Die Umsturzversuche der Hisbollah im Libanon
Die Umsturzversuche der Hisbollah im Libanon
Shimon Shapira und Yair Minzili
· Die Bekanntmachung des Umsturzplans der Hisbollah in Ägypten und die Bloßstellung einer schiitischen Gruppe unter Führung eines Hisbollah-Aktivisten, die Anschläge gegen ägyptische Ziele beabsichtigte, hat die Aufmerksamkeit von der fundamentalen Herausforderung abgelenkt, die die Hisbollah für die Grundlagen des libanesischen Staates darstellt.
· Am 3. April veröffentlichte die Hisbollah im Vorfeld der am 7. Juni 2009 stattfindenden libanesischen Parlamentswahlen ihr politisches Programm. Das Dokument fordert ein Ende des politischen Konfessionalismus und die Umsetzung eines neuen Wahlrechts, welches die Gleichstellung der religiösen Fraktionen verändern soll.
· Auf diese Weise versucht die Hisbollah, die Grundlagen der konfessionellen Struktur des Libanon zu erodieren, die im Nationalen Pakt von 1943 festgelegt wurde und vom libanesischen Staat seit damals gewahrt wird. Die Abschaffung des existierenden politischen Systems würde die Hisbollah ihrem fundamentalen Ziel näherbringen: die Errichtung eines islamischen Staates und die iranische Übernahme des Libanon.
· Wissenschaftliche Analysen, die die Hisbollah als eine libanesische Nationalbewegung definieren, sind unbegründet. Welche libanesischen Interessen werden durch subversive Aktivitäten in Ägypten wahrgenommen? Welches Interesse hat der Libanon, iranische Waffen vom Sudan über den Sinai nach Gaza zu schmuggeln? Welche nationale libanesische Ideologie versucht, die konfessionelle Struktur zu untergraben, auf der sich der moderne libanesische Staat gründet?
Das subversive Muster der Hisbollah
Die Bekanntmachung des Umsturzplans der Hisbollah in Ägypten und die Bloßstellung einer schiitischen Gruppe unter Führung eines Hisbollah-Aktivisten, die Anschläge gegen ägyptische Ziele unter dem Vorwand „logistischer Unterstützung“ der Palästinenser beabsichtigte, hat die Aufmerksamkeit von der fundamentalen Herausforderung abgelenkt, die die Hisbollah für die Grundlagen des libanesischen Staates darstellt.
Man kann mit Gewissheit davon ausgehen, dass die Aktivitäten der Hisbollah mit vollem Wissen des Iran ausgeübt wurden. Die Waffenlieferung, die den Iran für Gaza verließ, hatte den Segen Teherans. Der Iran war sich zweifellos bewusst, dass die iranischen Sicherheitsbehörden die subversiven Aktivitäten der Hisbollah entdecken würden, doch glaubte er, dass die Ägypter lieber ein Auge zudrücken und die Lieferung der Waffen nach Gaza gestatten würden. Und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, so setzte der Iran die militärische Unterstützung der Hamas als oberstes Ziel der islamischen Revolution an und war bereit, den Preis sich verschlechternder Beziehungen mit anderen Ländern zu bezahlen. Die Angriffe Nasrallahs gegen Ägypten, einschließlich des Aufrufs an die ägyptische Armee während der israelischen Gaza-Operation, das Mubarak-Regime zu stürzen, wären nicht getätigt worden, wäre sich Nasrallah nicht dessen bewusst, dass er auf diese Weise die Wünsche seiner Vorgesetzten in Teheran erfüllt.
Seit den Enthüllungen richtet sich die Aufmerksamkeit der Medien sowohl in der arabischen Welt als auch im Westen auf den Streit zwischen Hisbollah und Ägypten, während gleichzeitig der Versuch der Hisbollah, das libanesische Regime radikal zu wandeln, nahezu vollständig ignoriert wird.
Während Großbritannien sich zu der fragwürdigen Entscheidung hinreißen ließ, den Dialog mit dem „politischen Flügel“ der Hisbollah aufzunehmen, und damit die Hisbollah de facto als legitime Bewegung anerkannt hat, scheint die von London vorgenommene künstliche Unterscheidung zwischen einem politischen und einem militärischen Flügel angesichts der subversiven Aktivitäten der Hisbollah in Ägypten nunmehr vollständig kollabiert – was sich mit jüngsten Offenbarungen in Marokko deckt. Der König des sunnitischen Landes hatte im März 2009, die Beziehungen zum Iran mit dem Vorwurf abgebrochen, der Iran unterstütze die schiitische Missionierung des Landes.
Das Wahlprogramm der Hisbollah – Grundlage für eine iranische Übernahme des Libanon
Am 3. April veröffentlichte die Hisbollah im Vorfeld der am 7. Juni 2009 stattfindenden libanesischen Parlamentswahlen, ihr politisches Programm. Das Dokument fordert ein Ende des politischen Konfessionalismus und die Umsetzung eines neuen Wahlrechts, welches die Gleichstellung der religiösen Fraktionen verändern soll.
Das Wahlprogramm von 2009 knüpft an eine Reihe von grundlegenden Dokumenten der Hisbollah-Bewegung an: Dazu gehört der Offene Brief (Risala Maftuha) von 1985, das erste Wahlprogramm der Hisbollah für die Parlamentswahlen 1992, ein vom Dritten Kongress der Hisbollah 1993 ratifiziertes politisches Dokument, das Wahlprogramm für die Parlamentswahlen von 2000 sowie das Programm für die Gemeindewahlen von 2004.
Zwei Komponenten – die eindeutige Forderung nach einer Abschaffung der konfessionellen Politik und die Einführung eines neuen Wahlrechts – werden in dem Programm ganz an den Anfang gestellt, um die Prioritäten der Hisbollah zu unterstreichen. In ihrem Wahlprogramm von 2000 hatte die Hisbollah eine nationale Kommission für die Abschaffung des politischen Konfessionalismus gefordert, allerdings nur an vierter Stelle. Auf diese Weise versucht die Hisbollah, die Grundlagen der konfessionellen Struktur des Libanon zu erodieren, die im Nationalen Pakt von 1943 festgelegt wurde und vom libanesischen Staat seit damals trotz wiederholter Krisen gewahrt wird. Die Abschaffung des existierenden politischen Systems würde die Hisbollah ihrem fundamentalen Ziel näherbringen: die Errichtung eines islamischen Staates, der der schiitischen Mehrheit politisch Rechnung trägt, und die iranische Übernahme des Libanon.
Im neuen Wahlprogramm der Hisbollah finden sich keine Hinweise auf ihre Miliz und Waffen oder die innerlibanesische Forderung, das militärische Potential der Hisbollah aufzulösen und in die libanesischen Streitkräfte zu integrieren. Die Hisbollah ignoriert diese Aspekte und beharrt auf die Unabhängigkeit ihres militärischen Flügels als „Widerstandskraft“ gegen Israel.
Gleichwohl ist deutlich, dass mit der Wahrung ihrer militärischen Stärke die Hisbollah beabsichtigt, ihre militärische Macht und ihr demografisches Gewicht für einen fundamentalen Wandel im politischen System des Libanon einzusetzen. Zusätzlich dazu – und nicht weniger wichtig – dient die Militärmacht der Hisbollah als vorderste Front des Iran an der Nordgrenze Israels und ermöglicht der islamischen Republik, dieses im Libanon etablierte militärische Potential seinem strategischen Interesse gemäß einzusetzen.
In den vergangenen Jahren und im Laufe der schweren politischen Krisen des Libanon seit der Ermordung des ehemaligen Premierminister Rafik al-Hariri im März 2005 hat die Hisbollah ihre Absicht, die ihr von dem iranischen Revolutionsregime aufgetragene Mission zu erfüllen, nicht verhehlt. Die Bewegung dient der Machtergreifung im Libanon und der Schaffung eines stabilen und zuverlässigen Bindegliedes in der schiitischen Achse unter Führung des Iran. In der politischen Arena des Libanon hat die Hisbollah sich darum bemüht, die „schiitische Opposition“ zu verstärken, indem sie sich mit mächtigen Fraktionen außerhalb der schiitischen Bevölkerung gegen die sunnitisch-schiitische Koalition von Saad al-Hariri verbündet hat. In der Praxis stellte das Bündnis mit der christlichen Freien Patriotischen Bewegung von General Michel Aoun für die Hisbollah einen wesentlichen Triumph dar. Ebenso hat sie ihre Allianz mit extremistischen salafistischen Sunnitengruppen gestärkt. Mit einer Machtdemonstration von präzedenzloser Brutalität übernahm die Hisbollah am 7. Mai 2008 Beirut in Reaktion auf einen Versuch der Regierung, das unabhängige Kommunikationsnetzwerk der Hisbollah im Libanon aufzulösen.
Die Forderung der Hisbollah, den politischen Konfessionalismus zu beenden sowie ein neues Wahlgesetz zu verabschieden, erfolgte nach dieser Demonstration von Macht und Selbstbewusstsein und stellt bisher den Gipfel ihrer unermüdlichen Bemühungen dar, die Macht im Libanon zu ergreifen. Indem sie ein solches Wahlprogramm formulierte täuscht die Hisbollah vor, eine authentische libanesische Partei zu sein und spekuliert auf eine Maximierung ihrer parlamentarischen Vertretung, wenn nicht sogar auf die Mehrheit im Parlament. Ihre politischen Gegner im Libanon dürften jedoch die jüngsten subversiven Aktivitäten in Ägypten versuchen auszunutzen, um die Hisbollah als friedensstörende Kraft im Dienste von Iran und Syrien zu enttarnen.
Wissenschaftliche Analysen, die die Hisbollah als eine libanesische Nationalbewegung definieren, sind unbegründet. Welche libanesischen Interessen werden durch subversive Aktivitäten in Ägypten wahrgenommen? Welches Interesse hat der Libanon, iranische Waffen vom Sudan über den Sinai nach Gaza zu schmuggeln? Welche nationale libanesische Ideologie versucht, die konfessionelle Struktur zu untergraben, auf der sich der moderne libanesische Staat gründet? Die Antworten auf diese Fragen lassen sich in den Beziehungen zwischen dem revolutionären Iran und seinem libanesischen Schützling, zwischen Irans Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei und seinem loyalen und zuverlässigen Vertreter Hassan Nasrallah finden. Das Wesen dieser Bindungen ist nicht einfach religiös, sondern hat weitreichende politische Konsequenzen für das Ausmaß des Verhaltens der Hisbollah in der libanesischen Arena und darüber hinaus. In ihnen kommt der wachsende Einfluss des Iran in der arabischen Welt zum Ausdruck.