Hamas, Gaza und vorschnelle Urteile

Hamas, Gaza und vorschnelle Urteile

Botschafter Dore Gold

 

 

 


Die im vergangenen Monat gegen die israelischen Streitkräfte vorgebrachten Vorwürfe,  sie würden an der Grenze zu Gaza "exzessive Gewalt" gegen die Palästinenser anwenden, bescherten mir ein starkes "déjà-vu"-Erlebnis.

2009 wurde Israel mit Kritik überhäuft, es hätte "unverhältnismäßige Gewalt" eingesetzt, um den Raketenbeschuss israelischer Städte durch die Hamas abzuwehren. Gipfel dieser Anschuldigungen war die Veröffentlichung des berühmten – oder vielmehr berüchtigten – Goldstone-Berichts, den der UN-Menschenrechtsrat in Auftrag gegeben hatte.

Der Goldstone-Bericht hatte die Dreistigkeit  zu behaupten, Israel hätte sein Militär zur vorsätzlichen Ermordung palästinensischer Zivilisten eingesetzt. Ich wiederhole: "zur vorsätzlichen Ermordung palästinensischer Zivilisten".

Viele Länder segneten diesen Bericht ab. Damals wurde ich von der Brandeis University eingeladen, um mit Goldstone zu debattieren und von Seiten der israelischen Armee den Nachweis zu erbringen, was tatsächlich geschehen war. 2011 wurde dann die Wahrheit über den Goldstone-Report selbst offenbar, als Goldstone seine Schlussfolgerungen in einem Leitartikel in der Washington Post revidierte.

Leider war der Schaden, der Israel damals  zugefügt wurde, kaum wieder gut zu machen. Charles Krauthammer nannte den Bericht zu Recht "eine Blutschuldlegende über den jüdischen Staat".

Heute, 2018, sieht sich Israel erneut einer ganzen Reihe von falschen Anschuldigungen darüber ausgesetzt,  wie es mit der Situation  am Grenzzaun zu Gaza umgegangen ist. Die seitdem veröffentlichten Fakten machen klar, dass die Realität abermals eine ganze andere war als das, was die Ankläger Israels behaupteten.

Erstens: Wir konnten sehen,dass im Gebiet von Kerem Shalom – einem internationalen Grenzübergang von Israel nach Gaza – die Hamas einen Anschlag befohlen hatte auf diesen Lieferzugang von Nahrungsmitteln, Medizin, Kleidung und alles, was die Menschen von Gaza für ihr normales Leben brauchen. Der Kerem-Shalom-Zugang wurde von den Palästinensern selbst in Brand gesetzt.

Zweitens: Mahmoud al-Zahar, einer der wichtigsten Hamas-Führer in Gaza und früherer Außenminister des Streifens, erinnerte seine arabisch-sprachigen  Zuhörer daran, dass der Widerstand kein "friedlicher" wäre. Gemeint sind damit die Demonstrationen entlang des Grenzzaunes: "Er wird von unseren Waffen getragen."

Drittens: Am nächsten Tag veröffentlichte die Hamas selbst eine verblüffend offene Presseerklärung. Der "Große-Rückkehr-Marsch", mit dem die Palästinenser den Grenzzaun in Frage stellen wollten, sei tatsächlich "Teil des heldenhaften bewaffneten Kampfes".

Viertens: In einer weiteren Stellungnahme erklärte die Hamas, dass das Ziel des Marsches sei, den Grenzzaun zu durchbrechen. Dies hätte geheißen, den Zaun zu zerstören und Tausenden zu gestatten, nach Israel zu strömen – sicherlich nicht, um dort ein Picknick zu veranstalten. Zum eigentlichen Zweck hat die Hamas
die Demonstranten mit Karten ausgestatten, wie die nächsten jüdischen Städte und  Dörfer zu erreichen sind.

Und schließlich fünftens: Als ein hochrangiger Hamas-Aktivist im Fernsehen interviewt wurde, gab er offen zu, dass von den dabei getöteten 62 Palästinensern 50 Hamas-Mitglieder gewesen sind.

Dadurch wurde das Bild, was sich bei den Kämpfen um den israelischen Grenzzaun zu Gaza  abgespielt hatte, deutlicher und erhellte die Situation an Israels südlicher Grenze.

Ich fragte mich sofort, ob die Leute, die Israel sofort angeklagt und in ihren Kommentaren die Absichten der israelischen Armee in Frage gestellt hatten, sich nun öffentlich davon distanzieren und eine Art Entschuldigung und Korrektur liefern würden. Es gab eine Reihe von Leuten, die dies tatsächlich taten. Der britische Parlamentsabgeordnete Nick Boles veröffentlichte zum Beispiel eine Erklärung. in der es hieß, dass er den israelischen Umgang, mit den Protesten und das Krisenmanagment an der Grenze zu Gaza kritisiert hätte.Er fügte hinzu: "Ich hätte nicht so vorschnell urteilen sollen." Und noch schärfere Formulierungen. Ein Journalist des Jewish Chronicle sagte: "Ich meinte, Israel solle sich schämen, doch jetzt bin ich es, der sich schämen muss."

Doch viele andere blieben bei ihrer Kritik Israels. Ein bedeutender Vertreter der britischen Juden hatte z.B. behauptet: "Die Juden der Diaspora haben beim Thema Gaza ihr Gewissen eingebüßt." Keinerlei Korrektur wurde nachgereicht.

Wieso beeilen sich Leute derart schnell, Israel drastisch zu kritisieren, wenn die Gründe sich bald als substanzlos herausstellen? Die Motivation ist mitunter mehr als deutlich. Kurz nach dem Sturm der Palästinenser gegen den israelischen Grenzzaun befahl der syrische Präsident Bashar Assad einen Angriff auf das Flüchtlingslager Yarmouk, in dem auch viele Palästinenser leben. Kein einziger der Israelkritiker verlor ein Wort über das, was die Verbrechen der syrischen Armee gegen die Palästinenser in Damaskus angeht.

 

Denn die Motivation der verbalen Angriffe gegen Israel ist, dass es sich dabei um Israel handelt. Es geht diesen Leuten nicht um die Palästinenser, sondern um den jüdischen Staat.

Was alle Kritiker Israels in diesen militärischen  Konfrontationen in Gaza eint, ist die Geschwindigkeit, mit der ganz schnell das Urteil gefällt wird, Israel sei ganz automatisch für alles verantwortlich  zu machen, was passiert – sei es Goldstone 2009, seien es die Kritiker heute, 2018. All diese übereiligen Anschuldigungen haben gemeinsam, dass dem israelischen Rechtsstaat und dem moralischen Anspruch der israelischen Armee nicht vertraut wird. Und genau diese zuverlässigen Verurteilungen Israels ermutigen die Hamas, ihren Krieg gegen Israel fortzusetzen.


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Botschafter Dore Gold ist seit 2000 Präsident des Jerusalem Center for Public Affairs. 2015 bis 2016 war er Generaldirektor des israelischen Außenministeriums. Zuvor war er  Außenpolitischer Berater von Premierminister Benjamin Netanyahu, Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen (1997-1999) und Berater von Premier Ariel Sharon.