Der Golan und die syrisch-israelischen Verhandlungen

Dr. Dore Gold

· Die israelischen Unterhändler dürften in ihren Diskussionen mit den Syrern schnell auf drei Kernfragen stoßen, welche nicht so einfach gelöst werden können: die Einigung über den Grenzverlauf, Sicherheitsvereinbarungen und die syrisch-iranische Allianz.

· Unmittelbar vor dem Ausbruch des Yom-Kippur-Krieges brachte Syrien entlang der Grenze 1 400 Panzer gegen Israels 177 in Stellung – ein Kräfteverhältnis von 8 zu 1 für Syrien. Sollte Syrien sein beachtliches Raketenarsenal im Kriegsfall einsetzen, um israelische Reserven aufzuhalten, so wächst die Bedeutung des Golan für Israels Verteidigung, denn in dem Fall kann Israels kleinere, stehende Armee länger ohne Reserven standhalten.

· Als Israel einen Friedensvertrag mit Ägypten schloss, verpflichtete es sich zu einem vollständigen Rückzug hin zu internationalen Grenzen. In den fünfziger Jahren hatte Syrien Gebiete innerhalb der israelischen Grenzen erobert – die demilitarisierte Zone in al-Hamma, das Banias-Gebiet und den Küstenstreifen am Nordostufer des See Genezareth.

· Sollte Israel der syrischen Forderung nach einem Rückzug zu der Linie vom 4. Juni 1967 zustimmen, würde es nicht nur die syrische Aggression belohnen, sondern auch die Kontrolle von Israels größtem Süßwasser-Reservoir gefährden. Israel sollte mit Syrien nicht über eine Grenze verhandeln, welche entweder der vom 4. Juni 1967 oder der älteren internationalen Grenze entspricht, denn beide sind nicht verteidigungsfähig.

· In der Vergangenheit haben die Vereinigten Staaten Israel wiederholte diplomatische Zusagen gegeben, dass Israel sich nicht aus den Golan-Höhen zurückziehen müsse – angefangen bei dem Schreiben US-Präsident Fords an Premier Yitzhak Rabin vom 1. September 1975, über die Erneuerung der Versicherungen in der Madrid-Friedenskonferenz durch US-Außenminister James Baker bis zur erneuerten Verpflichtung von US-Außenminister Warren Christopher im September 1996.

· Selbst wenn Syrien nach vorheriger Absprache mit Teheran, Schritte zu einer anscheinenden Reduzierung der Bindung an Iran einleiten würde: die Aufgabe des Golan wäre irreversibel, politische Ausrichtungen von Staaten des Nahen Ostens sind hingegen notorisch unbeständig. Es wäre ein Kardinalfehler, würde Israel seine eigene Sicherheit dadurch gefährden, dass es einem Rückzug aus dem Golan zustimmt.

Trotz aller Fortschritte in Militärtechnologie bleiben die Golan-Höhen ein lebenswichtiger strategischer Vorteil für die israelische Verteidigung. Auch wenn Israel und Syrien ihren diplomatischen Dialog nach acht Jahren Unterbrechung wieder aufgenommen haben, werden die Unterhändler sehr bald feststellen, dass es drei Bereiche gibt, welche nicht leicht zu lösen sind: die Einigung über den Grenzverlauf, Sicherheitsvereinbarungen und die syrisch-iranische Allianz. All diese Fragen sind zu einem guten Teil problematischer geworden als in den Verhandlungen der neunziger Jahre.

Israels Hauptverteidigungslinie

Israel eroberte die Golan-Höhen im Sechstagekrieg von 1967 nachdem dort stationierte syrische Truppen israelische Dörfer und Städte jahrzehntelang mit Artilleriefeuer belegt hatten. Am westlichen Rand des Golan befinden sich steile Klippen vom Ufer des See Genezareth bis zu einer Höhe von 500 Metern, welche Syrien nutzte, um Israel zwischen 1949 und 1967 anzugreifen. Nach Osten hin steigt die Golan-Hochebene bei Har Avital nahe der syrischen Grenze bis zu 1 200 Meter über dem Meeresspiegel an. Israels numerisch unterlegenes stehendes Heer erhält hier im Konfliktfall einen eindeutigen topografischen Vorteil gegenüber dem massiven syrischen Militär, welches in der anschließenden Ebene bis zur syrischen Hauptstadt Damaskus stationiert ist, bis israelische Reservetruppen eintreffen.

Unmittelbar vor dem Ausbruch des Yom-Kippur-Krieges brachte Syrien entlang der Grenze 1 400 Panzer gegen Israels 177 in Stellung – ein Kräfteverhältnis von 8 zu 1 für Syrien. Schätzungen zufolge stationierte Syrien in den frühen neunziger Jahren ein stehendes Heer von fünf bis sechs Divisionen gegen eine israelische Truppenstärke von einer Division.[1]

Oft wird fälschlicherweise angenommen, dass mit der Verbreitung ballistischer Raketen die topografischen Ausgangsbedingungen konventioneller Kriegsführung weniger wichtig geworden sind. Sollte Syrien jedoch sein beachtliches Raketenarsenal im Kriegsfall einsetzen, um israelische Reserven aufzuhalten, so wächst die Bedeutung des Golan für Israels Verteidigung zusätzlich, denn in diesem Fall könnte Israels kleinere, stehende Armee länger ohne Reserven standhalten. Ob es der israelischen Luftwaffe möglich sein wird, in diesem kritischen Moment Luftunterstützung zu gewähren, hängt davon ab, wie beschäftigt sie wäre, ballistische Raketenangriffe aus Syrien auf israelische Städte abzuwehren. Kurz, in jedem Fall bleiben die Golan-Höhen ein essentieller strategischer Vorteil für Israels Verteidigung.

Israelische Unterhändler werden in ihren Diskussionen mit den Syrern mit drei Kernfragen konfrontiert werden, welche in der Vergangenheit zu beachtlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Israel und Syrien geführt haben.

1. Grenzziehung – die Rolle des See Genezareth

Grundlage syrisch-israelischer Verhandlungen wird die Einladung zur Madrider Friedenskonferenz von 1991 sein, welche die UN-Sicherheitsratsresolution vom 22. November 1967 beinhaltete. Resolution 242 forderte „Rückzug israelischer Streitkräfte aus Gebieten, die während des jüngsten Konfliktes besetzt wurden.“ Indem nicht darauf bestanden wurde, dass Israel sich von „allen Gebieten“, die erobert wurden, zurückziehe, ließ die Resolution die Möglichkeit offen, dass eine zukünftige Grenze zwischen Syrien und Israel als Teil eines Endes der Feindseligkeiten sowie der Schaffung eines Friedens zwischen beiden Ländern verhandelt werden könnte.

Als Israel 1979 einen Friedensvertrag mit Ägypten schloss, verpflichtete es sich zu einem vollständigen Rückzug zu internationalen Grenzen. Sollte Syrien ebenfalls einen Anspruch auf prä-1967er Linien behaupten, stünde es vor einem fundamentalen Problem, denn Syrien hatte in den fünfziger Jahren Gebiete innerhalb der israelischen Grenzen erobert – die südliche demilitarisierte Zone in al-Hamma, das Banias-Gebiet und den Küstenstreifen am Nordostufer des See Genezareth.

Sollte Israel der syrischen Forderung nach einem Rückzug zu der Linie vom 4. Juni 1967 zustimmen, würde es die syrische Aggression der fünfziger Jahre belohnen. Würde es hingegen die internationale Grenze zwischen Israel und Syrien anbieten, welche 1923 in der Mandatszeit festgelegt wurde, würden die Syrer weniger erhalten als Ägypten. Zudem hatte Syrien, nachdem es in Israels nördlichen Küstenstreifen des Genezareth in den 1950ern eingedrungen war, einen 250 Meter breiten Gürtel des Sees zu syrischem Territorium erklärt. Damaskus verweigerte Israel Fischfangrechte in diesem Teil des Sees.[2] Eine israelische Zustimmung zu einer Grenze auf Basis der Linie vom 4. Juni 1967 würde also auch die Kontrolle von Israels größtem Süßwasser-Reservoir gefährden.

Tatsächlich sollte Israel mit Syrien überhaupt nicht über eine Grenze verhandeln, welche entweder der vom 4. Juni 1967 oder der älteren internationalen Grenze entspricht, da beide nicht verteidigungsfähig sind. Zudem haben in der Vergangenheit die Vereinigten Staaten Israel wiederholte diplomatische Zusagen gegeben, dass Israel sich nicht aus den Golan-Höhen zurückziehen müsse. Am 1. September 1975 schrieb der damaligen US-Präsident Gerald Ford an den damaligen Premier Yitzhak Rabin: „Die Vereinigten Staaten haben keine endgültige Position hinsichtlich der Grenzen entwickelt. Sollten sie es tun, werden sie großes Gewicht darauf legen, dass Friedensvereinbarungen mit Syrien darauf basieren, dass Israel auf den Golan-Höhen verbleibt.“

Dieser Ford-Brief ist nicht allein aus diplomatiegeschichtlichen Gründen interessant. Kurz vor der Madrider Friedenskonferenz 1991 erneuerte der damalige US-Außenminister James Baker am 18. Oktober 1991 die Unterstützung der Vereinigten Staaten in der Golan-Frage gegenüber Premier Yitzhak Shamir. Ebenso bekräftigte Clintons Außenminister Warren Christopher in einem Brief an Premierminister Benjamin Netanyahu vom 19. September 1996 Fords Versprechen.[3] Christopher fügte in seinem Brief sogar hinzu, dass selbst von Israel in vergangenen Verhandlungen angebotene Bedingungen bezüglich der Golan-Höhen (der Verweis galt dem sogenannten „Rabin-Pfand“) nicht als rechtlich bindend betrachtet würden.[4] Israel ist dementsprechend nach wie vor in einer starken Position, eine finale Grenze zu fordern, welche seinen Sicherheitsinteressen entspricht, und nicht Verhandlungsangeboten vergangener diplomatischer Kontakte verpflichtet.

2. Die Grenzen der Demilitarisierung und Sicherheitsvereinbarungen

Das fundamentale Sicherheitsproblem zwischen Israel und Syrien – die Asymmetrie seiner konventionellen Streitkräfte – war einst ebenfalls ein Problem zwischen Israel und Ägypten. Doch als sich Israel vom Sinai vollständig zurückzog erhielt es zur Kompensation seines Kontrollverlusts „Sicherheitsvereinbarungen“, welche im Rahmen des Friedensvertrages den Ägyptern wesentliche Beschränkungen durch demilitarisierte Zonen und Gebiete mit Kräftebegrenzung auferlegten.

Doch diese „Sicherheitsvereinbarungen“ bezogen sich auf das Gebiet des Sinai mit ca. 220 Kilometern Breite, während der Golan lediglich im Schnitt 25 Kilometer, an seiner schmalsten Stelle sogar nur 12 Kilometer breit ist. Um ausreichende Sicherheit für Israel zu schaffen, wäre es nötig die syrische Armee jenseits der Golan-Höhen zu beschränken, bis nach Südsyrien.[5] Angesichts der räumlichen Nähe von Damaskus zum Golan, hieße dies, dass das israelische Bedürfnis nach Entmilitarisierung die Syrer nötigen würde, ihre Truppen bis hinter ihre eigene Hauptstadt zurückzuziehen.

Dieses Problem verschärft sich zusätzlich durch Syriens umfassenden Erwerb ballistischer Raketen, v.a. in Folge des Zweiten Libanonkrieges 2006. Israel muss versuchen, dieses Raketenarsenal zu begrenzen sowie ihre Stellungen nahe der israelischen Grenze. Syrien sieht sich also vor schwere Entscheidungen gestellt hinsichtlich seiner Prioritäten und dem Ausmaß der Konzessionen, zu denen es bereit wäre: Ist Syrien willens, derart einschränkende Sicherheitsbestimmungen in der Nähe seiner Hauptstadt zuzulassen oder bevorzugt es stattdessen den territorialen Status Quo.

3. Neutralisierung der syrisch-iranischen Allianz

In den diplomatischen Kreisen Israels ist die wesentlichste Forderung bei erneuten israelisch-syrischen Verhandlungen die Herauslösung Syriens aus seiner Allianz mit Iran und der von US-Präsident Bush so bezeichneten „Achse des Bösen“. Ist es überhaupt vernünftig, von einer syrischen Bereitschaft, sich vom Iran zu distanzieren, auszugehen?

Die syrisch-iranische Allianz entstand 1980 und hatte nichts mit Israel zu tun, sondern wurde vom Iran-Irak-Krieg und der Antipathie beider Länder gegen das Regime Saddam Husseins bedingt. Heute besteht diese Allianz aufgrund anderer syrischer Interessen, die ebenfalls wenig mit den israelisch-syrischen Beziehungen zu tun haben.

So ist z.B. eine hegemoniale Stellung im Libanon eine deutliche Priorität syrischer Außenpolitik. Als wesentliches Vehikel für eine Dominanz im Libanon dient den Syrern dabei die enge Allianz mit der Hisbollah, welche sich erst kürzlich wieder als stärkste Fraktion des Libanon erwiesen hat. Würde Syrien sich vom Iran lossagen, würde es die besondere Beziehung zur Hisbollah verlieren, welche von Teheran finanziert und kontrolliert wird. Als Resultat würde die syrische Kontrolle des Libanon schwinden und die anti-syrische Koalition aus Sunniten, Drusen und Christen würde dominieren.

Folglich ist es äußerst unwahrscheinlich, dass Syrien seine strategischen Bindungen an den Iran einstellen und sich stattdessen pro-westlich orientieren wird. Selbst wenn Syrien nach vorheriger Absprache mit Teheran, Schritte zu einer anscheinenden Reduzierung der Bindung an Iran einleiten würde: die Aufgabe des Golan wäre irreversibel, politische Ausrichtungen von Staaten des Nahen Ostens sind hingegen notorisch unbeständig. Israelische Unterhändler ständen unter schwerem Druck eine Vereinbarung auszuhandeln, welches einen dauerhaften Bruch zwischen Damaskus und Teheran garantieren würde.

Es gibt noch zahlreiche andere Probleme, mit welchen solche Verhandlungen konfrontiert wären. So erwartet Israel z.B. eine „vollständige Normalisierung“ seiner Beziehungen zu Syrien, während syrische Sprecher vorsichtig „normale Beziehungen“ als Merkmal zukünftiger Bindungen an den jüdischen Staat benutzten. „Normalisierung“ verweist auf Beziehungen, wie sie die ehemaligen Gegner Frankreich und Deutschland heute im Rahmen der Europäischen Union erreicht haben. „Normale Beziehungen“ impliziert hingegen nur ein Minimum an formalen Bindungen wie in der Idee des „kalten Friedens“.

Angesichts dieser fundamentalen Unterschiede werden die ernsten Risiken der gegenwärtigen diplomatischen Bemühungen, Israel und Syrien wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, deutlich. Sollten die Erwartungen auf einen unmittelbar bevorstehenden Frieden geweckt werden, ohne dass ein Friedensvertrag beschlossen ist, so kann das politische Klima nach einem Scheitern der Verhandlungen potentiell eskalieren.

Für Israel ist es dabei zusätzlich entscheidend, die Interessen seiner amerikanischen Verbündeten zu berücksichtigen. Erst am 28. April 2008 hatte der amerikanische UN-Botschafter Zalmay Khalilzad die Syrer für ihr destabilisierende Rolle im Irak massiv kritisiert. Er enthüllte, dass 90 Prozent der ausländischen Kämpfer im Irak über die syrisch-irakische Grenze gekommen seien. Zudem würden al-Qaidas „Organisatoren“ im Irak „von Syrien aus“ operieren.[6]

Bei derart weitgefächerten substanziellen Differenzen in Verhandlungen zu treten ist hochproblematisch. Angesichts der fortgesetzten strategischen Bedeutung der Golan-Höhen wäre es ein Kardinalfehler würde Israel seine eigene Sicherheit durch Zustimmung eines Rückzugs aus diesem hervorgehobenen Gebiet gefährden. Eine derartige Initiative könnte zudem die israelischen Beziehungen mit seinem wichtigsten Verbündeten, den Vereinigten Staaten, gefährden.


[1] Aryeh Shalev, Israel and Syria: Peace and Security on the Golan (Hebräisch) (Tel Aviv: Jaffee Center for Strategic Studies, 1993), S. 124.

[2] Meron Medzini (ed.), Israel’s Foreign Relations – Selected Documents, 1947-1974 (Jerusalem: Ministry of Foreign Affairs, 1976), S. 271.

[3] Eli Kamir, “The Secret Negotiations Between Netanyahu and Assad,” Ma’ariv, 31. Dezember 1999.

[4] Itamar Rabinovich, The Brink of Peace: The Israeli-Syrian Negotiations (Princeton: Princeton University Press, 1998), S. 3-13. Der “Rabin-Pfand” war eine theoretische Übung, bei dem den Vereinigten Staaten gesagt wurde, dass, wenn die israelischen Forderungen hinsichtlich Sicherheitsvereinbarungen, Schrittfolge der Umsetzung sowie Normalisierung erfüllt wären, Rabin willens sei, sich aus dem Golan zurückzuziehen. Die Clinton-Administration sollte diese bedingte Anweisung zurückbehalten und erst offenbaren, wenn die Syrier die anderen israelischen Bedingungen erfüllt hätten.

[5] In vergangenen Verhandlungen wurden diese Demilitarisierungszonen als “relevante Gebiete” bezeichnet, und Israel machte deutlich, dass sie genügend Tiefe besitzen müssten um Sicherheit zu gewährleisten. Siehe Uri Sagie, “The United States and the Israeli-Syrian Dialogue,” The Israeli-Syrian Dialogue: A One-Way Ticket to Peace? (Houston, TX: Baker Institute, October 1999), Kapitel 3.

[6] “U.S. Envoy Slams Iran’s Alleged Destabilizing Role in Iraq,” AFP, 28. April 2008, http://afp.google.com/article/ALeqM5g6gHdkw33tAceBTnP8yQB3lg2Ybw.