Das EU-Papier zu Jerusalem: Auslassungen und Ungenauigkeiten
Das EU-Papier zu Jerusalem: Auslassungen und Ungenauigkeiten
Nadav Shragai
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Letzte Woche gelangte ein internes Positionspapier der Europäischen Union vom Dezember 2008 zum Thema Jerusalem an die Öffentlichkeit. Das Papier, das von den EU-Botschaftern in Tel Aviv vorbereitet wurde, wurde vom „Israelischen Komitee gegen den Abriss von Häusern“ (Israeli Committee Against House Demolition) an die Medien weitergeleitet. Dieses einseitige Dokument steckt voller Vorurteile. Nicht zu finden sind darin die vielen Fakten, die belegen, dass Jerusalem mit seinen heiligen Stätten, der Altstadt, dem „Heilige Becken“ und dem Tempelberg die historische Hauptstadt des jüdischen Volkes darstellen und dass der Staat Israel als jüdischer Staat seinen Anspruch im Einklang mit den rechtlichen Prinzipien ausübt und versucht, die Stadt als vereinte Hauptstadt des Staates Israel zu verankern.
Dieser jüngste Vorstoß gegen das israelische Vorgehen in Jerusalem bezieht sich v.a. auf die Aktivitäten im Gebiet der „Stadt Davids“ – in Silowan. Die „Stadt Davids“ wird von Archäologen und Historikern als der Ort identifiziert, von dem aus sich Jerusalem entwickelte, nachdem König David sich vor mehr als 3000 Jahren entschied, Hebron zu verlassen und nach Jerusalem zu ziehen, um das jüdische Volk in einer einzigen Hauptstadt zu vereinigen.
Davids Sohn Solomon errichtete auf dem Gipfel des Berges Moriah, wo Isaak als Opfer gebunden worden sein soll, den Ersten Tempel – dies ist der heutige Tempelberg. Auf diese Weise wurde Jerusalem zum ersten Mal die Hauptstadt des jüdischen Volkes. Die ersten Ausgrabungen in der „Stadt Davids“, wo die meisten Ausgrabungen in Jerusalem stattfinden, geschahen in der Zeit des Osmanischen Reiches und in der darauf folgenden britischen Mandatsherrschaft in Jerusalem. Auch Israel ließ hier ausgraben und stieß dabei auf zahlreiche Funde der verschiedensten Epochen. Die Arbeiten an dieser Stelle haben sehr viel Lob und Wertschätzung in der archäologischen Gemeinschaft Israels und der ganzen Welt erhalten.
Zuletzt wurde Israel beschuldigt, unter palästinensischen Häusern zu graben und sie so zu gefährden. Diese Behauptung ist jedoch nur halbwahr und zudem eine Verzerrung. Nur ein Teil der Ausgrabungen – von Archäologen und Ingenieuren geleitete und überwachte technische Arbeiten – finden unter den Häusern statt und beziehen die Bewohner in das Vorgehen mit ein. Einige der Ausgräber sind palästinensische Einwohner vor Ort. Dieses Vorgehen diskriminiert nicht einseitig die Palästinenser der Gegend. Als die jüdische Vergangenheit Jerusalems durch Grabungen unter dem jüdischen Viertel untersucht wurde, hat Israel dort in der gleichen Art und Weise unter den Häusern der jüdischen Einwohner gegraben.
Gleich anschließend an die „Stadt Davids“ befindet sich der sogenannte „Königsgarten“. Diese Stelle wird u.a. in den biblischen Büchern Nehemia und Prediger (Salomo), sowie in vielen Midraschim (Auslegungen) und historischen Quellen beschrieben. Wissenschaftler, Besucher wie Pilger führen ihn auf die Könige David und Salomon zurück. Der arabische Name dafür ist Al-Bustan. Das Gelände des Gartens grenzt an das Stadtviertel Silowan im Südwesten Jerusalems, gelegen an einem Ausläufer des Südhangs des Ölbergs. Vor zwanzig Jahren sorgte die Jerusalemer Stadtverwaltung für die Entwässerung der Gegend, die sich in vielen Wintern in einen Sumpf und damit in eine Brutstätte für Moskitos und andere Ungeziefer verwandelt hatte.
Die Lösung des Drainage-Problems führte zu einer Welle illegalen Häuserbaus – insgesamt 88 – auf dem Gelände durch Palästinenser. Die Jerusalemer Stadtverwaltung ordnete den Abriss dieser Strukturen an. Bei einer Anhörung vor der Knesset vor einem Jahr gab der Generaldirektor der Antikbehörde Joshua Dorfman die Einschätzung ab, dass diese Konstruktionen bedeutsame und z.T. irreversible Schäden an die Altertümer auf dem Gelände verursachen würden. Nur eine kleine Zahl isolierter Abrisse fand statt. Die Stadtverwaltung besteht weiterhin auf die Durchführung dieser Anordnungen, doch angesichts der heiklen Lage und der internationalen Kritik bietet sie den sich strafrechtlich schuldig gemacht habenden Bewohnern des Geländes eine nach Recht großzügige Entschädigungsvereinbarung an, einschließlich des Erwerbs von Land an einer anderen Stelle Jerusalems. Die Einwohner, unterstützt von linken Gruppen und Angehörigen der Palästinensischen Autonomiebehörde, verweigern sich hingegen. Sie nutzen diesen Versuch Israels, das Gesetz durchzusetzen, zur Aufstachelung gegen die staatlichen Behörden. Vor einem Monat scheiterten die Bewohner darin, die illegale Bebauung des Geländes mit einem dem städtischen Planungskomitee vorgelegten Plan zu legalisieren.
Ein weiterer Punkt, der einen Vorwand für Kritik an Israel liefert, sind die jüdischen Baumaßnahmen in der „Stadt Davids“. Dutzende Familien wohnen an dem Ort in Häusern, die sie rechtmäßig arabischen Eigentümern abgekauft haben. Niemand hat diese Araber gezwungen, ihre Häuser an Juden zu verkaufen. Der Verkauf geschah aus freien Stücken und ist in vielen Fällen sogar durch Videoaufnahmen dokumentiert, so dass man die Möglichkeit hat, die in Folge gebotene Litanei zu widerlegen. Die Wiederbesiedlung der „Stadt Davids“ gründet auf der greifbaren historischen, religiösen und kulturellen jüdischen Beziehung zu dem Ort. Diese Häuser sind seit 20 Jahren von Juden bewohnt und die Beziehungen zwischen den jüdischen und den palästinensischen Einwohnern sind angemessen gut, sofern sich politische Gruppen heraushalten und es keine Anstrengungen gibt, die palästinensischen Einwohner aufzustacheln.
Die Verwendung der Resolution 242 in dem EU-Dokument über Jerusalem ignoriert hingegen die Fakten und den tatsächlichen historischen Kontext: Die UN-Sicherheitsratsresolution 242 vom November 1967 erwähnt Jerusalem überhaupt nicht. Wie Dr. Dore Gold in seiner Studie „Jerusalem in der internationalen Diplomatie“ feststellt, besteht der UN-Sicherheitsrat „nicht auf einen vollen Rückzug zu den prä-1967 Grenzen im operativen Teil der Resolution (sondern nur auf einen Rückzug aus “Gebieten” hin zu „sicheren und anerkannten Grenzen“). Rückblickend schrieb der amerikanische Botschafter bei der UN 1967 Arthur Goldberg: „Ich habe Jerusalem nie als besetztes Gebiet beschrieben … Resolution 242 verweist an keiner Stelle auf Jerusalem und diese Auslassung war bewusst.“
Es keineswegs überflüssig, in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass zwischen 1948 und 1967 während der jordanischen Herrschaft in Jerusalem Jordanien sich weigerte – entgegen seiner Verpflichtungen – den Juden den Zugang zur Klagemauer, zum Ölberg und anderen heiligen Stätten in seinem Gebiet zu gestatten. Über 50 Synagogen des Jüdischen Viertels der Altstadt wurden entweder zerstört oder entweiht, zahllose Grabsteine des wichtigsten jüdischen Friedhofs in der Welt wurden auf dem Ölberg zerschlagen oder entweiht. Erst die Vereinigung der Stadt hat die Religionsfreiheit aller Einwohner der Stadt – Juden, Christen und Moslems gleichermaßen – an ihren heiligen Stätten wiederhergestellt.
Das Jerusalem-Dokument der EU berücksichtigt, wie erwähnt, die historische Entwicklung des jüdischen Anspruchs auf Jerusalem nicht. Daher hier ein kurzer Blick in die letzten 150 Jahre: spätestens seit 1864 verfügten die Juden über eine Mehrheit in der Stadt. Die israelische Position in Jerusalem leitet sich nach Völkerrecht vom Palästina-Mandat ab, in dem der Völkerbund – die damalige Körperschaft internationaler Legitimität vor der Gründung der Vereinten Nationen – die „historische Bindung zwischen dem jüdischen Volk und Palästina“ anerkannte und „zur Schaffung einer nationalen Heimstätte des jüdischen Volkes in Palästina“ aufrief. Der Völkerbund unterschied dabei nicht zwischen dem jüdischen Anspruch auf Jerusalem und dem Anrecht auf andere Teile Palästinas. Der erste Premierminister Israels David Ben-Gurion machte Jerusalem im Jahr 1950 zur ersten Hauptstadt des Staates Israel. Das im vorhergehenden Jahr zwischen Israel und Jordanien unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen legte noch keine endgültigen Grenzen zwischen den Kriegsparteien fest, sondern nur die Linien militärischer Trennung zu Ende des Krieges von 1948. Aufgrund von Forderungen der arabischen Seite enthielt der Waffenstillstand einen Absatz, dass nichts von dem in diesem Dokument Festgelegten, die Rechte irgendeiner Partei bei der friedlichen und endgültigen Beilegung der Palästinafrage vorwegnehmen würde. Den Linien von 1967 kam also mit anderen Worten bis zum Ausbruch des Sechstagekrieges kein diplomatischer Status zu.
Mit der Befreiung der Altstadt von Jerusalem im Verlauf des Sechstagekrieges, in welchem Jordanien einen Angriff auf Israel entlang der städtischen Verwaltungsgrenzen in Jerusalem startete, dehnte Israel, autorisiert von der Knesset, seine Rechtsprechung und Autorität auf den östlichen Teil der Stadt aus. Israel erhob auch Souveränität über das Gelände des Tempelberges, stimmte jedoch zu, das die jordanische Religionsstiftung Waqf ihn weiter verwalten durfte. Damit verzichtete Israel also auf jüdische Ansprüche, auf dem Berg zu beten, im Hinblick auf eine Vermeidung interreligiösen Konfliktes an einer der heikelsten Stellen der Welt. Dies war ein gewaltiges Zugeständnis historischen Ausmaßes, dass Israel nicht wirklich vermocht hat, der Weltöffentlichkeit als solches entsprechend zu vermitteln.
Doch Israel machte der Welt klar, dass es einen freien Zugang für Mitglieder aller Religionen zu all den heiligen Stätten, einschließlich des Tempelberges, an allen Orten in Jerusalem aufrechterhalten würde.