Israelische „Apartheid“? – Ein verleumderischer Vorwurf

Israelische „Apartheid“? – Ein verleumderischer Vorwurf
 
Robbie Sabel
 
 
Wie auf eine Lüge reagieren? Das Dilemma
 
Wird eine Verleumdung publiziert stehen die davon Betroffenen – Individuen wie Gesellschaften – immer vor einem Dilemma. Ignoriert man sie, so läuft man Gefahr, dass es als Geständnis – oder zumindest als ein Teilgeständnis – interpretiert wird. Gleichzeitig überlässt man so der Lüge den Spielraum, sich ungehindert auszubreiten. Darauf zu reagieren bringt den Bezichtigten in die ärgerliche Position, seine Unschuld beweisen zu müssen und sich auf einen Dialog über den Sachverhalt einzulassen – einen Dialog, in dessen Wesen es liegen kann, dass die Verleumdung weiter um sich greift. Doch das Ausmaß, in dem versucht wird, Israel mit den scheußlichen Phänomenen Rassismus und Apartheid zu beschmutzen, hat ein Niveau erreicht, bei dem, wie ich finde, Israel reagieren muss, unabhängig von dem erwähnten Dilemma. Sich mit Völkerrecht befassende Blogs zu dem Thema vermehren sich[1] und eine Organisation hat ein 300-Seiten-Traktat prominenter Anwälte publiziert, um zu „beweisen“, dass Israel Apartheid anwendet.[2] Wenn es diesen Kritikern Israels in Analogie gelingt, die jüdische Bewegung zur Selbstbestimmung mit dem Apartheidsregime Südafrikas zu assoziieren, dann ist der Schaden dauerhaft und vielleicht sogar irreparabel. Die Analogisierung mit etwas Abscheulichem ist eine äußerst effektive Technik. So wird von der Realität eines Sachverhalts – in diesem Fall der jüdischen Selbstbestimmung und Israel – abgelenkt hin zu einem Regime, dass universell verabscheut wird.
 
Die Geschichte der Kampagne
 
Der Ursprung der Kampagne, die jüdische Nationalbewegung des Zionismus mit Rassismus und in Folge dessen auch mit Apartheid gleichzusetzen, liegt in der Koalition zwischen den arabischen Staaten, der Sowjetunion und ihrer Alliierten bei den Blockfreien Staaten in den siebziger Jahren. Mithilfe ihrer automatischen Mehrheit in der UN-Vollversammlung verabschiedeten sie 1975 eine Resolution, in der der Zionismus als Form des Rassismus verurteilt wurde.[3] Die Resolution wurde von Kirchenführern weitestgehend als antisemitisch verurteilt. Der New Yorker Kardinal Terence Cooke erklärte: „Wir müssen Antisemitismus in aller Entschiedenheit zurückweisen, wenn er in scheinbarer Legalität der Vereinten Nationen daherkommt genauso wie in aller Rohheit an der nächsten Straßenecke.“ Die US National Catholic Conference for Interracial Justice bezeichnete diese Resolution als „Antisemitismus der schlimmsten Sorte.“ Und der vorsitzende Bischof der amerikanischen Episkopalkirche, John M. Allin, verurteilte das Vorgehen der UN als „unentschuldbaren Angriff gegen das legitime Streben des jüdischen Volkes auf ein Heimatland, das 1947 von der UN selbst bestätigt wurde.“[4] Die Resolution wurde schließlich von der Vollversammlung 1991 widerrufen,[5] anscheinend das erste Mal, dass die UN einen solchen Schritt unternahm, doch das verleumderische Gift war in Umlauf geraten.
 
Apartheid
 
Man hat Apartheid definiert als eine „gesellschaftliche Politik der Rassentrennung und Diskriminierung, die von der weißen Minderheitsregierung in Südafrika zwischen 1948 und 1994 durchgesetzt wurde.“[6] Einer weiteren Wörterbuchdefinition zufolge ist sie „Rassentrennung; spezifisch: eine ehemalige Politik der Trennung und politischen wie ökonomischen Diskriminierung gegen nichteuropäische Bevölkerungsgruppen in der Republik Südafrika.“[7] In dieser Situation wurde die schwarze Mehrheit der Bevölkerung abgetrennt und diskriminiert und es wurde ihnen das Recht zur Teilnahme an Landeswahlen und zur Teilhabe an der Regierung verwehrt.[8] Zu den wesentlichen Merkmalen der südafrikanischen Apartheidspolitik gehörten:
 
  • Verbot der Ehe zwischen Weißen und Nichtweißen.[9]
  • Verbot der außerehelichen Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen.[10]
  • Erzwungene physische Trennung zwischen den Ethnien durch Errichtung verschiedener Wohngebiete für verschiedene Ethnien.[11]
  • Verbot von Facharbeit für Schwarze in städtischen Gebieten außer in den für Beschäftigung Schwarzer vorgesehenen Bereichen.[12]
  • Verbot der Teilnahme an Landeswahlen für Farbige.[13]
  • Pflicht aller Schwarzer, zu allen Zeiten einen Spezialpass mitzuführen. Schwarzen war es nicht gestattet, ohne Genehmigung der lokalen Behörden ein ländliches Gebiet für ein städtisches zu verlassen.[14]
  • Kein Streikrecht für Schwarze.[15]
  • „Ministerium für Schwarzenbildung“. Der damalige Minister für Eingeborenenfragen und spätere Ministerpräsident Verwoerd erklärte, Ziel sei es, Schwarzafrikaner von einer Bildung abzuhalten, die sie dazu bringen würde, Stellungen anzustreben, die ihnen in der Gesellschaft nicht gestattet seien.[16] Schwarze Studenten wurden von den wesentlichen weißen Universitäten verbannt.[17]
  • Die sogenannte „Kleine Apartheid“ in allen Gemeinschaftseinrichtungen wie Restaurants, Schwimmbädern und öffentlichen Verkehrsmitteln. „Nur für Weiße“ und „Nur für Nicht-Weiße“-Schilder wurden aufgestellt, um diese Gesetzgebung durchzusetzen.[18]
 
Die israelische Gesellschaft
 
Israel steht unter all den inneren Zwängen und Spannungen, die für alle Einwanderungsgesellschaften typisch sind. Hinzu kommt die permanente Bedrohung der israelischen Sicherheit. Die Anwesenheit einer arabischen Minderheit, von denen einige Mitglieder starke familiäre und kulturelle Bindungen zu Verwandten in Israel feindlich gesinnten arabischen Staaten unterhalten, ist ein weiterer Unruhefaktor. Dennoch könnte kein objektiver Beobachter behaupten, dass es in Israel Apartheid gäbe.
 
Israel ist eine der offensten Gesellschaften der Welt.[19] Juden stellen 80 Prozent der Bevölkerung, doch die Gesellschaft ist multiethnisch und bunt. Israel verfügt über allgemeines Wahlrecht in freien Wahlen und eine unabhängige und effektive Judikative. Die arabische Minderheit ist aktiv am politischen Prozess beteiligt. Es gibt arabische Parlamentarier, Araber stellen Vizesprecher in der Knesset und sogar im Kabinett. Es gibt arabische Richter, einschließlich am Obersten Gerichtshof, arabische Kabinettminister, arabische Chefärzte, arabische Universitätsprofessoren, arabische Diplomaten im Auswärtigen Dienst und arabische Polizei- und Armeeoffiziere in den höchsten Rängen.[20]
 
Aufstachelung zum Rassismus stellt in Israel eine Straftat dar.[21] Israels Städte und Gemeinden haben gemischt arabisch-jüdische Bevölkerung. Wenn in der Vergangenheit private kooperative Dörfer ihre Mitglieder durch einen Selektionsprozess bestimmten, der Araber diskriminierte, so wurde dies vom Obersten Gericht Israels als Diskriminierung verurteilt und war somit illegal.[22] Im israelischen Recht stellt es einen Strafbestand dar, wenn öffentliche Körperschaften auf Grundlage von ethnischer oder religiöser Identität diskriminieren. Das Oberste Gericht Israels hat entschieden, dass das „Verbot der Diskriminierung auf Basis von Ethnie, Geschlecht, Nationalität, Gemeinde, Herkunftsland, Religion, Glauben oder sozialer Stellung ein grundlegendes Verfassungsprinzip ist, verknüpft und verflochten mit unseren grundlegenden rechtlichen Konzeptionen und deren integraler Bestandteil.“[23] Das gesetzliche Verbot von Diskriminierung an öffentlichen Orten[24] wird von den Gerichten derart umfassend interpretiert, dass es sogar für privat geführte Orte wie Schulen, Bibliotheken, Schwimmbäder und Geschäfte, die der Öffentlichkeit dienen, gilt. In einem Gesetz von 2000 wurde jede Form von Diskriminierung bei der Registrierung von Studenten durch Regierungs- und Lokalbehörden oder Bildungseinrichtungen untersagt. Es fällt schwer, sich eine Gesellschaft vorzustellen, die dem Südafrika der Apartheid unähnlicher ist als Israel.
 
Bedeutet Israel als „jüdischer Staat“ automatisch Apartheid?
 
Angesichts der Tatsache, dass der Vorwurf einer tatsächlichen Apartheid in Israel nicht glaubwürdig ist, wird behauptet, der Umstand, dass Israel ein jüdischerStaat ist, beweise, dass es sich um eine „apartheidmäßige“ Situation handelt.[25] Auf einer Website heißt es, „Apartheid begann mit und entspringt der Gründung des kolonialen jüdischen Staates, sowohl auf der rechtlichen Ebene (de jure) als auch in der Umsetzung seiner Ziele auf verschiedenen Ebenen (de facto),“[26] sowie „die Schaffung eines ‚jüdischen Volkes‘ ist ein Konstrukt und Werkzeug des zionistischen Projekts zur eigenen Legitimation und zur Definition der Opfer seines Rassismus“.[27] Eine sich „gelehrt“ gebende Studie schlussfolgert: „Das System des israelischen Zionismus ähnelt dem, das in der Union, später der Republik Südafrika zwischen 1948 und (zuletzt) 1994 zum Einsatz kam.“[28]
 
Der Knackpunkt der Vorwürfe gegen Israel kommt in der häufig vorgebrachten Anschuldigung zum Ausdruck, der israelische Rassismus werde „am deutlichsten symbolisiert in der jüdischen Fahne Israels, der Hymne und den staatlichen Feiertagen.“[29] Die Ankläger haben keinerlei Kritik an den zig liberal-demokratischen Staaten, die christliche Kreuze in ihren Fahnen haben, noch an den islamischen Staaten, mit dem Halbmond des Islam in der Fahne. Dass westliche Staaten mit jüdischen und islamischen Minderheiten Weihnachten als nationalen Feiertag haben, wird gebilligt, doch dass Israel das Pessach-Fest als staatlichen Feiertag feiert, gilt als rassistisch. Man wirft den verschiedenen arabischen Staaten, die sich als „arabische Republik“ bezeichnen, dies nicht vor, doch ein „jüdischer Staat“ bedeutet Rassismus und Apartheid. Eine der Webseiten, die diese Verleumdung am aktivsten propagiert, schreibt dann auch: „Das zionistische Projekt ist ein europäisches Konstrukt, das dem europäischen Nationalismus der Kolonialzeit entspringt und sich in Nationalstaatlichkeit ausdrückt. Der palästinensische Freiheitskampf ist seinem Wesen nach ein antikolonialer Kampf. Jedem kolonialen Projekt wohnt ein rassistisches, eurozentristisches Weltbild inne.“[30] Mit anderen Worten, die palästinensische Nationalbewegung ist legitim, die jüdische hingegen Apartheid.[31] Eine weitere Webseite, die Zionismus und Apartheid gleichsetzt, erklärt die Analogie auf Grundlage dessen, dass das israelische Recht verlange, dass „die politische Partizipation der Palästinenser in Israel ausdrücklich abhängig ist von der Akzeptanz der jüdischen Exklusivität des Staates.“[32] Die Autoren unterschlagen das vollständige Zitat des Gesetzes, in dem allerdings kein Wort von der „Exklusivität“ steht, sondern einer politischen Liste das Recht auf Teilnahme an Wahlen verwehrt wird, wenn sie:
 
1)     die Existenz Israels als jüdischen und demokratischen Staat verneint;
2)     zum Rassismus aufstachelt;
3)     den bewaffneten Kampf eines feindlichen Staates oder einer Terrororganisation gegen Israel unterstützt.[33]
 
Ein Gesetz, dass Rassismus ächtet, ist keine Apartheid.
 
Eine andere Webseite beschuldigt Israel deswegen der Apartheid, weil „Vergünstigungen für Militärveteranen … meist Juden zu Gute [kommen].“[34] Nicht erwähnt wird, dass Araber nicht zum Wehrdienst verpflichtet sind und daher während dieser drei Jahre, in denen andere 18-Jährige ihren Dienst leisten müssen, studieren oder arbeiten können, und auch nicht, dass die Araber, die zur Armee gehen, dieselben Vergünstigungen als Militärveteranen erhalten.[35] Man könnte meinen, dass jedes Land, das seinen Veteranen Vergünstigungen zukommen lässt, so wie in der amerikanischen „G.I. Bill of Rights“, sich aus Perspektive solcher Webseiten der Apartheid schuldig machen würde.
 
Trotz der jahrelangen massiven Propaganda arabischer Staaten und der Hassprediger von Seiten der extremen Linken und Rechten hat die überwiegende Mehrheit der Menschen in demokratischen Staaten ihre Unterstützung für das legitime Recht auf Selbstbestimmung des jüdischen Volkes, die sich in der Gründung Israels ausdrückte, gezeigt. Genau gegen diese Solidarität wird das Schreckgespenst des Apartheidvorwurfs erhoben. Mit ihm wird versucht, die jüdische Nationalbewegung zu delegitimieren. Und es ist umso schädlicher, dass es nicht als Einwand gegen bestimmte Aspekte der israelischen Außenpolitik erhoben wird, sondern gegen diese grundlegende Legitimität.
 
Die jüdischen Nationalbewegung – bestätigt durch das Völkerrecht
 
Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass keine der Anschuldigungen, Zionismus sei eine Form von Apartheid, darauf verweist, dass es vielleicht die einzige Nationalbewegung ist, die ausdrückliche Unterstützung und Bestätigung des Völkerbundes und der Vereinten Nationen erhalten hat. Es war der Völkerbund, der das Mandat für Palästina mit dieser deutlichen Billigung in seiner Präambel verabschiedete, in der „hiermit … der historischen Beziehung des jüdischen Volkes zu Palästina und der Gründe für die Wiedererrichtung seiner Heimstaat in diesem Land Anerkennung verliehen [wird].“[36] Interessanterweise forderte das Mandat, die Mandatsmacht solle „jüdische Immigration unter angemessenen Bedingungen fördern und in Kooperation mit der Jewish Agency eine dichte Besiedlung des Landes durch Juden, einschließlich auf Staats- und Ödland, das nicht für andere öffentliche Zwecke gebraucht wird, ermutigen.“[37] Es waren die Vereinten Nationen, die 1947 die Errichtung von „unabhängigen arabischen und jüdischen Staaten“ forderten.[38] Erneut scheint an dieser Stelle die Forderung nach einen unabhängigen arabischen Staat legitim zu sein, während die nach einen unabhängigen jüdischen irgendwie Rassismus darstellt. Es waren die Vereinten Nationen die 1949 mit Zweidrittelmehrheit erklärten, dass der jüdische Staat ein „friedliebender Staat“ sei und Israel als volles Mitglied der UN akzeptierten.[39]
 
Der Friedensprozess – eine Form von Apartheid?
 
Ein weiterer Versuch, Israel mit dem südafrikanischen Apartheidregime zu assoziieren, ist die Behauptung, dass der Nahostfriedensprozess auf irgendeine Weise eine Manifestation von Apartheid sei.[40] Noam Chomsky schreibt z.B., dass „die Administration in die Hände der korrupten und brutalen Palästinenserbehörde gelegt [wurde], die die Rolle eingeborener Kollaborateure der imperialen Herrschaft spielt wie die schwarze Führung der südafrikanischen Bantustans.“[41] Professor Francis Boyle beschrieb den Oslo-Prozess als „verwandt den Bantustans, die das Apartheid-Regime für die schwarze Bevölkerung der Republik Südafrika eingerichtet hatte.“[42] Ein anderer Autor behauptet: „Im Namen der Sicherheit: Israel richtet Apartheid-Zonen ein.“[43] Sich gebildet gebende NGOs haben zu diesem Thema Workshops veranstaltet.[44]
 
Der Friedensprozess ist auf einige Kritik gestoßen, doch es mutet mit Sicherheit seltsam an, wenn ignoriert wird, dass er Hoffnung auf eine bleibende Friedenslösung ausgelöst hat. Seine Protagonisten erhielten dadurch drei Nobelpreise und mittels demokratischer Wahlen die Unterstützung der Mehrheit der Einwohner Israels und der Palästinenser im Westjordanland. Die israelisch-palästinensische Prinzipienerklärung in Oslo wurde als Teil des Madrider Friedensprozesses[45] zum Zeichen der Unterstützung von den Vereinigten Staaten und der Russischen Föderation unterzeichnet. Das israelisch-palästinensische Interimsabkommen von 1995 – ebenso Teil des Madrid-Prozesses[46] – wurde zur Unterstützung von Vertretern der USA, Russlands, Ägyptens, Jordaniens, der EU und Norwegens unterzeichnet. Die „Roadmap“[47] für den Nahen Osten, die die Prinzipien von Madrid enthält, wurde wiederholt vom UN-Sicherheitsrat bestätigt.[48] Auch die Vollversammlung der Vereinten Nationen hat diese israelisch-palästinensischen Abkommen bekräftigt;[49] und sie wurde sogar vom Internationalen Gerichtshof mit Billigung erwähnt.[50] Hier handelt es sich kaum um „Bantustans“, Marionettenregime, die von keinem anderen Staat unterstützt wurden, als von Südafrika selbst, der sie unilateral geschaffen hatte. Die bösartige Kritik scheint also von jenen zu kommen, die an keinerlei friedlicher Lösung interessiert sind.
 
Die „Apartheidsmauer“
 
Die populärste Verwendung des Wortes Apartheid im Zusammenhang mit Israel scheint im Kontext von Israels Sicherheitszaun zu stehen. Die israelische Armee hat die Notwendigkeit dieses Zaunes erklärt:
 
„Zwischen Israel und den Gebieten der Palästinensischen Autonomiebehörde findet sich weder Grenze und noch natürliche Hindernisse, wodurch, zum gegenwärtigen Zeitpunkt, Terroristen ein nahezu ungehindertes Eindringen in Israel möglich gemacht wird. Der Sicherheitszaun am Gazastreifen hat seine defensive Stärke bewiesen und die übergroße Mehrheit der Infiltrationsversuche wurden enttarnt und verhindert.“[51]
 
Jene, die die Konstruktion kritisieren, neigen dazu, das Wort „Trennmauer“ zu verwenden ungeachtet der Tatsache, dass „nur ein kleiner Teil der totalen Länge der Barriere (weniger als 3 Prozent oder 16 Kilometer) tatsächlich eine 10 Meter hohe Betonmauer [ist].“[52] Jeder Grenzzaun dient dazu, Gebiete zu trennen. Man mag auf eine Welt ohne Grenzen hoffe, doch solange Israel Terroranschlägen ausgesetzt ist, hat es wie auch andere Staaten das Recht, eine Barriere zu errichten, die Terroranschläge und illegale Grenzübergänge verhindert.[53] Jene, die den Zaun als „Apartheidsmauer“ bezeichnen, verweisen häufig auf ein Gutachten des Internationalen Gerichtshof in dieser Frage.[54] Sie versäumen dabei aber zu betonen, dass in seinem Gutachten über den Zaun, der IGH zu keinem Zeitpunkt eine Analogie oder Beziehung zur Apartheid hergestellt oder ihn als „Apartheidsmauer“ bezeichnet hat. Obwohl der Internationale Gerichtshof den Verlauf der „Mauer“ kritisiert hat, weil sie über die „Grünen“ Waffenstillstandslinien von 1949 hinausgeht,[55] so war er dennoch bedacht genug, Israel nicht das prinzipielle Recht zu verweigern, einen solche Sicherheitszaun zu bauen.
 
„Besetzte Gebiete“ und Siedlungen als Apartheid?
 
Einige Vertreter der „Israel-Apartheid“-These, die sich darüber im Klaren sind, dass es problematisch ist, Israel als Apartheidsgesellschaft darzustellen, beschränken sich darauf zu behaupten, die israelische Verwaltung und die israelischen Siedlungen im Westjordanland seien Manifestationen von Apartheid.[56]
 
So behaupten einige Vertreter der Kampagne, dass Ostjerusalem einem Apartheidsregime unterworfen ist und argumentieren: „Seit der illegalen Annexion durch Israel 1967 haben alle folgenden israelischen Regierungen große Anstrengungen unternommen, die Zahl der in Ostjerusalem wohnenden Palästinenser signifikant zu reduzieren, um die israelische Souveränität, eine jüdische Mehrheit zu sichern.“[57] Dies ist ein eigenartiger Vorwurf. 1967 stellten Araber mit 68 000 Personen 25 Prozent der Einwohner Jerusalems dar, 2007 betrug die Zahl der arabischen Bevölkerung Jerusalems hingegen 260 000 und damit 35 Prozent der Gesamtbevölkerung.[58]
 
Dass es einige Straßen im Westjordanland gibt, wo aus Sicherheitsgründen, israelischer und palästinensischer Verkehr getrennt werden, wird ebenso als Beweis von Apartheid angebracht.[59] Diese Behauptung ignoriert jedoch die äußerst reale Sicherheitsbedrohung für den israelischen Verkehr und unterschlägt ganz zufällig, dass „israelischer Verkehr“ die Autos von mehr als einer Million Arabern einschließt, die israelische Bürger sind und ebenfalls Opfer von Terroranschlägen werden.
 
Ein großes Thema der „Israel wendet Apartheid in den Gebieten an“-Kampagne ist, dass das israelische Recht mit all seinen Vorkehrungen zum Schutz individueller Rechte sich auf die israelischen Siedler bezieht, nicht jedoch auf die lokale palästinensische Bevölkerung, die der israelischen Militäradministration untersteht. Diese Kritik übersieht jedoch zwei Tatsachen. Zum einen verfügt seit 1993 die Palästinensische Autonomiebehörde als Teil des Friedensprozesses über die Gerichtsbarkeit über die überwiegende Mehrheit der Palästinenser im Westjordanland. Die Hamas, die sich von der Autonomiebehörde lossagte, hat hingegen die Rechtsgewalt über alle Palästinenser im Gazastreifen. Die überwiegende Zahl der Palästinenser im Westjordanland und in Gaza ist folglich weder der israelischen Militärverwaltung noch dem regulären israelischen Recht unterstellt. Ihre Gesetze, Gerichte, Polizei, Gefängnisse, Steuern etc. werden also vom palästinensischen Recht geregelt und nicht von israelischer Rechtsprechung.
 
Die andere von der Kritik ignorierte Tatsache ist, dass jeglicher Versuch israelisches Binnenrecht auf die wenigen Palästinenser anzuwenden, die sich gegenwärtig noch unter israelischer Militärverwaltung befinden, mit vehementer Opposition weltweit begegnet werden würde. Denn völkerrechtlich ist eine zeitlich begrenzte militärische Administration die Norm für jene Territorien, die sich unter keiner staatlichen Souveränität befinden. Israel wird also verdammt, wenn es sich danach richtet und wenn es sich nicht danach richtet. Was Israel möglich gemacht hat, ist, dass alle Palästinenser unter seiner Gerichtsbarkeit über Zugang zum Obersten Gericht Israels verfügen, um Eingaben gegen die israelische Armee oder Regierung zu machen. Anscheinend ist dies das einzige Mal, dass ein Staat Personen, die unter seiner Militärverwaltung stehen, einen derartigen Zugang gestattet hat.
 
Die Siedlungsfrage im Westjordanland ist ein Streitthema sowohl in der internationalen Gemeinschaft als auch in der israelischen Gesellschaft. Es sollte jedoch klar sein, dass sie geklärt werden dürfte, wenn sich Israel und die Palästinenser auf eine Grenze einigen können. Sobald diese Grenze feststeht, können israelische Siedlungen auf der palästinensischen Seite einer solchen zukünftigen Grenze nur bestehen, wenn die Palästinenser zustimmen. Diese Frage ist also ein Grenzfrage zwischen Israel und einem zukünftigen Palästinenserstaat, die hoffentlich friedlich in naher Zukunft verhandelt werden wird und kein Apartheidsystem, in dem eine Minderheit eine Mehrheit kontrolliert.
 
Schlussfolgerung
 
Der vielleicht erschreckendste Hinweis auf die wirklichen Absichten der „Israel-Apartheid“-Kampagne wird auf einer ihrer wichtigsten Webseiten deutlich. Dort steht geschrieben, ein Ziel der „Strafverfolgung des Apartheid-Verbrechens ist, Israel zu zwingen:
 
„4) der wirklichen Mehrheit den Weg an die Macht in ihrem eigenen Land zu ebnen, bei gleichzeitiger Wahrung der Rechte ethnischer Minderheiten;“[60]
 
Mit anderen Worten, die wirklichen Absichten der Apartheid-Kampagne sind die Leugnung der Legitimität des Staates Israel und die Festlegung, dass das Einzige, worauf die jüdische Bevölkerung Israels dann hoffen kann, der Status einer „geschützten“ ethnischen Minderheit in einem arabischen Staat ist.
 
 
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Dr. Robbie Sabel ist Gastprofessor für Völkerrecht an der Hebrew University Jerusalem.



[1] So findet sich z.B. auf einer Völkerrecht-Webseite ein Text in dem es heißt: „Der Staat Israel hat ein formales System der Diskriminierung eingerichtet, das technisch der offiziellen UN-Definition von Apartheid entspricht.“ http://www.geocities.com/savepalestinenow/internationallaw/studyguides/sgil3k.htm
[2] Occupation, Colonialism, Apartheid? A re-assessment of Israel’s practices in the occupied
Palestinian territories under international law, Democracy and Governance Programme of the
Human Sciences Research Council of South Africa. http://www.hsrc.ac.za/Media_Release-378.phtml
[3] UN General Assembly Resolution 3379 (XXX) (1975).
[4] Alle drei Zitate aus: The UN’s Anti-Zionism Resolution: Christian Responses, By Judith H. Banki, http://www.ajcarchives.org/AJC_DATA/Files/740.PDF
[5] UN General Assembly Resolution 46/86 (1991). Angenommen nach Abstimmung 111 zu 25.
Das Statut des Internationalen Strafgerichtshof definiert Apartheid als eines der Verbrechen gegen die Menschlichkeit als „unmenschliche Handlungen … , die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer rassischer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten;“ (Artikel VII, Statut des IStGH) http://www.admin.ch/ch/d/sr/i3/0.312.1.de.pdf
[8] Die Internationale Konvention zur Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid von 1973 (1015 UNTS 243) weitet die Definition über den südafrikanischen Fall aus. Dieser Vertrag wird jedoch von vielen als überholt betrachtet und wurde von keinem westeuropäischen Staat oder Mitgliedsstaat der NATO ratifiziert.
[9] Prohibition of Mixed Marriages Act, Act No 55, 1949.
[10] South African Immorality Amendment Act, Act No 21, 1950; ergänzt in 1957 (Act 23).
[11] South African Group Areas Act, Act No 41,1950.
[12] South African Bantu Building Workers Act, Act No 27,1951.
[13] South African Separate Representation of Voters Act, Act No 46, 1951 (ergänzt 1956).
[14] South African Natives (Abolition of Passes and Co-ordination of Documents) Act, Act No 67,1952.
[15] South African Native Labour (Settlement of Disputes) Act,1953.
[16] South African Bantu Education Act, Act No 47,1953.
[17] South African Extension of University Education Act, Act 45, 1959.
[18] South African Reservation of Separate Amenities Act, Act No 49, 1953.
[19] Der Freedom House-Bericht von 2009 kategorisiert Israel als einen der 42 Staaten in der Welt, die als „frei“ gelten, von insgesamt 193 untersuchten Staaten. http://www.freedomhouse.org/template.cfm?page=363&year=2009
[20] Abgesehen von den arabischen Drusen gibt es keine Wehrpflicht für Araber. Sie können jedoch freiwillig in der Armee dienen und tun dies auch, v.a. die beduinischen Araber
[21] Sektion 144A des Strafrechts von 1977, ergänzt 1986 und 1992 sieht eine Strafe von bis zu fünf Jahren Haft für die Aufstachelung zum Rassismus vor.
[22] Kaadan v. Israel lands Administration et al. HCJ 6698/95.
[23] Burkan v. Minister of Finance HCJ 114/79 P.D. 32 (2) 800, 806.
[24] Prohibition of Discrimination in Products, Services and Entry into Places of Entertainment and Public Places Law, 5761-2000
[25] „Israel has made itself into a white colonial settler state, mimicking South Africa before the end of apartheid.“. Lisa Rofel, Anthropology, UC Santa Cruz, http://www.arabicnews.com/ansub/Daily/Day/060609/2006060907.html
[26] The Palestinian grassroots Anti-Apartheid Wall Campaign http://www.stopthewall.org/downloads/pdf/4PageFactSheetOctober9.pdf
[28] „Zionism and Apartheid: a moral comparison“ Daryl J. Glaser, Ethnic and Racial Studies Vol. 26 No. 3, Mai 2003 pp. 403–421 ,403
[29] „Zionism and Apartheid: a moral comparison“ Daryl J. Glaser, Ethnic and Racial Studies Vol. 26 No. 3, Mai 2003 pp. 403–421 ,403,408
[31] Als interessante historische Randbemerkung: es war in erster Linie die zionistische Bewegung, die den Katalysator für die Entwicklung des palästinensischen Nationalismus bot.
[33] Basic Law: The Knesset (1958)
[35] Siehe 19
[36] Preamble 1922 League of Nations Mandate for Palestine, LON Official Journal, August 1922, p.1007.
[37] Article 6, 1922 League of Nations Mandate for Palestine, LON Official Journal, August 1922, p.1007.
[38] Part B (I) (3) UN General Assembly Resolution 181(II) on the Future Government of Palestine, 29. November 1947 (GAOR, 2nd Session 1947, p.131).
[39] UNGA Resolution 273(III) 31. Mai 1949.
[40] Formalizing Apartheid Masked as a Peace Initiative http://www.zmag.org/znet/viewArticle/14233
[41] Noam Chomsky, Mid-East Realties, 28. Oktober 2000, http://www.hartford-hwp.com/archives/51a/index-j.html
[42] „The al Aqsa Intifada and international law“ Francis A. Boyle, 17 December 2000 http://www.hartford-hwp.com/archives/51a/091.html
[43] Sara Flounders, Occupied Palestine, Workers World, 6. Juni 2002, http://www.hartford-hwp.com/archives/51a/089.html
[44] Workshop mit dem Titel „Legal Analysis of the Applicability of the Apartheid Analogy to Israel and the Occupied Territories“, organisiert von Avocats Sans Frontieres, Al-Ram, 15.-16. Dezember 2005.
[45] 1993   Declaration of Principles on Interim Self Government Arrangements http://www.mfa.gov.il/MFA/Peace+Process/Guide+to+the+Peace+Process/Declaration+of+Principles.htm
[47] A Performance-Based Roadmap to a Permanent Two-State Solution to the Israeli-Palestinian Conflict http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2003/20062.htm
[48] Z.B. UN Security Council Resolutions 1515, 19. November 2003; Resolution 1850, 16. Dezember 2008.
[49] „Noting the agreements reached between the Government of Israel and the Palestine Liberation Organization in the context of the Middle East peace process“ (ES-10114 angenommen von der UN-Vollversammlung am 8. Dezember 2003).
[50] „The Court is conscious that the ‘Roadmap’, which was endorsed by the Security Council… constitutes negotiating framework for the resolution of the Israeli-Palestinian conflict“.„77. A number of agreements have been signed since 1993 between Israel and the Palestine Liberation Organization imposing various obligations on each Party.“ ICJ Advisory Opinion Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory 9. Juli 2004.
[53] Für Beispiele anderer demokratische Staaten, die ähnlich Zäune gebaut haben siehe: http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/Peace/fence.html
[54] ICJ Advisory Opinion Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory 9. Juli 2004.
[55] Siehe Kritik des Autors an der Entscheidung des IGH: R.Sabel, The International Court of Justice Decision on the Separation Barrier and the Green Line, Israel Law Review, Vol. 38, No. 1-2, (2005) p.316.
[56] Occupation, Colonialism, Apartheid? A re-assessment of Israel’s practices in the occupied Palestinian territories under international law, Democracy and Governance Programme of the Human Sciences Research Council of South Africa. http://www.hsrc.ac.za/Media_Release-378.phtml
[58] Jerusalem Institute for Israel Studies, Statistical Yearbook for 2007/2008  http://www.jiis.org.il/imageBank/File/shnaton_2007_8/shnaton%20C0406.pdf