Jerusalem – Gefahren einer Teilung

Unmittelbar nach der Annapolis-Konferenz mehrten sich innerhalb israelischer Regierungskreise zunehmend Stimmen für eine Teilung Jerusalems. Hauptargument der Teilungsbefürworter ist das Bedürfnis, die demografische Balance zwischen Juden und Arabern in der Stadt durch die „Reduzierung“ arabischer Stadtteile und Bewohner am Stadtrand zugunsten der jüdischen Seite zu verschieben. Eine solche „Separation“ wird angesichts einer schrumpfenden jüdischen Mehrheit in der Stadt sowie einer möglichen Fortsetzung dieses Trends als unvermeidliche Notwendigkeit dargestellt.

Aufgrund der absehbaren Gefahren einer solchen Trennung sowie der historischen wie religiösen Bindung des jüdischen Volkes an Jerusalem und seine heiligen Stätten möchte die hier vorgelegte Argumentation einen anderen Ansatz für das „demografische Problem“ Jerusalems vorschlagen: es gilt, den wesentlichen Faktor hinter dem Problem anzusprechen – den jährliche Wegzug vieler Juden aus der Stadt (16 000) – sowie einen Versuch, dem entgegenzuwirken, zu präsentieren.

Der „Separations-“ und Teilungsansatz birgt eine ganze Reihe von Gefahren und Nachteilen mit sich:

· Eine Loslösung arabischer Stadtteile – selbst wenn es sich um „Randbezirke“ handelt – würde absehbare und schwerwiegende Sicherheitsrisiken für die jüdischen Bewohner der Stadt mit sich bringen, ganz besonders für jene, welche an den Nahtstellen wohnen und leichten Waffen und Maschinengewehrfeuer eine beträchtliche Angriffsfläche böten.

· Es besteht die Wahrscheinlichkeit, dass unmittelbar vor einer solchen Teilung sowie der Verwandlung zahlreicher Stadtteile in Grenzbezirke, zehntausende jüdische Einwohner aus der Stadt wegziehen werden ähnlich wie während der Kriegsereignisse und nach der Teilung von 1948. Damals verließen 25 000, ein Viertel der jüdischen Bevölkerung, die Stadt.

· Ebenfalls besteht die Möglichkeit, dass zehntausende arabische Einwohner ebenfalls umziehen, um auf der israelischen Seite zu leben. Es muss erwähnt werden, dass die Loslösung arabischer Bezirke de facto bereits durch die Errichtung der Sicherheitsbarriere auf der nördlichen Linie des Jerusalemer Umlands auf eingeschränkter Basis begonnen hat. Dies führte zu einer Migrationswelle tausender Palästinenser auf die „israelische Seite“ des Zaunes. Israel dürfte Probleme haben, eine ähnliche Einwanderung in seine Gebiete zu verhindern, sollte sich der Sicherheitszaun weiter nach Westen, Süden oder Norden in Richtung jüdischer Bezirke verschieben. Eine solche Migrationswelle kann sich aus den gleichen Gründen wiederholen wie bei den vorrangegangenen. Selbst wenn man sich die Argumente der Teilungsbefürworter zu Eigen macht – in einem solchen Fall wäre ihr Erfolg widerlegt, denn eine derartige Migration würde sich in jüdische Stadtteile vollziehen und nicht nur in die arabischen Teile innerhalb Jerusalemer Stadtgrenzen.

· Die Befürworter einer Teilung erhoffen sich „demografischen“ wie „ökonomischen Profit.“ Rechtsexperten haben jedoch kürzlich im Rahmen des Jerusalem Institute for Israel Studies diese Frage untersucht und festgestellt, dass der Wohnsitzstatus gegenwärtig arabischen Einwohnern Ostjerusalems Bewegungsfreiheit im Westteil der Stadt sowie in Israel gewährt, sowie Wohnsitzanspruch überall in Jerusalem sowie im ganzen Staat Israel. Zudem wurde herausgefunden, dass der „ökonomische Gewinn“ – ein Ende der durch die arabische Bevölkerung Ostjerusalems anfallenden staatlichen Kosten – aufgrund rechtlicher und ethischer Bedenken zweifelhaft wäre. Mit ziemlicher Sicherheit ließen sich diese „Kosten“ nicht vollständig beenden.

· Schließlich gefährdet eine solche Teilung die Verwirklichung jüdischer Rechte und Verbundenheit mit dem historischen Stadtkern und seinen heiligen Stätten.

**Lösung des „demografische Problems“ **

Die im Vergleich zu jener der jüdischen Bevölkerung Jerusalems höhere Geburtenrate der arabischen beeinflusst das demografische Bild der Stadt, ist jedoch nicht der Hauptgrund für das Schrumpfen der jüdischen Mehrheit. Hauptursache hier ist die hohe jüdische Wegzugsrate aus Jerusalem: jedes Jahr verlassen ungefähr 16 000 Juden die Stadt – in den vergangenen zwanzig Jahren waren dies insgesamt 300 000.

Es gibt verschiedene Methoden, mit diesen Wegzugswellen umzugehen. Studien und Umfragen der letzten Jahre haben ergeben, dass die wesentlichen Gründe für diesen Exodus Schwierigkeiten des Arbeitsmarktes sowie die hohen Wohn- und Lebenskosten waren. In zahlreichen Regierungsbeschlüssen und interministeriellen Komitees für Jerusalemer Angelegenheiten haben Expertenteams Strategien vorgeschlagen, um eine neue Bevölkerung anzuziehen und die alte zum Bleiben zu bewegen. Es handelt sich dabei um eine Reihe von Vorteilen und finanziellen Anreizen mit dem Ziel, dass Leben in Jerusalem lohnenswert und unternehmerische Investitionen in der Stadt besonders profitabel zu machen. Doch nur wenige dieser Entscheidungen wurden je umgesetzt, die meisten verblieben auf dem Papier.

Eine weitere wesentliche Maßnahme, die in Anwendung gebracht werden kann, ist die Errichtung einer über die Stadtgrenzen erweiterten und die umliegenden jüdischen Gemeinden einschließenden Über-Stadtverwaltung. Hierbei handelt es sich zu dem Zeitpunkt nur um eine administrative Maßnahme, nicht um eine Ausweitung der Gebietshoheit, doch es würde zeigen, dass die jüdische Bevölkerung Jerusalems nicht nur innerhalb der Stadtgrenzen zu finden ist, sondern auch die Bewohner jener erweiterten administrativen (wenn auch nicht souveränen) Einheit, wie die Einwohner Maaleh Adumims, Givat Zeevs und vielleicht Mevasseret Jerusalems einschließt.

Sicherheit

Zu den ernsten Sicherheitsrisiken, die aus einer Teilung Jerusalems erwachsen könnten gehören ganz besonders die Gefahren, die aus den für Palästinenser leicht zugänglichen leichten Waffen und Maschinengewehren erwachsen können, wie sich vor ein paar Jahren bereits in Giloh-Beit Jala zeigte. Bei einer Teilung Jerusalems würde die jüdische Bevölkerung in einem weitaus größeren Gebiet eine ähnliche Angriffsfläche für Gewehrfeuer bieten und die Zahl solcher Zwischenfälle würde steigen. Zudem würden Jerusalemer Wohngebiete bei dem weiteren Ausbau der palästinensischen Fähigkeiten zum Mörserbeschuss zusätzlich gefährdet.

Jerusalem wurde als Mittelpunkt eines religiösen wie nationalen Konfliktes in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts ein Hauptziel von Terroranschlägen, welche den Einwohnern einen hohen Blutzoll auferlegten: 210 wurden ermordet, tausende verwundet und das urbane Leben nachhaltig geschädigt.

Die Rolle Ostjerusalemer Araber in dem Terror wuchs in jenen Jahren maßgeblich an. Die Stadt gegen den Terror zu verteidigen verlangt, an den arabischen Wohngebieten in Ostjerusalem, die an jüdischen angrenzen oder sehr nahe sind, festzuhalten. Diese Kontrolle ist unumgänglich zur Unterbindung von Gewalt und für die Informationsbeschaffung. Dieser Umstand hat sich wiederholt bestätigt. Der terroristischen Bedrohung zu begegnen gestattet keine Pläne für eine Teilung der Stadt. Dies gilt auch für die Möglichkeit eines Krieges: die Verteidigung der Stadt im Kriegsfall gegen reguläre Armeen verlangt nach der Kontrolle eines größeren Gebietes als dem der existierenden Stadtgrenzen.

Die heiligen Stätten

Jerusalem ist allen drei monotheistischen Religionen heilig: Teile der Altstadt und des Altstadt-Tales enthalten eine Reihe von heiligen Stätte der Juden, Moslems und Christen. Dazu gehören v.a.: der Tempelberg, die Klagemauer und die Grabeskirche. Eine Analyse der möglichen Folgen einer Teilung Jerusalems offenbart ernst zu nehmende Sorgen über die Zukunft von freiem Zugang und Religionsausübung an heiligen Stätten der Juden und Christen im Gebiet der palästinensischen Autonomiebehörde, eines palästinensischen Staates oder nahe eines solchen Gebietes, sollte Jerusalem geteilt werden. Diese Sorgen sind begründet aufgrund einer Reihe von Repressalien von Seiten der palästinensischen Autonomiebehörde oder von Palästinensern bei heiligen Stätten der Juden und Christen in Gebieten unter ihrer Kontrolle oder angrenzend dazu.

Unter der Herrschaft der PA sind viele Christen ausgewandert. Während der „Operation Defensive Shield“, die Israel zur Eindämmung des antiisraelischen Terrors initiierte, diente die Geburtskirche in Bethlehem als Zufluchtsort für gesuchte Terroristen. In Beit Jala eröffneten Palästinenser vorsätzlich das Feuer von Kirchen aus, um die Israelischen Streitkräfte dazu zu nötigen, bei der Erwiderung des Feuers heilige Stätten zu beschädigen.

Für Juden heilige Orte, wie das Josef-Grab oder das Rachel-Grab wurden von Palästinensern beschossen. Andere Orte wie die alte Synagoge von Jericho und das Grab von Avner ben Ner in Hebron wurden in den letzten Jahren häufig Opfer von Gewalt. Die Versuche israelischer Sicherheitskräfte, die Verantwortung für den Tempelberg für ein paar Tage in die Hände des palästinensischen Sicherheitsapparates zu legen, scheiterte und führte zu Krawallen sowie der Verletzung jüdischer Menschen beim Gebet an der Klagemauer.

Aspekte der Stadtentwicklung

Eine Teilung im Rahmen der von US-Präsident Bill Clinton vorgebrachten Vorschläge, aber auch in einer moderateren, weniger radikalen Version würde Jerusalem in eine geteilte Grenzstadt verwandeln und nicht nur ernsthafte Sicherheitsrisiken mit sich bringen, sondern auch einen wirtschaftlichen Zusammenbruch. Trotz offensichtlicher Unterschiede zwischen den Stadtteilen auf der Ebene von Dienstleistungen und Infrastruktur verfügt Jerusalem heute über eine vereinte Infrastruktur in den Bereichen Verkehr und Transport, Wasser, Elektrizität, Telefon, Abwässer und Gesundheit.

Jüdisches Anrecht auf Jerusalem

Einen fundamentalen Aspekt stellt die Betonung jüdischen Anrechts auf Jerusalem dar, angesichts der weitreichenden Versuche der Palästinenser und ihrer religiösen Führung, die religiösen und historischen Beziehungen sowie die Rechte der Juden auf die Stadt und ihre heiligen Stätten zu leugnen. Diese Behauptungen galten einst als extrem, doch finden sie sich zusehends im öffentlichen palästinensischen Diskurs wieder und werden zunehmend akzeptabel. Gleichzeitig wird die Geschichte Jerusalems auf den Kopf gestellt und der Islam als Religion dargestellt, welche dem Judentum in dieser Stadt vorausging und behauptet, die Moscheen auf dem Tempelberg seien ursprünglicher als der Tempel, ganz zu schweigen von jenen Behauptungen, welche die Existenz eines jüdischen Tempels auf dem Tempelberg völlig leugnen – Positionen, die bereits axiomatisch innerhalb der nationalen wie religiösen Diskurse der Palästinenser geworden sind.

Dieser Text ist die Synopsis der beim Jerusalem Center for Public Affairs nur auf Hebräisch erschienen Studie „Yerushalayim – Sakanot Ha’Chaluka“.