Die Grenzen der Diplomatie
Die Grenzen der Diplomatie
Dore Gold
Die von Juli bis August 2014 durchgeführte Operation „Schutzrand“ war bereits die dritte militärische Intervention, zu der Israel genötigt wurde, seitdem sich die israelischen Streitkräfte IDF 2005 vollständig und unilateral aus dem Gebiet zurückzogen und die Hamas 2007 die Kontrolle des Gazastreifens übernommen hatte. Jede dieser Interventionen erfolgte nach einer Eskalation des Raketenbeschusses Israels durch Gaza und endete mit einem brüchigen Waffenstillstand dank der Vermittlung durch dritte Parteien. Dieses Mal jedoch erhielt die von Gaza ausgehende Bedrohung Israels eine neue Dimension: Entdeckt wurde ein ganzes Netzwerk von Angriffstunneln, die in das israelische Gebiet hineinragten. Solche Tunnel waren zuvor nie Gegenstand von Waffenstillstandsverhandlungen gewesen.
Auch der diplomatische Hintergrund des Krieges erwies sich als neuartig, vergleicht man ihn mit anderen arabisch-israelischen Auseinandersetzungen, wo das Ende der Kampfhandlungen durch eine Reihe von zwischenstaatlichen Waffenstillstandsübereinkommen, sorgsam ausgehandelten UN-Resolutionen oder – wie im Fall des Konflikts mit den Palästinensern – vom Osloer Abkommen geregelt wurde. Dieses Geflecht internationaler Bemühungen band sowohl die arabische wie auch die israelische Seite ein und wirkte entschärfend auf den Konflikt, auch wenn es keinerlei diplomatische Beziehungen oder direkten Kontakte gab.
Im Gegensatz dazu putschte die Hamas 2007 im Gazastreifen militärisch gegen die Autonomiebehörde. Bei dem entstandenen Hamas-Territorium handelt es sich nicht um ein anerkanntes staatliches Gebilde; es operiert außerhalb des Rahmens der internationalen Gemeinschaft. Der Westen pflegt keinerlei offene Beziehungen zu der Hamas. Ganz im Gegenteil: die Hamas steht in den Vereinigten Staaten, Kanada, der Europäischen Union und anderen Nationen auf der Terrorliste.
US-Außenminister John Kerry telefoniert in Kairo mit dem israelische Premier Benjamin Netanyahu am 25. Juli 2014 über die Bedingungen einer Feuerpause zwischen Israel und der Hamas in Gaza. (AP/Charles Dharapak)
Kürzlich haben arabische Staaten wie Ägypten, Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate beschlossen, dass auch die Muslimbruderschaft – die Mutterorganisation der Hamas – als Terrororganisation einzustufen sei. Von saudischer Seite heißt es, dass dies auch für die Hamas zu gelten habe.(1) Im Nahen Osten geben aber v.a. Katar (Schutzhafen und wirtschaftliche Unterstützung), die Türkei (Schutzhafen) sowie der Iran (wirtschaftliche Unterstützung, militärischer Nachschub und Training) der Hamas Rückendeckung. Diese Staaten intervenierten nicht, um den Konflikt zu entschärfen, sondern tun das ihre, um ihn zu beschleunigen.
Während Völkerrechtler beobachten, wie nichtstaatliche Akteure zunehmend vom Humanitären Völkerrecht eingegrenzt werden, sieht sich die Hamas weder von diesen internationalen Konventionen noch von UN-Resolutionen eingeschränkt. Obwohl die Terrororganisation z.B. die Anwendbarkeit der Dritten Genfer Konvention nicht kategorisch ausschloß, verweigerte sie sich dennoch dessen Bestimmungen, indem sie dem Internationalen Roten Kreuz nicht gestattete, den israelischen Soldaten Gilad Shalit zu besuchen, der für fünf Jahre in Geiselhaft der Hamas war. (2) Auf der diplomatischen Ebene erweist sich der Konflikt mit der Gruppe daher als nur begrenzt beeinflussbar. Diplomatie konnte so nur eine eingeschränkte Rolle beim Ausbruch des jüngsten Gaza-Kriegs spielen, v.a. deswegen, weil die wesentlichen diplomatischen Mittel bei der Hamas nicht hoch im Kurs stehen.
Diplomatie konnte so nur eine eingeschränkte Rolle beim Ausbruch des jüngsten Gaza-Kriegs spielen. Die Hamas sieht sich nicht an die Verträge gebunden, die die PLO unterzeichnet hat. Stattdessen lehnt sie internationalen Forderungen vehement ab, die Organisation solle diese Vereinbarungen anerkennen.
Darüber hinaus sieht sich die Hamas auch nicht an die Verträge gebunden, die die PLO seit dem Osloer Abkommen 1993 unterzeichnet hat. Stattdessen lehnt sie internationalen Forderungen vehement ab, die Organisation solle diese Vereinbarungen anerkennen. Ebenso hat sich die Hamas geweigert, die militärischen Angriffe auf Israel einzustellen und das Existenzrecht des Landes zu bestätigen. Dies sind die drei Voraussetzungen, die das Nahostquartett – seit 2003 bestehend aus den Vereinigten Staaten, Russland, der EU und dem UN-Sekretariat – der Hamas präsentiert hat, damit sie von der internationalen Gemeinschaft anerkannt würde.
Daher waren auch alle drei Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen Israel und der Hamas, die jedes Mal durch ägyptische Vermittlung zu Stande kamen, keine verbindlichen Übereinkommen zweier Staaten im Rahmen des Völkerrechts. Die Hamas nutzt deshalb auch den arabischen Begriff tahdiya für den Waffenstillstand, was soviel wie vorübergehende Ruhe und Feuerpause bedeutet. Gelegentlich hat die Hamas auch den Begriff hudna verwendet – ein islamischer Begriff für die Art Waffenstillstand, den sie Israel mitunter anbietet. Doch eine hudna darf gebrochen werden, sobald sich das Kräfteverhältnis ändert.(3)
Ahmad Yousef zufolge, seines Zeichens Berater des Hamas-Premiers Ismail Hainiyeh, ist eine tahdiya immer nur temporär. Wenn die Hamas also diesen Begriff verwendet, dann, um die mit Israel getroffene Feuerpause nicht als Verpflichtung zu verstehen, alle Militäroperationen dauerhaft einzustellen. Für die Hamas ist der bewaffnete Kampf oder „Widerstand“, muqawama, gegen Israel Kern ihrer Ideologie, an der sie unverbrüchlich festhält. Der Kampf gegen Israel ist somit keine territorialer, sondern ein existenzieller.
Entsprechend erweisen sich die alten Paradigmen der Diplomatie, die im Konflikt zwischen Israel und Arabern in der Vergangenheit funktionierten, als für die Auseinandersetzung mit der Hamas nicht anwendbar. Entgegen aller Erwartungen nahmen die Raketenangriffe nach dem Abzug Israels aus Gaza 2005 nicht ab, sondern drastisch zu – und zwar um 500 Prozent zwischen 2005 und 2006. Dabei zeigte sich, dass der Kriegskurs der Hamas kein Resultat eines territorialen Anspruches allein ist, sondern aus tiefer liegenden, ideologischen Gründen verfolgt wird.(4)
Der Dritte Gaza-Krieg und die Vereinten Nationen
> > Navi Pillay, Hohe Kommissarin der UN für Menschenrechte, wiederholte die Behauptungen der Hamas, dass die überwiegende Mehrheit der Opfer in Gaza Zivilisten gewesen seien. Ihre Bemerkungen hatten Einfluss auf die Meinung der internationalen Öffentlichkeit, entbehrten jedoch jedes Beweises.(AP Photo/Keystone, Salvatore Di Nolfi)
Angesichts der gegebenen Grenzen innerhalb traditioneller bilateraler Diplomatie, versucht die Hamas, multilaterale Formate wie die Vereinten Nationen auszunutzen. Januar 2009 – gegen Ende des ersten Gaza-Kriegs, der Operation „Gegossenes Blei“ – verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1860, mit der die Hamas nicht dafür verurteilt wurde, dass sie die Tahdiya formal beendet und einen Krieg angezettelt hatte, indem sie tausende von Raketen auf Israel schoss. Kein Wort wurde verloren über die Entführung Gilad Shalits. Die Resolution vermied es sogar, die Hamas oder ihre Pflicht zur Vermeidung einer Eskalation zu erwähnen. Verständlicherweise wurde der Resolutionsentwurf von der politischen Führung Israels abgelehnt. Er zeugte davon, wie die UN von der Hamas mit Hilfe einiger Staaten ausgenutzt werden kann, die die Ziele der Hamas vortragen, um sich einen diplomatischen Vorteil zu verschaffen.(5)
Während der Operation „Schutzrand“ 2014 zeigten sich einige nicht unbedeutende UN-Körperschaften bereit, völlig unkritisch Behauptungen der Hamas in ihren eigenen Stellungnahmen zu verkünden. So erklärte die UN-Kommissarin für Menschenrechte Navi Pillay am 23. Juli 2014 vor dem UN-Menschenrechtsrat, dass „74 Prozent der bislang Getöteten Zivilisten gewesen [sind]“. (6) Tatsächlich hätte sie zu einem solch frühen Zeitpunkt noch gar nicht wissen können, wie hoch die Prozentzahl eigentlich war, doch die von Pillay lancierten Zahlen verbreiteten sich wie ein Lauffeuer in den internationalen Medien und wurden von Kommentatoren der BBC genauso übernommen wie von CNN, wodurch die Meinung der internationalen Öffentlichkeit geformt und dem Narrativ der Hamas angepasst wurde. Die später erfolgte Analyse der möglichen Opferzahlen zeigte, dass Pillays Behauptungen völlig gegenstandslos waren.(7)
Die UN hatte es mit eine Vorverurteilung Israels anscheinend eilig.
Die Rolle der UNRWA
Im Gegensatz zu vielen UN-Mitgliedsstaaten ist die Hamas für eine Reihe von UN-Institutionen kein rotes Tuch. UNRWA – das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten – ist dafür veranwortlich, den palästinensischen Flüchtlingslagern humanitäre Hilfe zukommen zu lassen, und beschäftigt ca. 20,000 Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen. 2003 stimmten verschiedene Gewerkschaften, in welchen UNRWA-Mitarbeiter sich organisieren, in den Gewerkschaftswahlen überwältigend für Kandidaten der Hamas, was den Einfluss der Terrorgruppe zum damaligen Zeitpunkt belegt. Eine weitere UN-Körperschaft, das UN-Entwicklungsprogramm UNDP hat mit Hilfe der Arab Bank zwischen 2003 und 2004 regelmäßig Gelder an Hamas-Institutionen wie das „Tulkarem Charity Committee“ fließen lassen.(8)
Gerade die UNRWA wahrt inzwischen auch gar nicht mehr den Anschein von Neutralität, zu der UN-Körperschaften behaupten, verpflichtet zu sein, wenn sie sich zwischen den Fronten eines bewaffneten Konflikts befinden. Die stellvertretende Generalkommissarin der UNRWA Margot Ellis beschwerte sich bei einer UN-Spendengala über den Mangel an Baumaterial und verwiese dabei auf die „illegale israelische Blockade“. Desweiteren behauptete sie, diese habe „sich verschärft durch den Einfuhrstopp von Baumaterial, das dringend für Bauprojekte der UNWRA gebraucht wird – für Schulen und Schutzeinrichtungen“. Ellis erwähnte nicht einmal, dass die Operation „Schutzrand“ bewiesen hatte, in welchem Ausmaß die Hamas dieses Baumaterial für ihr umfangreiches Tunnelnetzwerk abgezweigt hatte.(9)
**Während die Operation „Schutzrand“ lief, spielte UNRWA eine Rolle, die zumindest anscheinend die einer direkten Unterstützerin der Hamas war. In drei verschiedenen Fällen wurden palästinensische Raketen in UNRWA-Schulen entdeckt. Die Hamas feuerte zudem ihre Raketen und Mörsergranaten in unmittelbarer Nähe von UN-Gebäuden ab.
Während die Operation „Schutzrand“ lief, spielte UNRWA eine Rolle, die zumindest anscheinend die einer direkten Unterstützerin der Hamas war. In drei verschiedenen Fällen wurden palästinensische Raketen in UNRWA-Schulen entdeckt – am 16. , 22. und am 29. Juli. Was die ganze Sache so unrühmlich macht, ist, dass die UNRWA diese Raketen der Hamas zurückgab. „Mit anderen Worten, die UNRWA gab der Hamas die Raketen, damit sie auf Israel geschossen werden können.“(10) Während des Krieges wurde auch ein weiteres Problem mit den UNRWA-Einrichtungen in Gaza deutlich: die Hamas feuerte ihre Raketen und Mörsergranaten in unmittelbarer Nähe von UN-Gebäuden ab, wie z.B. der UNRWA-Shahada-al-Manar-Grundschule für Jungen im Zeitoun-Viertel oder zwischen dem UNRWA-Verteilungs- und dem Gesundheitszentrum in Dschabaliya.(11)
Ein weiterer Vorfall ereignete sich in der UNRWA-Schule bei Beit Hanoun im nördlichen Teil des Gazastreifens, das als Notunterkunft für die Einwohner Gazas dient. Am 24. Juli wurde die Schule von Raketen und Mörsergranaten getroffen. UNRWA behauptete, dass man mit den israelischen Truppen verhandelt hätte, „eine Kampfpause einzulegen, damit ein sicherer Korridor für die Evakuierung von Personal und Schutz suchenden Personen garantiert wird.“(12) Der UNRWA-Sprecher Chris Gunness erklärte, man habe ein Zeitfenster mit den IDF koordinieren wollen, damit sich die Zivilisten in Sicherheit bringen können, doch dieses sei „nicht gewährt worden“. Die IDF bestreiten diese Darstellung vehement. Sie hätten durch dem Roten Kreuz vermittelt, zwischen 10 und 14 Uhr seien die Zivilisten in Sicherheit zu bringen, doch dass die Hamas die Evakuierung verhindert hätte. Entsprechend nennen israelische Quellen die Anschuldigungen von Gunness eine „dreiste und komplette Lüge.“(13) Dennoch kündigte der IDF-Generalanwalt am 14. Dezember 2014 an, dass er eine strafrechtliche Untersuchung angeordnet hätte, um die Vorfälle vom 24. Juli in Beit Hanoun anhand der UNRWA-Vorwürfe genau zu untersuchen. Der Vorwurf israelischen Fehlverhaltens wird also nicht einfach abgestritten, sondern verlangt aus israelischer Perspektive gründliche Untersuchung.(14)
Die UN-Tatsachenfeststellungskommissionen
Richter Richard Goldstone führte den Vorsitz der in Misskredit geratenen UN-Tatsachenfeststellungsmission in Folge der Operation „Gegossenes Blei“ vom Januar 2009. Er zog später selber die zentrale Aussage seines Berichts zurück, in der Israel vorgeworfen wurde, vorsätzlich Zivilisten anzugreifen.(AP Photo/Keystone/Martial Trezzini)
Der UNO kommt auch durch die Einrichtung von Untersuchungskommissionen in Gaza eine besondere Rolle zu. Aufgabe dieser Kommissionen ist es zumeist, den gegen die IDF erhoben Vorwurf von Kriegsverbrechen zu prüfen. 2009 wendete sich der UN-Menschenrechtsrat dazu an den südafrikanischen Richter Richard Goldstone, eine solche Kommission anzuführen. Der Ruf des UN-Menschenrechtsrats war aufgrund seiner Besessenheit mit dem Thema Israel zu dem Zeitpunkt schon stark diskreditiert. Niemand geringeres als der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte ihn für seine systematischen Vorurteile kritisiert: „Von Anfang an hat er sich fast ausschließlich auf Israel konzentriert. Über andere Krisensituationen wie z.B. im Sudan wurde kein Wort verloren.“(15)
Seit Jahren ist dies charakteristisch für die Arbeit des Menschenrechtsrats. So verweigerte er 2009 eine Untersuchung gegen Sri Lanka, obwohl die Zahl der Todesopfer im Kampf gegen die Tamil Tigers zehnmal so hoch war, wie im Fall Gazas. Während der Operation „Schutzrand“ rief er dagegen schon im Juli 2014 nach der Einrichtung einer Kommission zur Untersuchung der „Verletzung des humanitären Völkerrechts“ durch Israel und wandte sich dafür an den kanadischen Professor William Schabas, der die Kommission leiten soll.(16)
Die Untersuchungskommissionen des UN-Menschenrechtsrat wiesen in der Vergangenheit zahlreiche Schwachstellen auf. Sie untersuchten Vorfälle, die sich Monate zuvor abgespielt hatten und nicht etwa abgesperrt worden waren, wie der Tatort eines Verbrechens. Die Hamas konnte diese Stellen anscheinend manipulieren, weshalb der Goldstone-Bericht irrtümlicherweise zum Schluss kam, dass die israelische Luftwaffe vorsätzlich eine Getreidemühle zerstört hatte, um die palästinensische Bevölkerung auszuhungern. Die israelischen Gutachter vermuteten dagegen, dass vorgefundene israelische Munition dort absichtlich von der Hamas deponiert worden war, um diesen Anschein zu erwecken.(17) Die Goldstone-Untersuchungskommission verschaffte sich zudem Zeugenaussagen von palästinensischen Zeugen, die nicht ins Kreuzverhör genommen werden konnten und stattdessen ihre Aussage unter Augen von Hamas-Vertretern abgaben. Trotz dieser offensichtlichen Mängel fanden die Mitglieder der Kommission nichts dabei, weitreichende Schlussfolgerungen zu präsentieren, die Israel belasteten.
Was den Sachverhalt noch bedenklicher macht, ist, dass die UN-Kommissionen zu Gaza den Untersuchungen eine Aura eines juristischen Vorgehens verliehen, auch wenn sie sich nicht im Mindesten an das Procedere strafrechtlicher Ermittlungen hielten. Man muss es Goldstone zu Gute halten, dass er später die juristischen Schwächen seiner eigenen Untersuchungskommission eingestand: „Läge dies einem Gericht vor, nichts davon wäre als Beweis akzeptiert worden.“(18) Dennoch ging der Goldstone-Bericht soweit, rechtliche Empfehlungen abzugeben. So kam er zu dem Schluss, dass die Angelegenheit des Ersten Gaza-Kriegs – Operation „Gegossenes Blei“ – dem Internationalen Strafgerichtshof vorgelegt werden sollte.
Eine weitere offensichtliche Schwäche der UN-Untersuchungskommissionen des Menschenrechtsrates ist, dass die Resolutionen, die die Kommissionen erst ins Leben rufen, bereits Vorverurteilungen enthalten, bevor die Kommissionen selbst ihre Arbeit aufgenommen haben. So schuf die Resolution S-21/1, die am 23. Juli 2014 angenommen wurde, die Schabas-Kommission. Im Paragraph 2 verurteilt die Resolution „aufs schärfste die umfassenden, systematischen und groben Verletzung der internationalen Menschen- und Freiheitsrechte durch die israelischen Militäroperationen […] v.a. dem jüngsten israelischen Angriff auf den besetzten Gaza-Streifen aus der Luft, zu Land und zur See.“ Die Resolution verweist dabei auf die „unverhältnismäßigen und unterschiedslosen Angriffe“ durch Israel sowie den „vorsätzlichen Beschuss von Zivilisten“.(19) Mit anderen Worten: das der Schabas-Kommission übertragene Mandat enthält bereits die Ergebnisse, die der Menschenrechtsrat von ihr erwartet. Auf diese Weise ist von der Kommission nicht weniger als ein „Schauprozess“ zu erwarten.
Katar, Türkei und Iran: Dritte Parteien und der problematische Weg zum Waffenstillstand
Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan (links) begrüßt den Hamas-Führer Khaled Mashal (rechts) bei einem Treffen in Ankara vom 16. März 2012. (AFP Photo/Yasin Bülbül)
In der Vergangenheit konnten im Falle einer Eskalation des arabisch-israelischen Konfliktes außen stehende Mächte eine konstruktive Rolle dabei spielen, die kriegerischen Auseinandersetzungen zu einem Ende zu bringen. Ganz sicher kam Ägypten dabei die Vermittlungsfunktion zwischen Israel und der Hamas zu, die die Verständigung über eine Tahdiya, wie oben erwähnt, möglich machte. Die ägyptischen Sicherheitsbehörden erarbeiteten auch die Bedingungen für die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit aus der Geiselhaft der Hamas. Während der Clinton-Jahre hielten die USA den Kontakt zu Damaskus aufrecht, um Einfluss auf die Hisbollah zu haben und einen Waffenstillstand zwischen jener und Israel zu erwirken, auch wenn Syrien der vom Iran finanzierten Gruppe Waffen lieferte. Die Syrer ermöglichten auch, dass eine internationale Beobachtungsgruppe 1996 im Südlibanon stationiert wurde, deren Aufgabe es war, die Waffenstillstandsvereinbarungen zu überwachen.
Während der Operation „Schutzrand“ spielte Ägypten auch immer noch eine konstruktive Rolle als Drittpartei und bemühte sich am 15. Juli um eine Feuerpause. Zum ägyptischen Vorschlag gehörte, dass „Israel […] alle Feindseligkeiten gegen den Gazastreifen zu Land, zur See und aus der Luft ein[stellt] und sich dazu verpflichtet, von Bodenoperationen gegen Gaza und den Beschuss von Zivilisten abzusehen“. Auch wurde gefordert, dass „alle Palästinensergruppierungen […] im Gazastreifen ihre Feindseligkeiten gegen Israel zu Land, zur See, aus der Luft und aus dem Untergrund ein[stellen] und sich dazu verpflichten, keinerlei Sorte von Raketen abzufeuern und nicht mehr die Grenzen oder Zivilisten anzugreifen.“(20) Der Vorschlag Ägyptens forderte also nichts weiter als einen bedingungslosen Waffenstillstand. Er garantierte der Hamas nicht, wie von ihr erhofft, einen freien Hafen oder Flughafen. Die Hamas lehnte daher ab, während Israel den Vorschlag akzeptierte.
**Ägyptens schlug einen bedingungslosen Waffenstillstand für den 15. Juli 2014 vor. Während Israel den Vorschlag akzeptierte, lehnte die Hamas ihn ab und ist damit verantwortlich für 90 Prozent der palästinensischen Opfer des Krieges.
In dieser Hinsicht war die Hamas für die Zerstörungen im Gazastreifen nach dem 15. Juli verantwortlich, als der Krieg hätte eingestellt werden können. In einem umfassenden Interview mit der ägyptischen Tageszeichnung al-Akhbar vom 30. November 2014 äußerte Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas genau diesen Vorwurf. Er sagte, dass „durch die Sturheit der Hamas […] in dieser Zeit alles zerstört [wurde].“(21) Khaled Mashal, der Chef des Hamas-Politbüros zeigte sich enttäuscht über die Aussagen von Abbas auch an anderen Stellen, dass die Hamas den Tod vieler tausend Palästinenser hätte verhindern können, wenn sie die ägyptische Initiative angenommen hätte. Nach israelischer Einschätzung ereigneten sich 90 Prozent der palästinensischen Opfer des Krieges, nachdem die Hamas das ägyptischen Angebot ausgeschlagen hatte.(22)
Immer mehr Bericht zeigen jedoch, dass die Weigerung der Hamas, dem Waffenstillstandsangebot von Ägypten zuzustimmen, nicht nur ihrer eigenen Militanz zu verdanken ist, sondern auch auf Betreiben Katars zustande kam, das zu diesem Zeitpunkt versuchte, die Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien zu torpedieren. Eine Analyse der panarabischen Tageszeitung al-Hayat deutet an, dass Katar an einer Stelle sogar damit drohte, Khaled Mashal auszuweisen, sollte die Hamas die ägyptischen Vorschläge annehmen.(23)
Auch die Türkei spielte keinerlei konstruktive Rolle in dem Konflikt, trotz ihrer seit 2006 aufgebauten tieferen Beziehungen. Die Türkei hatte zuvor der Hamas gestattet, ein Operationszentrum auf türkischem Territorium zu eröffnen.(24) Unter solchen Bedingungen vermag Diplomatie im Falle des Gaza-Krieges nicht viel zu leisten, wenn die wichtigsten Drittparteien bewusst Deeskalationsstrategien zum Scheitern bringen und damit ein Ende der Feindseligkeiten hinauszögern.(25)
Botschafter Dore Gold ist der ehemalige israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen und Präsident des Jerusalem Center for Public Affairs. Er arbeitet als externe Berater des Büros der israelischen Premierministers.
Texte:
Hirsh Goodman und Dore Gold
Der Gaza-Krieg von 2014: Einleitung
Hirsh Goodman
Der Gaza-Krieg von 2014 aus israelischer Perspektive: Ein Überblick
Dore Gold
Die Wahrheit über den Gaza-Krieg von 2014
David Benjamin
Israel, Gaza und das Humanitäre Völkerrecht – Maßnahmen zur Begrenzung ziviler Opfer
Dore Gold
Die Grenzen der Diplomatie
Daniel P. Rubenstein
Das Tunnelnetzwerk der Hamas: Geplanter Massenmord
1 Adnan Abu Amer, “Hamas Seeks to Retain Saudi Ties Despite Brotherhood Ban,” Al Monitor, 18. Märch 2014, http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2014/03/hamas-saudi-muslim-brotherhood-qatar-terror.html
2 Ido Rosenzweig and Yuval Shany, “Hamas Response to the Goldstone Report,” Israel Democracy Institute, 4. 4. Februar 2010, http://en.idi.org.il/analysis/terrorism-and-democracy/issue-no-16/hamas-response-to-the-goldstone-report/
3 In 1994, it had initially been reported that the Saudi grand mufti, Sheikh Abdul Aziz bin Baz, would provide a limited justification for the Israeli peace process, but he had subsequently clarified that any hudna (cessation of hostilities) was only temporary: “The peace between the leader of the Muslims in Palestine and the Jews does not mean that the Jews will permanently own the lands which they now possess. Rather it only means that they would be in possession of it for a period of time until either the truce comes to an end, or until the Muslims become strong enough to force them out of Muslim lands – in the case of an unrestricted peace.”Dore Gold, Hatred’s Kingdom: How Saudi Arabia Supports the New Global Terrorism (Washington, DC: Regnery Publishing, Inc., 2003) pp 195-196.
4 Yigal Carmon and C. Jacob, “Alongside Its Islamist Ideology, Hamas Presents Pragmatic Positions, " MEMRI Inquiry and Analysis Series Report No. 322, 6. Februar 2007; “The Egyptian initiative for a lull in the fighting,” 5. Mai 2008 ), Intelligence and Terrorism Information Center at the Israel Intelligence Heritage & Commemoration Center (IICC), http://www.terrorism-info.org.il/data/pdf/PDF_08_124_2.pdf
5 Elliot Abrams, Tested by Zion: The Bush Administration and the Israeli-Palestinian Conflict (Cambridge: Cambridge University Press, 2013), pp. 300-301.
6 Statement by Navi Pillay, UN High Commissioner for Human Rights at the Human Rights Council 21st Special Session: Human Rights Situation in the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem, http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=14893&LangID=E
7 “Examination of the Names of Palestinians Killed in Operation Protective Edge – Part Seven,” Intelligence and Terrorism Information Center, 1. Dezember 2014: Von den Toten, die identifiziert warden konnten, handelte es sich um 52% Kämpfer und 48% unbeteiligte Zivilisten. http://www.terrorism-info.org.il/en/article/20734
8 Dore Gold, Tower of Babble: How the United Nations Has Fueled Global Chaos (New York: Three Rivers Press, 2005), p. 287.
9 Claudia Rosett, “The U.N.: Clueless or Complicit in Gaza?” National Review Online, 4. September 2014, http://www.nationalreview.com/article/387022/un-clueless-or-complicit-gaza-claudia-rosett#comments
10 Raphael Ahren, “UN Agency Handed Rockets Back to Hamas, Israel Says,” Times of Israel, 20. Juli 2014, http://www.timesofisrael.com/un-agency-handed-rockets-back-to-hamas-israel-says/
11 “Hamas’ Illegal Use of Civilian Infrastructure during Operation Protective Edge,” Israel Defense Forces, 19. August 2014, http://www.slideshare.net/IsraelDefenseForces/new-declassified-report-exposes-hamas-human-shield-policy-38180790
12 Statement by the UNRWA Commissioner-General Pierre Krähenbühl, UNRWA, 24. Juli 2014, http://www.unrwa.org/newsroom/official-statements/statement-unrwa-commissioner-general-pierre-kr%C3%A4henb%C3%BChl
13 Adam Kredo, “IDF Calls Out UN for Lying About Gaza Civilian Casualties,” Washington Free Beacon, 24. Juli 2014, http://freebeacon.com/national-security/idf-calls-out-un-for-lying-about-gaza-civilian-casualties/
14 IDF Spokesperson Announcement, “Decisions of IDF Military Advocate General Regarding Exceptional Incidents that Occurred during Operation “Protective Edge’,” 6. Dezember 2014, http://www.idfblog.com/blog/2014/12/06/decisions-regarding-exceptional-incidents-occurred-operation-protective-edge/
15 Benny Avni, “Annan Criticizes Human Rights Council’s Resolutions on Israel, Darfur Crisis,” New York Sun, 92. November 2006, http://www.nysun.com/foreign/annan-criticizes-human-rights-councils/44260/
16 Peter Berkowitz, “Assault on Israel Shifts from Warfare to Lawfare, Real Clear Politics, 28. November 2014, http://www.realclearpolitics.com/articles/2014/11/28/assault_on_israel_shifts_from_warfare_to_lawfare_124748.html
17 Israel Ministry of Foreign Affairs, “Gaza Operation Investigations: Second Update,” Juli 2010, pp. 30-31, http://www.mfa.gov.il/mfa/foreignpolicy/terrorism/pages/gaza_operation_investigations_second_update_july_2010.aspx
18 Gal Beckerman, “Goldstone: ‘If This Was a Court of Law, There Would Have Been Nothing Proven,’” The Forward, 7. Oktober 2009, http://forward.com/articles/116269/goldstone-if-this-was-a-court-of-law-there-wou/
19 “Human Rights Council Establishes Independent, International Commission of Inquiry for the Occupied Palestinian Territory,” Office of the High Commissioner for Human Rights, United Nations, 23. Juli 2014,
http://www.ohchr.org/en/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=14897&LangID=E
20 “Text of the Egyptian Cease-Fire Proposal,” Ha’aretz, Juli 2014, http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/1.605165
21 “Abbas in Interview: Six Million Refugees Want to Return, and I Am One of Them; Hamas and the Moslem Brotherhood Are Liars; Hilary Clinton Phoned Me and Asked Me to Persuade President Mubarak to Step Down,” MEMRI, 5. Dezember 2014, http://www.memri.org/report/en/0/0/0/0/0/0/8323.htm
22 Israel Ministry of Foreign Affairs, “Protective Edge: Hamas’ Violations of Ceasefires – A Chronology,” 19. August 2014, http://mfa.gov.il/MFA/ForeignPolicy/Terrorism/Pages/Protective-Edge-Hamas-violations-of-ceasefires-chronology.aspx
23 “Report: Qatar Threatened to Expel Mashaal If Hamas Okayed Egypt-Proposed Truce,” Jerusalem Post, 20. August 2014, http://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Report-Qatar-threatened-to-expel-Mashaal-if-Hamas-okayed-Egypt-proposed-truce-371622
24 Joshua Mitnick and Mohammed Najob, “Hamas Terror Ring Uncovered in West Bank, Wall Street Journal, 27. November 2014, http://m.wsj.com/articles/hamas-terror-network-uncovered-in-israel-1417086249?mobile=y
25 Adam Schreck, “Qatar Criticized as Gaza Ceasefire Talks Collapse,” AP, The Globe and Mail, 21. August 2014, http://www.theglobeandmail.com/news/world/qatar-criticized-as-gaza-ceasefire-talks-collapse/article20148907/