Arabisch-islamischer Antisemitismus – offiziell nicht „geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören“? (§ 130 StGB)
Arabisch-islamischer Antisemitismus
– offiziell nicht „geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören“? (§ 130 StGB)
Carmen Matussek
Nur wenigen Leuten ist bekannt, dass antisemitische Literatur wie Hitlers Mein Kampf und die Protokolle der Weisen von Zion, die in Deutschland aus gutem Grund auf dem Index stehen, in der arabischen Welt seit vielen Jahrzehnten die Bestsellerlisten anführen und dort in kaum einem Buchladen fehlen. Noch unbekannter ist jedoch, wie die deutsche Gerichtsbarkeit mit den Auswirkungen dieses Phänomens im eigenen Land umgeht.
Der renommierte ägyptische Verlag ´Akhbar al-Yaum hat im Jahr 2002 eine Ausgabe der Protokolle zum Buch des Monats gekürt. Die beliebte Reihe der „Bücher des Monats“ wird weit über die Grenzen der arabischen Welt hinaus exportiert. Auf Seite zwei der besagten Ausgabe findet sich eine Liste mit 37 Zielorten und Angaben zu den Preisen des Buches in der jeweiligen Landeswährung. Darunter sind auch England, Frankreich, Deutschland, Holland, Italien, Österreich, Dänemark, Griechenland, Schweden, die Schweiz, Australien, Kanada und mehrere Städte in den USA.
Daraus ist zu schließen, dass antisemitische Literatur auf Arabisch in interessierten Kreisen nicht illegal oder über entsprechende Onlineportale bezogen werden muss, sondern lastwagenweise den deutschen Zoll passiert und auf offiziellen Wegen an die Büchertische der Moscheen gelangt. Auf Nachfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz wurde diese Vermutung bestätigt, mit der Zusatzerklärung, dass der Volksverhetzungsparagraph 130 StGB sich nur auf deutschsprachige Literatur beziehe, und dass die Ungleichbehandlung mit Kulturrelativismus erklärt werden könne. Muss Antisemitismus demnach als arabisches Kulturgut geschützt werden? Ist es schon so lange her, dass Judenfeindlichkeit ein deutsches „Kulturgut“ war, und haben wir nichts daraus gelernt?
Als Walter Herrmann an seiner „Kölner Klagemauer“ öffentlich eine Karikatur ausstellte, auf der ein Jude abgebildet war, der sich anschickte, mit Messer und Gabel ein palästinensisches Kind zu zerstückeln, wurde er wegen „Verdachts“ auf Volksverhetzung angezeigt. Die Klage wurde zurückgewiesen: Da die Karikatur in einem anderen kulturellen Kontext entstanden sei, sei sie nicht als antisemitisch, sonders als antiisraelisch anzusehen und somit Ausdruck einer politischen Meinung. Bedeutet das für alle, die gerne antisemitische Zeichnungen in der Öffentlichkeit zeigen würden, dass sie diese nur aus arabischen, türkischen oder persischen Zeitungen entnehmen müssen und dann nicht mehr zu belangen sind? Das wäre eine fatale Gesetzeslücke, die dringend geschlossen werden müsste. Da die angeschriebenen Staatsanwaltschaften und Justizministerien sich in Schweigen hüllen oder ihre Nicht-Zuständigkeit bekunden, müssen diese Fragen vorerst unbeantwortet im Raum stehenbleiben.
Stattdessen soll zum wiederholten Mal gezeigt werden, dass der arabisch-islamische kulturelle Kontext solcher Karikaturen durch die Existenz des Nahost-Konflikts nicht weniger antisemitisch wird. Gerade an den arabischen Ausgaben der Protokolle der Weisen von Zion lässt sich das eindrucksvoll nachweisen.
Trotz des Verbots der Protokolle in Deutschland kann man den Volltext auch hierzulande in deutscher Sprache legal erwerben, dann aber mit einer entsprechenden Einleitung und Kommentaren, die den Hergang der Fälschung erläutern und die furchtbaren Auswirkungen schildern, die dieses einflussreichste antisemitische Fabrikat der Geschichte hatte und immer noch hat.
Gerade diese aufklärenden Passagen fehlen aber in den arabischen Ausgaben. An ihrer Stelle stehen pseudowissenschaftliche Beweisführungen für eine angebliche jüdische Weltverschwörung, die in den meisten Fällen viel mehr Raum einnehmen als die Protokolle selbst. Und hier geht es nicht – wie von den Kulturrelativisten propagiert – um einen wie auch immer politisch begründeten „Antizionismus“, sondern um Antisemitismus, wie er klassischer nicht sein könnte. Anerkannte Wissenschaftler wie Prof. Dr. ´Ahmad Hijazi as-Saqa von der ´Azhar Universität, Philosophen und Dichter wie Sa´id ´Aql und religiöse Würdenträger wie Muhammad Sayyid Tantawi kommen hier zu Wort und belegen unter Berufung auf ein erfundenes Dokument die Notwendigkeit des Kampfes nicht etwa gegen Israel, sondern gegen das „Internationale Judentum“. Zur Veranschaulichung sollen hier die ersten drei Punkte des Klappentextes stehen, die sich auf den meisten der unzähligen Auflagen einer der berühmtesten arabischen Protokoll-Übersetzungen finden, nämlich derjenigen von ´Ajjaj Nuwayhiḍ (Die Protokolle selbst nehmen hier bei einem Volumen von ca. 600 Seiten nicht ganz ein Sechstel ein):
1- Oh, du darfst nicht auf halbem Wege innehalten, mein arabischer Leser, denn es ist deine Pflicht, dass du mit absoluter Sicherheit weißt, was und wer das „Internationale Judentum“ ist, das auf die Zersprengung von Christentum, Islam und der gesamten Zivilisation hinarbeitet.
2- Wenn du auf halbem Wege innehältst, vergehst du dich an dir selbst und deiner ´Umma, an deiner Geschichte und deinen jetzigen und künftigen Nachkommen.
3- Lass dich nicht täuschen von dem, was du bis jetzt über den „Zionismus“ und „Israel“ weißt. Es ist wichtig, dass du das „Internationale Judentum“ kennst, das hinter der Kulisse steht, denn es verrichtet sein verbrecherisches Werk seit zwanzig Jahrhunderten. Der „Zionismus“ und „Israel“ sind nichts als seine äußere Hülle. Lies diese Protokolle.
Immer und immer wieder wird in diesen Texten betont, dass Israel lediglich die „Spitze des Eisberges“ sei und dass das eigentliche Problem in den „Seelen der Juden“ liege, die von Geburt an auf die Vernichtung der gesamten Menschheit hin programmiert seien. Die am weitesten verbreitete arabische Übersetzung der Protokolle ist die von Muhammad Khalifa at-Tunisi, die einschließlich der imposanten Vorworte und Erläuterungen auch online einzusehen ist. Dort begründet at-Tunisi seine Hingabe an das Thema wie folgt:
Ich warne nicht vor der Gefahr der Juden, nur weil sie mein Volk bekämpft haben (…), und auch nicht, weil sie sich aus Palästina Israel herausgeschnitten haben (…), sondern ich warne vor ihrer Gefahr für die Menschheit. Auch wenn all jenes zu meinen Motiven für die Beschäftigung mit dieser Gefahr zählt, so warne ich vor ihrer Gefahr für die Menschheit. Denn selbst wenn sie aus unseren Ländern vertrieben würden an irgendeinen Flecken der Welt: Wo immer sie waren, waren sie Feinde der Menschheit.
Die zwei zitierten Stellen sind keine Ausnahmen, sondern geben den Grundtenor der Einschätzung von Geschichte und Gegenwartspolitik wieder, wie er in arabischen Sachbüchern, TV- und Rundfunksendungen, Zeitungen und Onlineportalen (z.B. der arabische Wikipedia-Arikel zu den Protokollen), politischen und religiösen Reden und Foren vertreten wird.
Wenn hierzulande Bilder wie das an der „Kölner Klagemauer“ ungestraft gezeigt und arabische Ausgaben der Protokolle und von Mein Kampf offiziell an Minderjährige verkauft werden dürfen, dann ist es genau dieser bodenlose Antisemitismus und nicht eine „politische Meinung“, der wir die Tür öffnen. Wie wollen wir denn Straftaten mit antisemitischem Hintergrund ahnden, die von Zuwanderern aus entsprechenden Teilen der Welt begangen werden, wenn wir zuvor deren systematische Gehirnwäsche legalisieren? Auch darauf gab es bislang keine Antworten von der Staatsanwaltschaft. Geschieht es aus Unkenntnis der Tatsachen, dass Antisemitismus im orientalischen Gewand geduldet wird?
Mal angenommen, eine demokratische Mehrheit würde hier eine Gesetzesänderung und deren Durchsetzung erzwingen können, mit welchen Konsequenzen hätten wir zu rechnen, wenn wir den Verkauf solcher Schriften auf arabisch strafrechtlich verfolgen würden? – Ist vielleicht auch Angst, Vorsicht und am Ende gar Verantwortungsbewusstsein ein Grund für die Zurückhaltung der zuständigen Stellen?
Die Protokolle wurden auch auf der Frankfurter Buchmesse 2005 am Stand des Iran auf Englisch verteilt, ohne dass jemand etwas dagegen unternommen hätte. Tatsächlich sind die Folgen schwer abzuschätzen, sollten Menschen aus dem muslimischen Kulturkreis mit den allgemeingültigen rechtlichen Maßstäben gemessen werden. Für ein paar Karikaturen brennen die Botschaften und für eine kurzzeitige Festnahme wird der ganzen Schweiz der Heilige Krieg erklärt.
Sollen wir also aus Angst wegsehen und Volksverhetzung der schlimmsten Sorte grassieren lassen? Diesen Fehler dürfen wir nicht noch einmal machen.
Carmen Matussek
Islamwissenschaftlerin und Historikerin
Alle Fragen gerne direkt an mich: carmen.matussek@web.de