Die BDS-Kampagne ungeschminkt: Von radikalen Wurzeln zu extremistischen Zielen

Die BDS-Kampagne ungeschminkt: Von radikalen Wurzeln zu extremistischen Zielen

Dan Diker


Einleitung

Im Sommer 2014 feuerte die Hamas mehr als viertausend Raketen auf Israel und griff das Land mit Hilfe eines weit verzweigten Netzes von Angriffstunneln an, die tief in israelisches Gebiet hineinreichten. Die israelischen Streitkräfte IDF reagierten, in dem sie die terroristische Infrastruktur Gazas zum Ziel erklärten, was zahlreiche Demonstrationen in europäischen und amerikanischen Städten heraufbeschwor, die faktisch pro-Hamas forderten: "Befreit Palästina", "Schluss mit der Belagerung Gazas", "Schluss mit der israelischen Apartheid" oder "Stoppt den israelischen Staatsterrorismus". (1)

Diese öffentlichen Proteste dämonisieren, delegitmieren und kriminalisieren Israel. Dies kennzeichnet auch die anhaltenden Boykott- Kapitalabzug-Sanktionen-Kampagne kurz BDS (Boycott, Divestment and Sanctions). Weltweit haben Aktivisten dieser Bewegung nichts unversucht gelassen, um den Gaza-Krieg von 2014 für eine Auffrischung ihres politischen wie auch wirtschaftlichen Feldzugs gegen Israel zu nutzen.(2) Am 20. August 2014, auf dem Höhepunkt des  Krieges, protestierten hunderte von pro-Hamas-Aktivisten mit Schildern wie "Israel = Rassismus und Völkermord" und "Ein Palästina – vom Fluss bis zum Meer" öffentlich für die faktische Zerstörung Israels. Auf der Manhattan Bridge wurde ein massives Banner entrollt, dass "Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen" forderte. (3)

Beobachter, die die Kampagne seit geraumer Zeit verfolgen, haben vielleicht festgestellt, dass BDS nicht einfach dazu dient, Israel in Richtung einer Zweistaatenlösung zu drängen. Stattdessen wird BDS als Plattform genutzt, um das Ende Israels als Nationalstaat des jüdischen Volkes zu fordern. Auf diese Weise gleichen sich ihre Ziele objektiv denen der Hamas an. (4) Michael Gove, Fraktions-Whip der britischen Konservativen bezeichnete die Aufrufe der europäischen BDS-Bewegung während des Gaza-Krieges 2014 als den "wiedererwachten, mutierten und tödlichen Virus des Antisemitismus", der an die Nazi-Boykott-Aufrufe gegen Juden am Vorabend des Holocaust gemahne. (5)

Im allgemeineren Sinne stellt BDS die Fortsetzung jener internationalen Kampagnen gegen Israel dar, die auf politische Delegitimierung und wirtschaftliche Kriegsführung gegen das Land setzten, völlig unabhängig vom territorialen Disput zwischen Israel und seinen palästinensischen Nachbarn.

In den vergangenen zehn Jahren haben es diese umfangreiche Delegitimierungskampagnen versucht, Israels Souveränität zu untergraben. Dieser globale Kreuzzug agiert auf der politischen, völkerrechtlichen, akademischen, kulturellen wie wirtschaftlicher Ebene und zeichnet sich sowohl durch "direkte Aktionen" wie z.B. die angeblich "humanitären" Flotillen für Gaza ebenso aus, wie auch andere Maßnahmen – öffentliche "Die-ins" auf den Straßen, koordinierte Demonstrationen und Protestmärsche, v.a. in europäischen Großstädten und auf amerikanischen Universitätscampussen.

In westlichen Kreisen wird BDS jedoch häufig missverstanden. Viele nehmen sie als eine emanzipatorische, gewaltfreie Kampagne wahr, die von palästinensischen Graswurzelorganisationen und westlichen Menschenrechstgruppen initiiert wurde und den Boykott israelischer Produkte aus den "besetzten" oder "umstrittenen" Gebieten des Golan und des Westjordanlandes fordert, die 1967 im Krieg mit Jordanien und Syrien erobert wurden.

Auch wird angenommen, dass die globale BDS-Bewegung sich allein auf Boykott und Kapitalabzug begrenzt und damit auf die israelische Präsenz östlich der Grünen Linie abzielt, die immer wieder internationalen Aktivismus auf sich zieht – häufig durch das Agieren der Palästinensischen Autonomiebehörde bei den Vereinten Nationen, dem mit der UN verknüpften Internationalen Gerichtshof, sowie durch Petitionen am Internationalen Strafgerichtshof.

Bei genauerer Betrachtung der Bewegung zeigt sich jedoch ein deutlich anderes Bild. BDS lässt sich vielmehr als eine Kampagne der politischen Kriegsführung verstehen, bei der palästinensische Gruppen, die die Existenz Israels nicht anerkennen, mit radikalen Linken des Westens kooperieren. Ihre Köpfe und Organisationen stehen zudem in Beziehung zur Palästinensischen Autonomiebehörde, der radikalen Muslimbruderschaft, radikalen, mit Terrororganisationen sympathisierenden Gruppen, in manchen Fällen Terrororganisationen wie Hamas selbst.

Die BDS-Boykott-Kampagnen haben gutgläubige Opfer in Gewerkschaften, akademischen Institutionen und sogar namhaften Künstlern und Kulturschaffenden und Stars gefunden, in dem sie mit scheinbarem Ernst die "Gerechtigkeit" der Gründung des Palästinenserstaates fordern. Die gutmeinenden Unterstützer der BDS-Bewegung werden in dem Glauben gelassen, dass Boykotte, Kapitalabzug und Sanktionen Israel dazu bringen werden, sich auf die Waffenstillstandslinien von 1949 zurückzuziehen, auch als "Grüne Linie" bekannt, wodurch der palästinensisch-israelische Konflikt gelöst werden könne. (6) Einige israelkritische Kommentatoren – so Roger Cohen von der New York Times und Professor Norman Finkelstein – haben jedoch darauf verwiesen, dass die BDS-Bewegung in erster Linie an einer Abschaffung Israels interessiert ist, und erst dann an der Palästinenserfrage.

Wie weiter unten dargelegt wird, wird aus den öffentlichen "Forderungen" der BDS-Bewegung deutlich, dass es im Herzen dieser globalen Strafkampagne gegen Israel, um die Implosion Israels als jüdischer Staat geht. An seine Stelle soll ein weiterer arabisch-dominierter Staat treten. Eine wesentliche Herausforderung des BDS-Phänomens besteht darin, seine radikale Natur und seine versteckten extremistischen Absichten zu enttarnen. An manchen Orten ist dies bereits gelungen. 2009 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Boykott israelischer Produkte durch einen französischen Bürgermeister als Akt der Aufstachelung. (7) Der liberale Israelkritiker Roger Cohen nannte "die versteckte Agenda von BDS […] eine unakzeptable Täuschung" (8) Cohens Ansicht zufolge maskiert "die honigsüße Rede von Demokratie, Menschenrechten und Gerechtigkeit […] die Ziele von BDS, die nichts anderes als das Ende des jüdischen Staates darstellen." (9)

Das Verständnis der maximalistischen Ziele der Kampagne bleibt eine Herausforderung. Sie verfügt über ein hohes Maß an Expertise darin, die radikalen Beziehungen und Ziele in eine Sprache von Frieden, Gerechtkeit und Menschenrechte zu kleiden, die vom westlichen Publikum honoriert wird.

Was verbirgt sich hinter BDS?

BDS steht für Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen als Strafmaßnahmen gegen Israel, mit denen das Land isoliert und delegitimiert werden soll. Dazu gehört der wirtschaftliche, kulturelle und akademische Boykottmaßnahmen, der Abzug von Investitionen in Israel – z.B. von Banken, Pensionskassen und Unternehmen – sowie Strafmaßnahmen von Seiten nationaler Regierungen oder internationaler Organisationen wie z.B. Handelsstrafen, Waffenembargos oder der Abbruch diplomatischer Beziehungen. BDS richtet sich dabei ausschließlich gegen Israel und nicht gegen irgendein anderes Land oder einen anderen Konflikt.

Auch wenn der Name der Kampagne erst 2005 im Rahmen des "Aufrufs der palästinensischen Zivilgesellschaft zum Boykott, zu Kapitalabzug und Sanktionen gegen Israels" populär wurde, steht sie doch in Kontinuität der Aufrufe vergangener Jahrhunderte, nicht bei den Juden zu kaufen.

Die UN-Weltkonferenz gegen Rassismus 2001 in Durban, Südafrika, gilt allgemein als bahnbrechend für die aktuelle BDS-Kampagne gegen Israel. Regierungen und Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Welt kamen zu der formellen Durban-Konferenz und ihrem parallel abgehaltenen NGO-Forum zusammen. Die Delegation der PLO, angeführt vom PLO-Vertreter bei den Vereinten Nationen Nasser al-Kidwa, spielte zusammen mit Mitgliedsstaaten der Organisation der Islamischen Konferenz und westlichen NGOs die zentrale Rolle bei der Formulierung der Abschlusserklärung des Forums, in der es u.a. hieß:

[Wir] rufen die internationale Gemeinschaft auf, eine Politik der vollständigen und totalen Isolation Israels als Apartheidstaat genauso umzusetzen wie einst im Fall Südafrikas, was die Auferlegung verpflichtender und umfassender Sanktionen und Embargos beinhaltet und die Aufhebung aller Beziehungen (diplomatischer, wirtschaftlicher, sozialer, unterstützender, militärischer) zwischen allen Staaten und Israel (10)

Die Erklärung des NGO-Forums der Durban-Konferenz stellte somit die politische wie ideologische Infrastruktur der aktuellen BDS-Bewegung her. Zudem lässt es sich als eine Internationalisierung und Intensivierung der langjährigen arabischen Boykott-Kampagnen verstehen. In allen Fällen wird Israel als unrechtmäßiges Gebilde betrachtet, unabhängig von der tatsächlichen Grenzziehung. Es liegt in der Logik dieser maximalistischen Kampagne, dass der jüdische Staat aus der Welt zu verschwinden habe.

Zur gleichen Zeit begann Boykott-Kampagnen gegen Israel in westlichen Ländern zu erscheinen. So wurde BIG (Boykott israelischer Güter) von der britischen Palestine Solidarity Campaign auf einem Parlamentsanlass mit George Galloway lanciert. (11) 2002 unterzeichneten Akademiker aus aller Welt, v.a. aber aus Großbritannien, den Vereinigten Staaten, Frankreich und Marokko einen offenen Brief, in dem sie es ablehnten, mit offiziellen israelischen Institutionen, einschließlich Universitäten, zusammenzuarbeiten und wissenschaftliche Konferenzen in Israel zu besuchen. (12) 2004 fanden sich bereits häufig Boykott-Proteste gegen Israel in westlichen Ländern, wenn auch noch in lokal begrenzter Zahl ohne größeren Einfluss.

Am 9. Juli 2005 veröffentlichten palästinensische Nichtregierungsorganisationen den "Aufruf zu Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen gegen Israel, bis Israel internationales Recht und die universellen Menschenrechte respektiert" (13), der zur Gründung des BDS-Nationalkomitees (BNC)-führte.(14)

Zusammen gelten diese beiden Momente als Referenzpunkt für die globale BDS-Bewegung (15) Im Aufruf heißt es:

[Wir], VertreterInnen der palästinensischen Zivilgesellschaft, [rufen] die Organisationen der internationalen Zivilgesellschaft und aufrechte Menschen weltweit auf, einen umfassenden Boykott gegen Israel durchzusetzen und Initiativen nach dem Muster der während des Apartheidregimes gegen Südafrika verhängten Massnahmen zu ergreifen, um Investitionen aus Israel abzuziehen. Wir appellieren an Sie, Druck auf Ihre jeweiligen Länder auszuüben, damit sie Embargos und Sanktionen gegen Israel verhängen.(16)

Damit greift der Text explizit auf die in Durban getroffene Sprachregelung zurück, die Israel mit dem Apartheidsregime Südafirkas gleichsetzt.

Doch der Aufruf beschränkt sich nicht auf die 1967 von Israel eroberten Gebiete, sondern verweist auf die Gründung Israels selbst als Staat der vor "57 Jahre[n] […] mehrheitlich auf Land errichtet wurde, dessen EigentümerInnen zuvor einer ethnischen Säuberung zum Opfer fielen". Ähnlich ambivalent lesen sich die Forderungen, die Israel zu erfüllen hätte, damit die Boykott-Forderungen aufgehoben würden:

1. Beendigung der Besatzung und Kolonisation des gesamten arabischen Landes und Niederreißen der Mauer;
2. Anerkennung der Grundrechte der arabisch-palästinensischen Bürger Israels auf vollständige Gleichberechtigung;
und
3. Achtung, Wahrung und Unterstützung des Rechts der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr zu ihren Wohnstätten und ihrem Besitz, wie in UN-Resolution 194 vereinbart. (17)

Tatsächlich lassen sich alle drei Forderungen als solche verstehen, die das Ende Israels als demokratischen jüdischen Staat beabsichtigen. Da nur die Palästinenser – entgegen der UN-Definition von Flüchtlingen (18) – ihren Flüchtlingsstatus vererben hat sich die Zahl der palästinensischen Flüchtlingen drastisch vermehrt. 2014 galten fünf Millionen Menschen als palästinensische Flüchtlinge. Die BDS- Forderung, dass Israel diesen, die Israel ablehnen, das Staatsbürgerrecht gewähren sollte, wäre faktisch ein Ende Israels. Auch der Punkt zur "Beendigung der Besatzung und Kolonisation des gesamten arabischen Landes" ist bewusst doppeldeutig. Was zunächst als Referenz auf die 1967 eroberten Gebieten klingt, meint für große Teile der palästinensischen Bewegung ganz Israel. (19)

Diese Sprachwahl hat es BDS-Führern ermöglicht, vor westlichem Publikum die Kampagne als "gegen die Besatzung" gerichtete zu präsentieren. Mit dieser vorsätzlichen Ambivalenz hat BDS Unterstützung von liberalen Kritikern Israels gewonnen, die sich der maximalistischen Positionen der Bewegung nicht bewusst sind.

Der Aufruf zeigte sich als erfolgreich darin, der Boykott-Bewegung gegen Israel einen palästinensischen Anspruch zu verleihen und führte dazu, dass ältere Boykott-Gruppen wie BIG sich anschlossen und dass die Trinität aus Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen zum Standard wurde.

Partner der BDS-Bewegung

Viele der Organisationen, die sich für einen Boykott Israels aussprechen, sind entweder islamistisch oder Teil der radikalen Linken. Seit dem Zusammenbruch der UdSSR begannen eine Reihe dieser Gruppen zusammen zu arbeiten, was auch als "Rot-Grüne Allianz" bezeichnet wird. (20) Das BNC stellt dabei das organisatorische Zentrum der Bewegung dar. Als palästinensische Organisation verfügt es über die nötige Legitimation. Viele der Gruppen, die BDS unterstützen sind jedoch älter.

So übernehmen linksradikale Gruppen, die die "Einstaatenlösung" unterstützen, eine Mentorenrolle für andere Gruppen. In der Regel beziehen sie sich auf postkoloniale/postimperialistische Theorien, wie sie von Intellektuellen wie Edward Said und Noam Chomsky präsentiert wurden und in denen Israel als imperialistische Enklave im Nahen Osten gesehen wird. Einige linksradikale Gruppen sind nach dem Ende der Sowjetunion soweit gegangen, den politischen Islamismus als einzige organisierte Kraft zu bezeichnen, die in der Lage sei, der amerikanischen Hegemonie und dem "US-Imperium" Widerstand zu leisten.

Viele  Gruppen sind häufig Überbleibsel der kommunistischen Bewegungen der Zeit des Kalten Krieges – sowohl prosowjetische Gruppen wie auch Neue Linke der 60er Jahre, Grüne und Anarchisten. Häufig unterscheiden sie sich maßgeblich in ihren Ideologien. Das Engagement für einen Boykott Israels ist dabei nur eine von vielen Tätigkeiten, häufig gleichbedeutend mit Solidarität für Kuba oder Venezuela und Agitation gegen die USA. Eine der wichtigsten Plattformen für diese Gruppen ist dabei das Weltsozialforum (WSF) der Globalisierungsbewegung. Auf dem WSF 2005 im brasilianischen Porto Alegre erschien dann auch eine frühe Version des BDS-Aufrufs, wo bereits der Begriff "Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen" verwendet wurde. Dies wurde auf den Folgeveranstaltung bekräftigt. (21)

Auch jüdische und israelische Antizionisten spielen in der Kampagne eine wesentliche Rolle. Sie gelten in der Öffentlichkeit nicht nur als die prominentesten Unterstützer, sondern stellen auch die wichtigsten Vordenker dar und legitimieren die Bewegung gegen den Vorwurf des Antisemitismus.

Einige dieser jüdischen, antizionistischen Intellektuellen sind Mitglieder von Matzpen, einer Abspaltung der israelischen Kommunistischen Partei der frühen 60er Jahre. Für viele Mitglieder der "Neuen Linken" in Europa waren die antizionistischen Matzpen-Aktivisten eine wichtige Quelle für ihre Meinung zum Nahostkonflikt. Durch ihre "Aufklärungsarbeit" wurde der Konflikt zu einem weiteren der vielen antikolonialistischen Befreiungskämpfe der Zeit.

Einige der prominenten israelischen BDS-Unterstützer sind nach Großbritannien gezogen, so z.B. Ilan Pappé, ein neo-revisionistischer Historiker aus Israel, der den akademischen Boykott früh unterstützte. (22) Einige der berühmtesten jüdischen Vertreter von BDS wie Naomie Klein, Judith Butler und Adam Shapiro – Gründer der rabiat anti-israelischen International Solidarity Bewegung – sind dabei deutlich in ihrer Ablehnung Israels und haben eine breite Unterstützerbasis für einen an seiner Stelle zu schaffenden Palästinenserstaat mobilisiert. (23)

Sie behaupten dabei, "als Juden" hätten sie das Recht, Boykott-Forderungen zu stellen. Sie treten gerne bei BDS-Veranstaltungen auf und ihre Texte werden breit in den Medien zirkuliert. Zudem stellen sie eine Verbindung zu moderateren und liberaleren jüdischen Gruppen dar, die sich für Palästina engagieren wie die "Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost" und "Juden für Gerechtigkeit in Palästina. 2008 wurde von ihnen das Internationale Jüdisch-Anti-Zionistische Netzwerk gegründet.

In Israel selbst gehörten Untersektionen der "Koalition von Frauen für den Frieden" wie "Boykott von Innen" heraus, die aus der "Anarchisten gegen die Mauer"-Bewegung entstammen, einer linken israelischen Gruppierung, die gegen den Sicherheitszaun protestiert.

Überraschenderweise finden sich islamistische Gruppen nicht in der vordersten Stelle der globalen BDS-Kampagne. Gleichwohl haben sie den ideologischen Rahmen geschaffen, der politisierte westliche Muslime zu den aktivsten Mitgliedern der BDS macht.

Unmittelbar nach Ausbruch der Zweiten Intifada erließen radikalislamische Geistliche Fatwas gegen den Kauf israelischer Produkte, so auch der Oberste iranische Führer Ayatollah Ali Khamenei im Mai 2001, bei dem es hieß: "Der Kauf eines Produkts, das den Zionismus stärkt, ist nicht zugelassen, es sei denn es ist absolut notwendig." (24) Pro-iranische Organisationen wie "Innovative Minds" (25) begannen den Boykott Israels zur gleichen Zeit in westlich muslimischen Kreisen zu fordern.

Trotz dieser Fatwas haben nur wenige westliche Islamistengruppen ihre Ressourcen dazu eingesetzt, den Boykott Israels zu bewerben und dieses Feld eher linksradikalen Gruppen überlassen. Doch je mehr sich BDS zur wesentlichsten Form anti-israelischen Engagements entwickelt hat, um so mehr haben sich islamistische Gruppen angefangen, daran zu beteiligen. So sind muslimische Studentenverbindungen mit nachweislichen Beziehungen zur Muslimbruderschaft zu aktiven Teilnehmern der Kampagne in Nordamerika, Südafrika (26) und Europa geworden. (27) Sie verfügen über hunderte von Zweigen an amerikanischen Universitäten und sind die wesentliche Kraft hinter der jährlichen und oft gewalttätigen "Woche gegen die israelische Apartheid".

Während auf eine ausführliche Darstellung der christlich-jüdischen bzw. christlich-israelischen Beziehungen hier verzichtet werden muss, sei darauf hingewiesen, dass einige christliche Denominationen antiisraelische Boykottmaßnahmen unterstützen, v.a. innerhalb der großen reformierten Kirchen. Eine der wesentlichen anti-jüdischen Ideologien innerhalb des Christentums ist die Substitutionstheologie, die seit den frühen Tagen des Christentums behauptet, dieses habe das Volk Israel in Gottes Heilsplan ersetzt. Mit dieser Theologie wurde das Judentum bekämpft und die Juden zur Konversion aufgefordert. Die Substitutionstheologie wird aktuell gegen den christlichen Zionismus in Stellung gebracht, der seit dem 19. Jahrhundert glaubt, die Juden hätten einen biblisch begründeten Anspruch auf das Heilige Land.

Beginnend in den 80er Jahren wurden die lateinamerikanische Befreiungstheologie, die das Christentum mit sozialistischen und marxistischen Elementen verband, (28) und die Substitutionstheologie von palästinensischen Theologen zu einer palästinensischen Befreiungstheologie verbunden. In ihr ersetzen Christen die biblischen Juden. Damit werden die Palästinenser zu den "wahren" Juden, die mit Jesus identifiziert werden, der sich gegen die "Unterdrücker" wehrt. So heißt es in einem Dokument:

Das Leiden Jesu durch böse politische und religiöse Mächte vor 2000 Jahren wiederholt sich heute in Palästina […] an hundertausenden von Kreuzen im ganzen Land hängen heute palästinensische Männer, Frauen und Kinder. Palästina ist zu einen einzigen Golgatha geworden. Die israelische Regierung kreuzigt uns systematisch und täglich. (29)

Derselbe Autor – der palästinensische Theologe Naim Ateek – steckt auch hinter dem sogenannten "Kairos-Dokument" (30), das den Boykott Israels fordert und von methodistischen (31) und presbyterianischen (32) Kirchen zitiert wird, um ihre Boykott-Politik zu unterstützen und christlichem Antiisraelismus weltweit als Referenz dient.

Auch wenn sie selbst keine radikale Organisationen sein mögen, so fließen doch die Spendengelder vieler kirchlicher Nichtregierungsorganisationen an den BDS. Diese Kirchen erhalten wiederum häufig staatliche Gelder und stellen mit ihren Ressourcen eine wesentliche Quelle für die palästinensischen BDS-Gruppen dar.

Viele der professionellen Gruppen, Gewerkschaften und Vereine, die BDS unterstützen, sind liberale Kritiker Israels und für einen Palästinenserstaat im Westjordanland, die zu Fußsoldaten einer Bewegung wurden, deren Ideologen Israel abschaffen wollen.

Bei diesen Gruppen kommt es im Rahmen von Versammlungen oft zu BDS-initiierten Abstimmungen, die Israel und die Palästinenser zum Gegenstand haben. Liberale Israelkritiker stimmen dabei häufig dafür, um ihre prinzipielle Solidarität zu bekunden. Auf diese Weise wird die Zivilgesellschaft zum Teil der BDS-Maschinerie.

So versuchten BDS-Aktivisten, die schottischen Gewerkschaften auf ihre Seite zu ziehen, in dem sie eine Delegation nach Israel und in die palästinensischen Gebiete arrangierten, wo die Gewerkschaftsvertreter mit vier Palästinensischen NGOs zusammenkamen, die alle Teil von BDS in Ramallah waren, und die sie über den "vollständigen Raub des Landes vor 60 Jahren und die Vertreibung der Palästinenser" informierten (33), weshalb die Gewerkschaftler nach ihrer Rückkehr für den Boykott Israels stimmten. (34)

Zusammenfassung

Viele schließen sich BDS im guten Glauben an, dass die Bewegung eine Art Korrektiv sei, das der Zweistaatenlösung zum Durchbruch verhilft. Die globale Bewegung stellt dagegen ein komplexes Netzwerk aus radikalen Ideologien, Organisationen und Individuen dar, die letztlich Israel abschaffen wollen.

Die BDS-Politik, Israel als souveränen Staat zu überwinden, steht in einer langen Tradition. Es ist der Bewegung gelungen, den westlichen Mainstream zu durchdringen, auch wenn der wirtschaftliche und politische Schaden für Israel bislang gering war. Die Medienkompetenz von BDS war während des Krieges zwischen Israel und der Hamas 2014 deutlich an europäischen und amerikanischen Universitäten zu spüren. (35)

Aus diesen Gründen gilt es, BDS zu demaskieren. Die Bewegung hat nicht nur im ganzen politischen Spektrum Israels Verurteilung erfahren, sie hat auch zu einer tiefen Abneigung innerhalb der israelische Bevölkerung geführt und damit die Aussichten auf eine friedliche Verhandlungslösung des palästinensisch-israelischen Konflikt weiter reduziert.

*     *     *

1 “Over 10,000 march against Israel in London, Paris,” AFP, July 26, 2014,http://www.timesofisrael.com/over-10000-march-against-israel-in-london-paris/

2“Urgent call from Gaza civil society” calling for BDS, July 2014,http://www.bdsmovement.net/2014/urgent-call-from-gaza-civil-society-act-now-12272

3 http://rt.com/usa/181760-palestinian-protest-bds-nyc

4 See, e.g., UNITE statement, July 11,
2014,http://www.unitetheunion.org/news/statement-of-solidarity-with-the-palestinian-people

5 http://www.timesofisrael.com/british-mp-says-anti-israel-protestors-devalue-holocaust

6 Larry Derfner, “After Kerry, only BDS may save the two-state solution,”972 Magazine, May 2014, http://972mag.com/after-kerry-only-bds-may-save-the-two-state-solution/91048

7 Joel S. Fishman, “The BDS Message of Anti-Zionism, Anti-Semitism, and Incitement to Discrimination,” Israel Affairs, v. 18, n. 3 (July 2012):412-425.

8 http://www.nytimes.com/2014/02/11/opinion/cohen-the-bds-threat.html?_r=0

9 http://www.nytimes.com/2014/02/11/opinion/cohen-the-bds-threat.html?_r=0

10 U.S. Congressman Tom Lantos, “The Durban Debacle: An Insider’s View of the World Racism Conference at Durban,”Fletcher Forum of World Affairs, Winter/Spring 2002.

11 Archived PSC newsletter, Brighton and Hove PSC,http://www.brightonpalestinecampaign.org/campaigns.html

12 The Guardian, April 6, 2002,http://www.theguardian.com/world/2002/apr/06/israel.guardianletters. http://www.aurdip.org

13 http://www.bdsmovement.net/call; http://www.bds-info.ch/index.php/de/ueber-uns/131-palestinensischer-aufruf

14 “About Us,” BDS National Committee,http://www.bdsmovement.net/bnc

15 www.bdsmovement.net

16 http://www.bdsmovement.net/call, http://www.bds-
info.ch/index.php/de/ueber-uns/131-palestinensischer-aufruf

17 Ibid.

18 “Any person who: owing to a well-founded fear of being persecuted for reasons of race, religion, nationality, membership of a particular social group, or political opinion, is outside the country of his nationality, and is unable to or, owing to such fear, is unwilling to avail himself of the protection of that country,” UN Refugee Convention (1951),http://www.unhcr.org/3b66c2aa10.html

19 See, e.g., Palestinian Media Watch examples, ; http://palwatch.org/main.aspx?fi=157&doc_id=10725″ target=”_blank”>http://palwatch.org/main.aspx?fi=157&doc_id=2962 http://palwatch.org/main.aspx?fi=157&doc_id=10725

20 Eran Shayshon, “Red + Green = a Mid-East car crash,” Reut Institute, 2010, http://reut-institute.org/Publication.aspx?PublicationId=3761

21 http://www.stopthewall.org/2014/02/03/solidarity-south-world-social-forum-declares-its-support-bds-and-palestinian-people

22 http://www.theguardian.com/education/2005/may/24/highereducation.internationaleducationnews

23 http://cifwatch.com/2011/07/06/comment-is-free-sam-bahour-adam-shapiro-and-the-malice-of-anti-israel-activists/; for networks of Jewish BDS groups, see http://boycottisrael.info/

24 Fatwa No. 12798 (May 15, 2001) regarding the purchase of Zionist goods, http://www.inminds.com/boycott-fatwas.html

25 http://www.inminds.com/

26 “Student BDS supporters sentenced for disrupting Israeli pianist,” JTA, January 2014, http://www.jta.org/2014/01/22/news-opinion/world/student-bds-supporters-sentenced-for-disrupting-israeli-pianist

27 “FOSIS welcomes NUS decision to boycott Israel,” August 2014,http://fosis.org.uk/fosis-media/press-releases/1598-fosis-welcomes-decision-by-nus-to-boycott-israel

28 http://www.religionnews.com/2013/09/09/liberation-theology-finds-new-welcome-in-pope-francis-vatican/

29 Sabeel Easter message, 2001.

30 Kairos call,http://www.kairospalestine.ps/sites/default/Documents/English.pdf

31 “Seizing the Mandate: Boycotting Products from the Illegal Settlements,” United Methodist Kairos Response,https://www.kairosresponse.org/Boycott.html

32 “Presbyterian Mission Network Joins BDS Movement, Calls for Boycotts on Goods from Illegal Israeli Settlements,” October 2011,http://www.israelpalestinemissionnetwork.org/main/index.php?option=com_content&view=article&id=135

33 STUC General Council Delegation to Palestine and Israel 2009, Delegation Report, p. 29, http://www.stuc.org.uk

34 “Scottish TUC set to call for boycott and divestment,” Jewish Chronicle, April 17, 2009, http://www.thejc.com/news/uk-news/scottish-tuc-set-call-boycott-and-divestment

35 David Rosenberg, “Don’t Buy the Israel Boycott Hype,” Wall Street Journal, February 27, 2014,http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052702303426304579402771597851680