Das iranische WM-Team und die Sanktionen

Das iranische WM-Team und die Sanktionen

Jerusalem-Center-Iran-Desk

 

 

""

Dieses Jahr nimmt der Iran zum fünften Mal an der Fußballweltmeisterschaft, dieses Jahr in Russland, teil. Beim ersten Mal 1978 in Argentinien regierte noch der Shah. Der Iran galt damals als eines der härtesten Teams in Asien und lieferte sich sogar gegen Israel ein historisches Spiel. Es gehörte zu der erklärten Politik des Shah Mohammad Reza Pahlavi, den Iran in der Welt des Sports zu etablieren. Er selbst hatte begeistert Fußball gespielt und sich dann den unterschiedlichsten Sportarten gewidmet.

 

""

 

""

 

Der Shah und die Königin waren sportbegeistert und wollten den Iran im internationalen Sport fördern.

""

 

""

Der iranische Kronprinz Reza Pahlavi beim Fußballspiel. Mit 57 als Fan der iranischen Mannschaft.

 

Auch der Erbe des Shahs, Kronprinz Reza Pahlavi war von Kindheit an fußballbegeistert und selbst ein Spieler. 1974 eröffnete er die asiatischen Fußballmeisterschaften, als sie mit großem Pomp im Iran abgehalten wurden.

Nach der Islamischen Revolution von 1979 sollte es noch 20 Jahre dauern, bevor es der Islamischen Republik Iran wieder gelang, an einer WM teilzunehmen – während der Präsidentschaft des vergleichsweise moderaten und pragmatischen Mohammad Khatami. Damals gab es zahlreiche Versuche, den Iran an die Vereinigten Staaten unter Bill Clinton anzunähern. Entsprechend war das Aufeinandertreffen der iranischen und amerikanischen Mannschaften am 21. Juni 1998 bei der WM in Frankreich nervenaufreibend. Am Ende verloren die Amerikaner 1:2. Die Asian Football Confederation nannte es das "politischste Spiel", doch in die iranische Fußballgeschichte ging es ein unter Namen wie "Spiel des Jahrhunderts" oder "Mutter aller Spiele".

 

""

Anzeigetafel mit finalem Spielstand 1998 in Frankreich

 

Zum dritten Mal nahm der Iran 2006 bei einer Fußball-WM teil, dieses Mal in Deutschland, und zum vierten Mal dann 2014 in Brasilien.

Im vergangenen Jahr war der Iran eines der ersten Teams, dass sich für die WM in Russland qualifizieren konnte. Die Freude darüber wurde jedoch schnell getrübt, da der Vorbereitung des Teams eine ganze Reihe von Problemen gegenüberstand.

Der portugiesische Trainer

Im Iran sind viele davon überzeugt, dass die WM-Qualifikationen 2014 und 2018 beide Male dem legendären portugiesischen Trainer Carlos Queiroz zu verdanken sind, der das iranische Team seit 7 Jahren trainiert. Während seiner Zeit im Iran musste er zahlreiche Hürden und Schwierigkeiten meistern, die seinen Job belasteten, weshalb er mehr als einmal dabei war, hinzuschmeißen. Wegen des unvergleichlichen Respektes, den er in der iranischen Öffentlichkeit genießt, sah sich das Regime allerdings gezwungen, seinen Vertrag zu verlängern. Damit ist er der dienstälteste Trainer der iranischen Nationalmannschaft seit ihrer Gründung vor 97 Jahren.

Kürzlich erklärte Queiroz jedoch, dass er nach der WM den Iran verlassen und nicht zurückkehren werde. Wieso?

Der chaotische Wechselkurs des iranischen Rial gegenüber dem Dollar setzte bereits Monate vor dem Ausstieg der Amerikaner aus dem Atomabkommen ein. Der drastische Wertverlust hat die Gehaltszahlungen des Iran an Carlos Queiroz und andere ausländische Fußballtrainer im Land äußerst negativ beeinflusst. Die iranischen Medien berichteten ausgiebig darüber. Durch die Rückkehr der amerikanischen Sanktionen haben sich viele internationale Mannschaften Freundschaftsspielen gegen das Land verweigert, auch wenn die Absagen nicht immer derart begründet wurden. In den iranischen Medien war die Klage laut, dass die Mannschaft im Rahmen der WM in Russland stiefmütterlich oder gar wie "Waisen" behandelt werde. Nicht nur hätten bekannte Teams aus der ganzen Welt sich Freundschaftsspielen verweigert, sondern sogar innerhalb der letzten drei Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft hätten Griechen und Kosovaren ihre Spiele abgesagt. Dies führte dazu, dass der Iran offiziell bei der FIFA gegen Griechenland Beschwerde einlegte. Doch auch die Absagen von Libyen und sogar Syrien beleidigten die Iraner schwer. (1)

Keine Schuhe, nur Unterhemden für das iranische Team

Zwei Wochen vor der WM erklärte Nike, dass sie dem Iran keine Schuhe stellen würden. Nike verwies darauf, dass sie keinen Sponsorenvertrag mit dem iranischen Team oder irgendeinem seiner Spieler abgeschlossen hätte. Iranischen Sportjournalisten zufolge ist es jedoch vielmehr die Angst des Sportausstatter-Giganten vor den amerikanischen Sanktionen, die zum Boykott des iranischen Teams geführt hat. 60 Prozent aller WM-Teams werden derzeit von Nike ausgestattet und auch die iranischen Spieler sind mit Nike-Schuhen zu sehen gewesen und haben bekundet, dass sie daran gewöhnt sind, mit diesen zu spielen. Iranische Sportzeitschriften wissen also bereits, wem sie im Falle einer Niederlage des Teams die Schuld zuschreiben können. (2)

""

Karikatur in Tasnim, einer mit den Revolutionsgarden assoziierten Nachrichtenagentur, zu den Umständen,

die Nike zum Boykott des WM-Teams veranlasst haben.

 

Doch es geht hierbei nicht nur um Schuhe. Mit viel Mühe war es dem Iran gelungen, einen Vertrag mit Adidas für die Trikots zu erhalten. Doch auch hier kam es bis auf die ministerielle Ebene zu Beschwerden, dass das Land mit dem schlichtesten Design zufrieden sein müsse, ohne Symbole, Bilder oder irgendeinem anderen Blickfang. Wieder war die Empörung der Medien wie der Fans über die demütigenden Vergleiche der simplen iranischen Trikots mit den weit attraktiveren anderer Teams groß. Die iranische Presse machte daraus den "Skandal der Unterwäsche". Die Fans werfen den Sportverantwortlichen vor, dass es ihnen nicht gelungen wäre, Adidas zu anständigeren Shirts zu bewegen.

""

Das iranische Trikot

""

Auf der offiziellen Verabschiedungszeremonie, bei der Präsident Rouhani das Team segnete, präsentiert Carlos Queiroz das "schlichte Unterhemd" mit der Nummer 12.


Iranischen Sportkorrespondenten und Reporter der wichtigsten Farsi-sprachigen Kanäle in der Welt, wie z.B. BBC Persian Service und Manoto haben berichtet, dass kein einziger Sportausstatter Produkte mit iranischen Namen produziert habe – aus Angst vor amerikanischen Sanktionen.

 

Ressourcenmangel

In der Vorrunde findet sich der Iran in einer ziemlich harten Gruppe wieder: abgesehen von Marokko muss der Iran gegen zwei Fußballriesen spielen: Spanien und Portugal. Da der iranische Trainer selbst Portugiese ist, gehen viele Iraner davon aus, dass Carlos Queiroz unmöglich dem Iran zum Sieg gegen sein Heimatland verhelfen werde.

Die iranischen Medien haben sich zudem dem marokkanischen Team gewidmet und viele Vergleiche gezogen, was die großzügige Ausstattung durch den marokkanischen König und die Regierung angeht, während das eigene Team auf Sparflamme laufen muss.

Ebenso verwiesen die iranischen Medien auf die Unterstützung des saudischen Teams, das sich fantastischer Umstände erfreuen darf und der beschämenden Situation der Iraner.

Nur aus der Türkei kam es im Vorfeld der WM zur einiger Unterstützung. In den letzten Wochen hat die Türkei nicht nur professionelle Hilfe für das iranische Team angeboten, z.B. finale Vorbereitungen in den besten Stadien der Türkei. Laut BBC Persian Service wurde diese Hilfe in letzte Minute anscheinend durch eine direkte Anweisung von Präsident Erdogan ins Spiel gebracht.

Der Wechselkurs zum Dollar, knapp bei 70,000 Rial, verunmöglicht den meisten iranischen Fußballfans direkt nach Russland zu reisen, um dem Team zuzujubeln. Wegen dieses astronomischen Anstiegs mussten die meisten Iraner den letzten Monaten auf ihre Auslandsreisen verzichten. Iraner, die Geldwechsler aufsuchen, um Dollar zu erlangen, werden auf der Stelle verhaftet. Nur eine kleine Gruppe von Exiliranern aus Europa oder in Russland und anderen ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion dürfte das Team vor Ort unterstützen.

Außerhalb des Iran unterstützen junge Iranerinnen die Nationalmannschaft ohne Kopfbedeckung. Im Iran dürften sie die Stadien nicht betreten. Der Mannschaftskapitän, der im griechischen Trikot auch schon gegen Israel gespielt hatte, bat die Behörden um das Recht iranischer Frauen, die Spiele zu sehen.

 

""

Israel und das iranische Team

Eine WM-Teilnahme ist nach wie vor ein ferner Traum für Israel, das sich wie gewöhnlich nicht qualifizieren konnte. Dennoch wurde Israel unfreiwillig zu einem Faktor bei der Zusammenstellung des iranischen Teams in den Qualifikationsspielen. Der Kapitän des iranischen Teams Masoud Shojaei, der auch bei dem griechischen Verein Panionios spielte, war letztes Jahr bei einem Spiel gegen Maccabi Tel Aviv dabei, das in Griechenland ausgetragen wurde. Das Rückspiel fand in Tel Aviv statt, wo er jedoch aus "Krankheitsgründen" fernblieb (in Fällen wie diesen sind "Krankheitsfälle" ratsam).

Carlos Queiroz sah sich gezwungen, Shojaei stillschweigend für mehrere Monate aus dem Team zu nehmen. Er bezog Shojaei auch in den jüngsten Spielen nicht in das Team mit ein. Viele Teammitglieder wagten es nicht, ihrer Unterstützung des Kapitäns Ausdruck zu verleihen, was jenen in Griechenland verbittern ließ. Shojaei verpasste daher die meisten Qualifikationsspiele und Vorbereitungen. Viele sagten, dass er einen hohen Preis dafür zu zahlen hatte, dass er den iranischen Präsidenten Rouhani in einem fotografierten Treffen darum gebeten hatte, so schnell es geht iranischen Frauen den Zugang zu Fußballstadien zu ermöglichen. Obwohl Rouhani und auch sein Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad grundsätzlich dafür waren, sorgte dies doch immer wieder zu einem Sturm der Entrüstung unter konservativen Klerikern. Währenddessen hat jedoch das iranische Frauenfußballteam bzw. Futsal-Team, denn diese Version wird mit nur jeweils 5 Spielerinnen pro Team indoor gespielt, den asiatischen Meistertitel 2018 geholt. Nachdem Shojaei einen sehr emotionalen Offenen Brief verfasste, in dem er seine Loyalität für den Iran beteuerte und sagte, dass er gezwungen gewesen sei, gegen ein israelisches Team zu spielen, wurde der Druck auf Queiroz größer, Shojaei wieder zuzulassen. Shoajaei hat dagegen zu keinem Zeitpunkt Reue darüber bekundet, gegen Israel gespielt zu haben und Sportbehörden sogar darum gebeten, Spiele zwischen dem Iran und Israel zu gestatten.

""

 

Masoud Shojaei


Am Rande der WM sollte darauf hingewiesen werden, dass die iranischen Kurden entrüstet darüber sind, dass zwei sehr talentierte junge kurdische Spieler der Nationalmannschaft aus unerfindlichen Gründen nicht in den WM-Kader aufgenommen wurden. Aus kurdischer Perspektive wird der schiitische Druck auf Queiroz verantwortlich gemacht, auch wenn es ebenso viele Gegenstimme. gibt, die darin eine allein professionelle Entscheidung sehen wollen

 

""

Anreise des iranischen Teams in Moskau, 6. Juni 2018

Nach dem ersten Spiel gegen Marokko in Sotschi (1:0 für den Iran) und dem zweiten gegen Spanien in Kasan (1:0 für Spanien) findet das nächste Spiel gegen Portugal am 25.Juni in Saransk statt. Spätestens dort wird sich zeigen, ob all es die Iraner trotz all der Schwierigkeiten in die nächste Runde schaffen.

* * *

1 http://www.bbc.com/persian/sport-44369352

2 http://www.irna.ir/fa/News/82932008