Ban Ki-Moons Reaktionen auf Terroranschläge – authentisch oder politisch voreingenommen?

Ban Ki-Moons Reaktionen auf Terroranschläge – authentisch oder politisch voreingenommen?

Alan Baker

 


Der jüngste tragische Terrorakt und der Hass, der das Leben des palästinensischen Kindes Ali Dawabsha im Westjordanland forderte und die Familie des Kindes schwer verletzte, kann und darf nicht verharmlost werden. Es obliegt allen Teilen der Gesellschaft, dies zu verurteilen. Dies ist geschehen.

Die scharfen Worte des UN-Generalsekretärs vom 31. Juli 2015, wenige Stunden nach der Tragödie, die durch seinen Sprecher vermittelt wurden, sowie die Beileidswünsche an die Familie und die Forderung, die Täter zu ahnden, waren daher angemessen und berechtigt.

Die sicher gut gemeinte und tiefempfundene Anteilnahme und Verurteilung von Seiten des Generalsekretärs erscheint allerdings etwas verzerrt durch die unglücklichen wie unnötigen politischen Botschaften in der Aussage. In der Stellungnahme Ban Ki-Moons heißt es:

"Der Generalsekretär verurteilt aufs Schärfste den heutigen Mord an einem palästinensischen Kind im Westjordanland und ruft dazu auf, dass die Täter dieses Terroranschlags umgehend zur Verantwortung gezogen werden. Er drückt seine tiefe Anteilnahme für die Familie von Ali Dawabsha aus, die bei dem Anschlag selbst schwer verletzt wurde. Das fortgesetzte Versagen, der wiederholt ungestraft gebliebenen Gewalt durch Siedler zu begegnen, haben zu einem weiteren schrecklichen Vorfall geführt, der unschuldiges Leben gefordert hat. Dem muss ein Ende bereitet werden.

Die Abwesenheit eines politischen Prozesses und Israels illegale Siedlungspolitik sowie die harsche und unnötige Praxis, palästinensische Häuser zu zerstören, haben gewaltsamen Extremismus auf beiden Seiten befördert. Dadurch ist eine weitere Bedrohung der legitimen Ansprüche des palästinensischen Volkes auf einen eigenen Staat sowie der Sicherheit der Bürger Israels erwachsen. Der Generalsekretär fordert beide Seiten nachdrücklich dazu auf, entschlossene Schritte zu unternehmen, um auf den Weg des Friedens zurückzufinden.

Der Generalsekretär wiederholt seinen Aufruf, dass alle Seiten dafür Sorge tragen, dass die Spannungen nicht weiter eskalieren und zu noch mehr Verlusten an Menschenleben führen."(1)

Hier lässt er sich dazu hinreißen, unbewiesene Annahmen und politische Anschuldigungen in die Wortwahl einzuflechten, die der ernstgemeinten und angemessenen Aussage seiner Botschaft nicht dienlich sind.

Den abscheulichen Akt gewaltsamen Extremismus und Terrorismus willkürlich in Beziehung zu setzen zur "Abwesenheit eines politischen Prozesses und Israels illegale Siedlungspolitik sowie die harsche und unnötige Praxis, palästinensische Häuser zu zerstören" ist wenig mehr als ein bedauernswerter und unnötiger logischer Fehlschluss und die Politisierung einer eigentlich eindeutigen Botschaft von Anteilnahme.

Natürlich steht dem Generalsekretär zu, wann immer es ihm beliebt, die "Abwesenheit eines politischen Prozesses" zu bedauern und die Siedlungspolitik oder andere Aktionen Israels zu kritisieren oder gar das Land dafür verantwortlich zu machen, die "legitimen Ansprüche des palästinensischen Volkes auf einen eigenen Staat" zu gefährden. Dies mag seine politische Meinung sein und die der Behörde, der er vorsteht, ob sie korrekt ist oder nicht. Von diesem Vorrecht macht der Generalsekretär auch häufig genug Gebrauch, wenn er es für nötig hält, die israelisch-palästinensische Frage anzusprechen.

Doch solange die israelische Polizei ihre Untersuchungen noch nicht abgeschlossen hat, kann und sollte er nicht – nur wenige Stunden nach der Tat – den tragischen Tod eines Kindes nutzen, um eigenmächtig die Schuldigen ausfindig zu machen. Er kann und sollte nicht eine politische Entschlossenheit an den Tag legen, die "Abwesenheit eines politischen Prozesses" oder die israelische Siedlungspolitik hätten das Kind getötet. Dies mag sehr wohl seine Meinung oder sein Werturteil sein, hat aber keinen Platz in einer formalen Stellungnahme der Vereinten Nationen.

Dies wird deutlich, wenn man die aktuelle scharfe Reaktion des Generalsekretärs nach der Ermordung eines palästinensischen Babys mit seiner äußerst verhaltenen Reaktion bei der Ermordung der israelischen Familie Fogel in Itamar vom 11. März 2011 vergleicht, bei der fünf Menschen – einschließlich dreier Kinder im Alter von drei Monaten bis elf Jahren – getötet wurden.

In seiner von seinem Sprecher veröffentlichten Stellungnahme von zweieinhalb Zeilen Länge hieß es lediglich, der Generalsekretär verurteile "den schockierenden Mord einer israelischen Familie in der letzten Nacht."(2)

Ganz offensichtlich war er damals der Meinung, der nicht weniger grausame und verabscheuungswürdige Akt verdiene nicht derart "Verurteilung aufs Schärfste" oder Worte der Anteilnahme für eine israelische Familie, die brutal in ihrem Schlaf abgeschlachtet worden war.

Dieser zynische wie unsensible Mangel irgendeiner Form des Mitleids mit israelischen Familien zeigte sich erneut nur wenige Tage nach dem Anschlag in Itamar, als der Generalsekretär am 23. März 2011 einen Bombenanschlag auf eine Bushaltestelle in Jerusalem verurteilte und in seiner Stellungnahme davon sprach, dass dabei "Berichten zufolge" eine Frau getötet und über dreißig weitere Zivilisten verletzt worden seien.(3)

Die Praxis, dass der UN-Generalsekretär Terroranschläge verurteilt, Anteilnahme ausspricht und zur Untersuchung der Umstände aufruft, scheint einem Standardformat zu folgen, wenn es um solche Angriffe weltweit geht, und verdient daher einige Aufmerksamkeit.

So verurteilte der Ki-moon drei Tage vor der Ermordung Ali Dawabshas am 28. Juli 2015 den terroristischen Bombenanschlag auf das bahrainische Dorf Sitra, bei dem zwei Polizisten getötet und einige Zivilisten verletzt wurden. Er drückte seine Anteilnahme aus und forderte vollständige und transparente Untersuchungen, wies jedoch weder Schuld zu noch machte er besondere Umstände – politische wie auch andere – dafür verantwortlich.(4)(5)

In seinen täglichen Pressemitteilungen vom 27. Juli 2015 sah der Sprecher Ban Ki-moons dezidiert davon ab, trotz Anfrage irgendeine Form von Verurteilung, Anteilnahme oder Forderung einer Untersuchung auszusprechen für den Raketenangriff auf die Stadt Marib im Jemen, wo an diesem Tag unterschiedslos Zivilisten beschossen wurden und hunderte von Menschen offensichtlich getötet und verletzt worden waren.(6)

Ein terroristischer Bombenanschlag auf ein Hotel in Mogadischu, Somalia, vom 26. Juli 2015, bei dem fünfzehn Zivilisten einschließlich eines chinesischen Diplomaten getötet wurden, wurde hingegen von den Mitgliedern des Sicherheitsrates noch am selben Tag mit Bekundungen von Sympathie und Anteilnahme verurteilt.

Auch in diesem Fall hielt man es nicht für nötig, Schuld zuzuweisen oder einen kritischen politischen Kommentar abzugeben, abgesehen von der Bekräftigung, dass "Terrorismus in all seinen Formen und Manifestationen eine der schwersten Bedrohungen von Frieden und Sicherheit darstellen und dass alle Terroranschläge kriminell und ungerechtfertigt sind, unabhängig von ihrer Motivation und ihren Urhebern."(7)

Als der Generalssekretär und die Sicherheitsrat am 22. Juli 2015 "aufs Schärfste" den Terroranschlag vom 20. Juli im türkischen Suruc verurteilte, bei dem 31 Menschen getötet und über 100 verletzt wurden,(8) fanden sie es nicht notwendig, Schuldige ausfindig zu machen oder einen Teil der Gesellschaft für dieses abscheuliche Verbrechen anzuklagen, obwohl die Zahl der Opfer verhältnismäßig hoch war.(9)

Ähnlich verhielt es sich mit der "bloßen" Verurteilung (wohlgemerkt nicht "aufs Schärfste") des Terroranschlags vom 17. Juli 2015 durch Boko Haram, bei dem über 60 Menschen in den Städten Gombe und Damatru in Nordostnigeria starben, während sie auf einem Festival Gebete abhielten.(10) Wieder gab ein derart grausames Verbrechen dem Generalsekretär keinen Anlass zur Schuldzuweisung und Ursachenforschung.(11)

Seine Verurteilungen "aufs Schärfste" der Terrorangriffe vom 26. Juni in Tunesien, Kuwait und Frankreich (12), vom 29. Juni 2015 in Kairo, bei dem der ägyptischen Generalstaatsanwalt ums Leben kam,(13) sowie der Ermordung des ehemaligen Lesotho Defense Force-Kommandeurs vom 25. Juni 2015,(14) verzichteten ebenfalls auf Benennung der Ursachen, Umstände oder Identität der Täter.

Auch seine scharfe Verurteilung des terroristischen Angriffs auf das Parlament in Kabul vom 22. Juni und der Ermordung von 16 Zivilisten zwei Tage (15) zuvor sowie der rassistischen Morde von Besuchern einer Kirche in Charleston, South Carolina,(16) waren sinnvolle Botschaften der Sympathie und "Anteilnahme für die Angehörigen der Opfer und Solidarität mit den Überlebenden", doch in all diesen Fällen ohne politische Obertöne, Andeutungen oder Versuche, willkürlich Schuld zuzuweisen.

Dieses offensichtliche Standardmuster für Verurteilungen durch den UN-Generalsekretär – seien sie "aufs Schärfste" oder nicht – zusammen mit Ausdrücken von Anteilnahme – herzlich, ernstgemeint oder nicht – für die Regierung und die Bürger des jeweiligen Staates, in dem der Terroranschlag stattfand, und die Familien der Opfer sowie Forderungen nach Untersuchungen wurde in Folge von Terroranschlägen in der ganzen Welt immer wieder verwendet.

Bei keiner Gelegenheit wurde jedoch Schuld zugewiesen oder politische Werturteile ausgesprochen.

Weitere Beispiele der jüngeren Zeit:

– 16. Juni 2015, Bombenanschlag der Boko Haram in N’Djamena, Tschad, bei dem 25 Menschen sterben;(17)
– 22. Mai 2015, unterschiedslose und fürchterliche Terrorangriffe der Boko Haram gegen Zivilisten in Kamerun, Tschad, Niger und Nigeria;(18)
– 22. Mai 2015, Terroranschlag auf eine schiitische Moschee in al-Qudaih in Saudi Arabien während des Freitagsgottesdienstes. Ki-moon richtet seine "tiefempfundene Anteilnahme den Familien der Opfer [aus] und seine Sympathien der Regierung und den Bürgern des Königreichs Saudi Arabien";(19)
– 13. Mai 2015; Terroranschlag auf einen öffentlichen Bus in Karatschi, Pakistan, tötet 45 Mitglieder der Ismaili-Gemeinde. "tiefempfundene Anteilnahme den Familien der Opfer und der Regierung und den Bürgern Pakistans";(20)
– 11. Mai 2015 Ermordung von Zivilisten in Kumanovo, Mazedonien;(21)
– 5. Mai 2015 Ermordung zweier UN-Friedenstruppen aus Tanzania in der Demokratischen Republik Kongo;(22)
–  3. und 5. April 2015, Terrorangriffe der Boko Haram in Kwaja, Nigeria und Tchoukou, Tschad.(23)

Angesichts dieser offensichtlichen Standardvorgaben für Verurteilungen, Ausdruck der Anteilnahme und Aufrufe zur Untersuchung bliebe zu fragen, wieso der UN-Generalsekretär und der Sicherheitsrat es nicht für nötig hielten – weder "aufs Schärfste" oder sonst wie – die türkischen Luftangriffe auf das kurdische Dorf Zargali im kurdischen Nordirak vom 1. August 2015 zu verurteilen und den Familien der Opfer ihr Mitleid auszudrücken, wo doch neun unschuldige Zivilisten dabei ums Leben kamen.(24)

Auch das brutale Massaker an 200 Zivilisten durch Terroristen des IS in einer syrischen Grenzstadt am 24.-26. Juni 2015 (25) zog weder Verurteilung noch Bekundungen der Anteilnahme nach sich. Auch als 30 Menschen in der Grenzregion zur Türkei einem Selbstmordanschlag zum Opfer fielen, kam es zu keiner Stellungnahmen, auch wenn selbst der türkischen Präsident Erdogan den Anschlag verurteilte.(26)

Analysiert man die Reaktionen des UN-Generalsekretärs – oder deren Ausbleiben – dann stellt man fest, dass – wie bei allen Fragestellungen beim Thema Israel – der klassische Doppelstandard der UN zum Tragen kommt, egal wie die Umstände liegen, selbst wenn es sich um Verurteilungen von Terrorakten und dem Ausdruck von Anteilnahmen handelt.

Dabei darf man sich fragen, ob dies vorsätzlich von Seiten des Generalsekretärs oder seines Stabs geschieht oder ob sie Israel unbeabsichtigt aussondern.

Wie auch immer es sich verhält – dem UN-Generalsekretär und seinem Stab muss dringlich nahegelegt werden, die Praxis der Mitteilung von Verurteilungen, Anteilnahmen, Sympathien für Familien, Regierungen und Bürger sowie Aufrufe zur Untersuchungen und Ahndung zu reflektieren und dafür zu sorgen, dass sie sich unter Anwendung der grundsätzlichen Prinzipien der UN-Charta – Gerechtigkeit, Treu und Glauben, Gleichheit und Nicht-Diskriminierung – befinden.

* * *

1 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8875
2 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=5134
3 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=5161
4 http://www.thetower.org/2263-two-policemen-killed-in-bahrain-terror-attack-iran-suspected/
5 see also http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8869
6 http://www.un.org/press/en/2015/db150727.doc.htm
7 http://www.scribd.com/doc/272757040/UNSC-Statement-on-Attacks-in-Mogadishu#scribd
8 http://www.theguardian.com/world/2015/jul/20/explosion-hits-turkish-town-near-syrian-border
9 UN Document SC/11979, 22 July 2015
10 http://www.nytimes.com/video/world/africa/100000003806595/witnesses-detail-nigerian-market-bombing.html
11 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8841
12 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8764
13 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8780
14 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8765
15 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8747
16 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8736
17 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8726
18 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8657
19 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8656
20 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8622
21 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8616
22 http://www.un.org/sg/statements/index.asp?nid=8612
23 http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=50511
24 http://www.msn.com/en-us/news/other/update-2-kurdish-militia-in-syria-accuses-turkey-of-provocative-attacks/ar-BBljv3Y?ocid=ansnewsreu11 see also http://rudaw.net/english/kurdistan/010820154
25 http://rudaw.net/english/middleeast/syria/270620153
26 http://www.theguardian.com/world/2015/jul/20/explosion-hits-turkish-town-near-syrian-border
27 http://www.nytimes.com/2015/07/26/world/africa/tunisia-passes-antiterror-law-after-2-deadly-attacks.html?ref=topics&_r=0