Terroristische Einzelgänger in Israel im Kontext betrachtet

Am Nachmittag des 22. Juli musste Jerusalem einen weiteren Terroranschlag erleben, als ein Einwohner Ostjerusalems einen Bulldozer als Waffe gegen unschuldige Zivilisten einsetzte. Die Medien bezeichneten diesen Angriff anfänglich als Nachahmer-Tat nach dem Vorbild des Anschlags auf der Jaffa-Straße im Jerusalemer Zentrum vom 2. Juli, als ein anderer Fahrer aus Ostjerusalem mutwillig mit einem Bulldozer durch Fahrzeuge mähte, einschließlich eines öffentlichen Busses, dabei drei Leute tötete und dutzende weitere Verletzte. Die Polizei sprach in beiden Fällen von den Taten terroristischer Einzelgänger. In dem kurzen Artikel „Der Mythos des terroristischen Einzelgängers,“ erschienen in Makor Rishon vom 4. Juli, hatte ich argumentiert, dass es unmöglich sei zu wissen, ob der Terrorist allein gehandelt habe und dass man Akte des Terrorismus nicht von dem Umfeld des Täters, insbesondere aber dem lang anhaltenden Einfluss der Anstiftung zu Hass und Gewalt trennen könne. Wenn wir den Mord an acht Talmudschülern in der Jerusalemer Merkaz Ha-Rav Yeshiva vom 6. März dazuzählen, welcher, nach Meinung der Polizei, ebenfalls von einem terroristischen Einzeltäter verübt wurde, und die Schüsse auf zwei Streifenpolizisten am 11. Juli am Löwentor in Jerusalem, so wird deutlich, dass wir es hier nicht mit zufälligen Ereignissen zu tun haben, sondern mit einer Reihe individueller Terroranschläge.

Könnte dies bedeuten, dass wir mit einer neuen Qualität von Terror konfrontiert werden, der ohne Führung und ohne Organisation auskommt? Vielleicht verhält es sich so. Eine Reihe jüngerer Studien in den Vereinigten Staaten setzt sich mit dem Problem des „Lone Wolf“, dem terroristischen Einzelgänger auseinander, dem „Lone Wolf“ Extremismus und dem „führerlosen Widerstand.“ Wikipedia zufolge teilt der „‚Lone Wolf‘ -Terrorist gewöhnlich eine ideologische oder philosophische Identifikation mit einer extremistischen Gruppe, kommuniziert jedoch nicht mit der Gruppe, mit der er oder sie sich identifiziert. Während die Taten des ‚Lone Wolf‘ davon motiviert sind, die Ziele der Gruppe voranzutreiben, werden Taktik und Methode vollständig von dem ‚Lone Wolf‘ erdacht und durchgeführt ohne äußere Befehle und Anleitung. In vielen Fällen verfügt der ‚Lone Wolf‘ nie über persönlichen Kontakt zu einer größeren Gruppe. Aus genau diesen Gründen stellt diese Art des Terrorismus ein ganz besonderes Problem für die Anti-Terror-Behörden dar, da es wesentlich schwieriger ist, Informationen darüber zu sammeln als über konventionellen Terrorismus.“

Der Anti-Defamation League zufolge wurde diese Methode von Alex Curtis, einem weißen Suprematisten aus San Diego, formuliert, auch wenn sie schon zuvor ohne entsprechende Bezeichnung vorhanden gewesen sein mag. Curtis sprach sich für eine Loslösung von rassistischen Untergrundorganisationen aus, um sich dem Strafrecht zu entziehen. In einem Artikel der ADL-Webseite vom Juli 2002 heißt es, dass Curtis „eine zweistufige Bewegung des Hasses [anvisierte], in welcher ‚spalterische und subversive‘ Propaganda weitreichend verteilt und einen revolutionären Untergrund anleiten würde. Dieser Untergrund würde aus ‚Lone Wolves‘ bestehen – rassistischen Kriegern, welche einzeln oder in kleinen Gruppen handeln und die Regierung oder andere Ziele in ‚täglichen anonymen Akten‘ angreifen. Curtis sah sich darin selbst als Propagandist, welcher die Samen einer rassistischen Revolution säte.

In einem Artikel der Washington Post vom Juni 2005 schrieb der pensionierte FBI-Informante Mike German, dass Timothy McVeigh, der am 19. April 1995 den Anschlag von Oklahoma City verübte, das klassische Beispiel eines „Lone Wolf“ sei. McVeighs Terror tötete 168 Menschen und verletzte hunderte. German zufolge sei „ „‚Einzelgänger-Extremismus‘ … kein Phänomen; es ist eine Technik, eine Strategie, um das Strafrechtsystem auszuhebeln. McVeigh handelte als extremistischer Einzelgänger und war darauf trainiert … Doch seine Tat des Einzelgänger-Terrorismus ist Teil einer fortgesetzten Konspiration, welche bis heute gewalttätige Anschläge inspiriert… Es ist alles eine Frage, wie man die Punkte verbindet…“

Ganz ähnlich verhält es sich mit Eyad Kishawi, einem palästinensischem Aktivisten in San Francisco, welcher 2006 ein Handbuch herausbrachte, in welchem er den Boykott Israels und die Übernahme einer neue Strategie politischer Kriegführung vorschlug. Kishawi empfahl, dass die Anstrengungen anti-israelischer Aktivisten dezentralisiert werden sollten, um sich dem Zugriff der amerikanischen Strafverfolgung und der „illegalen und außergerichtlichen Aktivitäten Israels“ zu entziehen. Dabei betont er in besonderem Maße die Notwendigkeit, individuell Initiative zu ergreifen. Es handelt sich um keinen sonderlich großen Schritt, dieses Prinzip von der Ebene des politischen Aktivismus auf die Ebene terroristischer Taktik zu übertragen. Tatsächlich ist der Ansatz Kishawis im Wesentlichen der gleiche wie der Terrorismus des „einsamen Wolfes“ des Rassisten Alex Curtis.

Wenn wir uns die jüngsten Terroranschläge in Jerusalem im Kontext des terroristischen Einzelkämpfer-Prinzips ansehen, wird eine mögliche Verbindung anscheinend isolierter Ereignisse wahrnehmbar, auch in Abwesenheit einer Organisation oder eines Anführers. Stattdessen finden wir eine kulturelle Beziehung zwischen andauernder Aufhetzung und ganz spezifischen Terroranschlägen. Es ist daher notwendig, das kulturelle Klima, welches Individuen dazu aufhetzt, Hassverbrechen zu begehen, zu dekonstruieren. Zu positiven Gegenmaßnahmen könnten fortgesetzte Polizeiaktionen, eine Reformierung des Bildungssystems, Korrektur der Schulbücher sowie die Zensur von Predigten in den Moscheen gehören. Zudem müssen schwere Strafen für all jene verhängt werden, welche zu Gewalt aufrufen und Terroranschläge durchführen.

Die für die Sicherheit der israelischen Zivilbevölkerung Verantwortlichen sollten neue Möglichkeiten finden – und die alten bewusst einsetzten – um die Verknüpfungen zu unterbinden zwischen religiöser wie politischer Hetze und jenen, welche nach dem „Lone Wolf-Terror“-Prinzip handeln. Zudem muss der Staat Israel auf die Ausübung seiner Souveränität in seiner Hauptstadt sowie im ganzen Land bestehen, möchte er nicht eine ähnliche Situation geraten wie bisweilen Frankreich und andere europäische Staaten, wo in bestimmten Stadtbezirken – den „verlorenen Gebieten der Republik“ – die lokale Bevölkerung den Zugang der Polizei behindert. Schließlich muss Israel nachdrücklich die Einhaltung der Gesetze im ganzen Land durchsetzen, zum Schutz seiner Bürger und seiner Existenz.

Der Autor dankt Mr. Bennet Ruda (Elizabeth, New Jersey) für die wertvollen Informationen für diesen Essay.