Jerusalem als Verhandlungssache?

Jerusalem als Verhandlungssache?

Israels Hauptstadt und der Friedensprozess

Alan Baker

· Am 21. August 2012 verkündete Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas: „es wird keinen Frieden, keine Sicherheit und keine Stabilität geben, wenn nicht Besatzung, Siedlungen und Siedler aus unserer heiligen Stadt und der ewigen Hauptstadt unseres Staates verschwinden.“ Die einstige Existenz eines jüdische Tempels nannte er im gleichen Atemzug eine „angebliche.

· Diese Äußerung, die im Prinzip jegliche Beziehung oder ein Anrecht von Juden auf Jerusalem leugnet, getätigt vom Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde, den die internationale Gemeinschaft als gemäßigt und vernünftig wahrnimmt, sollte verdeutlichen, wie außerordentlich die politischen, historischen, psychologischen, rechtlichen und religiösen Herausforderungen sind, die die Stadt für die Nahostverhandlungen darstellt.

· Diese Studie analysiert die verschiedenen Aspekte dieser Hürden im Hinblick darauf, wieso die Lösung des Problems Jerusalem in der Vergangenheit alle Unterhändler hat scheitern lassen. Sie wirft desweiteren ernste Fragen auf über die Möglichkeit einer Einigung aller Parteien bei diesem Thema.

· Ausgehend von einem Blick auf die Bedeutung Jerusalems für die verschiedenen religiösen Gemeinschaften wie auch die Welt im Allgemeinen sollen verschiedene internationale Instrumentarien und Vorschläge zur Lösung der Jerusalem-Frage betrachtet werden.

Jerusalem stellt die vielleicht komplexeste und am schwersten zu bewältigende Frage in den Verhandlungen zwischen Israel und der arabischen Welt im Allgemeinen und den Palästinensern im Besonderen dar. Laut einer Umfrage vom Dezember 2012 lehnen 71 Prozent der Israelis einen Abzug aus Ostjerusalem ab, selbst wenn man die Altstadt behalten dürfte und 77 Prozent zweifeln daran, dass die Palästinenser Freiheit des Religionsvollzugs an den heiligen Stätten garantieren könnten.[1]

Ein Jahr zuvor hatte das Palestinian Center for Public Opinion eine Umfrage über den Friedensprozess unter Palästinensern durchgeführt. Gefragt nach Jerusalem waren nur 3 Prozent bereit, es als gemeinsame Hauptstadt für Israel und einen Palästinenserstaat zu sehen. 72 Prozent leugneten, dass es tausende Jahre jüdischer Geschichte in der Stadt gegeben hätte.[2] Dies deckt sich mit der Rhetorik palästinensischer Führer wie die Mahmoud Abbas‘, der in einer Rede vom 12. August 2012 von einem „angeblichen“ Tempel sprach.

Die Komplexität der Jerusalem-Frage resultiert aus einer Reihe von Faktoren – politischen, historischen, psychologischen, rechtlichen und religiösen – jeweils einzeln wie zusammen genommen. Die Bedeutung Jerusalems geht über Fragen wie territoriale Kontrolle, rechtliche Autorität, Regierungsgewalt, öffentliche Ordnung, wirtschaftliches und touristisches Potential hinaus. Sie grenzt an die grundsätzliche Beziehung zwischen den drei großen monotheistischen Religionen.

Doch darüber hinaus stellt Jerusalem auch einen Gegenstand direkten politischen Interesses der internationalen Gemeinschaft dar. Seit Gründung der Vereinten Nationen hat sich die Stadt auf die eine oder andere Art auf der Tagesordnung befunden. Jenseits aller logischen Vernunft gilt sie als zentral für den Weltfrieden.

Die Bedeutung Jerusalems für das Judentum

Für das Judentum ist Jerusalem von entschiedener Bedeutung. Es ist Zion – das Epizentrum des jüdischen Glaubens. In den Worten des ehemaligen israelischen Präsidenten Chaim Weizmann vom 1. Dezember 1948:

„Für die Anhänger der anderen beiden großen monotheistischen Religionen ist Jerusalem ein Ort heiliger Assoziationen und Erinnerungen. Für uns ist es dies und mehr. Es ist das Zentrum unseres uralten nationalen Glanzes. In all unseren Wanderungen war es uns ein Leitstern. In ihm verkörpern sich unsere nobelsten Hoffnungen für die Zukunft. Jerusalem ist die ewige Mutter des jüdischen Volkes, geliebt und verehrt selbst in ihrer Verlassenheit. Als David Jerusalem zur Hauptstadt Judäas machte begann die jüdische Nation. Eine nahezu endlose Reihe von jüdischer Besiedlung verbindet das Jerusalem unserer Tage mit der heiligen Stadt der Antike. Für zahllose Generationen von Juden in der Zerstreuung war der Aufstieg nach Jerusalem das höchste, was das Leben zu bieten hatte.“[3]

Die Bedeutung Jerusalems im Christentum

Das Christentum mit all seinen Denominationen und Konfessionen betrachtet Jerusalem als einen der zentralen historischen Orte seines Glaubens und seiner Philosophie. Die Grabeskirche, die Kreuzestationen entlang der Via Dolorosa – all diese sind verbindende Faktoren zwischen dem christlichen Glauben, dem Leben Jesu und der Geschichte.

Die Bedeutung Jerusalems im Islam

Die Zentralität Jerusalems für die islamische Spiritualität zeigt sich in der Geschichte von Mohammeds mystischer, spiritueller Nachtreise von den Kaaba in Mekka zum Tempelberg in Jerusalem in Sure 17:1 des Koran. Islamische Texte liefern eine Reihe von Interpretationen für diese Stelle. Einige unterstreichen, dass es sich weniger um eine physische, denn visionäre Erfahrung handelte, in der Mohammed auf wundersame Weise nach Jerusalem befördert und dort von allen großen Propheten der Vergangenheit willkommen geheißen wurde, bevor er durch die sieben Himmel aufstieg. Auf seinem Weg nach Oben erbat er den Rat von Moses, Aaron, Enoch, Jesus, Johannes dem Täufer und Abraham bevor er in die Gegenwart Gottes trat. Diese Geschichte zeugt von der islamischen Sehnsucht nach dem Herzen der monotheistischen Familie in Jerusalem. In den Worten des Propheten selbst heißt es:

„Es gibt nur drei Moscheen, zu denen du aufbrechen sollst: die heilige Moschee (Mekka, Saudi Arabien), meine Moschee (Medina, Saudi Arabien) und die Moschee von Al-Aqsa (Jerusalem).“[4]

Daher betrachtet der Islam in all seinen Strömungen Jerusalem als den drittheiligsten Ort seiner Geschichte und religiösen Tradition, in der die heiligen Moscheen eine direkte Verbindung zum Propheten Mohammed darstellen.

Die Bedeutung Jerusalems in der internationalen Gemeinschaft

Die Welt sieht in Jerusalem im Allgemeinen einen authentischen, lebendigen und historischen Ort, der von der Bibel als Quelle bezeugt wird und jener Glaubwürdigkeit für die darin beschriebenen Ereignisse liefert wie auch als Quelle des Glaubens gläubiger Menschen weltweit und als Kern der drei großen monotheistischen Religionen.

Angesichts des Gesagten und angesichts der langen, traurigen, seit alters her reichen wie oft auch tragischen Geschichte von Versuchen, die Stadt zu erobern und zu beherrschen – seien es die Römer, die Griechen, die Kreuzritter, die Osmanen, die Briten, Jordanier und Israelis gewesen – erscheint jede mögliche Lösung für die Jerusalem-Frage der Jetztzeit nur verschwindend gering und dies wirft die Frage auf, ob eine solche Lösung zwischen den politischen Kräften vor Ort überhaupt ausgehandelt werden kann, die von allen akzeptiert und der mitunter so genannten „Stadt des Friedens“ tatsächlich Frieden bringen würde.

Die Verhandlungen im Kontext

Von diesen spirituellen und universellen Aspekten hin zum Praktischen: die folgenden Stichworte sollen dazu dienen, den Rahmen abzustecken, der bis zum heutigen Tage und damit vermutlich auch in Zukunft die Grundlage jeglicher Verhandlungen über Jerusalem innerhalb des Friedenprozesses bietet – sei es aus Sicht der internationalen Gemeinschaft oder der Israels und all seiner Nachbarn.

Die Balfour-Deklaration 1917

Für diese Analyse bietet sich als Ausgangspunkt die Balfour-Deklaration von 1917 an, einem Dokument mit deutlichen internationalen Implikationen, das sich spezifisch auf „jüdisch-zionistische Vorstellungen“ bezog und damit die Grundlage schuf für das Konzept einer jüdischen nationalen Heimstätte in Israel.

Die Idee jedoch, dass die heiligen Stätten von Jerusalem unter der Kontrolle eines jüdischen Staates sein sollten, schuf von Anfang an einen Anreiz zum Widerstand, der bis zum heutigen Tag den internationalen Diskurs über Jerusalem durchzieht.

So reagierte der Vatikan unter Papst Benedikt XV. am 10. März 1919 im Verweis auf die historischen Kämpfe des Christentums, um die heiligen Stätten „von der Herrschaft der Ungläubigen zu befreien“, mit Sorge: „Es würde uns und alle Christenheit zutiefst bestürzen, wenn Ungläubige in eine privilegierte Position gehoben würden: und mehr noch, wenn diese heiligsten Orte des Christentums von Nicht-Christen kontrolliert werden würden."[5]

Trotz beträchtlichen Widerstands aus der arabischen Welt[6] kam es am 3. Januar 1919, unmittelbar vor der Pariser Friedenskonferenz zu einem Abkommen zwischen der Zionistischen Organisation vertreten durch Dr. Chaim Weizmann und Emir Feisal, der das arabische Königreich Hedschas repräsentierte, über eine arabisch-jüdische Verständigung und Zusammenarbeit bei der Umsetzung der Balfour-Deklaration. Artikel 6 sah vor, dass die heiligen Stätten des Islam, islamisch kontrolliert sein sollten.[7]

San Remo 1920 und das Palästinamandat 1922

Während der Sitzung der Pariser Friedenskonferenz, die im April 1920 in San Remo, Italien, abgehalten wurde, bestätigte und ratifizierte der Oberste Rat der Alliierten Mächte die Berücksichtigung der Balfour-Deklaration für das Britische Mandat für Palästina, welches am 24. Juli 1922 vom Rat des Völkerbunds angenommen wurde. Das Mandat verlangte, dass die „Heiligen Stätten und religiösen Gebäude“ direkt der Mandatsmacht unterstellt würden, die nur dem Völkerbund gegenüber verantwortlich sei. Ebenso sollte eine Spezialkommission geschaffen werden, welche Rechte und Ansprüche der verschiedenen religiösen Gemeinschaften bestimmen sollte.[8] Artikel 28 des Mandats legte fest, dass nach Auslaufen des Mandats der Völkerbund die Fortdauer der Rechte der verschiedenen religiösen Gruppen garantieren würde. Möglich, dass Teile der internationalen Gemeinschaft hier ihre Vision einer separaten internationalen Verwaltung der Heiligen Stätten Jerusalems als praktischste Lösung der Jerusalem-Frage formten.

Internationalisierung Jerusalems

Das Konzept einer Internationalisierung Jerusalems erhielt schließlich Gestalt im Teilungsplan der Vereinten Nationen für Palästina vom 29. November 1947,[9] der bestimmte, dass ein „unabhängiger arabischer Staat und ein unabhängiger jüdischer Staat sowie das in Teil III dieses Plans vorgesehene internationale Sonderregime für die Stadt Jerusalem“ entstehen:[10]

„Die Stadt Jerusalem wird als corpus separatum unter einem internationalen Sonderregime errichtet und von den Vereinten Nationen verwaltet. Der Treuhandrat wird damit betraut, die Aufgaben der Verwaltungsbehörde im Namen der Vereinten Nationen wahrzunehmen.“

Der Gouverneur der Stadt sollte kein Bürger eines der beiden Staaten sein und die Stadt neutral und entmilitarisiert mit einer außerhalb Palästinas rekrutierten Polizei. Die jüdische Führung akzeptierte diesen Plan[11] nach eindringlichen Debatten in der Hoffnung, dass ein nach 10 Jahren geplantes Referendum Jerusalem dem israelischen Staat zuschlagen würde.[12]

Die arabische Bevölkerung wie auch die arabischen und islamischen Nachbarstaaten lehnten die Resolution mit Nachdruck ab,[13] so dass Großbritannien von einer Durchsetzung absah. Die Ansicht „wir haben alle Rechte, die Juden gar keine“ wurde, so Historiker Shlomo Avineri, Grundlage der arabischen Politik der Verweigerung, die zum Krieg gegen den neuen jüdischen Staat führte, „der einzige Fall, in dem UN-Mitgliedsstaaten sich nicht nur einer UN-Resolution widersetzten, sondern sogar dagegen Krieg führten.“[14]

Jerusalem in Resolutionen der UN

Die Vision, Jerusalem der Verantwortung der internationalen Gemeinschaft zu übertragen, wurde durch eine Reihe UN-Resolutionen bestärkt, die sich unmittelbar an den Unabhängigkeitskrieg von 1948 anschlossen, in dessen Folge die Stadt geteilt wurde. Die Altstadt mit der Mehrzahl an heiligen Stätten aller drei Religionen fiel an die Jordanier.[15]

1950 wurde von Seiten der UN eine in ihren Händen liegende corpus-separatum-Verwaltung ganz Jerusalems vorgeschlagen, die aber von beiden Seiten abgelehnt wurde. Der israelische Außenminister Abba Eban hatte 1949 vor der UN die Forderungen formuliert, die Israel im Falle einer Internationalisierung gelten machen würde: „die israelische Regierung befürwortet eine von den Vereinten Nationen vorgeschlagene Errichtung eines internationalen Regimes für Jerusalem, das sich ausschließlich mit der Kontrolle und dem Schutz der heiligen Stätten befasst.“[16]

Doch in einer Rede vom 5. Dezember 1949 lehnte der israelische Premierminister David Ben-Gurion die Idee einer UN-Kontrolle rundweg ab und begründete es mit dem Scheitern eines solchen Regimes, dem es nicht gelungen sei, die Invasion der arabischen Armeen und die Angriffe auf die Altstadt zu verhindern. Die Vereinten Nationen hätten keinen Finger gerührt als Israel angegriffen wurde. Doch Ben-Gurion ließ eine internationale Überwachung der heiligen Stätten als Möglichkeit zu, was nicht das gleiche wie eine Internationalisierung gewesen wäre.

König Abdullah von Jordanien erklärte schließlich den arabischen Teil Jerusalems als zu Jordanien gehörig und drohte einer Internationalisierung mit Gewalt zu widerstehen.[17] Einem schwedischen Resolutionsentwurf über ein internationales Regime für die heiligen Stätten stimmte Israel zu, doch jener erhielt nicht die nötige Mehrheit. Ähnlich ging es einem belgischen Vorschlag sowie einem von den Philippinen lancierten Zusatz, der zu direkten Verhandlungen und zur Internationalisierung aufrief.

Während dieser Zeit verweigerten die Jordanier jüdischen Menschen den Zugang zu ihren heiligen Stätten in der Altstadt trotz gegenteiliger Garantien im Waffenstillstandsabkommen von 1949, das „freien Zugang“ vorsah. Die Armeen der Arabischen Liga hatten 55 Synagogen und religiöse Schulen zerstört oder entweiht sowie die jüdische Bevölkerung aus der Altstadt vertrieben. Erst mit der Eroberung der Altstadt durch die IDF im Sechstagekrieg 1967 konnten Israelis wieder zur Klagemauer.

Angesichts der jordanischen Verweigerung eines Zugangs sah Israel in internationaler Kontrolle und Überwachung der heiligen Stätten natürlich eine Möglichkeit, diesen zu gewährleisten. Doch allen Bemühens zum Trotz ließ sich dieser freie Zugang nicht materialisieren. Die UN hielt den offensichtlichen Bruch der Regelungen des Waffenstillstandsabkommens durch die Jordanier nicht für wichtig genug.

Jerusalem nach 1967

Nachdem Israel 1967 die volle Kontrolle über die heiligen Stätten erobert hatte, verkündete Außenminister Eban den freien Zugang zu allen heiligen Stätten. Israel sei bereit, mit allen großen Religionen zusammenzuarbeiten, um „Immunität und Heiligkeit aller Heiligen Stätten“ zu gewährleisten.[18] Und Premier Levi Eshkol bekräftigte vor eine Gruppe religiöser Führer, die Absicht Israels, „die internationale Verwaltung und Organisation der Heiligen Stätten in die Hände der jeweiligen religiösen Führungen“ zu legen.[19]

Zu diesem Zweck verabschiedete die Knesset am 27. Juni 1967 ein Gesetz, dass den freien Zugang zu den religiösen Stätten garantierte und jene vor Entweihung schützte.[20] Zudem dehnte die Knesset jedoch Recht, Gerichtsbarkeit und Regierungsgewalt Israels auf ganz Jerusalem aus mit dem Ziel Jerusalem innerhalb der israelischen Verwaltungs- und Öffentlichkeitsstrukturen zu integrieren.[21] Im Hinblick auf die heiligen Stätten des Islam wie dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee gewährte Israel die praktische Verwaltung und Überwachung der religiösen Waqf-Autorität, die dem jordanischen Ministerium für religiöse Stiftungen unterstellt ist.

Trotz dieser Maßnahmen von Israels Seite zur Gewährleistung der freien Zugangs zu den heiligen Stätten hat die internationale Gemeinschaft mittels wiederholter Resolutionen durch die UN beständig Israels Maßnahmen im Hinblick auf Jerusalem für ungültig erklärt und stattdessen gefordert zum ursprünglichen absurden Status zurückzukehren.[22]

Die amerikanische Position zu Jerusalem

Am 14. Juni 1967 machte der amerikanische UN-Botschafter Arthur Goldberg deutlich, dass die Vereinigten Staaten die israelischen Maßnahmen zur Annexion Ostjerusalems nicht als dauerhaft akzeptierten, sondern allenfalls als vorläufig bis zum Abschluss eines Endstatusabkommens. Jerusalem sei nur Teil eines größeren Problems.[23]

1969 erklärte der amerikanische Außenminister William Rogers die Haltung der Amerikaner, dass Jerusalem „eine vereinigte Stadt, in der es keine Einschränkungen im Personen- und Güterverkehr mehr gibt,“ sein solle. Jordanien und Israel sollten Rollen im zivilen wie religiösen Leben der Stadt übernehmen.[24]

Beim Beginn des Nahostfriedensprozesses nach dem Besuch des ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat in Jerusalem 1977 spielte Jerusalem keine Rolle als Verhandlungsgegenstand im dort ausgehandelten „Rahmenplan für Frieden im Nahen Osten.“[25]

Von dem jordanischen König Hussein auf seine Haltung hinsichtlich Jerusalem befragt, sagte US-Präsident Jimmy Carter: „Wir glauben, dass ein Unterschied gemacht werden sollte zwischen Jerusalem und dem Rest des Westjordanlands aufgrund der Sonderrolle und gesonderten Umstände der Stadt. Wir stellen uns daher vor, dass die Verhandlungslösung für den Endstatus von Jerusalem in manchen Fragen anders sein sollte als für das Westjordanland. Auf welche Lösung man sich schließlich einigen wird sollte Jerusalem als physisch ungeteilte Stadt bewahren.“[26]

In einem Brief vom 17. September 1978 erklärte der ägyptische Präsident Sadat die Haltung Ägyptens, dass die israelischen Maßnahmen ungültig wären, jedoch alle Menschen freien Zugang zu den heiligen Stätten haben sollten und wesentliche Funktionen der Stadt ungeteilt bleiben und von einem paritätisch von Israel und Arabern besetzten Stadtrat verwaltet werden sollten. „Auf diese Weise soll die Stadt ungeteilt bleiben.“

Der israelische Premier Menachem Begin ließ Carter in einem Schreiben wissen, dass die israelische Knesset im Juli 1967 Jerusalem zur unteilbaren Hauptstadt Israels erklärt habe, woraufhin Carter antwortete, dass die Vereinigten Staaten an der von UN-Botschafter Goldberg 1967 vorgetragenen Position festhalten würden.[27]

Oslo I, 1993

Mit dem Beginn direkter Verhandlungen zwischen offiziellen palästinensischen und israelischen Delegationen in Folge der Madrider Friedenskonferenz 1991 eröffnete sich erstmals der Raum für detaillierte bilaterale Diskussionen, u.a. auch zur Jerusalem-Frage. In der Prinzipienerklärung (Oslo I) erklärten beide Seiten die Anerkennung „ihrer jeweiligen legitimen und politischen Rechte“ und einigten sich darauf, die notwendigen Schritte zum Erreichen „friedlicher Koexistenz, wechselseitiger Würde und Sicherheit und eines gerechten, dauerhaften und umfassenden Frieden und historischer Aussöhnung durch den vereinbarten politischen Prozess“ einzuleiten.[28]

Dabei wurde vereinbart, dass im Laufe der für fünf Jahre vorgesehenen Übergangsperiode der palästinensischen Interimsregierung Endstatusverhandlungen auch das Thema Jerusalem betreffen sollten. Die Wortwahl verwiese nur auf Jerusalem in Allgemeinen und nicht nur auf Ostjerusalem und die heiligen Stätten im Besonderen. Dore Gold hat dazu festgestellt, dass „als Israel 1993 das Osloer Abkommen unterzeichnete akzeptierte es zum ersten Mal seit 1967, Jerusalem zum Gegenstand zukünftiger Verhandlungen zu machen.“[29]

Oslo II, 1995

Während Oslo I Jerusalem zur Verhandlungssache eines Endstatusabkommens machte, enthielt das „Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen“ (Oslo II) detaillierte Vorkehrungen, um den palästinensischen Einwohnern Ostjerusalems die Teilnahme an Wahlen zu den palästinensischen Regierungsinstitutionen zu ermöglichen.[30]

Jerusalem in der Roadmap des Nahostquartetts 2003

Der 2002 von Saudi Arabien vorgelegte Friedensplan machte einen Frieden von Israels Akzeptanz eines unabhängigen Palästinenserstaates mit Ostjerusalem als Hauptstadt abhängig. Die von den Vereinigten Staaten initiierte und vom Nahostquartett (USA, EU, UN und Russland) ausgearbeitete „Roadmap“ zur Zweistaatenlösung legte dazu mehrere Phasen vor und verlangte für die erste von Israel die Öffnung der palästinensischen Handelskammer in Ostjerusalem. In der dritten Phase, die 2005 abgeschlossen werden sollte, sah die Roadmap ein endgültiges und umfassendes Endstatusabkommen vor, mit dem der Konflikt und die „Besatzung, die 1967 begann,“ beendet werden sollten, einschließlich einer „Verhandlungslösung über den Status von Jerusalem, die die politischen und religiösen Ansprüche beider Seiten berücksichtigt und die religiösen Interessen von Juden, Christen und Moslems weltweit beschützt.“

Verhandlungsvorschläge zum Endstatus von Jerusalem

Angesichts der Möglichkeit einer Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern in der Zukunft sind eine Reihe von Vorschlägen unterschiedlicher Praktikabilität von verschiedenen internationalen und lokalen Körperschaften, Völkerrechtsexperten und anderen lanciert worden, mit dem Ziel, als Grundlage dieser Verhandlungen zu dienen. Alle beabsichtigen ein gewisses Element an Internationalisierung und geteilter Souveränität oder Verwaltung Jerusalems.

· 1988 schlug Walid Khalidi vor, dass Westjerusalem die Hauptstadt Israels, Ostjerusalem die Hauptstadt Palästinas sein sollte, der Zugang zu den heiligen Stätten des Judentums werde garantiert und ein Großer Ökumenischer Rat der drei Religionen überwacht die interreligiöse Harmonie.[31]

· 1992 schlug Adnan Abu Odeh „Zwei Hauptstädte in einem ungeteilten Jerusalem“ vor. Die Souveränität über die außerhalb der Altstadt befindlichen städtischen Gebiete sollte durch die demografische Struktur bestimmt werden, während die Altstadt der Welt und den drei Religionen gehören sollte, regiert von einem Rat der höchsten religiösen Autoritäten.[32]

· 1993 präsentierte Hanna Siniora einen auf dem Teilungsplan von 1947 fußenden Vorschlag, der vorsah, dass alle Regierungsinstitutionen beider Völker im Großraum Jerusalem lokalisiert werden könnten, während die Souveränität über Jerusalem beim Stadtrat läge.[33]

· Der Plan des Israel/Palestine Center for Research and Information (IPCRI) von 1994 sah vor, dass die geografisch ungeteilte Stadt, politisch in zwei Hauptstädte geteilt würde, mit zwei Souveränitäten und Stadtverwaltungen, die sich koordinierten, sowie einer gemeinsamen Verwaltung für die Altstadt.[34]

· Der Beilin-Abu-Mazen-Plan, den der israelische Vizeaußenminister Yossi Beilin und Arafats Stellvertreter Mahmoud Abbas 1995 als Arbeitspapier vorlegten, schlug eine gemeinsame Verwaltung bei gleichzeitigem Hauptstadtstatus für beide Seiten vor. Arafat nannte diese die „Grundlage für weitere Verhandlungen.“[35]

· Im Mai 2000 präsentierte der Kodirektor von IPCRI Gershon Baskin einen Vorschlag, der „verstreute Souveränität“ vorsah. Als nicht verhandelbar bezeichnete er die israelische Kontrolle des Klagemauer-Areals, des jüdischen Viertels der Altstadt, israelischer Viertel in Ostjerusalem, die nach 1967 errichtet wurden, sowie die Garantie von Sicherheit und Freizügigkeit. Abgesehen davon sollten die Grenzen Ostjerusalems auf Grundlage von UN-Sicherheitsratsresolution 242 und dem 4. Juni 1967 verlaufen, wobei es in Jerusalem keine physischen Grenzen geben sollte.[36]

· Die Clinton-Parameter vom Dezember 2000 schlugen eine israelische Souveränität über das Klagemauer-Areal vor sowie ein offenes und ungeteiltes Jerusalem, das beide Hauptstädte umfasst.[37]

· Die Arbeitsgruppe „Das historische Becken Jerusalems: Probleme und mögliche Lösungen“, geführt von Prof. Ruth Lapidoth und Dr. Amnon Ramon, schlug 2010 ein internationales Engagement vor zur Überwindung des Misstrauens zwischen beiden Seiten. Keine der beiden Parteien sollte gezwungen werden, ihre Souveränität aufzugeben. Auf diese Weise wäre eine langfristige Übergangslösung möglich, bis genügend Vertrauen für eine dauerhafte Lösung etabliert wäre.[38]

Schlussfolgerung

Trotz der vielen verschiedenen Vorschläge zur Jerusalemfrage, haben sich Generationen an Unterhändlern vergeblich um eine Einigung bemüht. Auf der israelischen Seite existiert ein Paradox innerhalb der formalen Position. Obwohl das Osloer Abkommen von September 1993 Jerusalem zum Gegenstand von Endstatusverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern erklärte, machte Premierminister Yitzhak Rabin in seiner letzten Knesset-Ansprache von 1995 deutlich, dass Jerusalem ungeteilt unter israelischer Souveränität bleiben sollte. Durch die Formalisierung vergangener Absprachen mit den Jordaniern, die die Verwaltung der islamischen heiligen Stätten übernahmen, scheint Rabin eine Unterscheidung getroffen zu haben zwischen politischer Souveränität und internationaler Aufsicht über religiöse Heiligtümer, die er bereit war, mit den Nachbarn auszuloten.

Einer solchen Lösung muss allerdings ein stabiles politisches und rechtliches Abkommen zwischen beiden Parteien vorausgehen, durch welches echte friedliche Beziehungen zwischen ihnen errichtet und die jeweils gemeinsamen und getrennten Sphären von Verwaltung, Kontrolle, Verantwortung und Kooperation genauer beschrieben werden. Dieses Abkommen hätte von der internationalen Gemeinschaft vollständig akzeptiert zu sein. Und es müsste auf einer absoluten Anerkennung und Respekt der jeweiligen historischen und religiösen Rechte der anderen Seite fußen. Fortgesetztes Misstrauen, Versuche, die andere Seite zu Fall zu bringen und zu unterminieren gegenüber der eigenen Bevölkerung oder der internationalen Gemeinschaft, sowie Delegitimisierungskampagnen gegen die Integrität oder die historischen Rechte der anderen Seite, zerstören die Hoffnung auf die Möglichkeit einer friedlichen Einigung über Jerusalem.


[1] “Views of the Israel Public on Israeli Security and Resolution of the Arab-Israeli Conflict,” Dahaf

Institute Survey 3114, December 2012, http://jcpa.org/article/dahaf-survey-18-december-

[2] Gil Hoffman, “6 in 10 Palestinians Reject 2-State Solution, Survey Finds,” Jerusalem Post, July 15,

2011, http://www.jpost.com/DiplomacyAndPolitics/Article.aspx?id=229493.

[3] Weizmann Papers, vol. II, Paper 98, pp. 700-702. Jacques Paul Gauthier, “Sovereignty over the Old City of Jerusalem,” 2007, p. 600; MartinGilbert, “Jerusalem: A Microcosm of Jewish Rights,” Israel at 60: Confronting the Rising Challenge to its Historical and Legal Rights (Jerusalem Center for Public Affairs, 2009). Dore Gold,

“Defending Israel’s Legal Rights to Jerusalem,” Israel’s Rights as a Nation-State in International Diplomacy (Jerusalem Center for Public Affairs, 2011), p. 91.

[4] http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,999674,00.html. See also http://www.

mostmerciful.com/night-journey-of-prophet-muhammad.htm, und http://islam.about.

com/od/jerusalem/a/quds.htm. Zvi Verblovsky “The Meaning of Jerusalem to Jews,

Christians and Moslems,” Jerusalem, 1988.

[5] Constantine Rackausas, The Internationalization of Jerusalem (Washington: Catholic Association for International Peace, 1957), p. 9, Jacques Paul Gauthier, “Sovereignty over the Old City of Jerusalem,” 2007, p. 315.

[6] Gauthier, ibid., pp. 302-305.

[7] M. Cherif Bassiouni, Documents of the Arab-Israeli Conflict (New York, 2005), vol. 1, p. 20.

[8] http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/

Guide+to+the+Peace+Process/The+Mandate+for+Palestine.htm.

[9] A/Res 181(II) of 29 November 1947.

[10] Ibid., Part IA3.

[11] Moshe Sharett of February 27, 1948, to the UN Security Council, Gauthier, p. 581. Dore Gold, in “Defending Israel’s Legal Rights to Jerusalem,” Israel’s Rights, op. cit., p. 101.

[12] L. Kleter, “The Sovereignty of Jerusalem in International Law,” 20 Columbia Journal of Transnational Law 1981, p. 350, zitiert Dore Gold, ibid.

[13] GAOR, 2nd Sess., 1947, Ad-Hoc Committee on the Palestine Question, pp. 5-11. M. Cheriif Bassiouni, op. cit., p.101. http://www.mfa.gov.il/MFA/Foreign+Relations/Israels+Foreign+Relations+since+1947/1947-1974/5+Arab+League+declaration+on+the+invasion+of+Pales.htm.

[14] Shlomo Avineri, “Self-Determination and Israel’s Declaration of Independence,” in Israel’s Rights

as a Nation-State in International Diplomacy, p. 39, http://jcpa.org/article/rights-of-israel-asthe-

nation-state-of-the-jewish-people/

[15] Resolution 185 (S-2) of April 26, 1948; Resolution 186 (S-2) of May 14, 1948.

[16] GAOR, 3rd Sess., part 2, 1949, Ad Hoc Political Committee, 45th meeting, May 5, 1949 (A/818), pp.

230-236, in Ruth Lapidoth und Moshe Hirsch, eds., The Jerusalem Question and its

Resolution: Selected Documents (1994), pp. 43-48.

[17] N. Bentwich, “Israel Resurgent,” pp. 186-7, reproduced in Gauthier, op. cit., p. 634.

[18] http://www.mfa.gov.il/MFA/Foreign+Relations/Israels+Foreign+Relations+since+1947/1947-19

74/25+Statement+to+the+General+Assembly+by+Foreign+Mi.htm

[19] Yehuda Blum, The Juridical Status of Jerusalem (Jerusalem: Leonard Davis Institute, 1974), p. 31.

[20] Protection of Holy Places Law, 1967 http://www.mfa.gov.il/MFA/Foreign+Relations/Israels+Forei

gn+Relations+since+1947/1947-1974/14+Protection+of+Holy+Places+Law.htm

[21] Law and Administration Ordinance (Amendment No. 11) Law, June 27, 1967. Municipal

Corporation Ordinance (Amendment) Law, 1967, http://www.mfa.gov.il/MFA/

Foreign+Relations/Israels+Foreign+Relations+since+1947/1947-1974/13+Law+and+Administr

ation+Ordinance+-Amendment+No.htm

[22] Security Council Resolutions 252 (1968), 267 (1969), 271 (1969), 298 of September 25, 1971,

446 of March 22, 1979, 452 of September 20, 1979, 476 of March 1, 1980, 471 of June 5, 1980,

592 of June 30, 1980, 478 of August 20, 1980, 592 of September 8, 1986, 605 of December

22, 1986, 904 of March 13, 1994, 55/50 of December 1, 2000. See also General Assembly

Resolutions 2253 (ES-V) of July 4, 1967, 2254 (ES-V) of July 14, 1967, 2949 of December 8, 1972,

36/120E of December 10, 1981, 37/123C of December 16, 1982, 38/180C of December 19,

1983, 29/146 C of December 14, 1984, 40/168 C of December 16, 1985, 41/162C of December 4,

1986,42/209D of December 11, 1987, 43/54 C of December 6, 1988, 44/40 of December 4, 1989,

45/83C of December 13, 1990, 46/82B of December 16, 1991, 47/63 of December 11, 1992,

49/59 of December 14, 1993, 49/87 of December 16, 1994, 50/22 of December 4, 1995, 51/27 of

December 4, 1996, 52/53 of December 9, 1997, 53/37 of December 2, 1998, 54/37 of December

1, 1999.

[23] GAOR, 5th Emergency Special Sess., Plenary, 1544th Mtg, June 14, 1967, pp. 9-11.

[24] Lapidoth and Hirsch, op. cit., pp. 282-3.

[25] http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Guide+to+the+Peace+Process/Camp+David+

Accords.htm

[26] William B. Quandt, Camp David: Peacemaking and Politics (Washington: Brookings Institution,

1986), pp. 388-396, cited in Jerusalem Perspectives Towards a Political Settlement (Tel Aviv: New

Outlook/U.S. Institute for Peace, 1993), pp. 20-1.

[27] http://www.jimmycarterlibrary.gov/documents/campdavid/letters.phtml

[28] http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Guide+to+the+Peace+Process/

Declaration+of+Principles.htm

[29] Dore Gold, op. cit., Israel’s Rights, p. 103.

[30] http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Guide+to+the+Peace+Process/Agreement+on+G

aza+Strip+and+Jericho+Area.htm

[31] Walid Khalidi, “Toward Peace in the Holy Land,” Foreign Affairs (Spring 1988): 771-789.

[32] “The Status of Jerusalem,” UN Doc. 97-24262 (1997), zitiert in:

Bassiouni, op. cit., p. 1143, quoting an article by Moshe Amirav in the Jerusalem Report, March

12, 1992.

[33] Hanna Siniora, “The Siniora-Amirav Model,” quoted in Jerusalem Perspectives Toward a Political

Settlement (Tel Aviv: New Outlook/U.S. Institute for Peace, 1993), pp. 30-1.

[34] UN Report zitiert in Bassiouni, p. 1142, zitiert Gershon Baskin, “A Strategic

Analysis for Implementing a Peace Plan in Jerusalem,” JADE News, April 1994..

[35] http://reut-institute.org/en/Publication.aspx?PublicationId=732

[36] Gershon Baskin, “The Agreement on Jerusalem and its Price,” May 2000, http://www.ipcri.org/

files/solution.htm

[37] http://www.peacelobby.org/clinton_parameters.htm; http://jcpa.org/art/jid-campdavid.htm

[38] http://www.jiis.org/.upload/publications/basin.pdf, p. 10.