Die UN-Untersuchungskommission für Gaza und der Missbrauch des Völkerrechts

Die UN-Untersuchungskommission für Gaza und der Missbrauch des Völkerrechts

Alan Baker

Der Rücktritt des kanadischen Professors William Schabas vom Vorsitz der UN-Untersuchungskommission für Gaza hat eine Reihe von interessanten Fragestellungen aufgeworfen, was UN-Prozeduren dieser Art angeht. Schabas’ unverhohlen antiisraelischen Vorurteile waren aufgrund seiner Verlautbarungen im Laufe der Jahre kein Geheimnis und wurden nun durch die Enthüllung bestätigt, dass er für seine beratende Arbeit bei der PLO im klaren Interessenskonflikt zu seiner Aufgabe als Vorsitzender stand – etwas, dass er vor der UN und ihrem Menschenrechtsrat verheimlicht hatte.

Das Prozedere der Tatsachenfeststellung im Rahmen der UN wurde im Laufe der Jahr in einer Reihe von Erklärungen und Studien bedeutender internationaler Organisationen und juristischer Autoritäten geformt und hätte die UN augenscheinlich darin anleiten sollten, wie man das Mandat für eine solche Untersuchungskommission erstellt und ihren Vorsitzenden bestimmt.

Doch es scheint, als habe die UN mit Vorsatz dieses anerkannte Vorgehen ignoriert, um William Schabas zum Vorsitzenden der Gaza-Kommission zu machen. Auf diese Weise haben die Vereinten Nationen ebenso wie Schabas die Untersuchungsergebnisse der Kommission bereits vorweggenommen und gleichzeitig enorme Zweifel an der Glaubwürdigkeit eventueller Ergebnisse verursacht.

In folgenden Dokumenten werden die verschiedenen Regeln und Normen beschrieben, nach denen solche Untersuchungskommissionen zu funktionieren haben. In allen wird die zentrale Bedeutung von Unparteilichkeit betont – sowohl des Mandates, wie auch der Vorsitzenden und der Mitglieder der Kommission.

Der Entwurf für das Regelwerk der Tatsachenfeststellung durch UN-Institutionen, die sich mit Menschenrechtsverletzungen befassen, wurde 1970 vom UN-Generalsekretär verfasst und 1974 vom Wirtschafts- und Sozialrat der UNO angenommen. Er gibt den Rahmen für die Regelung der UN-Untersuchungskommissionen vor.

Zu den Regeln gehörte u.a., dass die Mitglieder der Kommission geloben mussten, ihre Pflichten “ehrenhaft, getreulich, unparteiisch und gewissenhaft” auszuüben. (1)

In Belgrad wurden auf der 59. Tagung der International Law Association vom 18.-23. August 1980 die “Minimalen Verfahrensregeln für Tatsachenfeststellungmissionen zur Menschenrechtsfrage” verabschiedet (2):

“Artikel 1 (Richtlinien): Das Organ einer Organisation, die die Tatsachenfeststellungsmission einrichtet, sollte objektive Richtlinien festlegen, die die zu untersuchenden Fragen nicht vorab beurteilen. […]

Artikel 2: Die die Mission autorisierende Resolution darf die Arbeit und die Ergebnisse der Mission nicht vorwegnehmen.

[…]

Artikel 4 (Auswahl der Ermittler): Die Tatsachenfeststellungsmission sollte aus Personen zusammengesetzt sein, die für ihre Integrität, Unparteilichkeit, Kompetenz und Objektivität respektiert werden und nach ihrer persönlichen Kapazität dienen.

Artikel 7: Der Vorsitzende und Berichterstatter der Tatsachenfeststellungsmission sollte während der Mission nicht ersetzt werden, außer aus Gründen fehlender Kapazitäten oder schwerwiegenden Fehlverhaltens.”

Die am 9. Dezember 1991 von den Vereinten Nationen verabschiedete “Erklärung über die Tatsachenermittlung durch die Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit” (UN-Vollversammlungsresolution 46/59) hielt dann fest (3):

“3. Die Tatsachenermittlung soll umfassend, objektiv und unparteilich sein und rechtzeitig erfolgen.

[…]

25. Tatsachenermittlungsmissionen sind verpflichtet, […] ihre Aufgabe unparteilich wahrzunehmen.
Ihre Mitglieder sind verpflichtet, von einer Regierung oder von einer anderen Autorität als dem zuständigen Organ der Vereinten Nationen Weisungen weder zu erbitten noch entgegenzunehmen.”

Die „Richtlinien für Tatsachenfeststellungsmissionen und -berichte zur Menschenrechtslage“ (The Lund-London-Guidelines), die am 1. Juni 2009 nach mehrjähriger Zusammenarbeit des Menschenrechtsinstituts der International Bar Association und des Raoul-Wallenberg-Instituts vorgelegt wurden, “um einen Beitrag zur Verfahrensoptimierung bei Tatsachenfeststellungsmissionen und -berichten zu leisten”, halten fest:

“5. Die Richtlinien dürfen keine vorab gefassten Schlussfolgerungen zum Untersuchungsgegenstand widerspiegeln.

[…]

8. Die Missionsdelegation muss aus Personen zusammengesetzt sein, die unparteiisch sind und so wahrgenommen werden.

[…]

10. Die Nichtregierungsorganisation muss sicher stellen, dass alle Mitglieder der Delegation sich dessen bewusst sind, zu allen Zeiten unabhängig, unparteiisch, objektiv, gesetzmäßig und ethisch zu handeln.

[…]

23. Die Nichtregierungsorganisation muss sicher stellen, dass alle Mitglieder der Delegation die Notwendigkeit verstehen, während der Mission unparteiisch und ohne Vorverurteilung aufzutreten. Die Nichtregierungsorganisation muss sicher stellen, dass alle Mitglieder der Delegation die Notwendigkeit verstehen, ethisch zu handeln und in Übereinstimmung mit den Gesetzen des Landes und internationalen Menschenrechtsstandards.

[…]

30. Das Verhalten aller Mitglieder der Delegation muss sich während der Mission zu allen Zeiten durch Integrität, Professionalität und Übereinstimmung mit internationalen Menschenrechtsstandards auszeichnen.

[…]

32. Sollte sich im Laufe der Mission herausstellen, dass es einen Interessenskonflikt oder andere Umstände auf Seiten eines Mitglieds der Delegation gibt, was die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mission gefährdet oder den Anschein erweckt, dass Unabhängigkeit und Integrität kompromitiert sind, dann muss der Leiter der Delegation die Nichtregierungsorganisation darüber in Kenntnis setzen und das Mitglied sollte davon absehen, an einem bestimmten Treffen oder – wenn nötig – am Rest der Mission teilzunehmen. Sollte der Leiter davon betroffen sein oder anderweitig nicht zur Verfügung stehen, dann obliegt es anderen Mitgliedern der Delegation, die Nichtregierungsorganisation davon in Kenntnis zu setzen. "

Angesichts dieser Dokumente, die die verlangten Normen und Prozeduren für Untersuchungs- und Tatsachenfeststellungskommissionen klar regeln, sollte mehr als deutlich werden, dass die UN und ihr Menschenrechtsrat die oben genannten Richtlinien missachteten, als sie die Gaza-Untersuchungskommission einrichteten und dazu noch William Schabas zu ihrem Vorsitzenden machten.

Angesichts dieser offenkundigen und wissentlichen Verletzung des Unparteilichkeitstandards der UN durch Prof. Schabas und die UN selbst, muss alle Arbeit dieser Kommission und unter seinem Vorsitz und seiner Leitung als mangelhaft und verdächtig gelten.


1.http://www1.umn.edu/humanrts/monitoring/chapter18.html

2. 75 Am. J. Int’l L. 163 (1981) http://www3.nd.edu/~sobrien2/the_belgrade_minimum_rules_o.pdf

3. U.N. Doc. A/RES/46/59, Annex (1992), http://www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar46059.pdf

4. http://www.factfindingguidelines.org/guidelines.html