Internationales Recht und Gaza: Israels Selbstverteidigungsrecht unter Beschuss

  • Internationales Recht autorisiert Israel zu militärische Gegenmaßnahmen in Gaza. Gilt Gaza als unabhängig und souverän, steht Israel die Gewaltanwendung im Rahmen von Selbstverteidigung zu. Entbehrt Gaza unabhängige Souveränität, ist Israel die Anwendung militärischer Gewalt im Rahmen nicht-internationaler Konflikte gestattet.

  • Das Gesetz der “Unterscheidung” beinhaltet Elemente der Absicht und des erwarteten Resultats: so lange legitime Ziele anvisiert werden, gestattet das Gesetz der Unterscheidung einen Angriff, selbst wenn es dabei zu zivilen Kollateralschäden kommt. Das Gesetz der “Verhältnismäßigkeit” beruht ebenso auf der Absicht. Plant Israel einen Militärschlag ohne die Erwartung übermäßiger Kollateralschäden, ist er vom Gesetz der “Verhältnismäßigkeit” gestattet. Bis heute haben israelische Angriffe die Gesetze der Unterscheidung und Verhältnismäßigkeit eingehalten.

  • Die Auferlegung von wirtschaftlichen Sanktionen gegen Gaza durch Israel ist ein völlig legales Mittel als Antwort auf palästinensische Angriffe. Da Israel durch keine rechtliche Verpflichtung gebunden ist, den Handel mit Treibstoff mit Gaza oder offene Grenzen offenzuhalten, kann es nach eigenem Ermessen Handelsprodukte zurückhalten und Grenzen schließen.

  • Die Untersagung von Kollektivstrafen verbietet die Auferlegung kriminalrechtlicher Strafen gegen Individuen oder Gruppen auf Grundlage der Schuld dritter Personen. Keine von Israels Aktionen beinhaltet diese Art von kriminalrechtlichen Strafen.

  • Es gibt keine rechtliche Grundlage, Gaza fortgesetzt als besetztes Gebiet zu bezeichnen. Die Vierte Genfer Konvention bezeichnet ein Gebiet als besetzt, wenn das Gebiet Vertragsstaat ist und die Besatzungsmacht “Regierungsfunktion” erfüllt. Weder ist Gaza Gebiet eines Vertragsstaates, noch übt Israel in dem Gebiet Regierungsfunktion aus.

  • Die Kämpfe in Gaza zeichnen sich durch erhebliche Kriegsverbrechen, Terrorismus bis hin zu Völkermord aus, während israelische Gegenmaßnahmen sich im Rahmen internationalen Rechts bewegen. Das internationale Recht verlangt, dass Staaten palästinensische Kriegsverbrecher und Terroristen der Gerechtigkeit überführen, Versuche des Völkermordes unterbinden und bestrafen werden, sowie die Finanzierung palästinensischer Terrorgruppen und ihrer Komplizen stoppen.

Seit dem israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen im August 2005 haben palästinensische Gruppen – unter ihnen Hamas, Fatah, Palästinensischer Islamischer Dschihad, die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas und das Volkswiderstandskomitee – tausende von Raketenangriffen auf Israel durchgeführt. All diese Angriffe hatten – bis auf eine Handvoll möglicher Ausnahmen – zivile Ziele. Die Hauptlast der palästinensischen Angriffe musste die israelische Stadt Sderot ertragen. Dem Beschuss fielen mehrere Einwohner zum Opfer, dutzende wurden verletzt, Häuser und öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten wurden getroffen und die Bewohner traumatisiert, so dass dreiviertel aller Kinder Sderots zwischen 7 und 12 unter post-traumatischen Angstzuständen leiden.

Fehlerhafte Argumentation von Israels Gegnern

Es kommt nicht überraschend, dass im Kontext israelischer Gegenmaßnahmen, notorische Kritiker Israels sich vehement gegen Israels bisherige Verteidigungsmaßnahmen ausgesprochen haben, die Verbrechen gegen internationales Recht, welche täglich durch die Angriffe von Gazas Milizen gegen israelische Zivilisten begangen werden, jedoch meistens verschweigen. Wie weiter unten dargelegt werden wird, entbehrt die Kritik nachweislich der rechtlichen Grundlage. Die israelische Antwort auf palästinensische Terrorangriffe aus Gaza entsprechen den Ansprüchen internationalen Rechts, während die Behauptungen, Israel würde dieses Recht brechen sich als substanzlos herausstellen.

Einer der am häufigsten zitierte Kritiker ist John Dugard, Professor für internationales Recht, welcher über eine Festanstellung als Sonderberichterstatter über die Menschenrechtssituation in den “besetzten Palästinensergebieten” von der diskreditierten UN-Menschenrechtskommission und ihrem Nachfolger dem UN-Menschenrechtsrat angenommen hat. Dugard hat sein Mandat öffentlich und wiederholt als Verpflichtung verstanden, ausdrücklich nur Israel zu kritisieren. Entsprechend findet sich seine Kritik, die israelische Verteidigungsmaßnahmen angeblicher Illegalität bezichtigt, jüngst in der angesehenen Sonntagsausgabe der New York Times (20. Jan. 2008).

Zunächst behauptete Dugard, dass Israels Angriff auf das Hamas-Hauptquartier in einem Gebäude des palästinensischen Innenministeriums in Gaza illegal gewesen wäre, weil das Ziel “in der Nähe eines Veranstaltungsortes für Hochzeiten mit vorhersehbaren Verlust von Leben und Verletzung für viele Zivilisten” gewesen sei. Entgegen Dugards Andeutung war das Gebäude jedoch ein legitimes Ziel innerhalb des internationalen humanitären Gesetzes der Unterscheidung und entscheidend für das feindliche Agieren der Hamas. Der bedauerliche Tod einer palästinensischen Zivilistin in dem israelischen Militärschlag stellt allerdings keinen Verstoß gegen das Gesetz der Verhältnismäßigkeit dar, welcher zivile Kollateralschäden im Rahmen militärischer Notwendigkeit gestattet.

Dann erklärte Dugard, Israels Schließung der Grenze mit dem Gaza-Streifen stelle eine illegale “Kollektivstrafe” dar. Doch auch hier findet sich nichts im internationalen Recht, das von Israel verlangt, es müsse seine Grenzen zu einem feindseligen Gebiet, ganz gleich welchen Souveränitätsstatuses, offenhalten. Die Ausübung legaler Verteidigungsmaßnahmen gegen eine feindliche Körperschaft stellt unter internationalem Recht keine “Kollektivstrafe” dar. Dugards Weigerung, die gleiche Anklage gegen Ägypten zu erheben, welches seine Grenzen zu Gaza ebenfalls geschlossen hält, unterstreichen die Voreingenommenheit, die mit seiner fälschlichen Rechtsauffassung einhergeht.

Dugard ist darin nicht allein. UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Louise Arbour verurteilte Israels “unverhältnismäßige Gewaltanwendung”. Der UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten Lynn Pascoe teilte dem UN-Sicherheitsrat mit, dass Kollektivstrafen vom internationalen Recht untersagt seien (Financial Times, 22. Jan. 2008). UNRWA-Kommissar General Karen Koning Abu Zayd schloss sich den Stimmen an, welche Israels “sporadische” Elektrizitätslieferungen nach Gaza und Grenzschließungen kritisieren, und rief die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf (Guardian, 23. Jan. 2008). Bedauerlicherweise bilden diese verzerrten Behauptungen und Falschaussagen über internationales Recht durch UN-Beamte den Rahmen dessen, was die internationale Öffentlichkeit über die unrechtmäßigen Aktionen der Palästinenser in Gaza sowie den Nutzen israelischer Verteidigungsmaßnahmen, ganz besonders über das Recht Israels auf Selbstverteidigung denkt.

Es gab aber auch Parteien in der UNO, welche die einseitige und fälschliche Argumentation zurückwiesen. Kanada, welches für sich in Anspruch nimmt, die Verteidigung von Menschenrechten und internationalen Recht zu einem bedeutenden Faktor seiner Außenpolitik zu machen, stimmte im UN-Menschenrechtsrat in Genf gegen eine Resolution, welche Israel für die Kämpfe in Gaza verurteilen sollte. Während die europäischen Mitgliedsstaaten sich bei der Abstimmung enthielten, verteidigten einige EU-Vertreter, wie der europäische Kommissar für Justiz, Freiheit und Sicherheit Franco Frattini, die Rechtmäßigkeit der israelischen Aktionen, während andere, wie der holländische Außenminister Maxime Verhagen die Befangenheit der UN gegen Israel kritisierten. Schließlich teilte der amerikanische UN-Botschafter Zalmay Khalilzad dem UN-Sicherheitsrat am 22. Januar 2008 mit, dass Hamas “letztlich verantwortlich” für die gegenwärtige Situation in Gaza sei.

Der vorliegende Text versucht gleichwohl die rational-legale Basis für eine Einschätzung israelischen Verhaltens und potentieller Kritik zu legen. Dies ist keine einfache Aufgabe, da ein Großteil der Kritik an israelischem Handeln auf konkludente Art und Weise erfolgt, ohne Verweis auf legale Doktrinen oder rechtliche Grundlagen zur Unterstützung der Vorwürfe, oder, alternativ, von missverständlichen Interpretationen rechtlicher Verpflichtungen und des faktuellen Kontextes ausgeht.

Dieser Aufsatz untersucht abwechselnd sechs unterschiedliche Gesetzessammlungen, welche potentiell die Rechtmäßigkeit israelischer Gegenschläge betreffen könnten:

  1. das Recht zum Krieg (Ius ad Bellum)

  2. das humanitäre Völkerrecht

  3. Besatzungsrecht (Anwendbarkeit für israelische Aktionen gegen Terroristen in Gaza umstritten)

  4. Menschenrecht

  5. Genozid

  6. Anti-Terror-Recht

Eine sorgsame Überprüfung der entsprechenden Gesetze verdeutlicht, dass bisherige israelische Gegenschläge, sowie mögliche zukünftige Gegenmaßnahmen (sowohl ökonomisch als auch militärisch), den Verpflichtungen im Rahmen internationalen Rechts entsprechen. Darüber hinaus verlangen von palästinensischer Seite begangene Kriegsverbrechen, sowie im Rahmen internationaler Konventionen als Terroraktivitäten und Akte des Völkermordes betrachtete Taten, dass Israel und andere Staaten Schritte einleiten, um palästinensische Täter für ihr Handeln in Gaza zu bestrafen.

Zuletzt muss im Vorfeld folgendes betont werden. Der legale Status des Gaza-Streifens ist ein hochgradig komplexes Problem internationalen Rechts, welches die Grenzen dieses Essays sprengen würde. Glücklicherweise zeigt es sich aber, dass viele der rechtlichen Schlussfolgerungen für die Kämpfe in Gaza nicht von dem genauen rechtlichen Status Gazas abhängig sind. Sollte dieser Status die letztliche legale Bestimmung beeinflussen, wird an entsprechenden Stellen darauf verwiesen werden.

*1. Die Legalität israelischer Militäraktionen gemäß dem Ius ad Bellum

Das Recht des Ius ad Bellum, kodifiziert durch die Charta der Vereinten Nationen, verhindert die Anwendung militärischer Gewalt gegen einen anderen Staat. Artikel 51 schließt jedoch Selbstverteidigung von diesem Verbot der Gewaltausübung aus. Zudem wird die Anwendung von Gewalt im Rahmen nicht-internationaler Konflikte nicht eingeschränkt.

Israels Recht, Gewalt zu Verteidigung gegen palästinensische Angriffe aus Gaza einzusetzen ist somit klar, unabhängig vom ungewissen legalen Status des Gaza-Streifens. Dieser macht es allenfalls schwierig, die Ebene zu bestimmen, auf der Israels Aktionen analysiert werden sollten. Sollte Gaza als unabhängig und souverän gesehen werden, steht Israel die Gewaltanwendung im Rahmen von Selbstverteidigung zu. Betrachtet man Gaza richtigerweise hingegen als bar unabhängiger Souveränität, ist Israel die Anwendung militärischer Gewalt im Rahmen nicht-internationaler Konflikte gestattet.

2. Die Legalität israelischer Militäraktionen gemäß dem humanitären Völkerrecht

Das humanitäre Völkerrecht reguliert die Anwendung von Gewalt, sobaldes zu militärischen Aktionen gekommen ist, unabhängig von ihrer Legalität im Rahmen des Ius ad Bellum. Die beiden grundlegendsten Prinzipien des internationalen humanitären Völkerrechts sind die Gesetze von Unterscheidung und Verhältnismäßigkeit. Israelische Gegenschläge halten diese beiden Grundsätze ein.

Unterscheidung:

Das Gesetz der Unterscheidung gestattet Angriffe nur auf legitime, d.h. militärische oder kriegsunterstützende, Ziele. Das Gesetz der “Unterscheidung” beinhaltet Elemente der Absicht und des erwarteten Resultats: so lange legitime Ziele anvisiert werden, gestattet das Gesetz der Unterscheidung einen Angriff, selbst wenn es dabei zu zivilen Kollateralschäden kommt, und auch wenn sich rückblickend der Angriff als Fehler, basierend auf falschen Informationen herausstellt. Israel hat seine Schläge auf Stellungen gerichtet, von welchen aus Raketen abgeschossen worden waren, wo sich palästinensische Kämpfer Waffen tragend oder transportierend aufhielten oder Führer palästinensischer Terrorgruppen, Hilfs-, Kommando- oder Kontrollzentren befanden. Orte wie das Innenministerium, von welchem aus Hamas u.a. militärische Aktivitäten leitet, sind Objekte, welche ihren Beitrag zu Militäraktionen der Hamas leisten und somit legitime Ziele, auch wenn sie ebenfalls zivile Funktionen erfüllen.

Im Unterschied dazu zielen palästinensische Angriffe auf Zivilisten und verstoßen damit gegen das Gesetz der Unterscheidung. Zudem ist einer der Folgesätze zum Gesetz der Unterscheidung das Verbot der Anwendung von Waffen, welche unter gegebenen Bedingungen unfähig sind auf legitime Ziele entsprechend ausgerichtet zu werden. Die Raketen und Projektilwaffen, welche von palästinensischen Angreifern verwendet werden, können nicht auf spezifische Ziele ausgerichtet und müssen aus der Mitte städtischer Zentren abgeschossen werden. Das bedeutet, dass die bloße Verwendung dieser Waffen unter den gegebenen Bedingungen einen Verstoß gegen das internationale humanitäre Völkerrecht darstellt.

Verhältnismäßigkeit:

Das Gesetz der Verhältnismäßigkeit begrenzt Kollateralschäden. Während gleichwohl Kollateralschäden an Zivilisten und anderen geschützten Zielen gestattet werden, sind Kollateralschäden untersagt, wenn sie im Vergleich zur militärischen Notwendigkeit als exzessiv erwartet werden. Strafverfolgung für Kriegsverbrechen auf Grundlage unverhältnismäßiger Kollateralschäden ist selten und es erscheint problematisch, Israels Gegenmaßnahmen auf glaubwürdiger Basis der unverhältnismäßigen Kollateralschäden zu überführen. Zudem beruht das Gesetz der Verhältnismäßigkeit, ähnlich dem der Unterscheidung, auf der Intentionalität. Plant Israel einen Militärschlag ohne die Erwartung übermäßiger Kollateralschäden, ist er vom Gesetz der “Verhältnismäßigkeit” gestattet, selbst wenn sich im Rückblick herausstellt, dass Israel in seiner Schadenserwartung geirrt habe.

Alle bekannten israelischen Angriffe in der letzten Gefechtsrunde richteten sich gegen legitime Ziele und keiner hat übermäßige Kollateralschäden verursacht. Den militärischen Einheiten beigeordneten Rechtsberater analysieren die vorgeschlagenen Militäraktionen unter Anwendung eines äußerst restriktiven Standards von Unterscheidung und Verhältnismäßigkeit in Übereinstimmung mit weitreichenden Beschlüssen der Obersten Gerichtshofes Israels. Folglich ist es wahrscheinlich, dass auch künftige israelische Maßnahmen weiterhin die Gesetze von Unterscheidung und Verhältnismäßigkeit einhalten werden.

Retorsion:

Die Auferlegung von wirtschaftlichen Sanktionen gegen Gaza durch Israel, wie z.B. die Zurückhaltung von Treibstofflieferungen und Elektrizität, bedarf keiner militärischen Gewalt und ist daher einen völlig legales Mittel als Antwort auf palästinensische Angriffe, trotz der Folgen für palästinensische Bürger. Die Anwendung wirtschaftlicher und anderer nicht-militärischer Sanktionen als Form der “Bestrafung” des Fehlverhaltens internationaler Akteure wird als “Retorsion” bezeichnet. Es ist allgemein anerkannt, dass jedes Land Retorsion anwenden darf, so lange das zugrunde liegende Handeln selbst legal ist. Es ist sogar anerkannt, dass Staaten, bei nicht-militärischen Gegenmaßnahmen über Retorsion hinausgehen und zu nicht-kriegerischer Vergeltung greifen können, die ansonsten illegal wäre (z.B. Aussetzung von Überflugsvereinbarung). Da Israel durch keine rechtliche Verpflichtung gebunden ist, den Handel mit Treibstoff u.a. mit Gaza oder offene Grenzen offenzuhalten, kann es nach eigenem Ermessen Handelsprodukte zurückhalten und Grenzen schließen, selbst wenn es als “Bestrafung” palästinensischen Terrorismus angesehen wird.

Kollektivstrafen:

Internationales Recht verbietet “Kollektivstrafen”. Israels Kampfeinsätze und Retorsionen können jedoch nicht als Kollektivstrafen begriffen werden. Die Untersagung von Kollektivstrafen verbietet die Auferlegung kriminalrechtlicher Strafen gegen Individuen oder Gruppen auf Grundlage der Schuld dritter Personen. Keine von Israels Aktionen beinhaltet diese Art von kriminalrechtlichen Strafen.

Es finden sich zahlreiche Beispiele von Retorsion in internationalen Beziehungen. So froren z.B. die Vereinigten Staaten 1979 den Handel mit dem Iran nach der Revolution und 1978 mit Uganda auf Grund vorgeworfenen Völkermordes ein. Im Jahr 2000 schränkten vierzehn europäische Staaten diplomatische Beziehungen zu Österreich aus Protest gegen die Regierungsbeteiligung Jörg Haiders ein. Zahlreiche Staaten hoben Handels- und diplomatische Beziehungen zu Südafrika als Strafe für die Apartheid auf. In keinem dieser Fälle kam es zur Anklage wegen “Kollektivstrafe.”

3. Die Legalität israelischer Militäraktionen gemäß Besatzungsrecht

Von verschiedenen Gruppen wird behauptet, der Gaza-Streifen sei als “besetzt” im Rahmen der Vierten Genfer Konvention zu betrachten. In diesem Falle wäre Israel als “Besetzungsmacht” verpflichtet, “die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungs- und Arzneimitteln mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sicherzustellen,” “Hilfsaktionen zugunsten dieser Bevölkerung [zu] gestatten” und sowie das öffentliche Gesundheitswesen … aufrechtzuerhalten.”

Aufgrund innenpolitischer Erwägungen sowie der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Israel erhält Israel nach wie vor die Zufuhr grundlegender humanitärer Hilfe wie Nahrungsmittel, Medizin und Wasser für die palästinensische Bevölkerung Gazas aufrecht. Der Oberste Gerichtshof Israels hat jüngst in einem Fall (Albassiouni vs. Ministerpräsident, HCJ 9132/07) angedeutet, dass er das israelische Verwaltungsrecht so interpretiere, dass die israelische Regierung verpflichtet sei, eine Mindestzufuhr von notwendiger humanitärer Hilfe zu stellen, wenn sie zu Akten der Retorsion greife, wie der Einstellung von Elektrizitätslieferungen. Folglich würde, selbst wenn Gaza tatsächlich rechtlich als von Israel besetzt gelten würde, Israel seine Pflichten gemäß der Vierten Genfer Konvention erfüllen.

Es gibt jedoch keine rechtliche Grundlage, Gaza fortgesetzt als besetztes Gebiet zu bezeichnen. Die Vierte Genfer Konvention bezeichnet ein Gebiet dann als besetzt, wenn das Gebiet “Hohe Vertragspartei” (d.h. Vertragsstaat) ist und die Besetzungsmacht “Funktionen einer Regierung” im besetzten Gebiet erfüllt. Weder ist Gaza Gebiet eines Vertragsstaates, noch übt Israel in dem Gebiet Funktionen einer Regierung – noch irgendeiner anderen Art – aus. Es sollte klar sein, dass die gewählte Hamas-Regierung den de facto Souverän des Gaza-Streifens darstellt und keine Anweisungen von Israel oder einem anderen Staat empfängt.

Es wird von einigen Seiten angeführt, dass Staaten dann als Besatzer auch von jenen Gebieten gesehen werden können, in denen sie selbst keine Herrschaftsfunktion behaupten, sofern die mutmaßlichen Besatzer aber effektiv die Kontrolle besitzen. So vertrat im Jahr 2005 der Internationale Gerichtshof die Auffassung, dass Uganda als Besetzer kongolesischen Gebiets betrachtet werden könne, in welchem “seine eigene Autorität die der kongolesischen Regierung ersetzt habe” auch in Abwesenheit einer formalen Militärverwaltung. Zum Teil wird die Meinung vertreten, dies zeige, dass Besetzung auch in Abwesenheit einer vollständigen Militärpräsenz erfolgen kann, und behauptet, dass Israel somit als Besetzer im Sinne der Vierten Genfer Konvention verstanden werden solle. Diese Behauptungen sind jedoch substanzlos. Erstens erfüllt Israel auch darüber hinaus nicht die Bedingungen eines Besetzers; insbesondere übt es keine Regierungsfunktion aus und hat auch nicht seine eigene Autorität anstelle die der de facto Hamas-Regierung gesetzt. Zweitens kann Israel effektiv keine Kontrolle über das Gebiet etablieren. Tatsächlich wissen Israelis wie Palästinenser, dass die Etablierung einer solchen Kontrolle eine ausgedehnte Militäroperation äquivalent zu einer bewaffneten Eroberung Gazas verlangen würde. Militärische Überlegenheit über einen Nachbarstaat und die Fähigkeit seiner Eroberung durch eine ausgedehnte Militäroperation stellt jedoch nicht an sich eine Besetzung dar. Wäre es so, dann müssten die USA als Besetzer Mexikos, Ägypten als Besetzer Libyens und Gazas, sowie China als Besetzer Nordkoreas gelten.

Zudem scheint es schwer, den Schluss zu vermeiden, dass Gegner Israels, welche behaupten, Israel habe rechtliche Pflichten als “Besetzer” von Gaza, in ihrer eigenen Analyse inkonsequent sind. Wäre Israel tatsächlich als Besetzer zu betrachten, dann wäre es im Rahmen der Richtlinien der Haager Landkriegsordnung nach Artikel 43 verpflichtet “alle von ihm abhängenden Vorkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.” Folglich müssten jene, die behaupten, Israel sei rechtlich Besetzer von Gaza, fordern, dass Israel Militäroperationen zur Entwaffnung palästinensischer Terrorgruppen und Milizen durchführt, und diese unterstützen. Zudem müssten jene, die behaupten Israel hätte Gaza besetzt, die Grenze zwischen Israel und Gaza für eine internationale Grenze zwischen zwei souveränen Gebieten halten. Dennoch fordern viele, die behaupten Gaza, sei besetzt, wie John Dugard, gleichzeitig, dass Israel rechtlich verpflichtet sei, seine Grenzen zu Gaza zu öffnen. Kein Staat ist gezwungen, seine internationalen Grenzen offen zu halten.

4. Die Legalität israelischer Militäraktionen gemäß dem Menschenrecht

Gemäß dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ist Israel verpflichtet innerhalb seines Staatsgebietes gewisse Rechte, einschließlich des Rechts auf Leben zu schützen. Die Anwendung des Paktes auf den Gaza-Streifen ist sicherlich fragwürdig, da der Gaza-Streifen nicht als israelisches Gebiet betrachtet werden kann. Dennoch hat sich Israel an die Verpflichtungen des Paktes gehalten, sollte er für Gaza zutreffen. In Kampfsituationen werden die Rechte des Paktes durch die Gesetze des internationalen humanitären Völkerrechts geregelt. Indem sich Israel an das internationale humanitäre Völkerrecht hält, schützt es ebenfalls die Menschenrechte der palästinensischen Einwohner Gazas.

5. Verpflichtungen Israels gemäß der Genozid-Konvention

Artikel 2 der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes definiert alles Töten, dass “in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören,” als einen Akt des Völkermordes. Angesichts der Absichtserklärungen einiger Palästinensergruppen Juden als Gruppe, basierend auf ihrer ethnischen Identität, zu töten (so wie im in der Hamas-Charta erfolgten Aufruf zum bewaffneten Kampf gegen alle Juden bis zum jüngsten Tag), sind alle Mitglieder einer solchen Gruppe, welche Tötungen ausführen, im Sinne der Konvention des Völkermordes schuldig. Nach Artikel 1 der Konvention sind Israel und die anderen Unterzeichnerstaaten “zu dessen Verhütung und Bestrafung” verpflichtet, nicht nur von Personen, welche genozidale Akte durchführen, sondern auch jener, welche sich verschwören, sie zu begehen, sie öffentlich anreizen oder daran teilhaben. Die Konvention verpflichtet also Israel zur Verhütung und zu Bestrafung der Terroristen, genauso wie jener öffentlichen Personen, welche palästinensische Angriffe öffentlich unterstützen.

6. Verpflichtungen Israels gemäß der Anti-Terror-Konventionen

Die Internationale Konvention zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus verlangt von Israel (wie von anderen Vertragsstaaten) die Sammlung von Geldern für die Unterstützung von Terrorakten zu verhindern. Die palästinensischen Angriffe fallen unter die Definition von Terrorangriffen gemäß Artikel 2(1)(b), da sie in Verletzung des Gesetzes der Unterscheidung israelische Zivilisten zum Ziel haben und beabsichtigen, Zivilisten zu töten oder ernsthaft zu verletzen, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Wird Gaza als “Staatsgebiet” Israels betrachtet, so ist Israel rechtlich verpflichtet, palästinensische Terrorakte gemäß der Konvention juristisch zu ahnden. Gilt Gaza nicht als israelisches Gebiet, ist es Israel gestattet, terroristische Verbrechen juristisch zu ahnden.

Zusätzlich stellt die Konvention fest, dass Israel nicht nur gestattet ist, den de facto Herrschern gewisse wirtschaftliche Sanktionen aufzuerlegen. Es ist sogar dazu verpflichtet.

Gemäß einer verwandten Konvention, der Internationalen Konvention zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge, ist das Bombardieren öffentlicher Plätze mit der Absicht, Zivilisten zu töten, ein Verbrechen. Sind die Täter nicht Angehörige der Nation, der die Opfer angehören, dann müssen gemäß dieser Konvention die palästinensischen Angreifer als internationale Terroristen gelten und Israel ist entweder verpflichtet oder gestattet (abhängig davon, ob Gaza als israelisches Gebiet gesehen wird) die Strafverfolgung jener palästinensischen Terroristen aufzunehmen, welche diese Taten begehen. Zusätzlich müssen alle Unterzeichnerstaaten der Konvention – wie die Vereinigten Staaten, Russland, Türkei und Frankreich – bei der Bekämpfung dieser terroristischen Aktivitäten kooperieren.

Schließlich verpflichtet die Resolution 1373 des UN-Sicherheitsrates Staaten, “denjenigen, die terroristische Handlungen finanzieren, planen, unterstützen oder begehen oder die den Tätern Unterschlupf gewähren, einen sicheren Zufluchtsort [zu] verweigern” sowie “die Bewegung von Terroristen oder terroristischen Gruppen [zu] verhindern.” Die Resolution wurde unter Kapitel VII angenommen und ist daher für alle Staaten bindend, auch wenn z.T. eingewandt wird, dass die Resolution nicht bindend sei, da der Sicherheitsrat nicht autorisiert sei, quasi-legislativ zu handeln. Obwohl die Resolution Terrorismus nicht definiert, verweist sie auf die Internationale Konvention zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, und macht damit klar, dass palästinensische Angreifer aus Gaza von der Definition internationaler Terroristen gemäß der Resolution gedeckt werden. Folglich verlangt die Resolution, wenn bindend, dass Israel Schritte unternimmt, um palästinensischen Angreifern aus Gaza Unterschlupf zu gewähren und ihre Bewegungsfreiheit zu verhindern.

Schlussfolgerung

Die palästinensisch-israelischen Kämpfe in Gaza zeichnen sich durch erhebliche Kriegsverbrechen, Terrorismus bis hin zu Völkermord von palästinensischer Seite aus, während israelische Gegenmaßnahmen sich im Rahmen internationalen Rechts bewegen.

Das internationale Recht verlangt, dass Staaten palästinensische Kriegsverbrecher und Terroristen der Gerechtigkeit überführen, Versuche des Völkermordes unterbinden und bestrafen, sowie die Finanzierung palästinensischer Terrorgruppen und ihrer Komplizen stoppen.

Dr. Avi Bell ist Mitglied der Juristischen Fakultät der Bar-Ilan Universität, Gastprofessor der Juristischen Fakultät an der Fordham Universität, sowie Leiter des International Law Forum am Jerusalem Center for Public Affairs.