Der Libanon: Partner des Iran gegen die Sanktionen?
Der Libanon: Partner des Iran gegen die Sanktionen?
Shimon Shapira
· Um den Würgegriff der westlichen Sanktionen zu brechen, arbeitet der Iran intensiv daran, seine ökonomischen Beziehungen mit dem Libanon auszubauen. Der iranische Vizepräsident Mohammed Reza Rahimi stattete kürzlich dem Land einen Besuch ab, wo er der ersten Konferenz des Obersten Iranisch-Libanesischen Gemeinschaftskomitees vorsitzen durfte.
· Teheran glaubt, durch fortgesetzte Geheimgeschäfte einer seiner größten Banken – Saderat – mit über fünf libanesische Zweigstellen die ihm vom internationalen Bankentransfersystem (SWIFT) auferlegte Blockade finanzieller Transaktionen umgehen zu können. Keine der libanesischen Zweigstellen widmet sich regulären Bankgeschäften und so kann mit ziemlicher Gewissheit davon ausgegangen werden, dass sie nahezu vollständig im Dienste der ökonomischen Aktivitäten der Hisbollah stehen.
· Rahimi machte sich für die Einrichtung einer iranisch-libanesischen Freihandelszone stark, was dem Iran ermöglichen würde, ohne westliche Überwachung Güter zwischen den beiden Ländern auszutauschen.
· Der einzige Zweck des vom Iran im Libanon aufgebauten Raketenarsenals – über 50 000 Raketen – ist, Israel von einem Angriff auf den Iran abzuhalten. Am 24. November 2011 drohte der militärische Berater des iranischen Obersten Führers Ali Khamenei, Generalmajor Yahya Rahim Safavi, dass im Falle eines Angriffs durch Israel die Hisbollah im Libanon und die Hamas im Gazastreifen sich an den Kämpfen beteiligen würden. „Es besteht gar keine Notwendigkeit für den Iran, seine ballistischen Raketen auf Israel zu schießen, denn alle zionistischen Städte sind in Reichweite der Katjuschas der mit uns verbündeten Hisbollah.“
Um den Würgegriff der westlichen Sanktionen zu brechen, arbeitet der Iran intensiv daran, seine ökonomischen Beziehungen mit dem Libanon auszubauen. Der iranische Vizepräsident Mohammed Reza Rahimi stattete kürzlich dem Land einen Besuch ab, wo er der ersten Konferenz des Obersten Iranisch-Libanesischen Gemeinschaftskomitees vorsitzen durfte. Gegründet wurde das Komitee unmittelbar, nachdem der iranische Präsident Ahmadinejad den Libanon im Oktober 2010 besucht hatte.[1] Seitdem haben beide Staaten zweiunddreißig bilaterale Abkommen in den verschiedensten Bereichen unterzeichnet. Rahimi hatte eine persönliche Botschaft Ahmadinejads für den libanesischen Präsidenten Michel Suleiman im Gepäck und traf sich ebenso mit hochrangigen libanesischen Politikern wie auch Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah.
Während seines Besuches betonte Rahimi die fortgesetzte Verpflichtung des Iran, den Libanon als Teil des Kampfes gegen Israel zu unterstützen. Dazu gehöre ein Kredit von 100 Mio. Dollar zum Bau von Staudämmen und zur Verbesserung der libanesischen Wasser- und Elektrizitätsversorgung.[2]
Als Gegenleistung wünscht sich der Iran eine verstärkte Kooperation des Libanon bei Bankgeschäften. Teheran glaubt, durch fortgesetzte Geheimgeschäfte einer seiner größten Banken – Saderat – mit über fünf libanesische Zweigstellen in Beirut, Dahiya, Borj al-Barajina, Baalbek und Sidon die ihm vom internationalen Bankentransfersystem (SWIFT) auferlegte Blockade finanzieller Transaktionen umgehen zu können. Die Saderat gibt es seit 1963 im Libanon. Nach der Revolution 1979 verstaatlich, ging sie dreißig Jahre später 2009 an die iranische Börse. Der Großteil der Aktien befindet sich jedoch in der Hand der Regierung. Keine der libanesischen Zweigstellen widmet sich regulären Bankgeschäften wie Kreditvergabe, Kreditkartengeschäften oder anderen kommerziellen Diensten. Der Iran hält die Aktivitäten dieser Zweigstellen streng geheim und so kann mit ziemlicher Gewissheit davon ausgegangen werden, dass sie nahezu vollständig im Dienste der ökonomischen Aktivitäten der Hisbollah stehen. Sie sind ein Kanal zur finanziellen Unterstützung der militärischen und terroristischen Aktivitäten der Hisbollah sowie ihrer ausgedehnten sozialen, religiösen, bildungspolitischen und wirtschaftlichen Unternehmen, sowohl im Libanon als auch im Ausland.[3]
Während seines Besuches machte sich Rahimi als weitere Maßnahme gegen die Sanktionen für die Einrichtung einer iranisch-libanesischen Freihandelszone stark, was dem Iran ermöglichen würde, ohne westliche Überwachung Güter zwischen den beiden Ländern auszutauschen.[4]
Bildung war ein weiteres heikles Diskussionsthema beim Rahimi-Besuch. Der iranische Bildungsminister, der den Vizepräsidenten begleitete, schlug die Einrichtung eines Sonderkomitees zur Koordination beider Länder in Bildungsfragen wie Geschichte, Geografie und Kultur vor, um Gemeinsamkeiten in Lehrbüchern und -plänen zu schaffen. Tatsächlich hat die Hisbollah in jüngerer Zeit schon versucht, die Geschichtslehrpläne libanesischer Schulbücher abzuändern, nicht ohne harsche Kritik wie diese: „Wer weiß, vielleicht möchte die Hisbollah noch ein gesondertes Kapitel der Theorie des Velayet-e-Faqih [„Vormundschaft des Rechtsgelehrten“ – die Herrschaft der Mullahs] einfügen, denn der iranische Vorschlag deckt sowohl das Verfassen und Drucken von Schulbüchern wie auch die Ausbildung der Lehrer ab, die dann dieses Kapitel unterrichten werden.“[5]
Libanesischen Quellen zufolge erwartet der Iran, dass die unterzeichneten Vereinbarungen innerhalb von drei Monaten umgesetzt werden. Sie stellen aber auch fest, dass, während der Iran dabei nicht nur Freundschaftsbekundungen ohne reale Erfolge wünscht, der Libanon sich nicht wirklich einem Zeitplan zur Umsetzung der Abkommen verpflichtet hätte. Tatsächlich seien auch unter der Regierung des von der Hisbollah entfernten Premierministers Saad Hariri sechzehn iranisch-libanesische Abkommen in Bereichen wie Gesundheit, Energie, Industrie, Landwirtschaft, Recht und sozialen Fragen unterzeichnet worden, würden aber auch noch darauf warten, in Kraft zu treten.[6]
Zeitgleich zum Aufenthalt des iranischen Vizepräsidenten besuchten der amerikanische Staatssekretär für den Nahen Osten Jeffrey Feltman sowie Senator Joseph Liebermann Beirut. Beide trafen sich mit dem libanesischen Premier Najib Mikati und anderen Politikern. Nasrallahs Stellvertreter Naim Qassem schimpfte über Feltmans Bemühen, die libanesische Oppostion zu ermutigen und die Abkommen mit dem Iran zu unterminieren, womit der Libanon daran gehindert würde, aus Irans Unterstützung Nutzen zu ziehen.[7] Auch wenn die Einzelheiten der Gespräche der amerikanischen Gesandten nicht veröffentlicht wurden, so lässt sich doch davon ausgehen, dass ihr Zweck war, den iranischen Absichten zu begegnen, den Libanon in das Lager jener zu ziehen, die sich gegen die Sanktionen aussprechen und dem Iran Möglichkeiten bieten, jene zu umgehen.[8]
Gegen Ende der bilateralen Gespräche traf sich der iranische Vizepräsident mit Nasrallah in einem seiner Geheimverstecke, wo er Gäste zu empfangen pflegt. Rahimi wiederholte dort die iranische Verpflichtung zur Unterstützung der Hisbollah während Nasrallah sich für die iranische Unterstützung des libanesischen Volkes im Allgemeinen und der Hisbollah im Besonderen bedankte. Nasrallah bekräftigte, dass die Hisbollah an ihrem Weg festhalten und allen Herausforderungen begegnen würde.[9]
Nasrallah und sein iranischer Gast beschäftigten sich jedoch nicht allzu ausgiebig mit dem Konflikt mit Israel oder einer Reaktion der Hisbollah im Falle eines israelischen Angriffs auf die iranischen Atomanlagen. Der Westen rätselt darüber, wie sich die Hisbollah im Falle eines israelischen Angriffs verhalten würde. Es gibt Stimmen, die meinen, sie würde nicht notwendigerweise mit einem sofortigen Raketenbeschuss weit nach Israel hinein antworten, dass die Organisation ihre eigenen Pläne verfolge, die nicht identisch seien mit denen des Iran, und dass sie ein überlebenswichtiges Interesse am Erhalt ihrer politischen Stellung im Libanon habe. Die Hisbollah, so wird behauptet, strebe danach, einen israelischen Gegenschlag zu vermeiden, der den Menschen im Südlibanon und in Beirut und der zivilen Infrastruktur weit mehr Schaden zufügen könnte als im Zweiten Libanonkrieg.[10]
Die Einschätzung scheint jedoch der Grundlage zu entbehren, wenn man sich die Beziehung zwischen dem Iran und der Hisbollah vergegenwärtigt, die mit der Gründung der Schiitenbewegung durch die Islamische Republik begann. Der einzige Zweck des vom Iran im Libanon – schon vor, v.a. aber seit dem Krieg von 2006 – aufgebauten Raketenarsenals ist es, Israel von einem Angriff auf den Iran abzuhalten. Im Moment eines solchen Angriffs wird die Hisbollah vom Iran grünes Licht erhalten, um ihr ganzes Arsenal an Lang- und Kurzstreckenraketen – über 50 000 Raketen – tief in das israelische Gebiet zu feuern.
Und so warnte laut einem Bericht der libanesischen Onlinepublikation Naharnet vom 24. November 2011 der militärische Berater des iranischen Obersten Führers Ali Khamenei, Generalmajor Yahya Rahim Safavi, Israel vor einem Angriff auf die iranischen Atomanlagen. Gegenüber dem arabisch-sprachigen Satellitensender al-Alam sagte er, dass im Falle eines Angriffs durch Israel die Hisbollah im Libanon und die Hamas im Gazastreifen sich an den Kämpfen beteiligen würden. „Es besteht gar keine Notwendigkeit für den Iran, seine ballistischen Raketen auf Israel zu schießen, denn alle zionistischen Städte sind in Reichweite der Katjuschas der mit uns verbündeten Hisbollah.“[11]
Nach dem Treffen mit Nasrallah besuchte Rahimi das Grab des von den libanesischen Schiiten verehrten Geistlichen Mohammed Hussein Fadlallah, wo er von dessen Sohn Ali Fadlallah empfangen wurde, der die Institutionen seines Vaters verwaltet. Rahimi erwies dem verstorbenen Schiitenführer, der sich für gleichbedeutend mit dem iranischen Führer Ali Khamenei hielt, seine Ehre.[12] In jüngster Zeit waren Khameneis Vertreter im Libanon in einen hitzigen Kampf um das religiös-rechtliche Erbe Fadlallahs verwickelt.[13] Es ist möglich, dass der iranische Vizepräsident mit seinem Besuch der Grabstätte eine Versöhnungsgeste gegenüber den libanesischen Anhängern Fadlallahs beabsichtigte.
Wie zuvor Ahmadinejad auf seiner Reise in den Libanon im Oktober 2010 besichtigte Rahimi den Süden, wo er von führenden Hisbollah-Funktionären empfangen wurde, die seinen Besuch gestalteten, womit ihm subtil vermittelt wurde, wer den Südlibanon in Wirklichkeit kontrolliert. Im Dorf Maroun al-Ras, in dessen Nachbarschaft der Iran zum Gedenken an den „göttlichen Sieg“ im Zweiten Libanonkrieg eine Touristenattraktion bekannt als „Garten Irans“ gebaut hatte, erwartete den Gast eine gut besuchte Empfangsveranstaltung in einem gigantischen Zelt. Es trug den Namen „Halle des Imam Khomeini“ und war mit den Symbolen der Islamischen Republik, sowie Bildern von Khomeini und Khamenei bestückt. Im Hintergrund verkündete ein auffallendes Schild die unverblümte Botschaft des Iran: „Israel muss vernichtet werden.“
Rahimi erhielt zum Geschenk einen Feldstecher, mit dem er auf Israel blickte, um zu erklären, wie glücklich und stolz er sei, an diesem gesegneten Ort zu sein.[14]
[1] Shimon Shapira, “Ahmadinejad in Lebanon,” Jerusalem Issue Brief, Vol. 10, No. 9, 24. Oktober 2010. http://jcpa.org/article/ahmadinejad-in-lebanon/
[2] Tehran Times, 2. Mai 2012.
[3] “LBC: US Fears some of Lebanese banks involved in funding Iranian nuclear program,” Now Lebanon, 21. März 2012.
[4] The Daily Star, 4. Mai 2012.
[5] Al-Hayat, 3. Mai 2012.
[6] Tehran Times, 2. Mai 2012.
[7] Fars News Agency, 7. May 2012.
[8] Hazem al-Amin, “A choice between two accusations of treason,” Now Lebanon, 4. Mai 2012.
[9] The Daily Star, 4. Mai 2012.
[10] Kip Whittington, “Will Hezbollah Attack Israel? Only if…,” Small Wars Journal, 15. März 2012.
[11] http://www.naharnet.com/stories/en/21227-khameneis-military-advisor-hizbullah-rockets-to-hit-israel-if-iran-attacked
[12] The Daily Star, 4. Mai 2012.
[13] Al-Shiraa, 5. Mai 2012.
[14] Al-Intiqad.com, 5. Mai 2012.