Rouhani folgt den Roten Linien Khameneis


Rouhani folgt den Roten Linien Khameneis

Michael Segall


Zu einem Zeitpunkt, an dem Vorwürfe laut wurden, Israel habe die Atomverhandlungen in Europa abgehört und kurz vor dem Abschluss des Abkommens wandte sich der iranische Präsident Rouhani am zweiten Jahrestages seines Wahlsiegs mit einer Rede an iranische und ausländische Journalisten, die in den iranischen Medien ausgestrahlt wurde. (1)

Rouhani konzentrierte sich dabei auf das vom Iran in der Atomfrage Erreichte und den erfolgreichen Kampf gegen das Sanktionsregime. Immer wieder hielt er sich dabei an die vom Obersten Führer des Iran Khamenei geforderten roten Linien für die Atomverhandlungen (2) und bekräftigte, dass es den Inspektoren nicht gestattet werden würde, Militäranlagen zu betreten. Rouhani dankte Khamenei dafür, "den Weg festgelegt zu haben, hinter dem Verhandlungsteam zu stehen und die nationale Einheit des Iran aufrecht zu erhalten." Geheimdienstminister Mahmud Alavi bestätigte, dass das Verhandlungsteam die roten Linien nie überschritten hätte. (3)

Keine Inspektionen kritischer Anlagen

Unmittelbar vor dem Abschluss der Atomverhandlungen nahm die Kritik an Rouhani im Inland zu. Rouhani pries daher die Erfolge seiner Regierung im In- wie Ausland beim Schutz des Atomprogramms sowie beim Umgang mit den Sanktionen. "Niemand in der Welt einschließlich der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland [die P5+1] zweifelt länger daran, dass der Iran das Recht hat, Uran anzureichern und dass man die Anreicherungsanlagen in Natanz und Fordo nicht antasten wird. Im Nuklearbereich ist dies der größte Erfolg des Iran."

Vor zwei Jahren hätte niemand, so Rouhani, voraussehen können, dass ein endgültiges Abkommen zur "Aufhebung all der vom Sicherheitsrat dem Iran auferlegten grausamen Entscheidungen und Sanktionen führen würde",  und dass es dem Land gestattet werde, UF-6 weiterhin zu Forschungszwecken und zur Entwicklung von Zentrifugen einzuspeisen .

Sanktionen mit Unterzeichnung aufgehoben

Rouhani betonte, dass der Iran darauf bestehe, dass "die Unterzeichnung des Abkommens von einer gleichzeitigen Aufhebung der Sanktionen" begleitet werde. Das Verhandlungsteam arbeite an einer Synchronisation. Er behauptete weiter, es wäre sicher, dass im Fall eines Abkommens alle Sanktionen "aufgehoben, abgeschafft und beendet" würden. Das Sanktionsregime sei gescheitert, da der Iran nicht kapituliert (sondern auf seine nuklearen Rechte bestanden) habe, obwohl sie dem iranischen Volk viele Schwierigkeiten bereitet hätten.

Im Hinblick auf zukünftige Atomkontrollen und den Umfang des iranischen Atomprogramms folgt Rouhani der harten Linie Khameneis. Es sei klar, dass der Iran bei Besichtigungen militärischer Anlagen und Gesprächen mit Atomwissenschaftlern seine Geheimnisse nicht preisgeben werde – weder als Teil des Zusatzprotokolls noch als Teil irgendeines anderen internationalen Abkommens. Er kenne das Zusatzprotokoll (das der Iran freiwillig 2003 bis 2005 in Kraft hatte) und diese sagten nichts von "Inspektionen". Rouhani wies damit die "grundlosen" Behauptungen seiner Gegner zurück, die von ungehinderten Inspektionen der iranischen Nuklearanlagen als Teil des Zusatzabkommens warnten.

Stattdessen gab sich der Präsident optimistisch im Hinblick auf die Umsetzung des Abkommens und hielt fest:

"Wie Sie wissen, sind eine ganze Reihe von Staaten in der Region nicht glücklich über eine Unterzeichnung des Abkommens […] Sie glauben, dass die Macht des Iran in der Region dramatisch wachsen werde, sobald es unterzeichnet ist und dass es ihnen Probleme bereiten wird. […] Doch sie müssen sich nicht sorgen. Der Iran hat kein Interesse an einem Eingriff oder einer Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder."

Unterstützung der Ultrakonservativen

Rouhani hat sich die Unterstützung des ultrakonservativen religiösen Establishments gesichert. Der Leiter des Freitagsgebets in Teheran und Mitglied der Expertenversammlung, Ayatollah Seyyed Ahmad Khatami rief zur Unterstützung Rouhanis und des Verhandlungsteams auf. Er sagte, dass der Iran kein schlechtes Abkommen akzeptieren werde, seine atomaren Errungenschaften erhalten werden müssten und Inspektionen militärischer Anlagen und Interviews mit iranischen Atomwissenschaftlern nicht gestattet werden sollten.

Massound Jazzayeri, stellvertretender Generalstabschef der iranischen Streitkräfte, wiederholte ebenfalls, dass Zugang zu militärischen Zentren nicht gestattet werden würde, selbst wenn dies dem Zusatzsprotokoll des Atomwaffensperrvertrages widersprechen sollte. "Die Besuche von Ausländern in Anlagen des Militärs und zur Landesverteidigung sind gegen die Befehle und die Forderungen der iranischen Nation. (4)

Khatami betonte desweiteren, dass eine Erneuerungen der Beziehungen mit den Vereinigten Staaten nicht auf der Agenda der Atomgespräche stünden. Er rief das Parlament dazu auf, dies zum Gesetz zu machen, damit die Feinde des Iran dies nicht fortgesetzt einfordern könnten. Das iranische Volk solle auch nicht jedes seiner Probleme auf die Sanktionen schieben und behaupten, der Iran stünde vor einer Krise, sollten die Sanktionen nicht aufgehoben werden. In Wahrheit stünde Obama vor einer Krise, sollte kein Abkommen zustande kommen.

Die letzten Stunden

Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt und angesichts der absehbaren Unterzeichnung eines historischen Atomabkommens nimmt Rouhani eine Position der Härte gegen über den westlichen Unterhändlern ein, was die Kernfrage der Inspektionen angeht. Das Problem, das die Verhandlungen von Beginn an begleitet hat, bleibt ungeklärt und ist der Schlüssel, um sowohl die iranischen Intentionen zu verstehen, sobald ein Abkommen unterzeichnet ist, wie auch die Haltung des Landes zu den militärischen Aspekten des Abkommens in den letzten Jahren. Bislang ist der Iran Antworten schuldig geblieben. Teheran setzt offenbar seine Verschleppungstaktik fort und wartet auf die letzten Stunden der Verhandlung, um die Vereinigten Staaten und Präsident Obama unter Druck zu setzen, die – aus iranischer Perspektive – verzweifelt einen außenpolitischen Erfolg benötigen.

In seiner jüngsten Aussage zum iranischen Raketenprogramm vor den Joint House Foreign Affairs and Armed Services Subcommittees sagte Generallt. Michael T. Flynn, ehemaliger Direktor des amerikanischen Verteidigungsnachrichtendiensts DIA, dass das zu unterzeichnende Abkommen mit dem Iran unter "schweren Mängeln" leide. (6) Nachdem er zuvor auf die negative Rolle des Iran in der Region und die iranische Beteiligung an der Ermordung amerikanischer Soldaten im Irak und Afghanistan eingegangen war, konzentrierte sich Flynn auf die Frage der Inspektionen und unterstrich:

"Es besteht das Problem der ungenügenden Verifikation. Die iranische Führung hat deutlich gemacht, dass sie den internationalen Inspekteuren (der IAEO) allenfalls ‘regulierten Zugang’ zu den Atomanlagen und das auch nur mit bedeutender Ankündigungsfrist gewähren wird. Dies macht es nahezu ausgeschlossen, dass man in voller Transparenz die iranischen Fortschritte im Atom- und Raketenprogramm vor Augen hat. […]

Das iranische Atomprogramm beinhaltet bedeutende – und nicht vollständig bekannte – militärische Dimensionen. Im Dialog der P5+1 mit dem Iran wurde eine Reihe dieser Aspekte (einschließlich der Pläne zur Verkleinerung von Sprengköpfen) schöngeredet, dabei sind diese Faktoren wichtige Hinweise auf den wahren Zweck des iranischen Programms. Dieses Ziel wird zweifellos weiter verfolgt werden, wenn eine Verhandlungslösung die iranischen Programme weitgehend intakt lässt. […]

Wir kennen noch nicht das volle Ausmaß des gesamten iranischen Atomprogramms […] Angesichts der Geschichte des Atomzeitalters liegt jedoch die Schlussfolgerung nahe, dass es Elemente des Programms gibt, die geheim bleiben. (Der Iran hat durch sein Verhalten zudem bewiesen, dass ihm zu misstrauen ist)."

Bei derselben Anhörung sagte auch Dr. Robert Joseph aus, ehemaliger Unterstaatssekretär für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit, der das iranische Raketenprogramm ausführlich diskutierte und u.a. zu Protokoll gab:

"Ein Scheitern der Begrenzung der ballistischen Raketen oder der iranischen Raketenaufrüstung allgemein ist eine der zentralen Schwachstellen des sich abzeichnenden Atomabkommens. […] Die negativen Konsequenzen dieses Scheiterns […] werden durch die anderen Schwachstellen unserer Verhandlungsposition noch vergrößert. […] Als Ergebnis wird die Bedrohung der Vereinigten Staaten und unserer NATO-Verbündeten durch einen mit ballistischen Atomwaffen ausgestatteten Iran nach dem Abkommen zu- und nicht abnehmen."

Joseph kritisierte die allgemeine Strategie der Verhandlungen scharf und die vielen offenen Fragen, die darin verblieben. (7)

Anthony Cordesman, Analyst für nationale Sicherheitsfragen des Center for Strategic and International Studies beschrieb detailliert die verschiedenen iranischen Raketenprogramme und deren strategische Rolle für die Region wie auch die dramatischen Konsequenzen sollte der Iran Atommacht werden. Cordesman unterstrich die entscheidende Rolle effektiver Inspektionen in jedem Abkommen:

„Jedes bedeutsame Rüstungskontrollabkommen muss auf dem Prinzip ‘Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser’ basieren. Aus all den genannten Gründen […] gibt es keine Grundlage für irgendein Vertrauen in die iranischen Rüstungsaktivitäten. Dies bleibt der Fall, ganz gleich, ob ein Abkommen erreicht wird, die Verhandlungen verlängert werden oder in sich zusammenfallen." (8)

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1 http://www.president.ir/fa/87559

2 http://jcpa.org/article/khamenei-redefines-red-lines-nuclear-talks/

3 http://www.irna.ir/en/News/81643408/

4 http://english.farsnews.com/newstext.aspx?nn=13940324001498

5 http://kayhan.ir/fa/news/47136

6 http://docs.house.gov/meetings/FA/FA13/20150610/103582/HHRG-114-FA13-Wstate-FlynnM-20150610.pdf

7 http://docs.house.gov/meetings/FA/FA13/20150610/103582/HHRG-114-FA13-Wstate-JosephR-20150610.pdf

8 http://docs.house.gov/meetings/FA/FA13/20150610/103582/HHRG-114-FA13-Wstate-CordesmanA-20150610.pdf