Irans Kampf um regionale Vorherrschaft – Vorwort
Die Veröffentlichung dieser überarbeiteten sowie neu betitelten Ausgabe der 2007 vom Jerusalem Center for Public Affairs erstmals unter dem Namen Iran, Hizbullah, Hamas and Global Jihad: A New Conflict Paradigm veröffentlichten Studie kommt in einem entscheidenden Moment. Seit der Erstausgabe kurz nach dem Zweiten Libanonkrieg haben regionale Ereignisse die These der Studie bestätigt: Nicht der israelisch-palästinensische Konflikt, sondern der iranische Einsatz terroristischer Handlanger im Kampf um regionale Vorherrschaft ist die primäre Ursache politischer Instabilität im Nahen Osten.
Seit dem Krieg mit der Hisbollah 2006 hat der Iran Terroroperationen in dem Westen nahestehenden Staaten des Nahen und Mittleren Ostens wie Libanon, Irak, Afghanistan und den Golfstaaten gesponsert, um die Regierungen dieser Staaten zu destabilisieren. Er hat zudem direkte Angriffe mittels von ihm mit Geld, Training und Waffen unterstützten Organisationen verschärft – wie z.B. bei der militärischen Machtübernahme der Hamas in Gaza gegen den Palästinenserführer Mahmoud Abbas im Juni 2007 und dem beinahe Staatstreich der Hisbollah im Mai 2008 gegen die libanesische Regierung Fouad Sinioras.
In diesem Kontext hat Teheran seine Beziehungen zu einer ganzen Reihe von palästinensischen Terrorgruppen ausgebaut, um seine Angriffe gegen Israel zu verschärfen. Folglich sind der palästinensische Gazastreifen sowie Teile des von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrollierten Westjordanlandes neue „Schauplätze“ sich ausweitender iranischer Kontrolle und Einflussnahme. Mit seinem fortgesetzten Streben nach strategischen Waffen stellt der Iran nicht nur eine regionale Bedrohung dar, sondern auch eine globale Herausforderung, welche die Sicherheit der ganzen westlichen Allianz gefährdet.
Zusammen konzentrieren sich die Artikel dieser überarbeiteten StudieIran’s Race for Regional Supremacy auf folgende, essentielle Frage:
Hat der Westen die Bedeutung des israelisch-palästinensischen Konfliktes übertrieben und gleichzeitig die neue iranische Rolle in der Region herabgespielt?
Diese neue Ausgabe bietet den notwendigen Kontext, um sich dieser Frage mit Bedacht zu nähern, ganz besonders im Rahmen der dramatischen Entwicklungen, welche seit der Veröffentlichung der Erstausgabe im Januar 2007 stattfanden.
Iran und al-Qaida: Regionale Schachzüge
Der Iran hat sein Streben nach regionaler Vorherrschaft mittels der Mobilisierung sowohl schiitischer wie sunnitischer Terrorhandlanger beschleunigt. Dazu gehören Hisbollah im Libanon, schiitische Milizen im Irak und im Golf, die Taliban in Afghanistan, sowie Hamas, Islamischer Dschihad und die al-Aksa-Märtyrer-Brigaden in den Palästinensergebieten.
Seit dem Zweiten Libanonkrieg hat der Iran mehr als eine Milliarde Dollar aufgebracht, um den Südlibanon wieder aufzubauen und die Hisbollah dort zu stützen.[1] Trotz des schweren Schlages, den die IDF der Hisbollah während des Krieges zufügten, haben Iran und Syrien das Arsenal der Hisbollah auf ein Drittel über dem Vorkriegsniveau – bis zu 30 000 Raketen – aufgestockt. Verteidigungsminister Ehud Barak sagte im Februar 2008 gegenüber dem außen- und verteidigungspolitischem Komitee der Knesset aus, dass die Hisbollah „nun … drei Mal soviel Raketen wie vor dem Zweiten Libanonkrieg [besitzt],“ damit andeutend, dass die Hisbollah sogar über bis zu 60 000 Raketen verfügen könnte.[2]
Hisbollahs iranisches Boden-See-Raketen-Arsenal hat sich ebenfalls mit Wahrscheinlichkeit verdreifacht.[3] Die IDF glaubt zudem, dass der Iran die Hisbollah mit Langstreckenraketen einer Reichweite von 300 Kilometer und anderen fortgeschrittenen Waffensystemen ausstattet. Einige dieser Waffen wurden als zivile Güter getarnt über die Türkei nach Syrien und dann zur Hisbollah in den Libanon geschmuggelt. Im Mai 2007 fingen z.B. die türkischen Behörden einen Zug vom Iran nach Syrien ab, an dessen Bord sich Waffen für die Hisbollah befanden.[4]
Seit dem Krieg vom 2006 wurde der Bewegungsspielraum der Hisbollah durch die Präsenz vom nahezu 14 000 UNIFIL sowie wenigstens 10 000 libanesischen Soldaten eingeschränkt. Trotzdem gelang es der Organisation, hunderte von Raketenabschussvorrichtungen südlich des Litani-Flusses stark abgeschirmt durch zivile Schutzschilder schiitischer Dörfer und ländlicher Gebiete zu plazieren. In stillschweigender Übereinkunft mit der Hisbollah vermeiden UNIFIL- und libanesische Truppen Operationen in vielen Teilen des Südlibanon, gelegentlich haben sie ihre Aktionen sogar mit der Hisbollah abgestimmt.[5] Mit anderen Worten: weder die libanesische Armee noch die UNIFIL-Truppen haben die in der UN-Sicherheitsratsresolution 1701 geforderten Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt.[6]
Es ist kaum überraschend, dass unter iranischer Federführung Hisbollah und Syrien die politische Subversion des Libanon fortgesetzt haben. Die Hisbollah boykottierte 2007 das libanesische Parlament, um den prowestlichen Premierminister Fouad Siniora zu stürzen. In mindestens 16 Fällen hatte die Hisbollah es bis zum 10. März 2008 geschafft, die Wahl eines pro-westlichen Präsidenten zu verhindern und damit die syrische Kontrolle über den Libanon erleichtert.[7] Folglich wendet die Organisation weiterhin große Energien auf, um den Libanon eng in das regionale Netz des Iran einzubinden.
Der Libanon bietet aber auch einen Schauplatz für die Aktivitäten der radikalsunnitischen Gruppe Fatah al-Islam, welche mit al-Qaida verbündet ist sowie von Syrien und Iran unterstützt wird. Fatah al-Islams blutige Kämpfe von 2007 gegen libanesische Sicherheitskräfte in und um palästinensische Flüchtlingslager unterstreichen die wachsende Komplizenschaft sunnitischer wie schiitischer Gruppen bei der Destabilisierung pro-westlicher Regierungen, sei es im Libanon, Jordanien, Ägypten sowie bei pro-westlichen Politikern in der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Im Juni 2007 verwandelte die gewalttätige Machtübernahme der Hamas in Gaza das Gebiet in das erste „Islamistisch-arabische Emirat“ – ein bedeutender Erfolg für den Iran. Es ist damit auch das erste Beispiel für die Übernahme der Regierungsgewalt eines zusammenhängenden Gebietes durch die Muslimbruderschaft. Irans direkte Unterstützung der Hamas über Khaled Mashaal und die in Damaskus sitzende Hamas-Führung hat den Gazastreifen in eine Exportbasis für iranischen Terror gegen Israel verwandelt und Teherans politische Kontrolle der Region ausgeweitet. Nach Syrien und Libanon verfügt der Iran dadurch nun über ein weiteres Einfallstor in die arabische Welt – und stellt damit eine Bedrohung der israelischen Nachbarn Ägypten und Jordanien dar.
Die Errichtung „Hamastans“ in Gaza strahlt zudem eine Siegesbotschaft für Dschihadisten unterschiedlichster Coleur aus, einschließlich jener, welche die US-geführte Koalition in Afghanistan und Irak bekämpfen. Wichtiger noch: Hamastan repräsentiert ebenfalls die Schwäche des politischen Willens im Westen, sich dem Iran und seinen Handlangern entgegenzustellen und sie militärisch zu besiegen.
Der Iran bleibt eine der destabilisierendsten Kräfte im Irak. Trotz der Verhaftung mehrerer hochrangiger al-Quds-Mitglieder Anfang 2007 durch die Amerikaner, setzt der Iran die Aufrüstung, Ausbildung und Finanzierung irakisch-schiitischer Milizen mittels seiner al-Quds-Einheiten fort.[8] Der Kommandeur der amerikanischen Koalitionstruppen im Irak General David Petraeus hat in verschiedenen Anhörungen vor dem Kongress ausgesagt, es werde „zunehmend deutlich für die Koalition sowie die irakische Führung, dass der Iran mit Hilfe der al-Quds-Einheiten versucht, die irakischen „Spezialgruppen“ in eine Hisbollah-ähnliche Macht zu verwandeln, die seinen Interessen dient und einen Stellvertreterkrieg gegen den irakischen Staat sowie die Koalitionstruppen im Irak führt.“[9]
Irans Atomprogramm
Die vielleicht dynamischste Komponente des iranischen Strebens nach regionaler Vorherrschaft ist das rapide voranschreitende Atomwaffenprogramm des Regimes, welches ungeachtet internationaler und ökonomischer Widerstände weitergeht. Unglücklicherweise enthielt der NIE-Bericht der amerikanischen Geheimdienste vom November 2007 eine irreführende und widersprüchliche Botschaft. Der ersten Satz des Berichts – „Wir kommen mit hoher Gewissheit zu dem Schluss, dass der Iran im Herbst 2003 sein nukleares Programm eingestellt hat.“ – schien dem iranischen Abstreiten Recht zu geben.[10]
Tatsächlich gehörte jedoch zu den wesentlichsten Schlussfolgerungen des Berichts, dass der Iran die Anreicherung an Uran mit erhöhter Geschwindigkeit fortgesetzt hatte. Und es besteht keinerlei Zweifel in amerikanischen oder westlichen Kreisen darüber, dass angereichertes Uran sowohl für ein ziviles wie auch ein militärisches Atomprogramm gleichermaßen nötig ist. Wie der ehemalige UN-Botschafter John Bolton angedeutet hat, ist die Unterscheidung zwischen dem „zivilen“ und „militärischen“ Atomprogramm rein theoretisch.[11]
Aus diesem Grund bestätigt der NIE-Bericht keineswegs eine Einstellung des iranischen Atomprogramms. Stattdessen bot er dem Iran jedoch unmittelbare Milderung des internationalen Druckes sowie Ahmadinejad die temporäre Möglichkeit, regimeinterne Kritiker zu beruhigen. Die Möglichkeiten einer amerikanisch geführten Militäraktion gegen iranische Nuklearanlagen wurden durch den Bericht reduziert.
Als Resultat des unter arabischen Führungen entstandenen Eindrucks, dass der NIE ein klares Zeichen amerikanischen Zögerns sei, das iranische Regime zu konfrontieren, scheint das Gulf Cooperation Council (GCC), eine vor 27 Jahren angesichts der iranischen Bedrohungen entstandene Allianz, kollabiert.[12] Dies wurde besonders deutlich, als, kurz nach Veröffentlichung des NIE-Berichts, Katar ohne Absprache mit seinen verbündeten Golfstaaten Mahmoud Ahmadinejad einlud, die Eröffnungsrede für den 2008 Gipfel des GCC in Doha zu halten.
Es war kein Zufall, dass der iranische Präsident am Vorabend der Nahostreise US-Präsident Bushs im Januar 2008 zu dieser Ansprache eingeladen wurde. Damit versuchten die sunnitischen Eliten den Vereinigten Staaten zu signalisieren, dass sie ihrerseits alle Optionen offen halten würden, mit anderen Worten, man begann, einen iranischen Triumph für möglich zu erachten.
Al-Qaida und seine Verbündeten
Sunnitische Jihadi-Organisationen mit Bindungen zu al-Qaida haben 2007 ihre Aktivitäten näher an israelische Grenzen in Libanon, Syrien und Gaza ausgerichtet.[13] Während des Besuches Präsident Bushs in Israel feuerten al-Qaida-Verbündete eine 107mm Rakete vom Südlibanon auf die nordisraelische Stadt Shlomi.[14] Im Juni 2007 hatte der al-Qaida-Ableger Fatah al-Islam vom Libanon aus Raketen auf die nordisraelische Stadt Kiryat Shmona abgefeuert und die industrielle Zone der Stadt getroffen.[15]
Die von Hamas strategisch geplante Öffnung der Grenze von Gaza zu Ägypten gestattete im Januar 2007 dschihadistischen Gruppen wie al-Qaida, welche bereits den Sinai als Operationsbasis nutzen, leichter nach Gaza einzudringen. Al-Qaida nahestehende Aktivisten aus Ägypten, dem Sudan und Jemen operieren in Gaza seit 2006.
In den letzten Jahren sind verschiedene mit al-Qaida verbündete Gruppen in Gaza aktiv geworden – dazu gehören Jaish al-Islam (Armee des Islam), verantwortlich für die Entführung des BBC-Journalisten Alan Johnston. Gegründet wurden auch andere *Jihadi-*Gruppen, Jaish al-Umma (Armee der Nation), al-Qaida Palästinas und die Mujahidin Beit al-Makdes (Heilige Krieger Jerusalems), welche im Januar 2008 die American International School in Gaza attackierten.[16]
Iran und die Palästinensische Autonomiebehörde
Die Machtübernahme der Hamas im Gaza-Streifen war einer der signifikantesten regionalen Ereignissen 2007. Damit ist Gaza nun das erste islamistisch arabische Emirat im Nahen Osten und repräsentiert einen möglicherweise irreversiblen Sieg der Islamisten über palästinensische und arabische Nationalisten.
Sowohl Ägypten als auch die Palästinensische Autonomiebehörde haben wiederholt auf die maßgebliche Rolle des Iran bei der Machtübernahme der Hamas im Gaza verwiesen. Dem Chef des palästinensischen Nachrichtendienstes Tawfik Tirawi zufolge wurde der Putsch in Gaza „koordiniert mit Hilfe des Iran, welcher Ausbildung und Waffen zur Verfügung stellte und über jeden Schritt informiert wurde.“[17] Der ägyptische Außenminister Ahmed Abu Gheit beschuldigte den Iran mit seiner Interventionspolitik in Gaza und Irak die nationale Sicherheit Ägyptens zu gefährden.[18]
Ungeachtet der de facto Verwandlung Gazas in einen souveränen Hamas-Staat, dient Gaza bereits seit dem israelischen Rückzug 2005 als islamistische Plattform. Zwischen 2005 und Ende 2007 wurden ungefähr 230 Tonnen Sprengstoff, inklusive zahlreichen Panzer- und Luftabwehrraketen, durch unterirdische Tunnel vom Sinai in den Gaza geschmuggelt.[19] Allein seit Januar 2007 wurden mehr als 3 000 Raketen und Mörsergranaten von iranisch gesponserten Terrorgruppen auf Israel abgefeuert.[20]
Seit dem Gaza-Grenzdurchbruch der Hamas nach Ägypten im Januar 2008 wurde tonnenweise zusätzlicher Sprengstoff über Land nach Gaza geschafft.[21] Der Durchbruch ermöglichte Hamas zudem, Aktivisten zurückzuschleusen, welche den Streifen zum Training in Syrien oder im Iran verlassen hatten, unter anderem Scharfschützen, Sprengstoff- und Raketenexperten sowie Ingenieure.[22] Im März 2008 gaben Hamas-Vertreter erstmals zu, dass hunderte seiner führenden Aktivisten in Syrien und Iran unter Anleitung der Iranischen Revolutionsgarden ausgebildet wurden. Ebenfalls eingestanden wurde, dass das iranische Training für die Hamas dem der Hisbollah gleiche.[23]
Auch 2007 setzte sich die massive finanzielle Unterstützung der Hamas durch den Iran fort, mit Summen von 120 – 200 Mio. Dollar[24] Allein im Dezember 2007 wurden ungefähr 100 Mio. Dollar von Hamas-Mitgliedern auf dem Rückweg von ihrer jährlichen Haj-Pilgerreise nach Saudi Arabien nach Gaza geschmuggelt. Hunderte Millionen Dollar sind ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit seitdem durch die undichte Grenze nach Gaza geflossen.[25]
Für sich genommen hat die Hamas das Potential, die Macht auch im Westjordanland zu übernehmen oder zumindest massive Unruhen zu erzeugen, sollten die IDF-Sicherheitskontrollen nachhaltig zurückgenommen oder entfernt werden. Es ist wichtig zu realisieren, dass die Palästinenserführung unter der Leitung Mahmoud Abbas die Möglichkeiten, den politischen Willen oder beides entbehrt, eine sichere, verantwortliche und rechtsstaatliche politische Einheit in Gaza und dem Westjordanland zu schaffen.
Während der Hamas-Einfluss in der Westbank weitverbreitet ist und sich weiter ausdehnt, hat der Iran sein Geld, Ideologie und Ausbildung genutzt, um auch andere palästinensische Terrorgruppen in der Westbank zu unterstützen, wie die al-Aqsa-Märtyrerbrigaden sowie den Palästinensischen Islamischen Dschihad, ungeachtet der Tatsache, dass sie sunnitische und nicht schiitische Gruppen sind.
Syrien
Syrien hat fortgesetzt Friedensverhandlungen mit Israel gefordert – eine Taktik mit dem vorgeblichen Ziel, die Golanhöhen zurückzuerlangen. Die eigentliche Agenda Syriens besteht jedoch darin, den internationalen Druck auf das Regime zu mindern. Damaskus und Teheran haben gleichzeitig ihre strategische Partnerschaft ausgebaut,[26] während Syrien weiterhin regionale Destabilisierungspolitik betreibt, z.B. durch:
-
Entsendung tausender Mudschahedin in den Irak.[27]
-
Bewaffnung der Hisbollah im Libanon in Verletzung der UN-Sicherheitsratsresolutionen 1559 und 1701.
-
Ausbildung und Beherbergung palästinensischer Terrorgruppen und iranischer al-Quds-Einheiten in Damaskus.
-
Ermordung libanesischer Politiker, Journalisten und Gegner sowie die direkte Einmischung in die politischen Prozesse des Libanon mit dem Ziel, die syrische Kontrolle zurückzugewinnen.
-
Die ausnahmslose Verletzung des Atomwaffensperrvertrages beim Bau eines nuklearen Reaktors mit nordkoreanischer Hilfe.
-
Den Ausbau seiner politischen, militärischen und ökonomischen Allianz mit dem Iran.
-
Aufstockung seines Arsenals mit Boden-Boden-Raketen, chemischen Waffen und die Verdopplung seiner Raketenbestände seit 2006.[28]
Angesichts dieser Entwicklungen ist die gegenwärtige politische Haltung der Vereinigten Staaten, der westlichen Allianz und Israels problematisch und bedarf einer dringenden Überarbeitung.
Iran und die westliche Allianz
Das Scheitern der westlichen Allianz, den Iran diplomatisch und ökonomisch zu isolieren sowie das Regime für klare Akte der Aggression zur Rechenschaft zu ziehen, hat Teheran in der Region ermutigt.
So vermittelten die für den Iran erfolgreich ausgehenden Konfrontationen der Briten wie der Amerikaner im Persischen Golf dem Regime eine deutliche Botschaft des westlichen Unwillens, dem Iran Grenzen zu setzen. Im März 2007 kidnappten Marineeinheiten des al-Quds-Korps fünfzehn britische Matrosen und hielten sie für fast zwei Wochen als Geiseln bevor sie sie als „iranisches Geschenk“ wieder freiließen. Im Januar und April 2008 griffen Schnellboote der Iranischen Revolutionsgarden US-Kriegsschiffe an der Straße von Hormus an und lösten beinahe eine militärische Konfrontation aus. In beiden Fällen reagierten weder die britischen noch die amerikanischen Kräfte militärisch auf diese direkten Provokationen des Iran.
Die Palästinensische Autonomiebehörde, Israel und der Westen
Sowohl der „Friedensgipfel“ von Annapolis im November 2007, die folgende Pariser Geberkonferenz sowie die Folgebesuche George W. Bushs in Jerusalem und Ramallah weisen auf die strategische Schwerfälligkeit amerikanischer, europäischer wie auch einiger israelischer Politiker im Hinblick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt hin und die Unfähigkeit, bessere Strategien zu entwickeln, um die tief verwurzelte Krise und ihre Veränderungen der letzten Jahren anzugehen.
Die US-geführten Versuche fokussieren sich nach wie vor darauf, zuerst den israelisch-palästinensischen Territorialkonflikt zu lösen, der als ursächlich für den regionalen Konflikt gesehen wird anstelle eines Symptoms für die eigentliche Ursache – die islamische Ablehnung Israels. Die Machtübernahme des iranischen Handlangers Hamas sowie die Art und Weise, mit der Hamas fortgesetzt Israel angreift, sollte jedem Beweis genug sein, dass dieser Konflikt „nicht über die Größe Israels, sondern über seine Existenz [geführt wird],“ wie Bernard Lewis einen Tag vor Annapolis in der Washington Post feststellte.[29]
Ein hochrangiger Unterhändler der PA brachte diese existentielle Dimension des Konfliktes auf den Punkt, als er in den Tagen vor dem Beginn des Annapolis-Gipfel sich offen weigerte zu bestätigen, dass Israel das Recht hätte, als jüdischer Staat zu bestehen.[30] Ungeachtet dessen konzentrieren sich die internationalen Hoffnungen unvermindert auf die Errichtung eines palästinensischen Staates in Gaza und dem Westjordanland. Israel ist es weiterhin nicht möglich, sich vollständig von Gaza zu lösen auf Grund der nachdrücklichen internationalen Erwartung, dass Israel fortgesetzt Elektrizität, Wasser und kommerzielle Güter nach Gaza liefert.
Der Durchbruch der Grenze nach Ägypten im Januar 2008 durch Hamas schuf neue Möglichkeiten.[31] Ägypten hat seine Fähigkeiten unter Beweis gestellt, eine direkte Rolle in der Lieferung von Material, Gütern und Dienstleistungen nach Gaza zu übernehmen, was Israel ermöglichen würde, seinen Rückzug zu vollenden. Die nicht enden wollenden Versuche westlicher oder arabischer Regierungen, den internationalen Boykott Gazas durch die Unterstützung einer Fatah-Hamas-Einheitsregierung oder das Drängen auf Waffenstillstandsverhandlungen zu unterwandern, haben Israel politische und diplomatische Verbindlichkeiten auferlegt – Israel bleibt damit dem diplomatischen Rahmenplan eines einheitlichen Palästinenserstaates in Gaza und dem Westjordanland verpflichtet.
Um diese Fehler in der Zukunft zu vermeiden, ist es essentiell, dass der Westen die dramatischen Lehren des israelischen Rückzugs von 2005 vollständig begreift.
Das gescheiterte Experiment des Rückzugs hat enorme Auswirkungen für die Zukunft des Westjordanlands, insbesondere des Jordangrabens und die Hügel gegenüber der Tel Aviv Region und des Ben-Gurion-Airports. Diese Gebiete sind essentiell für die israelische Sicherheit und dennoch wird von Israel erwartet, sich aus ihnen im Rahmen eines bilateralen Abkommens mit den Palästinensern vollständig zurückzuziehen. Die Hügel des Westjordanlandes bieten mit ihrem Blick auf die Küstenebene ein ideales Abschussgebiet für palästinensische Raketen und Mörsergranaten gegen Israels größte Bevölkerungszentren, Straßen und nationale Infrastruktur, wie dem Ben-Gurion-Airport.
Abgesehen von der gegenwärtigen strategischen Unmöglichkeit einen bilateralen Frieden umzusetzen, haben die Annapolis- und Paris-Konferenzen die Taktik einer Konfliktlösung fortgesetzt, die darin besteht, Milliarden von Dollar an Wirtschaftshilfe in die Taschen der Palästinensischen Autonomiebehörde zu pumpen. Mahmoud Abbas und PA-Premier Salam Fayad sind ihrerseits, Berichten zufolge, bereit, nahezu die Hälfte der in Paris versprochenen 8 Mrd. Dollar als direkte Wirtschaftshilfe für Gaza zu verwenden.[32]
D.h., dass de facto mehr als 3 Mrd. Dollar an westlichen Finanzhilfen für die Palästinenser in den Händen der Hamas enden werden, womit ihre Kontrolle Gazas gestärkt wird, anstatt sie zu schwächen und ihnen einen Preis für ihren Putsch von 2007 sowie ihre anhaltende Gewalt abzuverlangen. Die Konferenzen von Annapolis und Paris sowie ihre Ansätze zur Friedensstiftung scheinen den Umstand übersehen zu haben, dass die Palästinensische Autonomiebehörde mit mehr als 7 Mrd. Dollar während der Oslo-Jahre 1993-2006 überhäuft wurde. Dieses Geld wurde weitestgehend verschwendet oder für terroristische Zwecke missbraucht, während schätzungsweise bis zu 2 Mrd. Dollar von Yassir Arafat selbst unterschlagen wurden.
Trotz dieser Geschichte des Scheiterns und der akuten Abwesenheit politischer, wirtschaftlicher und Sicherheitsreformen in der PA, ganz zu schweigen von der unablässigen Hetze gegen Israels Existenz in den palästinensischen Medien, Schulbüchern, Universitäten und PA-gesponserten Moscheen, hat der Westen die PA weiterhin großzügig politisch wie ökonomisch unterstützt.
Präsident Bush scheint eingesehen zu haben, was gegenwärtig im Nahen Osten auf dem Spiel steht, ganz besonders, inwieweit viele Ursachen für Destabilisierung und täglicher Gewalt ihren Absender in Teheran haben. Während seines Besuches in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi Arabien im Januar 2008 äußerte Bush, der Iran untergrabe „die libanesischen Hoffnungen auf Frieden, indem er die Terrorgruppe Hisbollah mit Waffen und Geld unterstützt. Er untergräbt die Hoffnung auf Frieden in anderen Teilen des Nahen Ostens, indem er Terrorgruppen wie Hamas und Palästinensischer Islamischer Dschihad finanziert. Er sendet Waffen an die Taliban in Afghanistan und schiitische Milizen im Irak. Er schüchtert seine Nachbarn mit ballistischen Raketen ein … trotzt den Vereinten Nationen und destabilisiert die Region durch seine Weigerung, Atomprogramm und –pläne transparent offenzulegen. Die Aktionen des Iran bedrohen die Sicherheit aller Nationen.“
Bushs Sicherheitsverpflichtung für Saudi Arabien und die Golfemirate gelten gleichermaßen für den Staat Israel. Ein tiefgreifender territorialer Rückzug Israels würde heute wie in absehbarer Zeit die strategische Verwundbarkeit des Staates gegen iranisch finanzierte Terrorgruppen und al-Qaida verstärken. Folglich sollte der gegenwärtige konzeptuelle Ansatz einer Friedensstiftung in Nahost, welcher mit Oslo 1993 begann, mit der „Road Map“ von 2002 fortgesetzt und nun durch die Konferenzen von Annapolis und Paris 2007 „gekrönt“ wurde, verschoben werden. Stattdessen gilt es, einen regionalen Ansatz für Sicherheit, Diplomatie und Frieden im Nahen und Mittleren Osten zu verfolgen, der auf der ökonomischen und diplomatischen Isolation des Iran und, notfalls, militärischer Aktion basiert.
Die Hamas-Herrschaft in Gaza hat Ägypten dazu gebracht, eine erweiterte Rolle in der Gestaltung der Zukunft des Streifens zu spielen, während das haschemitische Königtum unter bestimmten Bedingungen seine Unterstützung für Abbas und andere „moderate“ Führer ausbauen könnte, um das Westjordanland vor einer Machtübernahme durch Dschihadisten, Warlords und bewaffneten Milizen zu schützen. Nur nach einer Neutralisierung des iranischen Regimes und der Stabilisierung der Palästinensergebiete mit Hilfe seiner Nachbarn können palästinensische Institutionen mittels wirklicher palästinensischer Reformen im Sicherheits-, Wirtschafts-, Bildungs- und politischem Sektor vorangebracht werden.
Dieser Zwei-Stufen-Ansatz wird es den Palästinensern ermöglichen, eine sichere, freie, demokratische Gesellschaft von unten her aufzubauen im Gegensatz zum gegenwärtigen „von oben nach unten“ Ansatz. Genauso wichtig ist, dass diese neuen regional orientierten Maßnahmen für den israelisch-palästinensischen Friedensprozess die direkte und offene Beteiligung der Palästinenser und Israels ägyptischer und jordanischer Nachbarn beinhaltet.
[1] Neben der geschätzten jährlichen Unterstützung der Hisbollah von 200 Mio. Dollar hat der Iran bis zu 300 Mio. Dollar für den Wiederaufbau des Südlibanons nach dem Krieg investiert. Siehe Mathew Levitt*,* “Dangerous Partners, Targeting the Iran-Hizbullah Alliance,” *Policy Watch* 1267, Washington Institute for Near East Policy, 31. Juli 2007. Presseberichten zufolge hat der Iran bis zum August 2007 200 Schulen, 150 Gebetseinrichtungen, 30 Kliniken und 25 Brücken im Südlibanon für insgesamt 120 Mio. Dollar erbaut. Logan*,* “Iran Rebuilds Lebanon to Boost Hizbullah,” *DailyTelegraph*, 31. Juli 2007. Der ehemalige Beamte des US-Finanzministeriums Matthew Levitt bemerkte zudem, dass bis zum November 2006 die iranisch finanzierte Baufirma der Hisbollah, Jihad al-Binah, 450 Mio. Dollar für den Aufbau südlich des Litani-Flusses vorgesehen hatte. Siehe Matthew Levitt, “Shutting Hizballah’s ‘Construction Jihad,’” *Policy Watch* 1202, Washington Institute for Near East Policy, 20. Februar 2007. Einem Bericht des arabischen *Asharq Alawsat* zufolge, hieß es innerhalb der Iranischen Revolutionsgarden, dass im Dezember 2007 das iranische Budget bei 400 Mio. Dollar liege. “Report: Nasrallah Demoted by Khamenei,” *Jerusalem Post*, 13. December 2007.
[2] Gemäß Verteidigungsminister Barak bei einem Treffen des. Siehe Tova Lazeroff und Yaakov Katz, “Barak: IDF Ops Could Lead to War,” Jerusalem Post, 11. Februar 2008.
[3] Edith Lederer, “Israel Says Hizbullah Has 30,000 Rockets,” AP/Washington Post, 4. März 2008.
[4] Barak Ravid, “MI: Iran Arming Hizbullah with Missiles Sent via Turkey,” Ha’aretz, 5. März 2008.
[5] Intelligence and Terrorism Information Center, http://www.terrorism-info.org.il/malam_multimedia/English/eng_n/pdf/un1701_0807.pdf, S. 5-9.
[6] Ibid.
[7] Der pro-syrische Parlamentssprecher Nabih Berri hat die libanesischen Präsidentschaftswahlen seit dem Rücktritt des pro-syrischen Präsidenten Emil Lahoud am 24. November 2007 16 Mal verschoben.
[8] Siehe General David Petraeus: Report to Congress on the Situation in Iraq, 10./11.September , 2007, http://www.defenselink.mil/pubs/pdfs/Petraeus-Testimony20070910.pdf. Siehe auch Bryan Pearson, “Petraeus Says Iran Still Training Iraq militants,” Agence France Press, 16. January 2008.
[9] Ibid.
[10] National Intelligence Estimate, November 2007, http://www.dni.gov/press_releases/20071203_release.pdf.
[11] John Bolton, “The Flaws in the Iran Report,” Washington Post, 6. Dezember 2007.
[12] Y. Yehoshua, I. Rapoport, Y. Mansharof, A. Savyon and Y. Carmon, “The Collapse of the Saudi Sunni Bloc against Iran’s Aspirations for Regional Hegemony in the Gulf,” MEMRI Inquiry and Analysis Series, no. 416, 11. Januar 2008.
[13] Eyal Zisser, “Is Syria an Ally or Adversary of Radical Sunni Movements?” Jerusalem Issue Brief, vol. 7, no. 23, Jerusalem Center for Public Affairs, 3. Dezember 2007. Dr. Shaul Shay, “The Threat of al Qaeda and its Allies in Lebanon,” Perspectives Papers on Current Affairs, no. 34, Begin-Sadat Center for Strategic Studies, 19. September 2007, http://www.biu.ac.il/Besa/perspectives34.html. Für al-Qaida-Aktivitäten in Gaza siehe PLt.-Col. Jonathan D. Halevi, “The Army of the Nation: Another Al-Qaeda Affiliate in the Gaza Strip,” Jerusalem Issue Brief, vol. 7, no. 12, 7. August 2007.
[14] “Yaakov Katz, “UNIFIL Leaks to Hizbullah Worry IDF,” Jerusalem Post, 10. Januar 2008. Im Juni 2007 beschuldigte das israelische Verteidigungsministerium die al-Qaida nahestehende Grupe Fatah al-Islam des Raketenangriffs auf Kiryat Shmona.
[15] Intelligence and Terrorism Information Center, http://www.terrorism-info.org.il/malam_multimedia/English/eng_n/pdf/lebanon_180607e.pdf.
[16] Lt.-Col. (ret.) Jonathan D. Halevi, “The Growing Hamas/Al-Qaeda Connection,” Jerusalem Issue Brief, vol. 7, no. 1, Jerusalem Center for Public Affairs, 17. Mai 2007. See also “Leaflets of Al-Qaeda-Affiliate Found in Looted American School in Gaza,” Ha’aretz, 15. Januar 2008.
[17] Iran “Played Role” in Gaza Takeover, Al Jazeera, 24. Juni 2007.
[18] Allain Navarro, “Egypt Blames Iran for Fuelling Gaza Violence,” 22. Juni 2007.
[19] Maj.-Gen. Yom Tov Samia, “Weapons Smuggling from Egypt to Gaza: What Can Israel and Egypt Do?” Jerusalem Issue Brief, vol. 7, no. 25, 19. Dezember 2007.
[20] Israel Security Agency, “Palestinian Terrorism in 2007: Statistics and Trends,” http://www.mfa.gov.il/NR/rdonlyres/75FC2B98-A581-4C89-88AC-7C3C1D1BC097/0/Terrorism2007report.pdf.
[21] Herb Keinon und Yaakov Katz, “Hamas Smuggled Advanced Arms,” Jerusalem Post, 4. Februar 2008.
[22] “Al Qaeda Entered Gaza During Breach,” Jerusalem Post, 26. Februar 2008.
[23] Marie Colvin, “Hamas Wages Iran’s Proxy War on Israel,” Sunday Times, 9. März 2008.
[24] Einem Hamas-Vertreter aus Gaza zufolge. Ein Mitglied des Legislativen Rates der Hamas, Ayman Daragmah, gab die Zahl 120 Mio. Dollar an. Siehe David Rose, “Gaza Bombshell,” Vanity Fair, April 2008.
[25] Amos Harel, Avi Issacharoff, und Barak Ravid, “Diskin to MKs: Hamas Managed to Smuggle $100 million into Gaza,” Ha’aretz, 14.Januar 2008.
[26] “Syria, Iran Sign Agreements to Boost Co-op,” Xinhua-China, http://news.xinhuanet.com/english/2008-03/07/content_7734616.htm.
[27] David Schenker, “Syria’s Role in Regional Destabilization,” Jerusalem Viewpoints, no. 557, Oktober 1, 2007.
[28] Gemäß eines Mossad-Berichts vor dem Außen- und Verteidigungspolitischen Komittees der Knesset, 5. Februar 2008. Siehe auch “Iran Is Biggest Threat to Israel,” Jerusalem Post, 5. Februar 2008.
[29] Bernard Lewis, “Bernard Lewis on the Jewish Question,” Wall Street Journal, 26. November 2007.
[30] “Report: Abbas Reiterates Refusal to Recognize Israel as a ‘Jewish State,’” Associated Press, 2. Dezember 2007.
[31] Ehud Yaari, “Egypt Working to Contain Gaza,” Policy Watch no. 1337, Washington Institute for Near East Policy, 1. Februar 2008.
[32] “PA: 40 Percent of New International Aid to be Spent in Hamas-Run Gaza Strip,” Reuters, 17. Januar 2008.