Antisemitische Motive in arabischen Karikaturen
* Das in arabischen Karikaturen am häufigsten wiederkehrende Motiv über Israel ist das des „teuflischen Juden.“ Dieses vermittelt die Vorstellung, dass Juden sich wie Nazis verhalten, Kinder töten und Blut lieben. Die Ähnlichkeit zu den von den Nazis verwendeten Themen ist offensichtlich. Viele arabische Karikaturen verherrlichen Selbstmordattentate oder den Aufruf zum Mord. Das derart projezierte kollektive Bild der Juden leistet die Vorarbeit für einen möglichen Völkermord.
* Eine Karikatur vermag soviel Einfluss auf die öffentliche Meinung zu haben, wie ein Leitartikel.
* Palästinensische Karikaturisten legen häufig besondere Betonung auf den antisemitischen Vorwurf des „Ritualmordes“ an Kindern. Dies wird unterstrichen von der Behauptung, dass Israelis auf palästinensische Kinder zielen. Um Juden zu entmenschlichen, werden sie von arabischen Karikaturisten of als bösartige Kreaturen dargestellt: Spinnen, Vampire oder Kraken.
* Verschiedene arabische Hassmotive sind auch in die westliche Gesellschaft eingedrungen, wo sie sich mit lange existierenden antisemitischen Vorurteilen der christlichen Welt überlagern.
Vorarbeit für Völkermord
„Das kollektive Bild der Juden in arabischen Karikaturen leistet die Vorarbeit für einen möglichen Völkermord. Meine Sammlung arabischer Karikaturen verdeutlicht dies. Man kann darüber streiten, ob diese genozidalen Ideen bewusst oder unterbewusst sind. Meiner Ansicht nach befinden sie sich noch auf der unterbewussten Ebene.“
Der Politwissenschaftler Dr. Joël Kotek von der Freien Universität Brüssel recherchiert seit zweieinhalb Jahren täglich im Internet auf der Suche nach antisemitischen Karikaturen in den arabischen Medien und hat ungefähr 2.000 gefunden. Sogar eine oberflächliche Anfangsanalyse ergab, dass diese Karikaturen nicht nur auf Israel, sondern auf alle Juden abzielten. Als Resultat seiner folgenden Recherche gab er zusammen mit seinem Bruder Dan Kotek ein Buch heraus. Der Titel des auf französisch erschienenen Buches lautet übersetzt Im Namen des Antisemitismus: Bilder von Juden und Israel in Karikaturen seit der zweiten Intifada.[1]
In einer Welt, in der Bilder eine zentrale Rolle spielen, sind Karikaturen, so Kotek, ein populäres und effektives Kommunikationsmittel geworden. Eine Karikatur vermag die Öffentlichkeit so zu beeinflussen wie ein Leitartikel.
Die visuelle Wirkung dieser Illustrationen wird noch dadurch verstärkt, dass viele arabischen Karikaturisten ziemlich begabte Zeichner sind.
Kotek: „Das am häufigsten wiederkehrende Motiv ist das des ‚teuflischen Juden.’ Damit wird zudem auch angedeutet, dass die jüdische Religion eine teuflische sein muss, und alle Juden bösartig seien. Ich fand sogar einen griechisch-orthodoxen Karikaturisten libanesischer Abstammung, welcher darzustellen versuchte, dass es die jüdische Religion ist, die den Staat Israel so ‚bösartig’ macht. Die Karikaturen vermitteln die Vorstellung, dass Juden sich wie die Nazis verhalten, womit Leser zu dem Schluss gebracht werden, dass die einzige logische Konsequenz in ihrer Vernichtung liegen muss. Da die arabischen Welt zunehmend von diesen Ideen überzeugt wurde, existieren keine Vorbehalte, sie auf einer Vielzahl von Webseiten zu zeigen.“
Zehn Hauptmotive
Mehrere hundert arabischen Karikaturen von Koteks Sammlung wurden nach zehn antisemitischen Motiven in seinem Buch kategorisiert: „Das erste Thema basiert auf dem ältesten antisemitischen Motiv – der Dämonisierung der Juden. In der islamischen Welt sind Juden – wie Christen – auf dem Status der dhimmi, Menschen zweiter Klasse.
Israel, ein Staat voll von diesen ‚unterlegenen Kreaturen’, hat militärische Siege gegen die arabische Welt errungen. Nach ihrer Logik war dies nur möglich, so glauben sie, weil die Juden ‚satanische Wesen’ seien. In den Karikaturen, die ich gesammelte habe, werden Juden als unmenschlich und als Feinde der Menschheit betrachtet. Diese Dehumanisierung ist notwendig, um die erhoffte Vernichtung zu rechtfertigen.
Am 28. Dezember 1999 – eine ganze Weile vor dem zweiten palästinensischen Aufstand – veröffentlichte Al-Hayad al-Jadida, das offizielle Organ der Palästinensischen Autonomiebehörde, eine Karikatur, welche diese Kernidee ausdrückte. Sie zeigt einen alten Mann in einem Dschilbab, welcher das 20. Jh. symbolisiert und sich von einem jungen Mann in T-Shirt verabschiedet. Zwischen ihnen steht ein kleiner Mann mit einem Davidstern auf der Brust, über ihm ein Pfeil, der auf ihn deutet: ‚die Krankheit des Jahrhunderts.’[2]
Wenige Monate später, am 22. März 2000, publizierte das gleiche Journal das Bild eines großen Papstes, wie er mit einem kleinen Juden spricht, der Fell, Füße und Schwanz eines Tieres hat, eine große, krumme Nase und eine Kippa. Der Papst verkündet laut ‚Frieden auf Erden’, während der satanisch aussehende Jude ‚Kolonien auf Erden’ fordert.“[3]
Gottesmord
Ein zweites zentrales Thema in den von Kotek gesammelten Karikaturen ist das des Juden als Gottesmörder. „Dies ist ursprünglich ein christliches Motiv. Bernard Lewis hat gezeigt, wie die islamische Welt sich dieses Thema angeeignet hat. Diese Darstellung soll dem Zweck dienen, die Sympathie von einigen Christen durch Anpassung an eine ihrer zentralen Mythen zu gewinnen.
Lewis betonte, dass die ersten Manifestationen von Antisemitismus im Nahen Osten unter Christen auftauchten, welche von den Europäern inspiriert waren. Diese Ideen hatten anfangs nur eine geringe Wirkung. Das Gift verbreitete sich nach 1933, als Nazideutschland den Hass auf Juden in der arabischen Welt förderte. Seitdem hat der palästinensische Konflikt die Ausbreitung einer antisemitischen Interpretation der Geschichte ermöglicht.[4]
In der islamischen Weltanschauung kann man Gott nicht töten, aber man kann ihn verwunden. Der Diskurs beinhaltet, dass die Juden nicht nur Mohammend verrieten, sondern sogar zuvor Jesus – nach islamischer Auffassung ein Prophet – zum Märtyrer machten. In einer gefährlichen Abwandlung behauptet der islamische Antisemitismus, als würde er zu Christen sprechen, dass die Juden Palästina behandeln so wie sie Christus behandelten. Auf diese Weise werden die Hauptpersonen der Geschichte transformiert: die Israelis sind zu Römern geworden und Jesus zum Palästinenser.
Bei jedem Bericht aus Bethlehem stellen arabische Karikaturisten die israelischen Soldaten als Römer dar und Bethlehem als Jesu Geburtsort. Das Motiv, dass Juden den Propheten verwunden, ist in der islamischen Welt nichts Althergebrachtes. Erfunden wurde es von christlichen Arabern in den 1980ern.“
Israel als Nazistaat
„Das dritte Motiv dieser Karikaturen ist Israel als Nazi-Staat. Dies basiert auf zwei widersprüchlichen Anschuldigungen, welche Islamisten zu versöhnen suchen. Die Erste ist die Behauptung, dass die Shoah nie stattfand. Die Zweite ist die Unterstellung, dass, wenn sie stattfand, die Shoah mehr Leid über die Palästinenser brachte, da Islamisten glauben, dass jene schlechter behandelt würden als die Nazis die Juden behandelten.
Lange bevor Sharon an die Macht kam, war das Motiv der Israelis als Nazis häufig zu finden in arabischen Karikaturen. Ihnen zufolge werden alle Zionisten von Peres und Barak bis zu Sharon von Nazi-Methoden inspiriert. Das Paradoxe daran wird dann offensichtlich, wenn man sich an die arabischen Sympathien für die Nazis während des zweiten Weltkrieges erinnert. Nach dem Krieg leugneten viele arabische Intellektuelle die Verbrechen der Nazis während des Holocaust. Diese wurden selten dafür angeprangert.
Ein Cartoon in der ägyptischen Al-Akhbar zeigt Barak als Nazi gekleidet mit einem Hitlerbart und bluttriefenden Händen.[5] In einer weiteren Karikatur in der ägyptischen Tageszeitung Al Gounhouriya von 1996, ist Hitler mit einer Hakenkreuzbinde zu sehen wie er zu Shimon Peres, welcher eine Davidsternbinde trägt, sagt: ‚Ich habe einen Fehler begangen, dass ich die Bedeutung amerikanischer Unterstützung nicht verstand.’[6]
Einer Karikatur der syrischen Tageszeitung Teshreeni von 1993 zeigt einen Soldaten mit dem Davidstern an seinem Helm und einen anderen mit einem Hakenkreuz. Die Bildunterschrift lautet: ‚Der Sicherheitsrat hat Genozidfall an Palästinensern überprüft.’ Die lange Liste ist für israelische Verbrechen, die kleine für Naziverbrechen.[7] Im libanesischen Daily Star von 2000 wird auf vier aufeinander folgenden Zeichnungen gezeigt, wie Sharon mit einem Davidstern an seinem Jackett zu Hitler mit Schnurrbart und Hakenkreuz wird. Der Karikaturist Jabra Stavro, geboren in Beirut, erhielt bereits viele Preise.“[8]
Zoomorphismus
Kotek: „Das vierte Motiv – Zoomorphismus – ist ein sehr gebräuchliches Thema in der Welt. Um einen Gegner zu beschimpfen, entmenschlicht man ihn, indem man ihn in ein Tier verwandelt. In Nazi-, Sowjet- und rumänischen Karikaturen werden Juden of als Spinnen dargestellt, einem als böse wahrgenommenen Tier. Stavro stellte im Daily Star Barak als Spinne mit Davidstern dar, welche den Friedensprozess unterbrach.[9]
Die beiden anderen vorherrschenden antisemitischen Zoomorphismen sind der blutdürstige Vampir und der Krake. Das Vampirbild ist ein klassisches Thema von Antisemiten. Ich habe keine anderen Menschen außer den Juden in dieser Darstellung gefunden. Diese Völkermord vorwegnehmende Abbildung kommt ursprünglich aus der christlichen Tradition.
Eine weitere Karikatur von Stavro im Daily Star vom 23. Oktober 2000 stelle eine Spinne dar mit einem Davidstern auf ihrem Körper und dem Kopf von Ehud Barak in einem Netz, in welches das Wort „Krieg“ viele Male hineingeschrieben wurde. Ein Cartoon in der Wochenzeitung La Revue du Liban zeigt einen Kraken mit dem Davidstern auf seinem Körper, dessen Tentakeln Fatah, Dschihad und Hamas erwürgen. Auch diese Karikatur ist von Stavro.[10]
Sofern es die entmenschte Darstellung der Juden betrifft folgen die arabischen Karikaturisten den Nazis. Die Botschaft lautet: Juden sind zerstörerisch, unmenschlich und böse. 1934 zeichnete ein Nazikarikaturist einen Kraken mit Davidstern, dessen Tentakeln die Erde bedeckten dar.[11] Ein Cartoon aus Rußland von 2002 zeigt einen Davidstern sowie Amerika, welches Münzen auf ihn wirft. Der Stern mutiert daraufhin in einen Kraken mit Raketen und Flugzeugen an seinen Tentakeln.“[12]
Schlangen, Schweine und Kakerlaken
„Gelegentlich werden auch andere Tiere benutzt um Juden zu entmenschlichen. Emad Hajjaj, ein bekannter in Ramallah geborener Karikaturist, der in Jordanien lebt, zeichnete eine zweiköpfige Schlange mit Davidsternen auf ihrem Körper und den Köpfen von Sharon und Barak.[13] Die Botschaft der Karikatur ist einfach: diese Personen als zwei Gesichter desselben Monsters. Sie wurde in der jordanischen Tageszeitung Al Dustour veröffentlicht.
Mitunter kann man auch Schweine, die Juden repräsentieren in gegenwärtigen arabischen Karikaturen entdecken. Diese klassische enthumanisierende Motiv hat seine Wurzeln im Mittelalter, obwohl jeder wusste, dass das Schwein ein für die Juden verbotenes Tier war.
Zoomorphismen existieren in allen Gesellschaften und haben immer kulturelle Eigenheiten. Die Schlange wird fast überall benutzt. So tauchte sie ziemlich häufig in französischen Karikaturen über die Deutschen vor dem Zweiten Weltkrieg auf und umgekehrt. Die Hutus in Afrika betrachten die Tutsi als Kakerlaken.
In der israelischen Presse hingegen findet man sehr selten Cartoons, in denen Araber als Tiere dargestellt werden. Beispiele dafür erscheinen auch nicht in großen Zeitungen, sondern in Publikationen von extremistischen Organisationen wie der verbotenen Kach-Bewegung oder den Women in Green. Darin wird Arafat gelegentlich als Schwein oder Schlange dargestellt.“[14]
„Die Herren der Welt“
„Das fünfte antisemtische Motiv in arabischen Karikaturen wiederholt das klassische Verschwörungsthema, dass die ‚Juden die Welt beherschen.’ Das erklärt auch die arabische Vorstellung, warum es ihnen nicht gelang, gegen die Juden zu gewinnen. Vor 1967 gab es das auch im Ostblock übliche Bild, dass Israel ein ‚Flugzeugträger’ der Vereinigten Staaten im Nahen Osten sei.
Heute wird die entgegengesetzte Vorstellung evoziert. Israels Gegner behaupten, dass die Juden die Vereinigten Staaten dominieren. Damit wird auch angedeutet, dass die Juden die ‚Herren der Welt’ seien – eine klassische Verschwörungstheorie, die von den Nazis ausgenutzt wurde. Für die Kommunisten waren die Juden die Bourgeoisie und Kapitalisten; für die Nazis repräsentierten sie die Essenz des Kapitalismus.
Viele Araber fragen sich, warum die Vereinigten Staaten Israel unterstützen anstatt ihre eigenen Anliegen zu verfolgen. Dies erscheint mysteriös und so haben sie ihre eigene Erklärung entwickelt: Die Juden beherrschen die Welt. Und da die arabische Welt sich in einem benachteiligten Zustand befindet erklären sie, dass die Herren der Welt, also Juden, ihre Probleme verursachen. Dieses Motiv ist identisch mit dem in der beispielhaften russisch-zaristischen Fälschung Die Protokolle der Weisen von Zion. Folglich wollen die Araber diese „niederträchtigen Verschwörer“ loswerden. In diesen Karikaturen werden Israelis selten dargestellt. Und wenn, erscheinen sie meistens als ultra-orthodoxe Juden, eine weitere Absurdität.
Ein begabter amerikanischer Karikaturist algerischer Abstammung, Bendib, zeichnete einen Affen mit einem Davidstern auf seiner Brust, welcher auf der Erdkugel sitzt, auf der die kleinen Figuren des Papstes und eines Arabers zu sehen sind. Der Affe sagt: ‚Jerusalem: von New York City bis Kuala Lumpur, ungeteilte und ewige Hauptstadt Israels; alles andere ist Verhandlungssache.’ [15] In dieser Karikatur verbinden sich das Weltbeherrschungmotiv mit einem Zoomorphismus.“
Der Jude – eine korrumpierende Kraft
„Das sechste antisemitsche Motiv ist das des Juden als korrumpierende Kraft. Es ist eine Ableitung von der Idee, dass Juden die Welt durch ihr Geld beherrschen. Arabische Antisemiten behaupten, dass US-Präsidenten mit jüdischen Banken und jüdischem Geld verbunden sind. Was die Araber vergessen ist, dass George W. Bush ihr Kandidat in den letzten Wahlen war. Die meisten Juden, welche eher liberal und daher Demokraten sind, stimmten für Al Gore. Juden unterstützten auch Clinton. In der Wahrnehmung der Karikaturisten wird allerdings alles möglich.
Bendib zeichnet Gott mit einem großen Sack Dollar. Auf jenem stehen die Namen der großen jüdischen Organisationen: ‚ADL, AIPAC, ZOA.’ Gott streckt seine Hand zu Bush aus, der gerade dabei ist ein Kind auf dem Altar der Holyland Foundation for Needy Muslim Children zu opfern. Und die Bildunterschrift lautet: ‚Und der Allmächtige Dollar sprach: Bringe mir einen Moslemsohn zum Opfer. Und George der W. sprach: ‚Hier bitte, Herr, wenn dies meine Chance für eine zweite Amtszeit erhöht…“[16]
Eine Karikatur in Teshreen zeigt einen bärtigen Juden mit Schläfenlocken und einem Sack, welcher auf Hitler tritt, um an einen offenen Safe zu kommen, welcher mit Geld gefüllt ist, auf dem ‚US’ steht. Der Holocaust erscheint thematisch als Erpressungsmittel, um Geld herauszuschlagen.“[17]
Die Blut-Legende
Ein weiteres Hauptthema in arabischen Karikaturen ist das des blutliebenden oder blutdürstigen Juden. Es stammt ursprünglich aus dem christlichen Antisemitismus. Der christliche antisemitische Vorwurf lautete, dass Juden christliches Blut für ihre Passahfeier bräuchten. Dieser Behauptung nach ist der Juden böse, weil seine Religion ihn zwingt, Blut zu trinken. In der heutigen arabischen Welt hat dieses Bild ungezügelten Hasses sich verwandelt in das des angeblichen Durstes nach palästinensischem Blut.
Es gibt soviele von diesen Karikaturen, dass ich nur einige wenige für mein Buch aussuchen konnte. Zeichnungen bluttrinkender Juden werden regelmässig in Al Ahram abgedruckt, einer von Ägyptens führenden Tageszeichnungen. Am 21. April 2001 wurde ein Cartoon abgedruckt, in dem zwei Soldaten mit Helmen, auf denen Davidsterne zu sehen sind, einen Araber in eine Wringmaschine stecken. Das Blut des Arabers spritzt heraus und zwei Juden mit Kippa und Davidsternen auf ihren Hemden trinken lachend das Blut.[18]
In einer weiteren bekannten Karikatur wird Sharon mit Hörnern dargestellt, mit Blut, dass aus seinem Mund tropft.[19] Der jordanische Karikaturist Rasmy zeigt einen Klempner, welcher eine Reihe von Wasserhähnen repariert. Aus dem amerikanischen kommt Öl, aus dem türkischen Wasser und aus dem israelischen Blut.“[20]
Kotek betont, dass seinem Wissens zufolge, das Blutthema rein antisemitisch und kein allgemein rassistisches sei. Kein anderes Volk wird beschuldigt, Blut zu trinken. Die Ursprünge dieses Mythos liegen im christlichen England des 12. Jahrhunderts, wo die Blutbeschuldigung erfunden wurde.
Kindermord
„Das achte wiederkehrende antisemitische Thema in den arabischen Karikaturen ist das extremste. Karikaturisten versuchen die Vorstellung zu vermitteln, dass Juden Kinder nicht nur töten, sondern es auch vorzugsweise auf sie abgesehen haben. Meistens werden Palästinenser als Kinder und Babys dargestellt. Folglich benutzen arabische und islamischen Propagandisten sehr oft palästinensische Kinder als das paradigmatische Opfer, obwohl die meisten ihrer Gefallenen Erwachsene sind.
Die Palästinenser erleben tägliche eine Tragödie, in der sie im letzten Jahrzehnt über 5.000 Tote zu beklagen hatten. Viele Israelis wurden ebenfalls getötet. Im gleichen Zeitraum starben zwei Millionen Sudanesen, drei Millionen Afrikaner bei den großen Seen, 200.000 Bosnier, 150.000 Algerier und 100.000 Tschetschenen. Die Medien konzentrieren sich trotzdem auf die Palästinenser.
Eine palästinensische Karikatur zeigt die Freiheitsstatue wie sie mit ihrem rechten Arm ein bluttriefendes palästinensisches Kind hochhält, während sie mit ihrer Linken schützend Barak hält.[21] Eine kuwaitische Karikatur zeigt einen alten Juden mit Kippa und Gewehr, welcher ein Kind in einen Ofen schiebt um Matzot zu backen. Damit wird sowohl auf die Shoah – welche das Kind zu erleiden hat – als auch auf Ritualmord verwiesen.[22]
Die offizielle Webseite des Pressedienstes der Palästinensischen Autonomiebehörde zeigt eine Karikatur von Sharon, der mit einer blutbesudelten Axt ein Kind oder einen Fötus schlachtet. Im Hintergrund finden sich Fleischerhaken, an denen Kinder hängen, neben ihnen ein Schild mit der Aufschrift: ‚palästinensisches Blut’. Auf einem großen Schild auf dem Ladentisch steht: ‚Ausverkauf.’[23]
In der katarischen Zeitschrift Al Watan wird Sharon gezeigt, wie er aus einer Tasse mit der Aufschrift ‚Blut palästinensischer Kinder’ trinkt. Auf dem Boden der Tasse findet sich: ‚Made in the U.S.A.’ [24] In Al Hayat al-Jadida, bietet Sharon George Bush den blutigen Kopf eines jungen Palästinensers auf einem Teller an.[25] Die bereits erwähnten Darstellungen der Juden als blutrünstige Vampire kombinieren folglich zwei antisemitische Themen auf einmal.“
Araber wollen Frieden, Israel nicht
„Das neunte antisemitische Motiv, das benutzt wird, hat Israel als ‚heimtückisches’ Land, das keine Frieden will zum Mittelpunkt. Die Idee des ‚heimtückischen Juden’ ist eine alte im islamischen Antisemitismus. Es heisst, dass Mohammed mehrfach versucht habe, mit den Juden Frieden zu schließen, doch, jene hätten ihn angeblich systematisch betrogen und so tötete er sie.
Rasmy zeigt einen Palästinenser, welcher seine Waffen auf den Boden wirft und sagt: ‚Ich lege meine Waffe nieder, um euch zu überzeugen.’ Ein israelischer Soldat hinter einer Mauer tötet ihn und sagt: ‚Auf diese Weise glaube ich dir.’[26] In einer syrischen Karikatur bietet ein Israeli Arafat, welcher eine Taube hält, einen Ball an, auf dem steht: ‚Die Oslo-Vereinbarungen.’ Der Ball explodiert und tötet den Araber. Der Iraeli geht davon und die Taube erwürgt die Taube.“[27]
Apologie von Selbstmordattentaten und Terrorismus
„Das zehnte Motiv betrifft Apologien von Selbstmordattentätern. Ich sammelte einige Karikaturen, welche direkt zum Mord aufriefen. In hunderte von Zeichnungen, fand ich keine, in denen Israelis als Zivilisten dargestellt wurden. Sie sind immer Soldaten oder ultra-orthodoxe Juden, ohne Vater, Mutter oder Kind.
Eine jordanische Karikatur von Rasmy zeigt einen maskierten Palästinenser mit Dynamit an seinem Körper, welcher zu einem russisch-jüdischen Einwanderer sagt: ‚Komm in meine Arme.’[28] Ein weiterer von Emad Hajjaj zeigt eine palästinensischer Mutter, welche ihre Arme hebt und ihre Kinder hält, welche als Selbstmordattentäter dargestellt werden.“[29]
Kotek schlußfolgert, dass diese Karikaturen eine neue Art von Antisemitismus darstellen. „Sie sind oft ‚Aufrufe zum Mord.’ Den Karikaturisten erscheint die Todesstrafe als das einzige, was der ‚zionistische Feind’ verdient. Wie Pierre-André Taguieff in seinem Buch über die neue Judeophobie feststellt ist diese Islamisch-Dschihadistische Version offen genozidal.[30] Der Kampf wird definiert durch das Streben nach der totalen Vernichtung des absoluten Gegners.“
Die Faszination eines Kindes
Gefragt danach, wie er begann, sich für Karikaturen zu interessieren, antwortet Kotek, dass ihn bereits als er neun Jahre alt war – kurz vor dem Sechstagekrieg – das Buch eines israelischen Forschers über antisemitische Karikaturen fasziniert habe. „Manche Bücher, die man liest, wenn man jung ist, können einen ein ganzes Leben beeinflussen.
In Belgien gab es schon immer ein Interesse an Karikaturisten und ihrer Ikonografie. Wenn man hier lebt, ist man dieser Kunstform gegenüber grundsätzlich aufgeschlossener. Ich schrieb sogar einen Artikel über Hergé, Belgiens wichtigsten Comiczeichner, der Antisemit war.
Auf diese Weise war ich Karikaturen gegenüber empfänglich. Sie sind ein einfaches und überzeugendes Werkzeug um schnell zu demonstrieren, welche extrem ernsten Entwicklungen in der arabischen Welt stattgefunden haben. Ihre Motive finden auch im Westen Verwendung. Die Ähnlichkeit dieser Karikaturen zu denen der Nazis sind offensichtlich, wie Arieh Stav bereits in einem früheren Buch gezeigt hat.“[31]
Um das Copyright der Karikaturen zu erwerben, schrieb Kotek viele Zeichner in der arabischen Welt an. Da Belgien ein antiisraelisches Image hat, besonders wegen der Klage gegen Sharon, nahmen viele der Angefragten automatisch an, dass er ebenfalls antiisraelisch sei. Eine ganze Reihe gestatteten ihm, ihre Karikaturen kostenfrei zu benutzen.
Ein Friedensaktivist von Rechts
„In Europa macht einen eine antirassistische Haltung automatisch zu einem Linken. Wenn man dagegen Antisemitismus bekämpft, wird man als Rechter gesehen, als Unterstützer von Likud und Sharon. Und dies ist nicht wahr, denn ich bin bewusst Jude und Teil der Friedensbewegung. Ich bin Freund Israels und dennoch sehr kritisch gegenüber mancher Politik. Sobald man sich jedoch der Größe des arabischen Hasses und der Dämonisierung Israels bewusst geworden ist, muss man Israel einfach verteidigen. Ich bin schockiert von dem Einfluss des Antizionismus kombiniert mit der Ignoranz der meisten Menschen Israel betreffend.
Die Karikaturen in meinem Buch – stellvertretend für eine viel größere Sammlung – zeigen, wie alte christliche Mythen des teuflischen Juden in der arabischen Welt wiederbelebt werden. Palästinensische Zeichner betonen häufig den Ritualmord von Kindern und versuchen die Glaubwürdigkeit durch die Behauptung zu belegen, dass Israelis auf palästinensische Kinder zielen.“
Kotek betont, dass diese Anschuldigungen auch in westliche Gesellschaften eingedrungen sind, wo sie sich mit langanhaltenden Vorurteilen der christlichen Gesellschaft überlagern. Er verfolgt die französischen und belgischen Medien aufmerksam: „Es geschieht regelmäßig, dass, wenn das belgische oder das französische Radio davon berichtet, dass ein Palästinenser getötet wurde, sie sein Alter erwähnen. Dies ist der einzige Konflikt in der Welt, in welchem das Alter des Opfers erwähnt wird.
Im kollektiven Unterbewussten vieler Christen, und jetzt der Araber, können antisemitische Mythen nicht ausradiert werden. Sie präsentieren die Juden als den „Ewigen Juden“, einen Kriegshetzer und Gefahr für die Welt. Das ist nicht mehr nur ein arabisches Konzept. Viele Umfragen in der EU haben kürzlich bestätigt, wie stark diese Vorurteile diesen Kontinent bereits durchdrungen haben.“
Interview: Manfred Gerstenfeld
Anmerkungen
[1] Joël et Dan Kotek, Au nom de l’antisionisme: L’image des Juifs et d’Israël dans la caricature depuis la seconde Intifada (Brussels: Éditions Complexe, 2003).
[2] Al-Hayat al-Jadida, 28 December 1999, Kotek, op. cit., p. 53.
[3] Al-Hayat al-Jadida, 22 March 2000, Kotek, op. cit., p. 52.
[4] Bernard Lewis, “Islam: What Went Wrong?” in The Atlantic Monthly, January 2002.
[5] Al Akhbar, 3 October 2000, Kotek, op. cit., p. 60.
[6] Al Goumhouriya, 24 April 1996, Kotek, op. cit., p. 62.
[7] Teshreen, 15 April 1993, Kotek, op. cit., p. 63.
[8] Daily Star, 3 April 2002, Kotek, op. cit., p. 63.
[9] Daily Star, 23 October 2000, Kotek, op. cit., p. 64.
[10] La Revue du Liban, 8 December 2001, Kotek, op. cit., p. 65.
[11] Kotek, op. cit., p. 158.
[12] Ebd.
[13] Al Dustour, 3 February 2001, Kotek, op. cit., p. 66.
[14] Kotek, op. cit.., p. 152.
[15] www.iviews.com, Kotek, op. cit., p. 69.
[16] Kotek, op. cit.,p. 71.
[17] Kotek, op. cit., p. 71.
[18] Al-Ahram, 21 April 2001, Kotek, op. cit., p. 76.
[19] Al-Haqiqa, 5 May 2001, Kotek, op. cit., p. 79.
[20] www.Arabia.com, Kotek, op. cit., p. 77.
[21] Omaya, 28 October 2000, Kotek, op. cit., p. 91.
[22] Al-Rai Al-Ram, 5 April 1988, Kotek, op. cit., p. 83.
[23] Official website of Palestinian Authority, Kotek, op. cit., p. 82.
[24] Al-Watan, 24 July 2002, Kotek, op. cit., p. 80.
[25] Al Hayat al-Jadida, 6 October 2001, Kotek, op. cit., p. 84.
[26] www.Arabia.com, 23 September, 2001, Kotek, op. cit., p. 94.
[27] Al-Thawra, 1 October 1988, Kotek, op. cit., p. 94.
[28] www.Arabia.com, 7 March 2001, Kotek, op. cit., p.96.
[29] www.mahjoob.com, 27 August 2004, Kotek, op. cit., p.95.
[30] Pierre André Taguieff, La Nouvelle Judeophobie (Paris: Les Mille et une Nuits, 2002). [French]
[31] Arieh Stav, Peace: The Arabian Caricature; A study of Anti- Semitic Imagery (Jerusalem: Gefen, 1999).
Dr. Joël Kotek wurde 1958 in Gent geboren. Er studierte Geschichte an der Freien Universität Brüssel und erhielt den Doktortitel in Politwissenschaft vom Institut für Politwissenschaft in Paris. Er lehrt Politik an der Freien Universität Brüssel und spezialisiert sich auf das Thema europäische Integration. Er ist auch der Vorsitzende des Schulungszentrums für Gegenwärtige Jüdische Dokumentation in Paris.
Die Karikaturen in diesem Interview wurden Dr. Koteks Buch entnommen. Andere Karikaturen mit englischen Erläuterungen aus dem Buch können der Broschüre „Fighting Anti-Semitism“ entnommen werden, welche in Zusammenarbeit von JCPA und dem Büro des Ministers für Diaspora- und Jerusalemer Angelegenheiten Natan Sharansky herausgegeben wurde. Eine hebräische Version der Broschüre ist zu finden unter: http://www.antisemitism.org.il/antisemheb.pdf.