Die iranische Unterwanderung Kurdistans

Die iranische Unterwanderung Kurdistans

Lazar Berman

 

Der iranische Einfluss im ganzen Nahen Osten weitet sich aus. Die bewaffneten Stellvertreter des Iran wie auch seine Soldaten sind in Syrien, im Irak, dem Libanon und in Jemen höchstpersönlich im Einsatz, um die Interessen des Iran durchzusetzen. Die iranischen Umtriebe in diesen Staaten sind nicht unbemerkt geblieben. Die sunnitischen Staaten mit Saudi Arabien an der Spitze verschärfen ihre diplomatischen und rhetorischen Kampagnen, um dem Iran die Stirn zu bieten. Doch der Iran ist auch in anderen Regionen nicht untätig geblieben, so z.B. in einem Gebiet, das von den Vereinigten Staaten, Israel und ihren Verbündeten als möglicher pro-westlicher und im wesentlichen demokratischer Partner betrachtet wird – die Kurdische Region (KR) im Irak. Obgleich es möglich ist, dass die KR zum Bollwerk gegen die aggressiven antiwestlichen Kräfte in der Region wird, scheint diese Zukunft doch zunehmend ungewiss. Indem er die wirtschaftlichen Interessen, die politischen Beziehungen und Sicherheitsbedürfnisse vor Ort ausnutzt – von der westlichen Passivität gegenüber den Kurden ganz zu schweigen -, gelingt es dem Iran seine Position in den kurdischen Gebieten des Irak zu stärken.

Dabei schienen die Kurden noch vor drei Jahren als Gewinner der Unruhen in der ganzen arabischen Welt. Der Vorteil der kurdischen Regionalregierung in Erbil war, dass die Zentralregierung in Bagdad geschwächt und zerstritten war. So konnte sie ihre eigenen Ölgeschäfte tätigen und eine Pipeleine in die Türkei bauen. Die syrischen Kurden schüttelten derweil die Herrschaft des syrischen Präsidenten Assad ab und schufen so de facto eine weitere autonome Kurdenregion, die direkt an die KR grenzte. Die kurdische Unabhängigkeit schien in greifbarer Nähe.

Doch seit dieser Zeit hat sich das Glück dramatisch gekehrt. Die Kurdische Regionalregierung (KRG) findet sich in einem Nachfolgegerangel um den Präsidentenposten und gewalttätige Proteste gegen die herrschende Kurdisch-Demokratische Partei sind ausgebrochen, bei der es zu Toten und hunderten Verwundeten kam. Der Wirtschaftsboom der vergangenen Dekade stagniert und die Regierung ist als Hauptarbeitgeber seit Monaten nicht mehr in der Lage, Gehälter zu bezahlen. Was das Ganze noch verschlimmert, ist der Krieg gegen den Islamischen Staat, der sich ohne Aussicht auf Sieg dahinschleppt.

Diese Entwicklungen stellen die KRG vor gewaltige Herausforderungen. Zugleich bieten sich dadurch dem Iran Möglichkeiten, die Lage auszunutzen.

Iranisch-kurdische Beziehung: Nicht ohne Probleme

Die Beziehungen zwischen dem Iran und den Kurden sind so alt wie schwierig. Die Schwierigkeiten wurden jedoch mit den Worten eines iranischen Journalisten im Oktober "nachhaltig entlastet". Abdel Murad, einer der Gründer der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) verkündete, dass die Kurden ein iranisches Engagement willkommen heißen würden – im Unterschied zu türkischen oder saudischen Einmischungen in ihre Belange. Gleichzeitig wurde aber bekannt, dass im Iran zwei kurdische Aktivisten gehängt worden waren. Anti-iranische Demonstrationen brachen in der KR aus und die bewaffnete Rebellengruppe PJAK (Partei Freies Leben in Kurdistan), deren Mitglieder gehängt worden waren, behauptete, dass sie zehn Revolutionsgardisten getötet hätten. Nur Tage darauf wurde ein weiterer kurdischer Aktivist in Teheran gehängt. (1)

Diese Aspekte der kurdisch-iranischen Beziehungen, die damals 2013 innerhalb einer Woche aufeinandertrafen – führende kurdische Parteien nähern sich dem Iran an, während die Unterdrückung der Kurden Wut unter den Kurden schürt -, kennzeichnen bis heute die Dynamik des Ganzen.

Die Beziehungen selbst sind im nationalen Bewusstsein beider Seiten vor langer Zeit verankert worden. Perser und Kurden teilen eine lange gemeinsame Geschichte und im Kern sogar kulturelle Elemente. Das Kurdische ist eine nordwestlich-iranische Sprache. Kurdisch und Farsi ähneln sich, so dass sich die jeweiligen Sprecher weitestgehend verstehen. Im Iran wohnen Millionen Kurden, wie die Iraner feiern die Kurden im Frühjahr in den Bergen das Frühjahrsfest Newroz. Kurdische Touristen besuchen den Iran regelmäßig und iranische Fernsehserien und Filme werden in kurdischen Wohnzimmern gern gesehen. "Die Kurden wissen, dass – im Unterschied zu Türken und Arabern –  die Iraner sie nicht hassen", erklärte jüngst ein kurdischer Journalist.

Doch die Beziehungen haben sich auch sehr viel konkreter manifestiert. Als der irakische Präsident die kurdische Stadt Halabja 1988 mit chemischen Waffen angriff, beeilten sich die Iraner, den Verwundeten zu helfen, während der Westen im Wesentlichen die Augen verschloss oder Hussein sogar von seiner Verantwortung frei zu sprechen suchte. Teheran evakuierte tausende kurdische Opfer und ließ Journalisten  kommen, damit die Gräueltaten festgehalten würden. Dies hinterließ bleibenden Eindruck. "Meine Mutter wird der iranischen Regierung und dem iranischen Volk für immer dankbar dafür sein, dass sie meinem Großvater das Augenlicht retteten," sagt die Bewohnerin Halabjas Rebaz Ali. "Als sie älter wurde, wollte sie immer, dass wir, ihre Kinder, wüssten, wie wichtig die iranische Rolle darin war, das Leben von Tausenden zu  retten, die vor den Gasangriffen flohen. Sie steht immer noch in Kontakt mit einigen der Leute, die damals halfen, und hat sie sogar vor einigen Jahren besucht."

Mit der Zeit begann sich das Verhältnis jedoch einzutrüben. Während der kurdischen Bürgerkrieges in den neunziger Jahren ergriff der Iran Partei für die PUK im Kampf gegen die KDP. Die Vereinigten Staaten handelten 1997 einen Friedensvertrag aus, in dem sie versprachen, dass sie Saddams Militär den Zugang zu den kurdischen Gebieten nicht gestatten würden, notfalls mit militärischer Gewalt. Der dadurch in eine Randposition gedrängte Iran geriet weiter unter Druck, als die US-geführte Invasion mit den nun vereinigten Peshmerga-Truppen begeistert zusammenkämpfte. Die Führung in Teheran sorgte sich, dass die KRG nunmehr zu einer eigenständigen Außenpolitik in der Lage sein und der PJAK Zuflucht gewähren würde. Als noch bedrohlicher wurde wahrgenommen, dass eine von den Vereinigten Staaten dominierte, pro-westliche Regierung in Bagdad in Föderation mit der sogar noch westlicheren Regierung in Erbil die strategische Position des Iran nachhaltig schädigen würde. In den frühen Jahren der amerikanischen Besatzung des Irak lag es aus iranischer Perspektive durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Bush-Regierung ihre Blicke und Waffen als nächstes auf den Iran richten würde.

Des Irans Freud, Amerikas Leid

In dem Augenblick, als die amerikanische Position im Irak sich abzuschwächen begann, verbesserte sich der Status des Iran. Im August 2010 verließen die letzten amerikanischen Kampfbrigaden den Irak. Durch die schiitische Bevölkerungsmehrheit verfügte der Iran bereits über Einfluss, den Teheran weiter ausbaute, als es eine schiitische geführte Regierung unter Nouri al-Maliki in den Wahlen 2010 unterstützte. (2)

Mit der wachsenden Rolle – und entsprechendem Selbstbewusstsein – verbesserten sich auch die iranischen Beziehungen zur KRG. Der Handel zwischen dem Iran und der Kurdischen Region boomte. Von einem Handelsvolumen von $100 Mio. im Jahr 2000 stieg es am Vorabend der Invasion des IS 2014 auf $ 4 Mrd. jährlich an. Im August 2014 wurde auf einem Treffen des kurdischen Premierministers Nechirvan Barzani mit einer iranischen Handelsdelegation eine Erhöhung der Handels- und Energielieferungen beschlossen. Auch wenn es dem Iran noch nicht gelungen ist, seinen historischen Rivalen Türkei als dominanten Handelspartner der KRG abzulösen, so dominieren doch iranische Güter in der grenznahen Region, in der die PUK vorherrscht.

Die politische Beziehung zwischen den kurdischen Parteien und Teheran sind ebenfalls dichter geworden. Aus historischen wie geographischen Gründen stand die PUK dem Iran schon immer sehr nahe, da die Region Suleimanyah an der iranischen Grenze liegt. Die PUK-Führer, zu denen auch der frühere irakische Präsident Dschalal Talabani gehört, statten dem Iran häufige Besuche ab und unterhalten gute Beziehungen zu iranischen Politikern. Auch in der PUK-Abspaltung Gorran ist der iranische Einfluss am Wachsen. Der Iran hat sogar eine Einigung zwischen den rivalisierenden Gruppen herbeigeführt. Dies half dem Iran, seinen Einfluss zu vergrößern als die Macht der PUK am Schwinden war.

Es überrascht daher nicht, dass der politische Gegner der PUK eine ganz andere Beziehung zum Iran pflegt. Die Antipathie der KDP gegen Teheran geht Jahrzehnte zurück auf die Zeit, als der Iran die PUK im Bürgerkrieg unterstützte, während die KDP sich bei der Türkei um Hilfe bemühte. Zudem pflegte der legendäre Gründer der KDP, der Kurdenführer Mulla Mustafa Barzani in den 1960er und 1970er Jahren enge Beziehungen zu Israel, die der Iran unter dem Schah 1975 einzuschränken versuchte, indem er Druck auf Israel ausübte. Die von Barzanis Sohn Massoud geführte KDP unterhält weiterhin stille Kontakte mit Jerusalem, was dem Iran nicht verborgen geblieben ist. Die Beziehungen Teherans zur Schiitenregierung in Bagdad sind ein weiterer Grund für die Antipathie der von der KDP geführten KRG.

Dennoch haben beide Seiten auch in Zeiten von Spannungen die Kommunikation aufrecht erhalten. Der Iran hat sich in den letzten Jahren darum bemüht, die Beziehung zur KDP zu verbessern. Präsident Massoud Barzani traf sich dazu 2011 mit dem damaligen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad und Premier Nechirvan Barzani wohnte 2013 in Teheran der Amtseinführung Hassan Rouhanis bei. Erst letzten Oktober besuchte er zudem eine Sicherheitskonferenz in der iranischen Hauptstadt.

Die Iranischen Revolutionsgarden kommen ins Spiel

Die KRG hat sich um eine größere Autonomie bemüht, was der Iran ablehnt. Doch da dies aktuell kein Thema ist und der IS die iranischen Verbündeten bedroht, ist eine Verstärkung der Beziehungen auf die Tagesordnung getreten. Bevor er die iranische Handelsdelegation 2014 empfing hatte Premier Barzani bereits sein Interesse an einer Verbesserung der Beziehung zu Teheran angekündigt. Im August 2015 bekannte sich eine Reihe führender iranischer Politiker, einschließlich des Kommandeurs der al-Quds-Brigaden der IRGC zur Unterstützung Präsident Barzanis, der auch nach dem Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben sollte, was von der PUK und Gorran erbittert abgelehnt wurde. Als jedoch nach dem Auslaufen der Amtszeit Barzanis gewalttätige Anti-KDP-Proteste in den Regionen der PUK ausbrachen, beschuldigten einzelne Stimmen in der KDP den Iran für die Aufstachelung zur Gewalt gegen die Partei. (3)

Auf der Ebene der Sicherheitspolitik ist die Unterstützung des Iran am deutlichsten. Die Amerikaner und Europäer waren allzu vorsichtig darin, die Kurden in Richtung Unabhängigkeit zu motivieren, und haben daher die Ambitionen der Kurden hinter denen anderer Staaten in der Region gestellt. So wurden die Peshmerga nicht mit Waffen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen würden, gegen den militärischen Standard der irakischen Armeeeinheiten zu bestehen. Nachdem der IS 2014 die kurdischen Hauptstadt bedrohte, begannen westliche Nationen den IS zu bombardieren und die Peshmerga mit Waffen auszurüsten – doch nur so weit, dass der IS-Vormarsch gestoppt wurde, nicht jedoch, dass kurdische Truppen selbst zu wesentlichen Offensiven in der Lage wären. Die USA und EU  weigerten sich, den kurdischen Forderungen entgegenzukommen. Die für die Kurden reservierten Waffen erreichten diese nicht immer. Erst jüngst wurden zwei Flugzeuge mit Waffenlieferungen für die KR – ein kanadisches, ein schwedisches – am Flughafen Bagdad wegen Zollangelegenheiten festgehalten. Die kanadische Maschine musste unverrichteter Dinge nach Kuwait, die schwedische in die Türkei zurück.

In einem früheren JCPA-Artikel wurde dazu ausgeführt: "indem man die Kurden mit dem Gefühl allein lässt, dass weder die Vereinigten Staaten noch Europa die zum Schutz gegen den IS benötigten Waffen liefern werden, schafft sich der Westen ein ernst zu nehmendes Problem. Denn ab einem bestimmten Zeitpunkt werden sich die Kurden zunehmend an den Iran wenden, wenn der Westen nicht großzügiger mit Ausbildung und Waffen ist. Iranische Sicherheits- und Geheimdienstoffiziere operieren bereits innerhalb der kurdischen Gebiete und häufig offen an ihren Grenzen. Sollte der Westen nicht eine bewusste Entscheidung treffen, die kurdische Sicherheit zu garantieren und ihre Sicherheitsbedürfnisse ernst zu nehmen, dann dürfte es dem Iran gelingen, in einer weiteren Region des Nahen Ostens als dominanter Akteur in Erscheinung zu treten, und zwar bei einem natürlichen Verbündeten der USA und des Westens." (4)

Der Iran hat bereits 2014 verstanden, dass sich ihm mit dem Vormarsch des IS auf Erbil eine perfekte Gelegenheit bot. Nicht bestätigten kurdischen Berichten zufolge überquerte der al-Quds-General Soleimani in der Nacht des IS-Angriffs mit einem Konvoi von 70 Militärfahrzeugen die Grenze. Auch wenn dies nicht bewiesen werden kann, so deutete auch der iranische Präsident Rouhani die iranische Rolle in der Zurückschlagung des IS-Vormarschs an: "Der Iran beschützt Erbil und Bagdad auf die gleiche Weise, wie er das iranische Kurdistan schützt," sagte er im Juni 2015 bei einem Besuch der iranisch-kurdischen Stadt Sanandaj, nachdem das Atomabkommen unterzeichnet worden war. "Ohne iranische Hilfe wären Erbil und Bagdad nun in den Händen der Terroristen. So wie wir Sanandaj beschützen, beschützen wir auch Suleimanyah und Duhok. (5)

Es besteht kein Zweifel daran, dass iranische Truppen Seite an Seite mit den PUK-Peshmerga kämpfen. Soldaten der 81. gepanzerten Division des Iran haben der PUK sowie der PKK dabei unterstützt, den IS aus Khanaqin, einer kurdischen Stadt an der Grenze zum Iran zu vertreiben. Im Oktober 2014 zeigte das iranische Fernsehen Bilder von Soleimani in Mitten von Peshmerga-Kämpfern auf dem Schlachtfeld. Die Bilder sollen von Jurf al-Sakhr, südlich von Bagdad stammen. (6)

Während der Westen der KRG weiterhin kleinkalibrige Waffen und eine begrenzte Zahl von Panzerabwehrraketen zukommen lässt, ist der Iran zur primären Bezugsquelle der Peshmerga für Artillerie geworden, vorrangig BM-14- und BM-21-Raketenwerfer. Diese sowjetischen Geschütze verbrauchen viel Munition, so dass der Iran täglich Nachschub auf dem Landweg liefert. (7)

Die KRG-Führer haben bisweilen versucht, die iranische Unterstützung herunterzuspielen, um die komplexen Beziehungen zu den rivalisierenden Mächten in der Region besser zu beherrschen. Bei seinem Besuch in Washington von Mai 2015 gestand Präsident Barzani, dass es mindestens einen Fall gegeben hätte, in dem der Iran Waffen zum Kampf gegen den IS geliefert hätte, leugnete aber ein umfassenderes Engagement. "Iranische Truppen haben unsere Gebiete nicht betreten und wir haben sie auch nicht darum ersucht", so verkündete er, "Wir haben keine Probleme mit dem Iran, denn wir haben unsere Politik und der Iran hat seine. Wir sind Nachbarn." (8)

Doch im August 2014 deutete Barzani selbst weit umfassendere militärischen Zusammenarbeit an, so auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem iranischen Außenminister Zarif: "Der Iran war der erste Staat der uns zur Hilfe eilte […] und uns mit Waffen und Ausrüstung ausstattete."

Obwohl einige Details dieser Beziehung nebulös blieben, so ist doch klar, dass der Iran sich als zuverlässiger militärischer Partner der KRG etabliert hat und damit das Vakuum füllt, dass der Westen mit seiner zögerlichen Haltung geschaffen hat.

Die iranischen Interessen

Was steckt also hinter den wirtschaftlichen, politischen und militärischen Schachzügen im irakischen Kurdistan?

Im  Kern geht es dem Iran immer um den Export seiner Revolution und eine Frontstellung zum Westen.

Die Verbesserung seiner Position in Kurdistan gestattet dem Iran, eine Reihe von Interessen zu verfolgen. Auf diese Weise stärkt er zum einen seine Kontrolle über die Zukunft des Iraks, indem er es der KRG schwerer macht, eine Politik zu verfolgen, die der der schiitisch dominierten Zentralregierung in Bagdad zuwider läuft. Gleichzeitig hat er so auch ein Druckmittel über die Kurden, sollten sie versuchen, sich vom Irak abzuspalten.

Im Kampf der Regionalmächte bieten diese Beziehungen dem Iran einige Trümpfe gegenüber der Türkei, dem anderen schwergewichtigen Akteur in Nahost, dem die Kurden wichtig sind. Beide Länder ähneln sich in ihrem Verhalten – beide unterhalten enge Beziehungen zu einer wichtigen kurdischen Partei, dominieren die Hälfte der Region wirtschaftlich und unterdrücken ihre eigenen kurdischen Minderheiten mit Gewalt. Die Türkei verfügt über einen leichten Vorsprung in ihrem Einfluss auf die KR, doch der Iran holt rapide auf. Die iranischen Beziehungen zur KRG gestatten ihm zudem Einfluss auf die kurdischen Unruheregionen in der Osttürkei.

Die iranische Unterwanderung Kurdistans erlaubt Teheran, die Möglichkeit, dass seine wesentlichen Gegner Israel und die Vereinigten Staaten ein sicheres Standbein in der Region erlangen, das eine über 500 Kilometer Grenze zum Iran hat. Obgleich viele Kurden und auch ihre Regierung es vorziehen würden, Partner und Alliierte des Westens zu sein, so ist ihre Geduld langsam erschöpft, da dieser sie auf Abstand hält.

 Auch die Interessen der KRG liegen auf der Hand. Der Iran bietet die dringend benötigten Waffen für den langen Kampf gegen den IS, die der Westen versäumt hat zu liefern. Die Erfolge der Peshmerga gegen die Miliz sind bestenfalls wechselhaft zu nennen. So ermöglicht die iranische Unterstützung einen lebenswichtigen Schub auf einigen Schlachtfeldern. Auch die wirtschaftliche Unterstützung ist entscheidend. Die kurdische Wirtschaft beruht im Wesentlichen auf der Erdölproduktion, ohne dass es einen nennenswerten privaten Sektor jenseits von großen Bauprojekten gäbe. Nur wenige Güter werden in der KR selbst produziert, so dass der Iran mit diesen und Investitionen einspringen kann.

Auch ist es für die KRG von Nutzen, über einen politischen Hebel gegenüber der Türkei zu verfügen, deren aktuelle Freundschaft nicht garantiert ist. Mit einer Alternative in Sachen Güter und Waffen kann die kurdische Regierung gegenüber Ankara selbstbewusster auftreten, da die Türken es sich zweimal überlegen werden, ob sie sie im Stich lassen.

Auch wenn beide Seiten derart klare Interessen in dieser Beziehung haben, werden die grundlegenden Schwierigkeiten nicht verschwinden. Die KRG wird sich nicht von den Vereinigten Staaten abwenden und auch die Kontakte zur Türkei weiterhin pflegen. Darüber hinaus scheint es einen beständigen, wenngleich stillschweigenden Druck innerhalb der kurdischen Elite zu geben, wo immer möglich Beziehungen zu Israel zu unterhalten.

Das wesentlichste Hindernis im Verhältnis nach Teheran ist derweil die kurdische Minderheit im Iran, die 6-8 Mio. Menschen umfasst. Seit ungefähr hundert Jahren gibt es unter ihnen eine Separatistenbewegung, die zehntausende Todesopfer forderte. Die PJAK begann ihren Aufstand 2004, zu gutem Teil in Zusammenarbeit mit der PKK. Iranische Soldaten und PJAK-Mitglieder liefern sich alle paar Monate Gefechte mit Toten auf beiden Seiten. Die Organisation findet Unterschlupf auf KRG-Gebiet, während im Iran mutmaßlich Mitglieder gehängt werden, was wiederum zu öffentlicher Empörung und Unruhen in Irakisch-Kurdistan führt, wie z.B. im Oktober 2013. Der Iran zeigt sich wenig empfänglich für die Forderungen seiner kurdischen Minorität. Solange Kurden im Iran getötet werden, dürften die irakischen Kurden Teheran mit Vorbehalt begegnen.

Zudem misstrauen einige kurdische Politiker den iranischen Intentionen. "Möglich, dass der Iran die aktuelle Lage ausnutzt, um seinen politischen Einfluss auszudehnen," sagte Shakhaqan Abdulla (KDP) nach der Unterzeichnung des Atomabkommen. "Er könnte versuchen, Kurdistan unter seine Kontrolle zu bringen, um die Sicherheit der Region zu destabilisieren." (9)

Die israelischen Interessen

Eine ganze Reihe von israelischen Politikern rechnen damit, dass Irakisch-Kurdistan sich im Falle einer vollständigen Unabhängigkeit in einen zuverlässigen Verbündeten verwandelt wird, einen demokratischen Staat nach westlichem Vorbild, der dieselben Gegner wie Israel gegenüber hat. Mehr noch als alle anderen Länder hat sich daher Israel für die Unterstützung eines unabhängigen Kurdistans ausgesprochen. Es erkennt damit eine moralische Verpflichtung für das kurdische Selbstbestimmungsrecht an. Ebenso sind sich Israelis der engen Beziehungen zwischen den kurdischen Juden in Israel und den Kurden bewusst. Im Juni 2014 stellte der damalige israelische Präsident Shimon Peres gegenüber Barack Obama fest, dass die Kurden faktisch ihren eigenen Staat geschaffen hätten, „einen demokratischen“. Der ehemalige israelische Außenminister Lieberman nannte am darauffolgenden Tag einen freien kurdischen Staat eine "beschlossene Sache" und Premier Netanyahu äußerte auf einer Konferenz in Tel Aviv die vielleicht deutlichste Erklärung der israelischen Unterstützung kurdischer Unabhängigkeit, denn die Kurden seien "ein kämpferisches Volk, das bewiesen hat, dass es politisch verbindlich und gemäßigt ist und daher verdient es die politische Unabhängigkeit."

"Die Kurden hegen gegenüber Israel tiefe Sympathien und ein unabhängiges Kurdistan kann für Israel nur von Vorteil sein, "schrieb der kurdische Journalist Ayub Nuri." Dadurch würde ein Gleichgewicht der Kräfte geschaffen. Im Moment sieht sich Israel als ein Land vielen anderen gegenüber. Doch mit einem unabhängigen kurdischen Staat verfügte Israel nicht nur zum ersten Mal über einen echten Freund in der Region, sondern es gäbe auch eine Pufferzone zwischen der Türkei, dem Iran und dem Irak." (10)

Israel und die Kurden pflegen seit Jahrzehnten enge Beziehungen. Bereits in den 1950er Jahren wurden Offiziere des Mossad in den Nordirak geschickt, um dort den berühmten Kurdenführer Mulla Mustafa Barzani in seiner Rebellion gegen die irakische Armee zu unterstützen. Auch wenn die Beziehungen in den siebziger Jahren zurückgefahren wurden, finden sich genügend Berichte über die fortgesetzte israelische Unterstützung in Sachen Sicherheit, Gesundheitswesen und Wirtschaft. So wurde im letzten Sommer verlautet, dass Israel nahezu dreiviertel seines Öls aus Irakisch-Kurdistan importiert. Doch das Bedürfnis nach einem Bündnis gründet sich auch auf anderen Aspekten. Kurdische Nationalisten beziehen sich auf Israel als Vorbild für die Bestrebungen der Kurden als eine kleine, bekämpfte Nation in Nahost, die es geschafft hat, mit Hilfe der Unterstützung der Großmächte einen demokratischen Staat aufzubauen.

Angesichts des aktuellen Chaos in Nahost zögert Israel jedoch, sich offen für die kurdische Staatsgründung einzusetzen.

Die Aussicht auf eine formale kurdisch-israelische oder kurdisch-amerikanische Allianz muss den Iran beunruhigen. Mit seiner langen, verwinkelten Grenze zum Iran, böten die Berge Kurdistans israelischen Kommandos und Geheimdienstkräften ein ideales Einfallstor zum Iran. Der Umstand, dass Millionen Kurden auf der iranischen Seite der Grenze leben, macht dies sogar noch problematischer. Die KR verfügt über perfekte Bedingungen für zukünftige amerikanischen Militärbasen, besonders für den Fall, dass sich die Türkei wie 2003 weigern sollte, amerikanischen Truppen eine Invasion benachbarter Gebiete zu verweigern. Ein westlich orientiertes Kurdistan würde die iranischen Ambitionen in der Region vor eine gewaltige Herausforderung stellen. Die Truppen Teherans und seine Alliierten kämpfen immer noch um die Kontrolle in Irak und Syrien. Die Hisbollah ist zur dominanten politischen Kraft im Libanon herangewachsen. Kurdistan befindet sich genau im Herzen dieser iranisch-schiitischen Achse und das Letzte, was der Iran wünscht, ist ein Partner des Westens, der Teherans wachsende Hegemonie in Region gefährdet.

Doch die Erwartung, dass Kurdistan ein Partner für Israel, die Vereinigten Staaten oder Europa werden könnte, ist in Gefahr, wenn der Westen weiterhin irakischen und türkischen Interessen den Vorzug gibt. Denn da die Kurden fortgesetzt von der militärischen und politischen Unterstützung des Westens enttäuscht werden, hat der Iran  eine ganze Zahl von Möglichkeiten gefunden, seinen politischen, ökonomischen und militärischen Einfluss in Irakisch-Kurdistan auszubauen. Wenn der Iran weiterhin freie Hand in der Region behält, könnte es ihm gelingen, eine potentielle Allianz zwischen dem Westen und den Kurden an seiner Grenze  zu verhindern.

 

*  *  *


1 George Richards, “The Guardian Across the Zagros: Iranian influence in Iraqi Kurdistan, ”The Guardian, November 21 2013, http://www.theguardian.com/world/2013/nov/21/iran-influence-iraqi-kurdistan

2 Ibid.

3 Jamie Ingram, “Iranian support for Iraqi Kurdistan president strengthens political stability and improves prospects for investment in energy, telecoms, construction,” IHS Jane’s Intelligence Review, August 03 2015, http://www.janes.com/article/53488/iranian-support-for-iraqi-kurdistan-president-strengthens-political-stability-and-improves-prospects-for-investment-in-energy-telecoms-construction

4 Lazar Berman, “The status of Western military aid to Kurdish Peshmerga forces,” Jerusalem Center for Public Affairs, May 11, 2015, http://jcpa.org/article/the-status-of-western-military-aid-to-kurdish-peshmerga-forces/#sthash.Cno1b6pX.dpuf

5 “Iranian president visits Iranian Kurdistan,” Rudaw, July 26 2015, http://rudaw.net/english/middleeast/iran/26072015

6 “Iraq’s Kurdistan seeks to strengthen relationship with Iran, ”Al-Akhbar, December 17 2014, http://english.al-akhbar.com/node/22923

7 Lazar Berman, “The status of Western military aid to Kurdish peshmerga forces,” Jerusalem Center for Public Affairs, May 11, 2015, http://jcpa.org/article/the-status-of-western-military-aid-to-kurdish-peshmerga-forces/#sthash.Cno1b6pX.dpuf

8 Guy Taylor, “Iraqi Kurdish chief hopes to sidestep region’s clash with Iran,” The Washington Times, May 8 2015,  http://www.washingtontimes.com/news/2015/may/8/iraqi-kurdish-chief-hopes-sidestep-regions-clash-i/?page=all

9 Moammed Sali, “Iran nuclear talks prompt concern among Iraqi Kurds,” Al Jazeera, July 9 2015  http://www.aljazeera.com/news/2015/07/iran-nuclear-talks-prompt-concern-iraqi-kurds-150706080835082.html

10 Lazar Berman, “Is a Free Kurdistan, and a New Israeli Ally, upon us?,” The Times of Israel, August 10, 2013 http://www.timesofisrael.com/is-a-free-kurdistan-and-a-new-israeli-ally-upon-us/?fb_comment_id=540347639352937_5221757#f338ca6c58