Jerusalem in der internationalen Diplomatie

Der Juli 2000 Gipfel in Camp David war ein klares Scheitern der Diplomatie. Dafür verantwortlich, wenn auch nicht allein, war die unüberwindliche Kluft zwischen Israel und der PLO in der Jerusalemfrage. Premierminister Ehud Barak und US-Präsident Bill Clinton bestanden darauf, den Gipfel abzuhalten, offensichtlich in der Annahme, dass die diplomatischen Differenzen zwischen den Parteien schließlich überbrückt werden könnten. Mit einer akkurateren Einschätzung der Positionen der Hauptparteien Jerusalem betreffend hätten sie erwarten können, dass dem Gipfel kein Erfolg beschert werden würde. Für die PLO waren die verschiedenen Vorschläge Clintons Rohrkrepierer. Und in Israel führte Baraks Bereitschaft, Zugeständnisse bei der Jerusalem-Frage überhaupt zu erwägen, zu einem Kollaps der parlamentarischen Unterstützung für seine Regierung, einer massiven öffentlichen Demonstration gegen die US-Vorschläge und schließlich, zusammen mit der palästinensischen Gewalt, zu Baraks Niederlage bei den Nationalwahlen durch eine präzedenzlose Mehrheit für Ariel Sharon.
Israel scheiterte jedoch noch weit fundamentaler als nur in der Fehlinterpretation der palästinensischen Haltung gegenüber Jerusalem. Während des Friedensprozesses legte Israel all seine Energien auf ein abstraktes, wenn auch wertvolles Ziel – Frieden. Die diplomatischen Energien der Palästinenser richteten sich dagegen auf das konkrete Ziel eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt, was zwangsläufig dazu führte, dass die Verhandlungen von der Partei dominiert wurde, welche ein klarer artikuliertes Ziel hatte – nämlich von den Palästinensern und ihrem Wunsch nach Souveränität in Jerusalem. Diese diplomatische Asymmetrie bedingte eine eindeutige Erosion von Israels eigenen Ansprüchen.

Ein sorgfältiges Studium der historischen Fakten jüdischer Präsenz in Jerusalem und eine Verständnis des Anspruchs des jüdischen Volkes gemäß internationalem Recht auf seine historische Hauptstadt hätten jedoch die israelischen Verhandlungsführer dazu bringen können, eine stärkere Position hinsichtlich dieser Rechte einzunehmen. Ziel dieser Untersuchung ist, sowohl ein realistischeres Verständnis der Positionen der Hauptparteien als auch eine tiefere Wertschätzung der israelischen Rechte an Jerusalem für zukünftige Verhandlungen zu bieten.

Vor 1948

Seit der Unabhängigkeit 1948, doch auch schon zuvor, ist Israels Anspruch auf Souveränität in Jerusalem fest verankert in Geschichte und internationalem Recht.
Bereits vor dem Aufstieg des modernen Zionismus war eine jüdische Mehrheit in Jerusalem im Osmanischen Reich im frühen 19. Jh. wiederhergestellt worden. Seit der Zerstörung der antiken jüdischen Hauptstadt Jerusalem durch die römischen Armeen im Jahr 70 u.Z. sind Juden im Laufe der Jahrhunderte in ihre heilige Stadt zurückgekehrt, wann immer es ihnen möglich war. Versuche, eine jüdische politische Souveränität zu erreichen, gingen einher mit der Wiederherstellung Jerusalems als nationaler politischer Hauptstadt des jüdischen Volkes, wenn auch nur kurz, in den Jahren 135 und 614.
Spätestens seit 1864, also seit fast 150 Jahren, gibt es eine jüdische Mehrheit in Jerusalem. Damals waren entsprechend britischer Konsularakten bei einer Gesamtbevölkerung von 15.000 8.000 Juden, 4.500 Muslime und 2.500 Christen. 1914 gab es 45.000 Juden in Jerusalem bei einer Gesamtbevölkerung von 65.000.
Israels internationale Rechtsposition in Jerusalem basiert auf dem Palästina-Mandat, durch welches der Völkerbund als die Quelle internationaler Legitimität vor den Vereinten Nationen die “historische Bindung des jüdischen Volkes an Palästina” anerkannte und die “Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina” forderte. Der Völkerbund unterschied nicht zwischen jüdischen Rechten an Jerusalem und dem Rest des palästinensischen Gebietes.
Trotz der Tatsache, dass der Völkerbund formal im April 1946 aufgelöst wurde, wurden die Rechte der jüdischen Bevölkerung in Palästina (und ganz besonders in Jerusalem) von der Nachfolgeorganisation des Völkerbundes, den Vereinten Nationen, durch Artikel 80 der UN-Charta bewahrt, welcher verneint, dass die Charta zum Zeitpunkt der UN-Gründung “unmittelbar oder mittelbar die Rechte von Staaten oder Völkern oder in Kraft befindliche internationale Übereinkünfte [ändere]” (Anm: nachträgliche Hervorhebung).
Der Vorschlag der UN vom November 1947, Jerusalem als “corpus separatum” unter der UN-Vollversammlungsresolution 181 (II) zu internationalisieren, war nur eine unverbindliche Empfehlung. Sie wurde von den palästinensischen Arabern und den arabischen Staaten mit Gewalt zurückgewiesen. Da die UN nicht eingriff, als die jüdische Bevölkerung von Jerusalem durch die arabischen Invasionsarmeen belagert wurde, erklärte Ben Gurion: “Da die UN versagt hat, ihre eigene Resolution umzusetzen, betrachten wir die Resolution vom 29. November Jerusalem betreffend als null und nichtig”.
Jordanien war nicht in der Position, Souveränität in Jerusalem einzufordern, da die Invasion der arabischen Liga illegal war und die UN-Charta verletzte. Die Annexion des Westjordanlandes 1950 wurde nur von Großbritannien und Pakistan anerkannt und von den meisten arabischen Staaten zurückgewiesen. Doch auch die Briten betonten deutlich, dass die formale Anerkennung des Anschlusses des Westjordanlands an das Königreich Jordanien nicht die Anerkennung jordanischer Souveränität über Jerusalem beinhaltete. Daher waren Premierminister David Ben-Gurion und Israels erstes Parlament in einer soliden Rechtsposition, als sie 1950 Jerusalem zur Hauptstadt Israels machten.

Nach dem Sechstagekrieg

In der Folgezeit des Sechstagekrieges 1967 wuchsen die israelischen Ansprüche auf Jerusalem.
Zwischen 1948 und 1967 verweigerte Jordanien den Juden den Zugang zur Klagemauer unter Missachtung des Waffenstillstandsabkommens mit Israel. Über fünfzig Synagogen des Jüdischen Viertels in der Altstadt wurden zerstört oder entweiht. Die jüdischen Einwohner wurden vertrieben. Die christliche Bevölkerung des jordanischen Jerusalem fiel von 25.000 auf 11.000, da christlichen Institutionen restriktive Gesetze auferlegt wurden. Unter der Berücksichtigung, dass die Position Jordaniens in der Stadt Resultat seiner Invasion 1948 war, während die israelische Position Resultat eines Verteidigungskrieges war, hatte Israel das Recht zu fordern, dass der israelische Anspruch auf ein geeintes Jerusalem größer sei.
Dieses Argument stimmt weitgehend überein mit der Analyse bedeutender Experten für internationales Recht wie z.B. dem Rechtsberater des State Department Stephen Schwebel, dem späteren Vorsitzenden des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag. Schwebel argumentierte 1970, dass “Israel den größeren Anspruch auf das palästinensische Territorium, einschließlich ganz Jerusalem (Anm.: nachträgliche Hervorhebung) habe, als Jordanien und Ägypten.”
Die UN-Sicherheitsratsresolution 242 von 1967, welche vom britischen Resolutionsentwurf ausging, erwähnte Jerusalem nicht einmal und bestand nicht auf einen vollen Rückzug zu den prä-1967 Grenzen im operativen Teil der Resolution (sondern nur auf einen Rückzug aus “Gebieten” hin zu “sicheren und anerkannten Grenzen”). Der britische Außenminister George Brown hielt später fest: “Der Antrag forderte, dass ‘Israel sich aus besetzten Gebieten zurückziehen wird,’ nicht aus ‘den Gebieten,’ womit gesagt wird, dass Israel sich nicht aus allen Gebieten zurückziehen wird.” Rückblickend schrieb der amerikanische Botschafter bei der UN 1967 Arthur Goldberg: “Ich habe Jerusalem nie als besetztes Gebiet beschrieben … Resolution 242 verweist an keiner Stelle auf Jerusalem und diese Auslassung war bewusst.”
Resolution 242, welche einstimmig vom UN-Sicherheitsrat angenommen wurde, diente als Basis für die UN-Sicherheitsratsresolution 338 im Oktober 1973, welche formal den arabisch-israelischen Friedensprozess auslöste und auch weiterhin die einzige von allen Seiten akzeptierte Grundlage für die Camp-David-Beschlüsse 1978 und die Madrider Friedenskonferenz 1991 darstellte.
Mit der Befreiung der Altstadt von Jerusalem als Resultat des Sechstagekrieges dehnte die Eshkol-Regierung am 27. Juni 1967 mit Unterstützung der Knesset israelische Rechtssprechung und Verwaltung auf die östlichen Teile Jerusalems aus. Obwohl die israelische Souveränität sich auch auf den Tempelberg erstreckte, vereinbarte Israel, dass die Verwaltung des Grundstücks weiterhin bei dem jordanischen Waqf verblieb, unter dem jordanischen Ministerium für religiöse Stiftungen. Damit gab Israel jedoch nicht seine Souveränität auf, sondern bekräftigte sie durch die Entscheidung.
Premierministerin Golda Meir setzte diese Politik fort. Im Oktober 1971 erklärte sie: “Israel ist bereit, Vereinbarungen mit den religiösen Autoritäten des Christentums und des Islam zu schließen, um den religiösen Status und den universellen Charakter dieser für verschiedene Religionen heiligen Orte zu bewahren.” Israel war also willens, interreligiöse Übereinkünfte diese Orte betreffend zu schließen. Die Terminologie dieser Vereinbarungen bezog sich jedoch auf Verwaltung, nicht auf politische Souveränität.
Als Israel 1967 ganz Jerusalem vereinigte waren 74.2% der Bevölkerung jüdisch, 25.8% nichtjüdisch (hauptsächlich palästinensische Araber). Die arabische Bevölkerung lebte fast ausschließlich in den östlichen Teilen der Stadt, während keine Juden in den Teilen lebten, die jordanisch besetzt waren. Während des britischen Mandats hatten allerdings Juden dort gelebt. Seit 1967 ist diese demografische Balance weitgehend stabil geblieben.

Vom Osloer Abkommen bis zu Camp David

Die Prinzipienerklärung zwischen Israel und der PLO – das Osloer Abkommen – vom September 1993 stellte einen fundamentalen Wandel der bisherigen Politik dar. Israels Willen, die Jerusalemfrage zu verhandeln, wie es spezifisch in Oslo festgelegt worden war, beschränkte sich nicht auf die religiöse Dimension wie es unter vergangenen israelischen Regierungen der Fall gewesen war. Die PLO wurde dabei als Partei anerkannt für Diskussionen mit Israel über bestimmte funktionale Interessen der Palästinenser an der Stadt und den heiligen Stätten. Dadurch widersprach die israelische Regierung dem Status Quo mit Jordanien, der viele Jahre gedauert hatte.
In der Washingtoner Erklärung von Premier Rabin und dem jordanischen König Hussein vom Juli 1994 wurde diese Haltung etwas korrigiert. Israel betonte, dass die besondere historische Rolle Jordaniens bei Verhandlungen über die Verwaltung der Heiligen Stätten des Islam berücksichtigt werde. In Abstimmung über die Washingtoner Erklärung verabschiedete die Knesset am 3. August 1994 eine Stellungnahme, dass ein vereintes Jerusalem unter israelischer Souveränität Israels “ewige und ausschließliche Hauptstadt” bleiben sollte.
Auch Premier Jitzchak Rabin blieb fest in der Frage des Bewahrens israelischer Souveränität über ganz Jerusalem. Einer Gruppe Tel Aviver Schüler sagte er Mitte 1995, während seines letzten Amtsjahres: “Wenn sie uns sagen würden, dass Frieden der Preis dafür wäre, dass wir ein Jerusalem unter israelischer Souveränität aufgäben, wäre meine Antwort, ‘dann verzichten wir auf Frieden.’” Trotz des Umstandes, dass in Oslo Jerusalem zum Verhandlungsthema gemacht wurde, blieb die Grundlage die UN-Sicherheitsrats-Resolutionen 242 und 338, welche keinen vollständigen israelischen Rückzug forderten.
Bis zum Osloer Abkommen hatte die PLO ihre diplomatischen Bemühungen nicht auf Jerusalem konzentriert, sondern auf allgemeinere politisch-militärische Ziele, da ihre Hauptbasis in den Flüchtlingslagern in Syrien und im Libanon lag und nicht in Jerusalem, welches über eine eigenständige palästinensische Elite verfügte. Jerusalem wurde in der Palästinensischen Nationalcharta von 1968 kein einziges Mal erwähnt. Nichtsdestotrotz behauptete Arafat, der gemäß seiner Geburtsurkunde in Kairo geboren wurde, dass er in Jerusalem geboren worden sei und direkt verwandt mit der Elitenfamilie des Jerusalemer Muftis, Hadsch Amin al-Husseini.
Als Arafat am 15. November 1988 vor der UN-Vollversammlung den palästinensischen Staat ausrief, geschah dies auf der Basis der Resolution 181. Arafat sagte: “der Palästinensische Nationalrat erklärt im Namen Gottes und des palästinensisch-arabischen Volkes die Entstehung des palästinensischen Staates auf unserem palästinensischem Boden und seiner heiligen Hauptstadt Jerusalem.” Damit wurde die Idee einer Internationalisierung Jerusalems erneut in den politischen Diskurs eingebracht, ebenso wie die Behauptung des Anspruchs auf die Anerkennung der Grenzen von 1947.
Noch im März 1999 bestätigte der deutsche Botschafter in Israel als Vertreter der Europäischen Union die Unterstützung der EU für die Behandlung Jerusalems als “corpus separatum”. Diese Wiederbelebung der Resolution 181 ermöglichte eine Radikalisierung der palästinensischen Position. Israels Zurückweisung der Resolution wurde in arabischen Zeitungen als Sabotage des Friedensprozesses interpretiert.
In seiner berühmten Johannesburg-Rede vom 10. Mai 1994 behauptete Arafat: “Nein, es ist nicht ihre Hauptstadt, es ist unsere Hauptstadt.” Und Anfang August 1994 betonte er erneut: “Jerusalem war und bleibt die Hauptstadt Palästinas, ganz Jerusalem ist palästinensisch.” Damit wurde Anspruch auf sowohl Ost- als auch Westjerusalem erhoben.
Es ist schwer vorstellbar, dass die Palästinenser wirklich glauben, sie könnten sich territoriale Zugeständnisse für die westlichen Hälfte Jerusalems sichern. Nichtsdestotrotz, ist zu erwarten, dass Unterhändler Ansprüche auf palästinensische Häuser und Stadtviertel erheben, welche 1948 verloren wurden. Derartige palästinensische Ansprüche auf ganz Jerusalem sind sogar bei moderaten Palästinensern weit verbreitet.

Der Camp-David-Gipfel 2000, der Clinton-Plan und die Folgen

Sieben Jahre nach der Umsetzung des Osloer Abkommens von 1993 begann Ehud Barak als erster israelischer Premierminister eine erneute Teilung Jerusalems zu überdenken als Antwort auf einen amerikanischen Vorschlag beim Juli 2000 Gipfel in Camp David.
Die Verhandlungen hatten drei Aspekte: sie waren hypothetisch, mündlich und wurden durch eine dritte Partei geführt. Die ganze Diskussion in Camp David war hypothetisch daran geknüpft, dass es Vereinbarungen mit den Palästinensern in allen anderen Punkten gebe. Die Vorschläge wurden mündlich vorgetragen. Und Barak versuchte den Kontakt zu Arafat auf ein Minimum zu beschränken, so daß die meisten Vorschläge zu Jerusalem von der US-Regierung gemacht wurden.
Trotz dieses lockeren diplomatischen Stils waren die Verhandlungen in Camp David auf der Annahme begründet, dass die Kluft zwischen den Parteien in vielen Fragen, ganz besonders auch bei Jerusalem, tatsächlich überbrückt werden könnten. Obwohl die meisten Vorschläge in Camp David mündlich gemacht wurden, sind klare Positionen der Amerikaner und Israelis während der Gespräche auszumachen. Dass die Palästinenser ihrerseits keine Kompromissplan vorbereitet hatten, deutet an, dass sie selbst weit weniger optimistisch waren, die Kluft über Jerusalem zu überbrücken.
Arafats Kommentare nach den Verhandlungen offenbarten die Quintessenz der palästinensischen Haltung zu Jerusalem: der Anspruch der PLO auf Souveränität “bezieht sich nicht nur auf die Grabeskirche und die Moscheen vom Tempelberg und das Armenische Viertel, sondern auf Jerusalem in seiner Gesamtheit, Gesamtheit, Gesamtheit.”
In Camp David verneinte Arafat jeglichen jüdischen Anspruch auf Jerusalem, und behauptete sogar, dass es nie jüdische Tempel auf dem Tempelberg gegeben hätte. Arafats Forderungen bezogen sogar die Klagemauer ein: “Die britische Mandatsadministration hat bereits 1929 festgestellt, dass die Klagemauer die Al-Buraq Mauer ist, welche als islamische religiöse Stiftung (Waqf) anzusehen ist, auf welche die Palästinenser historische Rechte haben.” Diese diplomatische Erfahrung demonstrierte deutlich, dass es unüberbrückbare Gegensätze zwischen der versöhnlichsten israelischen Position zu Jerusalem und der PLO-Position gab, wie sie von Jassir Arafat ausgedrückt wurde.
Dennoch wäre es ein Fehler, diese kompromisslose palästinensische Haltung Jassir Arafat allein zuzuschreiben. Palästinensische Ansprüche auf die Linien von 1967, einschließlich der gesamten Altstadt, waren weit verbreitet auf allen Ebenen der PLO-Führung. Darüber hinaus gab es deutliche Beweise, dass die lokale palästinensische Führung in Jerusalem Ansprüche auf den westlichen Teil der Stadt aufrechterhielt. Folglich gab es wenig Grund zur Annahme, dass in einer Nach-Arafat-Zeit palästinensische Positionen in der Jerusalemfrage flexibler werden würden.
Die Ergebnisse von Camp David erwiesen sich als problematisch für Arafat. Seine totale Zurückweisung des amerikanischen Plans hinterließ in der internationalen Gemeinschaft den Eindruck, dass die Palästinenser für das Scheitern des Gipfels verantwortlich seien. Als Arafat nach Camp David versuchte, internationale Unterstützung für eine unilaterale Ausrufung eines palästinensischen Staates zu bekommen, musste er feststellen, dass die wichtigsten Staaten im internationalen System, einschließlich Frankreich, nicht bereit waren, ihm eine Anerkennung zuzusichern. Als er die Notwendigkeit erkannte, die internationale Sympathie von Israel weg und hin zu den Palästinensern zu kehren, begann die PA die Erneuerung der Gewalt gegen Israel vorzubereiten, bei welcher angeblich unbewaffnete Zivilisten gegen bewaffnete israelische Soldaten eingesetzt würden – wie in der Intifada von 1987.
Nachdem er die US-Vorschläge in Camp David zurückgewiesen hatte, initiierte Arafat, was die Palästinenser Al-Aqsa-Intifada nannten. Sie begann mit Steinewürfen palästinensischer Mobs vom Tempelberg aus auf jüdische Pilger, welche am Tag vor Rosh Hashanah, dem jüdischen Neujahr, an der Klagemauer beteten. Der Platz vor der Mauer musste evakuiert werden, da er vollständig mit Steinen bedeckt wurde.
Darüber hinaus verweigerte die islamische Waqf jegliche archäologische Kontrolle des Tempelbergs durch die Israel Antiquities Authority. 13.000 Tonnen Schutt waren durch die Waqf vom Tempelberg entfernt worden, die archäologische Reste der Zeit vom Ersten und Zweiten Tempel beinhalteten, um neue unterirdische Moscheen fertig zu stellen. Diese Überreste wurden auf den Müllhalden der Stadt deponiert. Diese völlige Missachtung der Waqf gegenüber dem prä-islamischen jüdischen Erbe der Stadt erinnerte an das Verhalten der Taliban 2001 in Afghanistan gegenüber der prä-islamischen buddhistischen Präsenz im Bamian-Tal. Fortgesetzte palästinensische Attacken gegenüber heiligen jüdischen Orten in Nablus (Joseph-Grab), Jericho und dem nahe Bethlehem gelegene Rachel-Grab verstärkten die israelische Sichtweise, dass die heiligen Stätten Jerusalems nur durch eine fortbleibende israelische Souveränität bewahrt werden könnten.
Die Vision des Clinton-Plan vom Dezember 2005, Jerusalem schachbrettförmig in verschiedene Souveränitäten aufzuteilen war für die israelischen Sicherheitsorgane absolut unakzeptabel, einschließlich dem IDF-Generalstabschef Generalleutnant Shaul Mofaz. Mofaz hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Umsetzung des Clinton-Plans die Sicherheit des Staates gefährden würde.
Der Plan basierte auf der Idee einer palästinensischen Souveränität über die von Palästinensern bevölkerten Teile der Stadt, welche gleichzeitig ungeteilt bleiben sollte. Vorhersehbar war, dass ein palästinensischer Einwohner des palästinensischen Staates sich zwischen dem Westjordanland und Teilen Jerusalems unter palästinensischer Souveränität frei bewegen können würde. Von einem palästinensischen Stadtteil hätte sich dieselbe Person in den israelischen Teil der Stadt (und Israel selbst) bewegen können, da im Herzen Jerusalems selbst keine Grenzkontrollen errichtet werden sollten. Mit anderen Worten: der Clinton-Plan hätte ein klaffendes Loch in die Grenze zwischen Israel und einem palästinensischen Staat im Westjordanland gerissen, durch welche hunderttausende Palästinenser sich nach Israel hätten bewegen können, um dort zu leben. Bei dem relativ hohen Bruttosozialprodukt Israels und der ideologischen Entschlossenheit der Palästinenser ein “Rückkehrrecht” auszuüben, wäre der Clinton-Plan eine demografische Bedrohung für Israel gewesen, welche nur durch Grenzkontrollen in der Mitte Jerusalems geregelt hätten werden können.
Selbst wenn die PLO den Clinton-Plan bedingungslos akzeptiert hätte, was sie nicht tat, ist alles andere als sicher, dass der Plan in einem nationalen Referendum von der israelischen Öffentlichkeit gebilligt worden wäre. Am 8. Januar 2001 protestierten nahezu 400.000 Israelis gegen diese vorgeschlagenen Zugeständnisse vor den Mauern der Altstadt.
Zusätzlich ist es wichtig zu erinnern, dass die Al-Aqsa-Intifada begann, als ein palästinensischer Polizist seinen israelischen Partner bei einer gemeinsamen Grenzpatrouille in Kalkilya erschoss. Israels Bereitschaft, mit gemeinsamen Patrouillen in der sensiblen Altstadt von Jerusalem zu experimentieren, war äußerst begrenzt. Die sich verschärfende Sicherheitslage, einschließlich Scharfschützenattacken auf jüdische Viertel in Jerusalem, Angriffe auf heilige Stätten und der Schaden gegen archäologische Artefakte des antiken Judentums verstärkten die Ansicht, dass Jerusalem vereinigt bleiben sollte unter Souveränität Israels und seiner effektiven Kontrolle.

Die Taba-Verhandlungen

Das letzte Kapitel der israelisch-palästinensischen Verhandlungen während der Barak-Zeit fand in Taba, Ägypten, im Spätjanuar 2001 statt. In Unterschied zum Gipfel im Camp David und dem Clinton-Plan, waren die Taba-Verhandlungen weitestgehend bilateral mit nur einem Minimum an diplomatischer Präsenz der Vereinigten Staaten. Die Taba-Verhandlungen verdeutlichten das Problem, dass israelische Verhandlungsführer hatten, die palästinensische Position zu verstehen. Außenminister Ben-Ami betonte, dass beide Parteien einem Abkommen nie näher gewesen seien. Dennoch kam die palästinensische Seite zu einer völlig entgegengesetzten Einschätzung. Saeb Ereqat sagte, dass Taba die Kluft zwischen beiden Seiten vergrößert habe. Es scheint, dass während des ganzen Verhandlungsprozesses von Camp David nach Taba, israelische und amerikanische Einschätzungen mehr auf Wunschdenken basierten, denn auf gründlicher Analyse:
Die Palästinenser scheinen, verglichen mit dem, was die israelischen Verhandlungsführer erwarteten, eine kompromisslosere Stellung in vielen Bereichen bezogen zu haben, inklusive der Siedlungen. Israelische Unterhändler hatten versucht, den Palästinensern vorzuschlagen, eine ganz spezielle internationale Verwaltung des “Heiligen Beckens” – das Gebiet, welches die Altstadt und einige Bereiche außerhalb der Altstadt umfasst, inklusive des Ölbergfriedhofs – einzurichten. Die Palästinenser hatten diesen Vorschlag zurückgewiesen und auf eine palästinensische Souveränität bestanden.
Die amerikanischen und israelischen Unterhändler hatte von ihren privaten Diskussionen mit Arafats engsten Beratern geschlussfolgert, dass die PLO flexibler sein würde bei manchen Aspekten der Jerusalem-Frage. Doch diese angekündigte Flexibilität bestätigte sich nicht in den wiederholten Stellungnahmen auf allen Ebenen der palästinensischen Öffentlichkeit seit Camp David. Offensichtlich gab es eine große Diskrepanz zwischen diesen privaten diplomatischen Diskussionen und diesen wiederholten öffentlichen Bekundungen. Schließlich deutet das Scheitern der Jerusalem-Verhandlungen darauf hin, dass die öffentlichen Positionen die wahre Politik der PLO repräsentierten.
Unglücklicherweise gab es ebenfalls wachsende Hinweise, dass die Sprecher des palästinensischen Mainstream jeglichen Kompromiss schließlich ablehnten. Faisal al-Husseini erklärte im März 2001: “Wir mögen (taktisch) verlieren oder gewinnen, doch unsere Augen werden fortgesetzt ein strategisches Ziel anvisieren, nämlich ein Palästina vom Fluss bis zum Meer.” Einen Monat zuvor hatte Salim Za’anun, der Vorsitzende des Palästinenischen Nationalrat, betont, dass die PLO-Nationalcharta, welche zu Israels Zerstörung aufruft, nie geändert wurde, trotz einiger Versuche 1996 und 1998, so dass sie immer noch Gültigkeit besäße.

Immerhin verpflichteten weder der gescheiterte Clinton-Plan noch die israelischen Verhandlungsvorschläge in Taba zukünftige israelische oder amerikanische Regierungen, so dass die Möglichkeit zu diplomatischen Alternativen offen bleibt. Nur durch das Vermeiden voreiliger Verhandlungen über solche unüberbrückbaren Fragen wie Jerusalem können die USA, Israel und die Palästinenser diese unberechenbare Situation, die entstanden ist, stabilisieren und hoffen, dass ein politischer Prozess zukünftig wieder aufgenommen werden kann. Israel und die PA sind besser beraten, sich auf die Gebiete zu konzentrieren, wo sie Übereinkunft erzielen können: eine neue Langzeitübergangsvereinbarung, mit der die explosive Jerusalemfrage für die Zukunft aufgeschoben wird.
Ausgehend von den fundamentalen Rechten an Jerusalem sowie den jüngsten Erfahrungen mit der Al-Aqsa-Intifada sollte Israel weiter daran festhalten, Jerusalem als vereinte Hauptstadt unter exklusiver israelischer Souveränität zu halten. Damit würde es nicht nur die Interessen jüdischer Menschen in Jerusalem am besten schützen, sondern auch die Interessen und den Zugang aller Glaubensrichtungen.