Countdown zur nächsten Libanonkrise: Iran schickt über Beirut Botschaft an Obama
Countdown zur nächsten Libanonkrise:
**Iran schickt über Beirut Botschaft an Obama **
Shimon Shapira
· Am 12. Januar 2011 verursachte die proiranische Hisbollah-Miliz den Kollaps der libanesischen Regierung, just zu dem Zeitpunkt, als sich der libanesische Premier Saad Hariri zu einem Besuch im Weißen Haus bei US-Präsident Obama befand. Die zehn der Hisbollah nahe stehenden Minister machten ihre Entscheidung auf einer Pressekonferenz öffentlich, die während des Obama-Hariri-Treffens live im libanesischen Fernsehen ausgestrahlt wurde.
· Damit versuchte die Hisbollah-Führung, der Veröffentlichung der Entscheidung des Sondertribunals für den Libanon (STL) zuvorzukommen, das vermutlich hochrangige Hisbollah-Mitglieder der Verwicklung in die Ermordung Rafiq Hariris 2005 bezichtigen wird.
· Das STL wurde in Reaktion auf eine Anfrage der libanesischen Regierung an die Vereinten Nationen vom Dezember 2005 gegründet. Das STL wurde mit den UN-Sicherheitsratsresolutionen 1664 und 1757 geschaffen. Letztere Resolution wurde im Rahmen der UN-Charter als Chapter VII-Resolution beschlossen, was nur feindseligen Akten vorbehalten ist.
· Die Hauptmotivation der Hisbollah wird in der Weigerung Hariris gesehen, ihren wiederholten Forderungen nachzugeben und das STL für illegitim und seine Entscheidungen für nicht verbindlich für die libanesische Regierung zu erklären. Die Hisbollah war darin nicht allein, an die libanesischen Regierung im Hinblick auf das STL Forderungen zu stellen. Der Oberste Führer des Iran Ayatollah Ali Khamenei, der sich sonst selten zu innerlibanesischen Angelegenheiten äußert, verlautbarte nichtsdestotrotz: „Dieses Tribunal erhält seinen Anweisungen von Anderswo und daher ist, was immer es entscheidet, null und nichtig.
· Der Iran versucht auf diese Weise, der Obama-Administration sowie dem Westen als Ganzes zu signalisieren, dass die Entwicklungen im Libanon heute von Teheran und nicht von Washington diktiert werden. Gelingt es nicht, diesen vom Iran gesponserten Provokationen zu begegnen, dann lädt dies nur zu weiteren Abenteuern des Teheraner Regimes in der Region ein, in seinem Streben, Hegemonie über den Nahen Osten zu gewinnen.
Am 12. Januar 2011 verursachte die proiranische Hisbollah-Miliz den Kollaps der libanesischen Regierung, just zu dem Zeitpunkt, als sich der libanesische Premier Saad Hariri zu einem Besuch im Weißen Haus bei US-Präsident Obama befand. Zehn der Hisbollah nahe stehenden Minister sowie ein weiterer traten zurück. Die Minister machten ihre Entscheidung auf einer Pressekonferenz öffentlich, die während des Obama-Hariri-Treffens live im libanesischen Fernsehen ausgestrahlt wurde. Ebenso wandte sich die Hisbollah an den libanesischen Präsidenten Michel Suleiman und forderte von ihm, dass er unverzüglich einen neuen Sunniten-Führer beauftrage, Hariri zu ersetzen, der eine neue Regierung bilden solle. In Folge beauftragte Suleiman Hariri, einer Übergangsregierung vorzustehen.
Damit versuchte die Hisbollah-Führung, der Veröffentlichung der Entscheidung des Sondertribunals für den Libanon (STL) zuvorzukommen, das vermutlich hochrangige Hisbollah-Mitglieder der Verwicklung in die Ermordung Rafiq Hariris, Vater des jetzigen Premiers, 2005 bezichtigen wird. Auf diese Weise würde es auch zu internationalen Anklageerhebungen kommen. Das STL wurde in Reaktion auf eine Anfrage der libanesischen Regierung an die Vereinten Nationen vom Dezember 2005 gegründet. Das STL wurde dann mit den UN-Sicherheitsratsresolutionen 1664 und 1757 geschaffen. Letztere Resolution wurde im Rahmen der UN-Charter als Chapter VII-Resolution beschlossen, was nur feindseligen Akten vorbehalten ist.
Die Hisbollah entschloss sich, die libanesische Regierung genau in diesem Moment kollabieren zu lassen, um Premier Saad Hariri als amerikanische Marionette dastehen zu lassen. Doch die Hauptmotivation der Hisbollah wird in der Weigerung Hariris gesehen, ihren wiederholten Forderungen nachzugeben und das STL für illegitim und seine Entscheidungen für nicht verbindlich für die libanesische Regierung zu erklären. Ob es der Hisbollah gelingen kann, eine neue libanesische Regierung zu bilden, bevor das STL seine Ergebnisse vorlegt, ist fraglich. Doch wenigstens kann die Hisbollah auf diese Weise weitere Schritte der Regierung verhindern, die das STL unterstützen, denn dies verlangt eine Zweidrittelmehrheit der 30-köpfigen libanesischen Regierung, die nach der Rücktrittswelle nicht mehr erreicht werden kann.
Die Hisbollah war darin nicht allein, im Hinblick auf das STL Forderungen an die libanesischen Regierung zu stellen. Der Oberste Führer des Iran Ayatollah Ali Khamenei, der sich sonst selten zu innerlibanesischen Angelegenheiten äußert, verlautbarte Ende Dezember 2010 während eines Treffens mit dem Emir von Katar nichtsdestotrotz: „Dieses Tribunal erhält seinen Anweisungen von Anderswo und daher ist, was immer es entscheidet, null und nichtig.“[1] Seiner Meinung nach werde das Tribunal von fremden Mächten kontrolliert, die den Libanon umzingeln und unterwandern. Der iranische Botschafter im Libanon Ghazanfar Roknabadi drückte diesen Punkt letzte Woche noch deutlicher aus: „Die US-Intervention ist darin gescheitert, dem Libanon Frieden und Stabilität zu bringen.“[2]
Der Iran sieht im Libanon mehrere Interessen bedroht. In den vergangenen Wochen haben Saudi-Arabien und Syrien die Vermeidung einer neuen Libanonkrise koordiniert. Beide Länder haben Berichten zufolge die Haltung eingenommen, dass die Entscheidungen des STL öffentlich gemacht werden sollten. Der Iran widersprach nachdrücklich und bevorzugt, dass Syrien stattdessen das STL vollständig zurückweist. Zudem möchte der Iran seinen wesentlichen regionalen Partner in dieser Frage nicht weiter in die saudi-arabischen Einflusssphäre gezogen sehen. Die libanesische Regierung zusammenbrechen zu lassen, war eine Möglichkeit für den Iran, den entscheidenden Sargnagel in die saudi-syrische Initiative zu treiben.[3]
Es gibt im Westen die Tendenz, die iranische Rolle in den Entscheidungsprozessen der Hisbollah zu unterschätzen. Dabei sollte man sich daran erinnern, dass die Hisbollah 1982 im Büro des iranischen Botschafters in Syrien, Ali Akbar Mohtashemi gegründet wurde. Der stellvertretende Generalsekretär der Hisbollah, Sheikh Naim Qassem gestand 2007, dass die Hisbollah keine eigene Politik verfolge, sondern sich stattdessen der Autorität der iranischen Führung unterstelle, die sie auch in militärisch-operativen Fragen instruiert. Dies entspricht der Ideologie des iranisch-islamischen Regimes, wie sie Ayatolah Khomeini vorgetragen hat, dessen Schlüsselprinzip die Herrschaft des Rechtssprechers (Vilayat al-Faqih) ist, einem Titel, den gegenwärtig der Oberste Führer des Iran Ayatollah Ali Khamenei trägt.[4]
Was sind nun die Implikationen dieser sich neu entfaltenden Libanonkrise? Zunächst versucht der Iran auf diese Weise, der Obama-Administration sowie dem Westen als Ganzes zu signalisieren, dass die Entwicklungen im Libanon heute von Teheran und nicht von Washington diktiert werden. Aus iranischer Perspektive kann sich Hariri im Zentrum der amerikanischen Macht – im Weißen Haus – aufhalten, doch ist es der Iran, der mittels der Hisbollah entscheidet, was vor Ort passiert. Der Iran testet so die amerikanische Macht und Entschlossenheit und die Staaten des Nahen Ostens beobachten angespannt die Reaktion.
Es sieht so aus, als glaube der Iran, er könne sich heute mehr Handlungsfreiheit im Libanon gestatten als in der Vergangenheit: die Obama-Administration hat nicht im gleichen Maß die gegen die Hisbollah gerichtete 14. März-Allianz unterstützt wie die Bush-Regierung. Gleichzeitig hat der andere Hauptverbündete des Iran im Libanon – Syrien – einen Großteil seiner Macht und seines Einflusses wiederhergestellt, die Syrien vor einigen Jahren verlor, als seine Truppen gezwungen waren, sich vom libanesischen Territorium zurückzuziehen.[5]
Die Hisbollah hat eine fragile Situation geschaffen, die leicht aus der Kontrolle geraten könnte. Unter den gegenwärtigen Bedingungen könnte noch der nichtigste Anlass einen politischen Flächenbrand in den Straßen Beiruts auslösen, der zum totalen Zusammenbruch der libanesischen Zentralregierung führen würde.
Die von der Hisbollah gegenwärtig geschaffene Situation markiert den Beginn eines Countdowns zu einer weit größeren Krise, die sowohl der Hisbollah als auch seinen iranischen Sponsoren ermöglichen wird, den libanesischen Staat vollständig zu übernehmen.
Die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Verbündeten, v.a. Frankreich, haben nun die Möglichkeit, ihre Entschlossenheit zu demonstrieren, den iranischen Expansionismus im Nahen Osten einzudämmen und wieder die Initiative zu übernehmen. Sie können auch völkerrechtlichen Interessen dienen, indem sie gewährleisten, dass das STL gegen die Mörder Hariris tatsächlich vorgeht. Gelingt es nicht, diesen vom Iran gesponserten Provokationen zu begegnen, dann lädt dies nur zu weiteren Abenteuern des Teheraner Regimes in der Region ein, in seinem Streben, Hegemonie über den Nahen Osten zu gewinnen. Auf diese Weise würde auch die Hisbollah belohnt werden, nach wie vor eine der gefährlichsten gegen den Westen gerichteten Terrororganisationen.
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Brig.-Gen. a.D. Dr. Shimon Shapira ist Senior Research Associate des Jerusalem Center for Public Affairs.
[1] “Khameini Gests Involved,” NowLebanon, 21. Dezember 2010.
[2] “U.S. Intervention Has Undermined Lebanon’s Stability,” MNA, 12. Januar 2011.
[3] Jumana Al Tamini, “Saudi-Syria Mediation Efforts Fail,” GulfNews.com, 13. Januar 2011.
[4] “Hezbollah’s Policy of Terrorist Operations against Israel Requires Jurisprudent Permission of the Iranian Leadership,” Intelligence and Terrorism Information Center at the Israel Intelligence Heritage & Commemoration Center (IICC), 29. April 2007,
http://www.terrorism-info.org.il/ malam_multimedia/English/eng_n/html/hezbollah_e0407.htm.
[5] Nada Bakri,“Hezbollah Forces Collapse of Lebanese Government” New York Times, 12. Januar 2011, http://gulfnews.com/news/region/lebanon/saudi-syria-mediation-efforts-fail-1.745502.