Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels: Was gesagt wurde und was nicht

Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels: Was gesagt wurde und was nicht

Nadav Shragai

 

Die amerikanische Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels revolutioniert eine 70-jährige US-Politik und bringt eine Reihe ganz unmittelbarer Konsequenzen, einige davon nominell, andere praktisch:

Aus für eine UN-Resolution zur Internationalisierung Jerusalems

Trump hat effektiv die Idee einer "Internationalisierung Jerusalems" begraben, die die Vereinigten Staaten seit dem 29. November 1947 offiziell noch nicht verworfen hatten. An diesem Tag hatte die UN-Vollversammlung Resolution 181 verabschiedet, mit der das Land zwischen Juden und Arabern aufgeteilt werden sollte. In dieser Resolution wurde unter anderem gefordert: "Die Stadt Jerusalem wird als corpus separatum unter einem internationalen Sonderregime errichtet und von den Vereinten Nationen verwaltet."

Die Vereinten Nationen beabsichtigten damals, dass die Grenzen Jerusalems auch die Stadt Bethlehem umfassen und dass die Internationalisierung für 10 Jahre Bestand haben sollte. Dies wurde jedoch nie umgesetzt. Das Resultat des israelischen Unabhängigkeitskrieges führte stattdessen zur Teilung Jerusalems zwischen Israel und Jordanien und machte die Idee der Internationalisierung zum toten Buchstaben.

Bis zu Trumps "Anerkennungsrede" hatten die Vereinigten Staaten die Idee einer Internationalisierung jedoch nie offiziell zurückgenommen. Stattdessen wurde in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass der Status der Stadt durch Verhandlungen zwischen beiden Seiten festgelegt werden sollte. Durch die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels ist die Idee einer Internationalisierung aus amerikanischer Sicht nunmehr Geschichte.

Teilungspläne auf Eis

Ebenso liegen dank der Rede Trumps waghalsige Pläne für eine Teilung der Stadt auf Eis, die während der Regierungszeiten der israelischen Premiers Ehud Barak und Ehud Olmert auf dem Verhandlungstisch waren.

Barak und Olmert waren bereit, die Stadt zu teilen, und die jeweiligen US-Administrationen unter Bill Clinton und George W. Bush waren intensiv an den Verhandlungen zwischen beiden Seiten beteiligt und ermutigten – in Hoffnung auf Frieden – diese, einem solchen Plan zuzustimmen. Auch die Europäer waren zu verschiedenen Zeiten an den Verhandlungen über eine mögliche Teilung Jerusalems beteiligt.

In Folge von Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt dürften die Chance für eine Neuauflage solcher Pläne während seiner Amtszeit gering sein.

Territoriale Integrität ohne sakrosankte Grenzen

Bis zu der Rede wurden weder West- noch Ostjerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt, auch wenn US-Präsidenten, Außenminister und amerikanische Diplomaten regelmäßig im westlichen Teil der Stadt empfangen wurden.

Präsident Trump unterschied dabei nicht zwischen beiden Teilen der Stadt. In seinen Äußerungen wurde die Stadt als Ganzes behandelt. Gleichzeitig machten die Vereinigten Staaten in der Rede aber auch klar, dass sie die aktuellen Grenzen nicht für sakrosankt halten. In Trumps eigenen Worten: "Wir nehmen keine Stellung zu irgendwelchen endgültigen Statusfragen, einschließlich der spezifischen Grenzen der israelischen Souveränität in Jerusalem oder der Lösung von umstrittenen Grenzen. Diese Fragen sind Sache der beteiligten Parteien."

Formale Anerkennung der Realität eines "ungeteilten Jerusalem"

Trump erwähnte desweiteren erneut die historische Beziehung des jüdischen Volkes zu Jerusalem und betonte gleichzeitig sein Bewusstsein der gegenwärtigen Realität der Stadt.

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Links: jordanischer Soldat an der Klagemauer nach der Vertreibung der Juden aus dem jüdischen Viertel, Februar 1948.
Rechts: Betende vor der Klagemauer während Sukkot (Oktober 1995)


Die Gasse vor der Klagemauer hat sich in eine Plaza verwandelt. Juden können den Tempelberg besichtigen. Der amerikanische Präsident hat effektiv all dies anerkannt, samt des damit verbundenen Netzwerks aus Infrastruktur, Nationalparks und Regierungsinstitutionen, die in den Jerusalem hinzugefügten Teilen gebaut wurden, wie dem Mount Scopus, wo das Hadassah-Krankenhaus und die Hebrew University nach 1967 erneut eröffnet wurden. Verschiedene archäologische Ausgrabungen in allen Teilen der Stadt haben den jüdischen Charakter der Stadt im Laufe der Geschichte offengelegt.

All dies wird nun mit der späteren Realität Westjerusalems, wo sich die Regierungsgebäude, die Knesset, die Präsidentenresidenz und das Oberste Gericht Israels befinden, von den Vereinigten Staaten als "Jerusalem, Hauptstadt Israels" anerkannt.

Symbolische Veränderungen

Durch die Anerkennung Jerusalems wird sich vermutlich die Praxis des amerikanischen Außenministeriums bei der Vergabe von amerikanischen Pässen verändern. Heute in Paris geborene Amerikaner erhalten den Eintrag "Geburtsort: Paris, Frankreich", in Tel Aviv geborene "Tel Aviv, Israel", doch bei in Jerusalem Geborenen steht lediglich: "Jerusalem". Nun, nach der Anerkennung als Hauptstadt sollte es möglich sein, zukünftig "Jerusalem, Israel" im Pass stehen zu haben.

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Amerikanischer Pass


Was fehlt?

Das heißt allerdings nicht, dass die Beschränkungen, die die Vereinigten Staaten Israel hinsichtlich der Baumaßnahmen in jüdischen Vierteln und jenseits der "Grünen Linie" auferlegt haben, also in der Stadt selbst wie auch ihrem Umland, aufgehoben worden sind. Welche Verhandlungen auch immer hinter den Kulissen geführt werden, so sind sie nicht Gegenstand der Öffentlichkeit. Die Baumaßnahmen in Givat Hamatos in Südjerusalem, die vor beträchtlicher Zeit von den städtischen Planungsbehörden genehmigt wurden, sind immer noch eingefroren.

Aus israelischer Perspektive verhindert dies schmerzhaft die strategisch wichtige Verbindung zwischen dem Viertel in Gilo und dem in Har Homa. Bauvorhaben im E1-Gebiet sind ebenso eingefroren, wo zwischen Ma’ale Adumim und Jerusalem ein neues Viertel entstehen sollte. Im Großraum Jerusalem werden Neubauten von amerikanischer Seite selten gebilligt und selbst innerhalb der Jerusalemer Stadtgrenzen werden nur wenige Baumaßnahmen in den 1967 hinzu gewonnenen Vierteln gestattet.

Diplomatische Beobachter in Jerusalem glauben, dass die jüngsten Berichte über mögliche Fortschritte in den israelisch-palästinensischen Gesprächen über ein "Jahrhundertabkommen" nicht gänzlich ohne Beziehung zu der Erklärung Trumps stehen. Diesen Analysen zufolge ist nicht auszuschließen, dass Trump als "Gegenleistung" für seinen historischen Schritt israelische Zugeständnisse in den Gesprächen einfordert.

Der Tempelberg nicht im Spiel

Der Status Quo des Tempelbergs bleibt erhalten. Juden ist das Gebet dort nicht gestattet, nur der Besuch. Die faktisch gemeinsame Verwaltung des Areals durch Israel und Jordanien wird fortgesetzt. Dieser Status wurde Jordanien im Rahmen des Friedensvertrages gestattet und wird sich nicht ändern. Trump begreift nun die unglaubliche Sensibilität und das Unruhepotential dieses wohl heikelsten Ortes im Nahen Osten.

Grenzen Jerusalems

Trumps Rede versprach auch nicht, dass Jerusalems gegenwärtige Grenzen im Falle eines Friedensvertrages dieselben bleiben würden.

Der amerikanische Präsident hat Jerusalem zwar als israelische Hauptstadt anerkannt, doch sich damit nicht automatisch auf die Anerkennung der Jerusalemer Stadtgrenzen als endgültige festgelegt. Auf diese Weise bleibt den Palästinenser eine Tür offen, wenn auch nicht weit genug, um ihre phantasmatischen Pläne für eine Teilung der Stadt wieder hervorzuholen. Es ist daher durchaus möglich, dass der von der New York Times berichtete "saudische Vorschlag" an Mahmoud Abbas, das östlich an Jerusalem grenzende Viertel Abu Dis zur palästinensischen Hauptstadt zu machen, Teil der amerikanischen Erwägungen ist.

Keine Eile mit Botschaftsverlegung

Wie seine Vorgänger wird Trump die amerikanische Botschaft nicht gleich "morgen" nach Jerusalem verlegen. Die palästinensischen Drohungen dazu schrecken ab. Stattdessen spricht die US-Administration von einem "Transferprozess von etwa drei bis vier Jahren". Die dazu ausgesuchte Stelle dürfte sich in Westjerusalem befinden und nicht im Osten. Trump selbst hat logistische Vorbereitungen dazu angekündigt.

Auf diese Weise reiht sich Trump in die Reihe der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten ein, die dies versprachen, als Präsidenten sich aber nicht daran hielten. Hier wird die Zukunft zeigen, ob Trump einen Unterschied macht.

Was folgt aus der Anerkennung?

Die Frage, was aus Trumps Äußerungen und der amerikanischen Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt folgen wird, hängt vom Verhalten aller Seiten ab.

Auf der rhetorischen Ebene hat Trumps Erklärung die islamische Welt – sowohl die "moderate" als auch die "extremistische" – gegen Israel vereint: Iran, Türkei, Katar, Ägypten, Saudi Arabien und Jordanien haben alle den Schritt Trumps verurteilt und vor den negativen Konsequenzen gewarnt.

Tatsächlich dürfte sich aber die Realität vor Ort entscheiden. Die von der Fatah erklärten "Drei Tage des Zorns" und die Drohung der Hamas, die Intifada erneut aufleben zu lassen, testen nicht nur die israelische Fähigkeiten, das Feuer zu löschen, bevor es vollständig ausbricht, sondern auch die palästinensische Fähigkeit, Massen auf die Straße zu bringen.

Als im letzten Sommer die Al-Aqsa-Moschee und der Tempelberg in den Mittelpunkt des Interesses rückten, nachdem Israel nach einem Terroranschlag Metalldetektoren installiert hatte, gingen die Palästinenser massenweise auf die Straße und zwangen Israel zur Rücknahme der Detektoren.

Zu anderen Zeiten reagierten die Palästinenser nach ähnlichen Aufrufen jedoch eher verhalten. Sollte es der Hamas gelingen, dass die Massen Al-Aqsa durch die amerikanische Anerkennung für bedroht halten, dann ist mit Massenprotesten zu rechnen. Doch solange das Heiligtum nicht im Focus steht, dürften die Protestwellen geringer ausfallen.

Zu den anderen Gefahren des religiösen Streits gehört die Kooperation zwischen Jordanien und der Türkei. In den letzten Jahren sich die Türkei darum bemüht, in Jerusalem durch Spendenfinanzierung für verschiedene Institutionen und Einrichtungen der Altstadt und auf dem Tempelberg Fuß zu fassen. Damit ist der türkische Einfluss auf die Ostjerusalemer Bevölkerung gewachsen.

 

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Dreihundert türkische Demonstranten auf dem Tempelberg, 2015


Erdogan hat bereits damit begonnen, die Wut über die amerikanische Anerkennung der Stadt religiös aufzustacheln. Israels Interesse muss daher sein, den Tempelberg aus der gegenwärtigen Diskussion herauszunehmen und Akteuren wie der Hamas, dem Nordarm der Islamischen Bewegung, der Türkei und Katar die Gelegenheit zu verweigern, die Situation mit religiöser Rhetorik weiter anzuheizen.