Die despotische Versuchung – Der deutsche Gasdeal mit Teheran
In der aktuellen Ausgabe des managermagazin (8/08) räsoniert Henrik Müller über die „despotische Versuchung“. Jene sei groß. Und: „Gerade deutsche Firmen sind recht sorglos bei Deals mit Despoten. Das zeigt eine internationale Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC): Nur 31 Prozent der deutschen Unternehmen haben sich bei Investitionen in China über die dort grassierende Wirtschaftskriminalität intensiver Gedanken gemacht – verglichen mit 48 Prozent der Unternehmen aus anderen Ländern.“
Von „Sorglosigkeit“ ist allerdings nicht viel zu spüren, wenn Vertreter deutscher Industrie- und Handelskammern offen ihrerseits Sorgen bekennen, dass „wir Deutschen uns strikter daran halten als andere Staaten.“ So der Münchner IHK-Chef Reinhard Dörfler. Gemeint sind die Sanktionen gegen den Iran aufgrund dessen unbeeindruckt von internationalen Protesten voranschreitenden Atomprogramms, welches zusammen mit den regelmäßig erneuerten Vernichtungsdrohungen gegen Israel sowie der langjährige Bilanz iranischer Terrorismusunterstützung deutsche Regierungsvertreter – allen voran Kanzlerin Merkel – offen fordern lässt, man müsse, „Iran mit weiteren und schärferen Sanktionen zum Stopp seines Nuklearprogramms zu bewegen.“ So vor wenigen Monaten in der Knesset, als Merkel die deutsche historische Verantwortung gegenüber dem Staat Israel betonte und auch für Deutschland unbequeme Sanktionen gegen den Iran in Aussicht stellte.
Wie es sich mit diesen Sanktionen verhält, wurde jedoch gerade erst wieder deutlich als sich herausstellte, dass nicht allein das international zu Recht dafür kritisierte Nachbarland Schweiz sein ökonomisches Interesse am iranischen Gassektor verstand, gegen den Geist internationaler Sanktionen durchzusetzen, sondern auch die deutsche Exportindustrie auf leisen Sohlen und mit tatkräftiger Unterstützung von Parteigenossen Merkels danach strebt, verbalakrobatisch das „Fressen“ der „Moral“ voranzustellen. Denn, so wurde in der den 100 Mio-Euro-Deal zwischen dem Siegener Gastechnik-Unternehmen SPG-Steiner und dem iranischen Regime dankbar aufnehmenden Siegener Zeitung deutlich: der parlamentarische Staatsekretär im Wirtschaftsministerium Hartmut Schauerte (CDU) hatte sich beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) massiv dafür eingesetzt, dass die deutschen Firma von staatlicher Seite den Deal mit Teheran genehmigt bekam. Die BAFA hegte „nach intensiver Einzelfallprüfung“ keine Bedenken, sowie „keine rechtliche Möglichkeit“ den Handel zu verhindern. Und das, nachdem sowohl Großbritannien als auch Frankreich schärfere Sanktionen gegen den Iran im Erdgassektor betont haben und auch die Schweiz inzwischen Abstand von einer Sonderrolle in der europäischen Iran-Politik verkündet.
Es mag tatsächlich richtig sein, dass im reinen Wortlaut der Deal den gegenwärtig von Deutschland getragenen Sanktionen gegen den Iran nicht widerspricht, nur stellt sich die Frage, welchen Teil des „Neins“ zum iranischen Atomprogramm, welches Gegenstand der Sanktionen ist, die Bürokraten der BAFA, der Herr Staatssekretär Schauerte und die beflissen auf das wieder wachsende deutsche Exportvolumen in den Iran schielenden IHK-Funktionäre nicht verstanden haben mögen.
Wie beim allgemein bekannten Dilemma der Genozid-Prävention, die immer wieder daran scheitert, dass politische Akteure sich scheuen, Völkermord beim Namen zu nennen, drohen auch hier, politische Willensbekundungen wie die Verpflichtungen gegenüber der israelischen Sicherheit als Teil der deutschen Staatsräson zu bloßen Papiertigern zu mutieren. Der Pressesprecher der sich im Urlaub befindenden Kanzlerin verlautbarte immerhin, das Gasgeschäft sei „nicht in ihrem Sinne.“ Es bleibt zu hoffen, dass nun erwähnte Staatsräson möglichst schnell aus dem Urlaub geholt wird.