrückt werden. Khamenei hat bereits angekündigt Aufwiegler in Syrien, Irak und anderswo zu bekämpfen. (9)

Verstärkte Subversionspolitik im Ausland

Außenpolitisch dürfte der Iran seine Aktivitäten in Syrien, Irak und Jemen eher verstärken unter dem Vorwand, einen Kampf gegen den Terror des IS zu führen, auch dort, wo es keinerlei echte Beziehung zum Terrorismus gibt. Dies passt in die Interessen der Revolutionsgarden. Diese erhalten durch die Anschläge die Möglichkeit, die wirtschaftliche und militärische Unterstützung für Terrorgruppen in ihren Diensten auszuweiten und könnten sogar weitere iranische Truppen nach Syrien und in den Irak verlegen, im "Krieg gegen den Terror".  Auch die Kampagnen gegen kurdische Organisationen Nähe der irakischen Grenzen und sunnitische Gruppen an der Grenze mit Pakistan dürften ausgedehnt und verschärft werden. Damit riskiert der Iran zwar eine Eskalation der Spannungen mit Pakistan, die durch verschieden Zwischenfälle an der Grenze zuletzt zugenommen haben. Dieser Aufstieg der Revolutionsgarden dürfte es Rouhani außenpolitisch schwerer machen, da die Reibungen mit den Saudis und Amerikaner im Kampf gegen die IS zunehmen dürften.

Das nächste Ziel des IS?

Seit Anfang des Jahres scheint der IS seine Politik des Terrors gegen den Iran verändert zu haben. Der Iran hat den IS seinerseits an verschiedenen Fronten in Irak und in Syrien bekämpft – sei es direkt oder durch verschiedene Schiitenmilizen. Gleichzeitig hatte der IS den Iran aber auch mit einer gewissen Nachsicht behandelt, da Teheran auch Gruppen bekämpft, die den syrischen Präsidenten Assad stürzen wollen, aber auch gegen den IS kämpfen. Es besteht die Möglichkeit, dass der IS, der in Syrien und im Irak Gebiete verliert, seine Kämpfer sich in Richtung Iran und Pakistan durchschlagen lässt. Dann stünde der Iran vor einem neuen, ihm bislang unbekannten Terrorkrieg, der sich nicht nur an seinen Grenzen, sondern auch in seinen großen Städten abspielt. Der IS würde darauf abzielen, Unterstützung von den vielen ethnischen Minderheiten des Iran zu erhalten.

Sunnitische Organisationen die den Iran in der südöstlichen Grenzregion zu  Pakistan und Afghanistan bekämpfen – Gruppen, die bereits vom IS inspiriert wurden – dürften sich von dem doppelten Angriff in Teheran ermutigt fühlen und ihrerseits ihre Bemühungen verstärken. Separatistische Bewegungen und andere ethnische Gruppen sind unter den Arabern des Iran sehr aktiv, v.a. in Khuzestan, wo Angriffe aus Öl- und Gaseinrichtungen eskalieren können. (10) Je mehr der IS also an Territorium verliert,  desto mehr dürfte Teheran mit der Gruppe an seinen und innerhalb seiner Grenzen konfrontiert werden, was die iranischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und den Golfmonarchien – allen voran Saudi Arabien – verschärfen dürfte.

 


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1 https://twitter.com/IranTalks/status/872381258281693186
2 http://www.mashreghnews.ir/news/734528/%D8%B9%D9%85%D9%84%DB%8C%D8%A7%D8%AA-%D8%A7%D9%85%D8%B1%D9%88%D8%B2-%D8%B3%D9%BE%D8%A7%D9%87-%D8%A7%D9%81%D8%AA%D8%AE%D8%A7%D8%B1%D8%A2%D9%85%DB%8C%D8%B2-%D8%A8%D9%88%D8%AF-%D8%A7%D9%86%D8%AA%D9%82%D8%A7%D9%85-%D8%AE%D9%88%D9%86-%D8%B4%D9%87%D8%AF%D8%A7-%D8%B1%D8%A7-%D9%85%DB%8C-%DA%AF%DB%8C%D8%B1%DB%8C%D9%85
3 http://www.farsnews.com/newstext.php?nn=13960317001482
4 https://twitter.com/JZarif/status/872543822525464577
5 http://fa.alalam.ir/news/1979529
6 http://www.irna.ir/fa/News/82556847/
7 http://jihadology.net/2017/03/26/new-video-message-from-the-islamic-state-persia-between-yesterday-and-today-wilayat-diyala%e2%80%8e/ (warning – contains graphic images!)
8 http://farsi.khamenei.ir/speech-content?id=36775
9 http://tinyurl.com/yd82p4pz
10 http://jcpa.org/article/ethnic-opposition-to-irans-regime-is-on-the-rise/