Konstruktive Klarheit in den palästinensisch-israelischen Verhandlungen

Konstruktive Klarheit in den palästinensisch-israelischen Verhandlungen
 
Beni Begin
 
 
·          PLO-Programm, das im August 2009 vom Kongress der Fatah bestätigt wurde, sieht vor, dass der Kampf solange weitergehen wird, bis das „zionistische Gebilde“ ausgemerzt und Palästina befreit wurde. In logischer Konsequenz weigert sich die Fatah, Israel als einen jüdischen Nationalstaat zu akzeptieren.
 
·          Dies erklärt auch, wie Mahmoud Abbas im Mai 2009 der Washington Post auf die Frage, wieso er das weitreichende Angebot des damaligen israelischen Premiers Ehud Olmert ausgeschlagen habe, antwortete, dass „die Gräben tief“ gewesen wären.
 
·          Die palästinensische Führung fordert, dass die Verhandlungen wieder an dem Punkt ansetzen, den sie Ende 2008 mit Olmert erreicht hatten. Das heißt, dass sie mit dem Angebot von letztem Jahr nicht zufrieden gewesen sind. Sie wollen mehr.
 
·          Sollte die PLO-Führung es nicht schaffen, ihre geistige Haltung, Absichten und öffentlichen Äußerungen zu revidieren, dann ist eine solide friedliche Lösung für die nahe Zukunft nicht zu erwarten.
 
 
Israels Angebot
 
Der israelischen Regierung ist es im Rahmen des Annapolis-Prozesses von 2008 nicht gelungen, mit der Führung der PLO zu einem dauerhaften Übereinkommen zu gelangen. Mahmoud Abbas zufolge schlug der damalige israelische Premier Ehud Olmert vor, dass sich Israel von 98 Prozent der umstrittenen Gebiete zurückzieht. Im Grunde handelte es sich sogar um eine hundertprozentige Gebietsübertragung, da das fehlende Territorium mit Land des israelischen Staatsgebietes kompensiert werden sollte.
 
Olmert schlug auch eine sichere Verbindungsstraße zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland unter israelischer Souveränität vor. Nach Aussagen von Mahmoud Abbas stimmte Olmert prinzipiell sogar dem sogenannten „Rückkehrrecht“ zu, auch wenn dieser das bestreitet. In jedem Fall schlug er aber vor, dass Tausende arabischer Flüchtlinge auf humanitärer Basis in den Staat Israel kommen dürften.
 
In der Jerusalem-Frage bot Olmert die Teilung der Stadt in zwei Hälften an. Die von Arabern bewohnten Viertel der Stadt sollten Teil eines souveränen Palästinenserstaates werden, die jüdischen Stadtteile sollten unter israelischer Souveränität verbleiben. Zusätzlich bot er an, dass Israel seine Souveränität über den Tempelberg, den Ölberg und die „Davidstadt“ – auch als „Heiliges Becken“ bezeichnet – aufgibt. Die israelische Verwaltung dieses Gebietes sollte von einem Konsortium abgelöst werden, das von Saudi Arabien, Jordanien, den Vereinigten Staaten, der PLO und Israel gestellt werden würde. Dieses weit gehende Angebot Olmerts hinsichtlich Grenzen, Flüchtlingen und Jerusalem wurde jedoch von der PLO abgelehnt.
 
Gründe für das Nein der PLO
 
Als Mahmoud Abbas im Interview mit der Washington Post im Mai 2009 gefragt wurde, wieso er Olmerts Vorschläge abgelehnt habe, war seine Antwort, dass „die Gräben tief“ gewesen seien. Dies beschreibt die Situation korrekt, denn aus der Perspektive der PLO waren die Gräben in der Tat zu tief.
 
Während der Verhandlungen des Annapolis-Prozesses wurde die PLO-Führung einmal gefragt, ob sie im Falle einer Übereinkunft zur Zufriedenheit aller Seiten, der Ergänzung durch einen Artikel zustimmen würden, der besagt, dass diese Vereinbarung den Konflikt beende und die Ansprüche beider Seiten zum Abschluss bringe. Die PLO verneinte.
 
Wie konnte ein Vorschlag wie der Olmerts derart tiefe Gräben offenlassen, so dass er in den Augen der PLO-Führung noch ein Jahr später als unakzeptabel erscheint? Im Hinblick auf Jerusalem wäre die Antwort, dass die PLO die Idee einer geteilten Souveränität über das Areal von Tempelberg und Umgebung nicht akzeptiert. Ihr Ziel ist eine arabisch-palästinensisch-islamische Kontrolle des Territoriums.
 
Dabei handelt es sich nicht nur um eine Laune der gegenwärtigen palästinensischen Führung. Im Jahr 2000 schlug der damalige Premier Barak vor, dass Israel seine Kontrolle über den oberen Teil des Tempelberges an eine arabisch-palästinensische Souveränität abgäbe, während nur der untere Teil bei Israel verbliebe, doch auch dies wurde abgelehnt. Nach Meinung der PLO sollte der gesamte Tempelberg unter arabisch-islamische Kontrolle.
 
PLO: Kein Interesse an der Zweistaatenlösung
 
Die Gründe dafür wurden von der PLO-Führung, die als die gemäßigte Fraktion im arabisch-palästinensischen Lager gilt, oft genug selbst geliefert. Sie leugnen schlichtweg das, was nicht zu leugnen ist. Ihrer Meinung nach gibt es keinerlei historischen Bezug zwischen dem jüdischen Volk und dem Tempelberg und dass die Geschichten über die beiden jüdischen Tempel, die hier vor 2 600 bzw. 2 000 Jahren zerstört wurden, nichts als Märchen seien. Ihrer Auffassung nach gibt es keinerlei Verbindung zwischen Juden und Jerusalem. Natürlich gilt dies auch für das Westjordanland, Gaza, Galiläa und die Negev-Wüste. Juden hätten keinerlei historischen Bezug zu all diesen Gebieten.
 
In dieser Hinsicht ist die PLO-Führung konsistent. Dies ist ihre Basisphilosophie und die Konsequenz daraus ist ihre unnachgiebige Haltung, Israel nicht als jüdischen Staat anzuerkennen. In aller Offenheit erklären sie, dass das Judentum keine Nationalität, sondern eine Religion sei. Und da das Judentum lediglich eine Religion sei und Religionen nicht berechtigt wären, Staaten zu gründen und zu besitzen, so hat der Staat Israel kein Recht, als jüdischer Staat zu existieren und wird von ihnen folglich nicht als solcher anerkannt werden.
 
Vor weniger als einem Jahr bestätigte der Fatah-Kongress in Bethlehem im August 2009 das Programm und definierte Kapitel eins ihrer Charta als Ausgangspunkt ihrer Politik. Artikel 19 des Kapitels eins führt aus:
 
„Der bewaffnete Kampf ist eine Strategie und nicht nur eine Taktik. Eine bewaffnete Revolution des arabisch-palästinensischen Volkes ist der entscheidende Faktor in einem Befreiungskrieg und für die Vernichtung der zionistischen Existenz. Dieser Kampf wird nicht ruhen, bis das zionistische Gebilde vernichtet und Palästina befreit ist.“
 
Für die Fatah handelt es sich also um ein „zionistisches Gebilde“ und nicht um eine jüdische Nation, die ihren eigenen und einzigen souveränen Staat auf Erden verdient. Letzteres Verständnis findet sich gegenwärtig nicht in ihren Vorstellungen, in ihrer Philosophie und Ideologie und wird dort solange nicht zu finden sein, bis sie durch die internationale Gemeinschaft dazu genötigt werden, diese anzupassen.
 
Doch solange man diese Einstellung als etwas Unabänderliches, das auch nicht geändert werden sollte, betrachtet, wird sie vorherrschen. Und wenn die Führung unserer Nachbarn ihre Ansichten nicht ändert, dürfte in der nahen Zukunft wenig Aussicht auf Erfolg bestehen im Hinblick auf einen Friedensvertrag zwischen Juden und den Arabern westlich des Jordan.
 
Wo findet sich eine Übereinkunft innerhalb der PLO, dass sie sich mit der Realität anfreunden und auch nur dem Minimum an Sicherheitserwägungen all jener halbwegs nüchternen israelischen Parteien der Knesset entgegenkommen will? Abbas behauptet, dass Olmert ihm zu wenig geboten hätte, doch die ehemalige Außenministerin Tzipi Livni, gegenwärtig Führerin der Knesset-Opposition, würde bestätigen, dass Olmert zu viel bot. In der gegenwärtigen Konstellation kann es zu keinem Abkommen kommen, es sei denn, die PLO-Führung ändert ihre Ansichten. Und wenn sie niemand dazu bringt, sehe ich nicht, wie es dazu kommen könnte.
 
Im Juni 2009 veröffentlichte das Nahostquartett in Triest eine Erklärung, die zum ersten Mal die politische Formel von „Zwei Staaten für zwei Völker“ als Lösung vorschlug. Dieser Lösung stimmen viele zu, nur nicht die PLO. Weder PLO-Führung noch –Aktivisten sprechen davon, dass eine Lösung zwei Nationen vorsieht.
 
In einer weiteren Erklärung des Nahostquartetts vom März 2010 in Moskau war die Formulierung der zwei Staaten für zwei Völker jedoch verschwunden. Erwähnt wurde nunmehr nur noch das palästinensische Volk, nicht jedoch das jüdische. Welche Signale werden auf diese Weise gesandt?
 
Jerusalem ist keine Sicherheitsfrage
 
Vor dreitausend Jahren war Jerusalem – wie kein vernünftiger Mensch bestreiten würde – die Hauptstadt eines jüdischen Staates. Doch an Jerusalem offenbart sich auch das Ausmaß des Konfliktes.
 
Der Tempelberg kann rein taktisch als ein wichtiger Hügel beschrieben werden. Von seinem Gebiet aus lassen sich die Straße, die vom Toten Meer nach Jerusalem führt, die Straßen nach Ramallah und Shechem/Nablus im Norden und die Straße nach Hebron im Süden kontrollieren. Doch der Tempelberg ist weniger eine Frage der Sicherheit als eine grundlegende, die mit den Gefühlen der Menschen zu tun hat, Gefühle, die respektiert werden müssen. Ja, er gehört dem jüdischen Volk, doch andere sehen das anders, und wir sollten diese Gefühle nicht klein reden.
 
Wie viel kann Israel noch bieten?
 
Wenn danach gefragt wird, was die israelische Regierung der PLO noch zu bieten hätte, dann können wir darauf verweisen, dass vorherige Regierungen Israels angeboten haben, das Westjordanland und Gaza sowie Teile Jerusalems aufzugeben, allerdings ohne Erfolg. Dies gilt es anzuerkennen. Die Palästinenserführung beharrt darauf, dass die Verhandlungen an der Stelle fortgesetzt werden, wo sie Ende 2008 mit Olmert angelangt waren. Das heißt so viel wie, dass sie mehr als das, was damals geboten wurde, verlangt. Im Februar sprach eine junge Frau im Kinderfernsehen des PLO-Senders zu arabischen Kindern in Beersheva, Lod und Haifa – drei Städten, die im israelischen Kernland liegen. Sie sagte ihnen aber, dass sie seit 1948 besetzt seien. Es gibt zahlreiche ähnliche Beispiele im Fernsehen der PLO.
 
Die palästinensische Befreiungsorganisation strebt eine Befreiung Palästinas von Jordanien bis zum Mittelmeer an. Aus diesem Grund zielt sie nicht auf eine Zweistaaten-, sondern eine Zweischrittelösung. Im ersten Schritt wird versucht, Israel hin zu den Waffenstillstandsgrenzen von 1949 zu drängen. Im zweiten Schritt möchte man Hunderttausende Flüchtlinge in den Staat Israel zurückkehren lassen, um ihn von innen heraus zu sprengen und so „Palästina“ zu befreien. Es gibt keinen anderen vernünftigen Grund, weshalb sie derart weitreichende Vorschläge zweier israelischer Regierungen so vehement abgelehnt hat.
 
Solange es keinen tiefgreifenden Wechsel in ihrem Denken gibt, dann bleibt uns eigentlich nur das zu tun, was wir bereits versuchen – das Leben von Juden und Arabern zu verbessern. So sagt auch die PLO-Führung, dass sie letztes Jahr ein ökonomisches Wachstum von 9 Prozent erlebten und Israel daran Anteil hatte.
 
Die moralische Basis der israelischen Position
 
Meine Haltung basiert auf zwei moralischen Säulen: das natürliche und historische Recht des jüdischen Volkes an seiner Heimat, Israel, die sich auch jenseits der künstlichen Waffenstillstandslinie von 1949 erstreckt, und das Recht eines israelischen Bürgers auf nationale Sicherheit. Aus dem Recht der Juden auf ihre angestammte Heimat folgt das Recht, in Jerusalem und auch im Westjordanland zu bauen. Und es hat sich immer wieder gezeigt, dass diese beiden Rechte zu trennen in dem Verlust von israelischen Leben mündet. Als man Jericho, Hebron, Nablus, Jenin, Tulkam und Kalkilya im Rahmen des Osloer Abkommens samt der Verantwortung für die Sicherheit an die PLO übertrug, war das Resultat ein sicherer Zufluchtsort für Terroristen, der tragischer Weise zu der Zweiten Intifada 2000 führte. 2005 gab es einen weiteren Versuch, diese beiden Rechte zu trennen, indem man den Gazastreifen unilateral aufgab und als Konsequenz flogen Hunderte von Raketen auf Israel.
 
Lassen Sie mich mit einem Zitat meines Vaters, Premierminister Menachem Begin schließen. Als er vor über dreißig Jahren nach Washington flog, sagte er, er käme nach Washington D.C. – District of Columbia – von Jerusalem, D.C. – David’s Capital. Und genauso bemühen wir uns um Jerusalem – die Hauptstadt Davids.
 
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MK Ze’ev Binyamim Begin (Beni Begin) ist gegenwärtig Minister ohne Geschäftsbereich und Mitglied des von Premierminister Netanyahu eingerichteten Forum von sieben Ministern. Gegenwärtig in seiner vierten Amtszeit diente er der Knesset bereit 1988-1997 als Abgeordneter des Likud. In dieser Zeit war er Mitglied des Komitees für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung sowie Wissenschaftsminister. 1997 trat er aus Protest gegen das Hebron-Abkommen zurück. Im Anschluss war er Direktor des Geologocial Survey Israel. 2009 kehrte er in die Knesset zurück. Dieser Aufsatz basiert auf Minister Begins Vortrag im Institute for Contemporary Affairs des Jerusalem Center for Public Affairs vom 25. April 2010.