Die palästinensische Spaltung und ihre Folgen für Verhandlungen mit Israel
Die palästinensische Spaltung und ihre Folgen für Verhandlungen mit Israel
Zvi Mazel
Noch nie war die palästinensische Gesellschaft derart gespalten und hilflos wie heute. Das vorzeitige Scheitern des Dialogs in Kairo verdeutlicht den traurigen Zustand der Palästinenser. Es ist für jeden, der diesen Konflikt verfolgt, offensichtlich, dass die Palästinensische Autonomiebehörde massiv unter Druck steht und darin machtlos ist, ein Übereinkommen mit Israel zu erzielen, solange die Hamas Gaza regiert und die Fatah gespalten ist.
Der Dialog von Kairo – Abbruch kommt Scheitern zuvor
Das vorzeitige Scheitern eines Dialoges zwischen Fatah und Hamas, der für Anfang letzter Woche in Kairo angesetzt war, zeugt von dem Zustand der Palästinenser. Die Autonomiebehörde ist schwach und gespalten und kann, solange sie Gaza nicht kontrolliert, Israel und der internationalen Gemeinschaft gegenüber keine klare wie eindeutige diplomatische Position beziehen. Die Gedenkzeremonie zum vierten Todestag Yassir Arafats verdeutlicht nachdrücklich diese Situation. Im Rahmen der Zeremonie griff Mahmoud Abbas in einer äußerst emotionalen Rede die Hamas scharf an und forderte ihre Bestrafung.
Gegenseitige Schuldzuschreibung zwischen Fatah und Hamas
Ägypten kündigte an, dass, in Übereinstimmung mit einem Ersuchen der Hamas, der Dialog auf einen späteren Termin verlegt worden sei. Er werde erneuert, sobald auf der palästinensischen Seite der Wunsch nach Diskussion deutlich würde. Die Hamas beschuldigte ihrerseits die Fatah der Sabotage des Dialoges, da sie sich geweigert habe, im Westjordanland inhaftierte Hamas-Mitglieder freizulassen – im Austausch für die Freilassung einer Reihe Fatah-Mitglieder in Gaza durch Hamas – und stattdessen die Verhaftung von Hamas-Anhängern fortgesetze.
Die wechselseitigen Beschuldigungen zwischen Fatah und Hamas galten jedoch der Öffentlichkeit in den arabischen Staaten und der internationalen Gemeinschaft. Es galt dem jeweils anderen die Schuld für das Scheitern der Versöhnungsgespräche zuzuschreiben. Es scheint jedoch, dass in der Sache die Positionen beider Seiten höchst problematisch waren und de facto keine Seite Interesse an einem Dialog zum gegenwärtigen Zeitpunkt hatte.
Omar Suleimans Versöhnungsplan – Ein rotes Tuch für die Hamas
Im Verlauf der letzten drei Monate hat der Chef des ägyptischen Geheimdienstes, Omar Suleiman, verschiedene Gespräche mit allen palästinensischen Fraktionen geführt und sich bemüht, ihre jeweiligen Positionen in der Krise zu verstehen. Seine Schlussfolgerungen flossen in das Dokument ein, welches die Grundlage des Dialogs bilden sollte. Die Hauptpunkte waren folgende: 1. Eine gemeinsame Hamas-Fatah-Regierung sollte gebildet und ermächtigt werden, gleichzeitige Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vorzubereiten; 2. eine Reform der Sicherheitsdienste sollte durchgeführt werden und die von der Hamas illegal gebildeten Einsatzkräfte würden mit den neuen Sicherheitsapparaten verschmelzen.
Suleimans Programm musste für die Hamas ein rotes Tuch darstellen, hätte es doch bedeutet, dass die Hamas ihre Herrschaft in Gaza hätte aufgeben müssen. Das Dokument enthielt einen Paragraphen, der festsetzte, dass der bewaffnete Widerstand (gegen Israel) nur auf Grundlage einer nationalen Einigung stattfinden könne, sowie, dass die Waffenruhe in Gaza Teil dieser Einigung sein werde. Die Hamas konnte dies, da die Vernichtung Israels zu ihren grundsätzlichen Zielen gehört, aus prinzipiellen Gründen nicht akzeptieren und wandte sich an Ägypten, mit der Bitte, dass das Dokument abgeändert werde – ohne Erfolg. In Konsequenz verwiesen die Sprecher der Hamas darauf, dass Kairo für die Fatah eingenommen sei und verkündeten die Aufschiebung des Dialogs.
Mahmoud Abbas unter Druck
Mahmoud Abbas steht unter Druck. Seine Amtszeit als Vorsitzender der Palästinensischen Autonomiebehörde läuft am 9. Januar 2009 aus, doch da die Hamas Gaza kontrolliert, wo 40 Prozent der Palästinenser leben, kann er keine Wahlen abhalten. Die Hamas hat bereits angekündigt, dass sie ab dem 9. Januar die Autorität von Abbas nicht mehr anerkennen werde.
Zu keinem Zeitpunkt war die palästinensische Gesellschaft derart gespalten. Selbst in der Fatah-Spitze finden sich Spaltungen, einschließlich zwischen Abbas und Abu Ala, Chef des palästinensischen Verhandlungsteams mit Tzipi Livini. Hinzu kommt, dass Abbas es nicht geschafft hat, den Generalrat der Fatah einzuberufen und so das Vertrauen der Bewegung zu gewinnen – etwas, was ihn gegen die Hamas stärken könnte.
Hamas zielt auf die PLO
Hamas wiederrum versucht Kontrolle über die PLO zu erlangen. Es wichtig daran zu erinnern, dass die PLO die einzige allgemein anerkannte Vertretung der Palästinenser darstellt. In all ihren Institutionen hat die Fatah die absolute Mehrheit. Auf Grundlage des Osloer Abkommens leitet die Palästinensische Autonomiebehörde ihre Vorrechte von der PLO ab. In der Vergangenheit hatte die Hamas sich geweigert der PLO beizutreten, da sie den Kampf gegen Israel ausschließlich bewaffnet führen wollen. Seitdem sie den Parlamentswahlen von 2006 zustimmte und dabei die Mehrheit gewann, fordert die Hamas die Teilhabe an PLO-Institutionen, um sich die Mehrheit zu sichern. Die Fatah kann ihr dies nicht gewähren und hat somit aus regierungsrechtlicher Perspektive eine unmögliche Situation geschaffen.
Trotz Schwäche keine andere Haltung gegenüber Israel
Die Schwäche der Palästinenser hat allerdings nicht dazu geführt, dass sie ihre Positionen gegenüber Israel geändert hätten. Die Hamas fordert nach wie vor die Vernichtung Israels und den Durchbruch durch die Blockade von Gaza. Sie versucht dazu mit europäischen Institutionen in Kontakt zu treten und behauptete kürzlich auch, die Berater des designierten amerikanischen Präsidenten Barack Obama kontaktiert zu haben. Die Hamas wird zweifelsohne versuchen, die Verantwortung für das Scheitern des Dialoges von sich zu weisen und die Terrorangriffe gegen Israel und das Raketenfeuer auf Sderot sowie andere Ortschaften in der Nähe Gazas wieder aufnehmen. Vor diesem Hintergrund stellen die jüngsten Zwischenfälle an der Grenze zu Gaza die ersten Vorboten des Endes der Waffenruhe dar. Es scheint jedoch klar, dass die Hamas die Waffenruhe solange fortsetzen wird, bis sie ihre militärischen Verteidigungsvorbereitungen gegen Israel abgeschlossen hat. Abbas hat seinerseits in seiner letzten Rede wieder alle Extrempositionen gegen Israel eingenommen, einschließlich der Forderung des Rückkehrrechts, während anti-israelische und antisemitische Hasspropaganda ungemindert in den palästinensischen Medien verbreitet wird.
Die internationale Gemeinschaft stellt sich blind
Es ist für alle Beteiligten – die Palästinenser, die arabischen Länder und die Länder des Nahostquartetts – deutlich, dass die Autonomiebehörde unter Druck steht und unfähig ist, ein Abkommen mit Israel zu erreichen, solange die Hamas Gaza kontrolliert und die Fatah gespalten ist. Dennoch scheint diese Wahrheit niemand aussprechen zu wollen. Stattdessen bleiben die Forderungen an Israel laut, dass es Zugeständnisse machen müsse – nur an wen?
Zvi Mazel ist der ehemalige israelische Botschafter in Ägyptern und Schweden.