Asymmetrische Kriegsführung – Die israelische Perspektive

Gen.Maj. (Res.) Yaakov Amidror

Synopsis:

Entgegen öffentlicher Meinung sind konventionelle Armeen tatsächlich in der Lage, terroristische Aufstände zu besiegen. Diese Studie analysiert sechs Basisbedingungen, unter denen das Militär den Antiterrorkampf führen und gewinnen kann. Dazu gehören die Kontrolle des Aufstandsgebietes, die Beschaffung signifikanter Geheimdienstinformationen für Anti-Terror-Operationen, sowie die Isolation der Terrorgruppen von grenzüberschreitender Verstärkung an Material und Personal. Zudem werden die Faktoren analysiert, mit denen ein Keil zwischen die lokale Bevölkerung und auf Unterstützung angewiesene aufständische Kräften getrieben werden kann, sowie die Prinzipien der Kriegsführung auf ihre Anwendbarkeit in asymmetrischen Konflikten, um zu zeigen, dass sie auch im Anti-Terrorkampf entscheidende Leitlinien darstellen. Schließlich möchte diese Studie davor warnen, dass die Vereinigten Staaten, Israel oder ihre westlichen Alliierten aufgrund der Sorge, der Anti-Terrorkampf führe unvermeidlich zu nicht zu gewinnenden Verstrickungen, fälschlicherweise glauben, dass es keinerlei militärische Option gegen den Terrorismus geben könne. Mit dieser Position wäre der Krieg gegen den Terror verloren, bevor er überhaupt geführt wäre.

Teil 1

Kann Terror mit einer konventionellen Armee überwunden werden?

Die Dringlichkeit, Erfolgsstrategien für die asymmetrische Kriegsführung zu entwickeln, hat sich in Folge des Irak-Krieges 2003 sowie im „War on Terror“ seit dem 11. September 2001 deutlich gezeigt. Konflikte niedriger Intensität sind in der Militärgeschichte nichts Neues. Das US Army/Marine Corps Counterinsurgency Field Manual erinnert seine Leser daran, dass „Aufstände und ihre Taktiken so alt wie der Krieg selbst [sind].“[1] Einem Autor zufolge findet sich der Begriff des Guerilla-Kampfes seit der spanischen Rebellion von 1808 gegen die französischen Truppen Napoleons.[2]

Die Rolle dieser „kleinen Kriege“ ist in heutiger Zeit gewachsen, v.a. auch durch das Ende des Kalten Krieges und des Zusammenbruchs der massiven konventionellen Bedrohung Mitteleuropas durch die Sowjets. Die Erfahrungen des westlichen Bündnisses mit begrenzten asymmetrischen Konflikten haben sich im Allgemeinen als äußerst negativ erwiesen. Grund dafür mag das amerikanische Dilemma in Vietnam sein. Eindeutige Siege wie im Zweiten Weltkrieg erscheinen schwieriger, trotz der gewaltigen Feuerkraft, welche die Vereinigten Staaten in solchen Konflikten aufbringen konnten. Westliche Rückzüge als Folge von Terror wie im Libanon (1983) und Somalia (1993) haben diesen Eindruck nur verschärft.

Entsprechend ist der Begriff des „nicht zu gewinnenden Krieges“ zunehmend mit einer Reihe von asymmetrischen Konflikten assoziiert worden. Die Regierung George H.W. Bush verfolgte 1992 eine Politik der Nichteinmischung in Bosniens „militärisch nicht zu gewinnende Situation.“[3] Nach dem 11. September 2001 äußerte der ehemalige Kommandeur der NATO-Truppen in Europa General Wesley Clark im Daily Telegraph, dass die Vereinigten Staaten, Großbritannien und ihre Alliierten sich in einem nicht zu gewinnenden Guerilla-Krieg in Afghanistan verstricken könnten.[4] All diesen Analysen liegt die Annahme zu Grunde, dass asymmetrische Feldzüge notwendigerweise in langwierige Konflikte münden und somit politische Unterstützung verlieren würden.

2005 erschien im Foreign Affairs der Artikel eines RAND-Analysten, der den Irak-Krieg als „nicht zu gewinnend“ bezeichnete und vorschlug, dass die Vereinigten Staaten ihre militärische Präsenz aufheben sowie den Iran und die Europäer zur Hilfe rufen sollten. Die „Iraq Study Group“ geführt vom ehemaligen US-Außenminister James Baker und dem ehemaligen Kongress-Abgeordneten Lee Hamilton ging nicht soweit, deutete jedoch 2006 an, dass die Situation im Irak „ernst und sich verschlimmernd“ sei, und suchte nach Möglichkeiten, das militärische Engagement der USA auf eine allein die irakische Armee „unterstützende“ Rolle zu reduzieren.[5] Sollten westliche Entscheidungsträger auf Grund des amerikanischen Eingreifens in Afghanistan und Irak schlussfolgern, dass weder die USA noch ihre Alliierte eine militärische Option gegen weltweit operierende internationale Terrorgruppen hätten, dann wäre der Krieg gegen den Terrorismus verloren, bevor er überhaupt ernsthaft geführt worden wäre.

Jüngste militärische Fortschritte der US-geführten Koalitionstruppen im Irak haben viele der zuvor gestellten Analysen revidiert, dass asymmetrische Kriege ein unvermeidlich hoffnungsloser Sumpf seien, in welchem jede westliche Armee mit solcher Mission festfahren werde. Im Oktober 2007 gelang es dem neuen amerikanischen Kommandeur im Irak General David Petraeus – ein Experte in asymmetrischer Kriegsführung – die monatlichen Verluste der US-Truppen im Vergleich zum Vorjahr auf ein Drittel zu reduzieren. Angriffe in der sunnitisch dominierten Anbar-Provinz fielen von 1300 pro Monat im Oktober 2006 auf weniger als 100 im November 2007.[6] Lag die Zahl der Opfer von Autobombenanschlägen im Gebiet von Bagdad Anfang 2007 bei monatlich 200, wies sie jedoch im November und Dezember einen dramatischen Rückgang auf etwa ein Dutzend im Monat auf.[7] Diese Ergebnisse stellen keinen entscheidenden militärischen Sieg dar; gerade amerikanische Kommandeure gehörten zu den Ersten, die zugaben, dass Al-Qaida nicht besiegt wurde.[8] Doch die Resultate sind sicherlich ein Indiz, dass ein asymmetrischer Feldzug kein hoffnungsloses Unterfangen sein muss.

Die vorliegende Monografie zeigt, dass, entgegen öffentlicher Meinung, ein militärischer Erfolg über den Terrorismus in der Tat mit Hilfe eines alternativen Siegeskonzepts, des „hinreichenden Sieges“, möglich ist. Ein diesbezüglich ähnliches Konzept versuchte man auch im Economist zu entwickeln: „Ein ‚Sieg‘ des Westens wird an keinem der beiden Orte [Afghanistan und Irak] Kapitulationszeremonie und Paraden mit sich bringen.“[9] Im besten Fall könne sich der Westen, so der Economist, auf ein „Abflauen der Gewalt“[10] freuen. So gesehen, werde der Terror nicht vollständig zerschlagen, sondern allenfalls auf ein Mindestlevel reduziert bei konstanter Aufbringung von Energien zur Prävention seines erneuten Aufflammens.

Diese Analyse möchte zunächst einige Schlüsselbegriffe definieren: Aufstand, Terror sowie verschiedene Arten des Sieges. Im Anschluss werden sechs Grundbedingungen detailliert dargelegt, welche, wenn erfüllt, einer Armee den Kampf gegen und Sieg über den Terrorismus ermöglichen:

· die Entscheidung der politischen Elite, Terrorismus zu besiegen und die politischen Kosten einer Offensive zu tragen;

· die Kontrolle des Territoriums, von dem aus Terroristen operieren;

· relevante Geheimdienstinformationen;

· die Isolation des Territoriums, in welchem Antiterror-Operationen durchgeführt werden;

· multidimensionale Kooperation zwischen Geheimdienst- und Militäreinsätzen;

· Trennung der nicht in den Terror verwickelten Zivilbevölkerung von terroristischen Einheiten.

Wie einige dieser Bedingungen andeuten, beinhalten Strategien des Antiterrorkampfes mit ihrem Augenmerk auf die Loyalitäten und das Wohl der Zivilbevölkerung im Kampfgebiet bereits eine starke politische Dimension. Wie diese Studie jedoch zeigen wird, werden die Interessen der Zivilbevölkerung eher vor Ort entschieden, als von politischen Vereinbarungen, die von Diplomaten in fernen Hauptstädten beschlossen wurden. Das US-Counterinsurgency Field Manual schlussfolgert, dass „Bürger … sich mit jenen Gruppen [verbünden], welche ihre Sicherheit garantieren.“[11] Dies lässt sich erreichen, wenn die politische Führung im Konfliktgebiet willens ist, die Verantwortung zu übernehmen, dem Druck terroristischer Organisationen zu widerstehen und sie sogar zu bekämpfen.

So wurde der Durchbruch von General Petraeus in der Anbar-Provinz tatsächlich dadurch erreicht, dass regionale sunnitische Stammesführer im Westirak darüber entschieden, was ihrer eigenen Sicherheit dienlicher wäre, als durch angestrengte Bemühungen in Bagdad, die irakische Verfassung zu perfektionieren, was zuvor im Zentrum der politischen Ambitionen der Koalitionstruppen stand. Diese Lektion lässt sich auch auf andere Konfliktzonen übertragen, ganz besonders dort, wo die Autorität einer Zentralregierung schwach ist und vor Ort der Möglichkeiten entbehrt, die Sicherheitslage substantiell zu ändern, wie z.B. im Südlibanon oder eben auch in der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Schließlich möchte diese Monographie Prinzipien der Kriegsführung auf ihre Anwendbarkeit für asymmetrische Kriege – im wesentlichen dem Krieg gegen Terror- und Guerilla-Organisationen –analysieren und zeigen, dass diese Prinzipien immer noch unerlässlich für Armeen sind, welche den Terror besiegen wollen.

Die Akzeptanz zweier Fehlannahmen – die, dass Terroristen entschlossener und unnachgiebiger als demokratische Staaten sind, wie die, dass ein Sieg immer eine Frage des Geistes und nicht Produkt physischer Zwangsmaßnahmen sei – haben dazu geführt, dass viele Menschen glauben, es gäbe keine militärischen Methoden, um mit Terrorismus fertig zu werden. Im Diskurs über Israels Krieg gegen die Hisbollah 2006 sowie den Krieg der US-geführten Koalitionstruppen gegen die irakischen Aufständischen haben diese Behauptungen weite Verbreitung gefunden. Die Geschichte – auch die Geschichte des israelischen Staates – beweist jedoch, dass diese Annahmen schwere Irrtümer darstellen.

Ein Irrtum des Militärs

Es hätte keinen Grund für diesen Artikel gegeben, hätte ich nicht von einem Studenten der IDF-Stabs- und-Kommandoakademie gehört, dass einige der für die Ausbildung israelischer Offiziere verantwortlichen Dozenten behauptet hätten, „eine Armee könne den Terror nicht besiegen.“ Dem Verständnis des Studenten nach hieß das, dass dem Axiom, eine Armee könne keinen Guerilla-Krieg gewinnen, folgend in jeder möglichen Konfrontation zwischen dem Militär und einer Terrororganisation die Armee keine Sieg erhoffen könne. Der Student selbst wandte dieses Prinzip auf den Kampf zwischen den IDF und palästinensischen Terroristen an.

Es scheint, dass die Dozenten in ihren Seminaren jene historischen Fälle nicht erwähnen, in welchen westliche Armeen aus schwierigen Guerillakriegen durchaus siegreich hervorgingen. Die US-Army war zweimal in erfolgreicher Aufstandsbekämpfung auf den Philippinen verwickelt (von 1899 bis 1902, sowie zwischen 1946 und 1954). Die britische Armee gewann einen zähen asymmetrischen Krieg in Malaya zwischen 1952 und 1957, sowie in den dreißiger Jahren im britischen Mandat Palästina sowie Jahrzehnte später in den siebziger Jahren in der Dhofar-Provinz in Oman. Ich kann mich der Vorstellung nicht erwehren, wie jene Dozenten ihren Mangel an Verständnis für die Sphäre des Krieges im Allgemeinen und den Krieg gegen den Terror im Besonderen, mit schönklingenden Worten und pseudowissenschaftlichen Argumenten übertünchen. Die Geschichte jedenfalls widerlegt ihre Behauptungen.

Das „Unmöglichkeitsargument“ wird häufig in nicht fachgerechter Sprache geboten, wodurch eine allgemein missverständliche Terminologie entsteht. Dadurch wird wiederum eine ehrliche Klarstellung von Diskussionsgegenstand und tatsächlicher Situation vermieden.[12] Zu welchem Zeitpunkt hat sich dieses Phänomen sprachlicher Ambivalenz unter uns ausbreiten und eine Situation ermöglichen können, in welcher Armeeangehörige ihrer Verpflichtung und Verantwortung, Terror zu besiegen, nicht nachkommen und sie stattdessen Politikern überlassen? Dies ist keine abstrakt philosophische Frage, sondern von entschieden praktischer Bedeutung. So gesehen, bleibt gewählten Vertretern nichts anderes übrig, als die Konfrontation mit Terroristen zu scheuen oder ihren Forderungen nachzugeben. Sollte dies der Fall sein, dann wird Israels Sicherheit wahrscheinlich zunehmend erodieren und die Absicht der Terroristen damit erfüllt. Ich werde an dieser Stelle versuchen zu erläutern, dass eine Armee siegreich aus dem Konflikt mit dem Terrorismus hervorgehen kann – sofern Klarheit darüber herrscht, was „Sieg“ bedeutet – und welche praktischen Resultate von einer Armee im Kontext eines solchen Krieges erwartet werden können.

Für eine befruchtende Diskussion ist es notwendig, zunächst alle Komponenten des Problems akkurat zu definieren, als da wären: Was versteht man unter einer „Armee“ im Kontext der Terrorismusbekämpfung? Was ist die genaue Definition von „Sieg“? Und mit welcher Art „Terror“ werden wir hier konfrontiert?

Essentielle Definitionen

Armee/Militär

Das „Militär“ besteht in diesem Fall nicht nur aus den „Streitkräften“. Zusätzlich zu den Sicherheitsorganisationen, beinhaltet es ganz besonders auch die Geheimdienste im weiteren Sinne. In konkreten Fall des Staates Israel lautet die Frage nicht, ob die IDF den Terror ausschalten können, sondern ob das allgemeine Aufgebot von IDF, den General Security Services (GSS), Mossad, Polizei sowie nationalen wirtschaftlichen und finanziellen Körperschaften in gut koordinierter Zusammenarbeit Terrorismus besiegen können. Folglich muss jede Untersuchung, ob die IDF als einzige als „Armee“ fungierende Körperschaft Terror besiegen können, zu einem negativen Ergebnis kommen.

Aufstand und Terrorismus

Aufstand ist der allgemeine Begriff für eine Reihe von Formen asymmetrischer Kriege, einschließlich Terrorismus. Das US Army/Marine Corps Counterinsurgency Field Manual definiert Aufstand als „eine organisierte Bewegung mit dem Ziel des Umsturzes einer errichteten Regierung mittels Subversion und bewaffnetem Konflikt.“ Er sei ein „politisch-militärischer“ Kampf, so das Field Manual, „geschaffen, um Kontrolle und Legitimität etablierter Regierung, Besatzungsmacht oder anderer politischer Authorität zu schwächen bei gleichzeitiger Ausweitung der Kontrolle durch die Aufständischen.“

Es hat in der Geschichte der Menschheit offensichtlich eine ganze Bandbreite an Aufständen mit höchst unterschiedlichen politisch-militärischen Zielen gegeben, einschließlich von Unabhängigkeitsbewegungen gegen Kolonialmächte und marxistisch-revolutionäre Bewegungen gegen nationalistische Regime. Die Arabische Revolte war ein Aufstand gegen das Osmanische Reich und bot ein weiteres Beispiel für eine nationalistische Erhebung, welche die Auflösung eines multinationalen Reiches bedingte. Heute existiert eine wachsende Bedrohung von Seiten islamistischer Aufstände, welche Taktiken des „Terrors“, wie weiter unten dargelegt, übernommen haben. Die gegenwärtigen islamistischen Erhebungen haben weitreichend politisch-militärische Ziele von der Eliminierung Israels, dem Sturz prowestlicher arabischer Regime sowie der Ausbreitung des radikalen Islams weltweit zur Wiedererrichtung des Kalifats.

„Terror“ ist folglich eine Teilmenge des Insurrektionskrieges. Das Konzept des „Terrors“ umfasst vier Arten von Terror, jedoch allen gemein ist die vorsätzliche Gewalt gegen Zivilisten zur Erreichung politischer, religiöser, nationaler oder ideologischer Ziele:

· von Innen kommender gegen das existierende Regime gerichteter anarchistischer Terror;

· grenzüberschreitender Terror – im Stil der PLO in den 1960er Jahren von Jordanien gegen die IDF im Westjordanland praktiziert; von der Hisbollah vom Südlibanon aus, von Palästinensergruppen vom Gazastreifen aus;

· internationaler Terror – im Stil Al-Qaidas wie er z.B. beim Angriff auf das World Trade Center in New York, den Anschlägen in London und Istanbul und dem Raketenbeschuss eines El-Al Fluges in Kenia zum Ausdruck kam; die Hisbollah hat sich ebenfalls mindestens zweimal (in Argentinien und Thailand) international terroristisch betätigt;

· Terror verursacht durch Akteure unter Behauptung, eine Besatzungsmacht zu bekämpfen, wie im palästinensischen Terrorismus im Westjordanland sowie im Irak gegen die amerikanischen Truppen; Terror, welcher gegen jene Staaten verübt wird, deren militärische Truppen sich im Gebiet befinden, in welchen Terror verübt wird;

Diese Diskussion befasst sich ausschließlich mit der Frage der Möglichkeit einer Terrorbekämpfung an einem Ort, der mindestens nominell militärisch von dem im Antiterrorkampf befindlichen Staat kontrolliert wird – die vierte Art. In vielen Fällen überlappen sich allerdings die verschiedenen Arten. Einige der Schlussfolgerungen sind daher auch bei der Bekämpfung anderer Arten, insbesondere dem grenzüberschreitenden Terror anwendbar.

Sieg

Welche Art Sieg sollte erreicht werden? Die Antwort auf diese Frage sollte im Mittelpunkt einer Diskussion über Mission und Rolle einer Armee in der Ausschaltung des Terrorismus stehen. Das militärische Konzept des „Sieges“ ist eher aus dem Bereich konventioneller Kriegsführung vertraut, wo ein Gegner geschlagen, zerstört oder seiner Fähigkeit beraubt wird, den Kampf fortzusetzen, selbst wenn er wollte.

Militärische Siege beeinflussen häufig die Willensbildung des Staates, dessen Armee besiegt wurde, und lassen ihn Abstand nehmen von der Wiederaufnahme militärischer Gewalt. Dieses Ziel soll hier jedoch nicht als Vorbedingung für die gegenwärtige Definition dienen. In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurde das Modell eines „totalen Sieges“ wie im Zweiten Weltkrieg Teil militärischer Doktrin. Das Ende dieses Krieges war davon gekennzeichnet, dass nach der Zerstörung der deutschen Armee und der militärischen Eroberung Deutschlands, sowie in Folge der Kapitulation und Eroberung Japans nach dem amerikanischen Abwurf der Atombombe, die Alliierten beide Länder kontrollierten. Während der US-Präsenz in Berlin und Tokio wurden neue Regime aufgebaut, die sich radikal von den Vorgängern unterschieden. Dahingehend waren es totale Siege, basierend auf militärischen, durch die zwei fanatische Regime in zwei offenkundig friedliebende Länder verwandelt wurden.

Die Geschichte kennt jedoch nicht nur diese eine Art von Sieg. Die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg unterscheidet sich z.B. maßgeblich. Wie zum Beweis brach Deutschland einundzwanzig Jahre später erneut einen großen Krieg vom Zaun. Gleiches gilt für die Niederlagen Ägyptens und Syriens im Sechstagekrieg. Sechs Jahre nach dem israelischen Sieg griffen beide Israel erneut an. Diese Präzedenzfälle ermöglichen es uns aber, den militärischen Sieg zu definieren, welcher im Kampf gegen Terrorismus und Guerillakrieg benötigt wird.

Es lassen sich drei Kategorien des Sieges unterscheiden:

*Totaler Sieg – *Ein totaler Sieg eliminiert terroristische Organisationen und Guerilla-Gruppen sowie ihre Forderungen von der politischen und globalen Karte bis zu dem Punkt, dass, abgesehen von den Opfern des Terrors, sich später kaum jemand daran erinnert, dass sie einst Teil der Wirklichkeit waren. Dies geschah z.B. mit der Niederlage der kommunistischen Guerilla in Griechenland nach dem Zweiten Weltkrieg. Unterstützt von den Briten gelang es der griechischen Armee unter hohem Blutzoll diese Bewegung zu zerstören. Mit Ende des Krieges sah sich Griechenland nicht mehr kommunistisch bedroht. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam es im Kampf gegen die Dhofar-Rebellion in Oman zwischen 1965 und 1975: es gelang dem Sultan, dessen Sohn heute diesen Golfstaat regiert, mit britischer Hilfe die von den Nachbarländern unterstützten Rebellen zu vernichten. Würde heute ein Aufstand in dem Sultanat ausbrechen, stände er nicht im Bezug zu jenem, welcher vor mehr als dreißig Jahren vollständig besiegt wurde. Sowohl der palästinensische Terror gegen die Briten und Juden 1936 sowie der palästinensische Terror in Jordanien 1970 wurden mit Gewalt entwurzelt und tauchten nicht mehr auf, um in Folge die britische Mandatsregierung in Palästina oder das haschemitische Regime in Jordanien zu bedrohen.

*Temporärer Sieg – *Um einen temporären Sieg handelte es sich bei dem Sieg über den palästinensischen Terror in Gaza zu Beginn der siebziger Jahre, als Ariel Sharon Kommandeur des Südkommandos der IDF war. Nach der Ausschaltung des Terrors in Gaza reduzierten die IDF die Gaza kontrollierende Truppen auf isolierte Einheiten. Die Israelis konnten sich ohne Sorge bewegen. Der Terror kehrte schließlich nach Gaza zurück, doch es war nach fünfzehn Jahren Ruhe und ein anders gearteter Terror als zuvor.

Hinreichender Sieg – Dabei handelt es sich um einen Sieg, welcher nicht viele Jahre des Friedens nach sich zieht, sondern lediglich eine „repressive Ruhe“, welche permanentes Engagement erfordert, um sie zu bewahren. Der Terror wird dabei nicht ausgeschaltet, sondern auf eine minimale Ebene zurückgedrängt mit beständigen Bemühen, einen erneuten Ausbruch zu verhindern. Für lange Zeit war dies eine Leistung der Briten in Nordirland und der Spanier im Baskenland. Seit der „Operation Defensive Shield“ 2002 gilt dies auch für Israels Engagement im Westjordanland.

Temporäre und hinreichende Siege bieten keine Lösung für den ideologischen Konflikt, welcher bewaffnetem Kampf und Terror zu Grunde liegt. Solange nur irgendein Grund – politisch, national, ethnisch, ökonomisch, religiös, ideologisch oder eine Mischung all dessen – existiert, welcher die Rekrutierung von Menschen in die Terrorbewegungen ermöglicht, und solange es einen aktiven harten Kern motiviert zur Fortsetzung Terrors gibt, muss damit gerechnet werden, dass er weitergeht oder sich erneuert. Ein militärisches Bemühen reicht in keinem Fall aus, um ein Problem historischer Dimension zu lösen. Solange einige Teile der Terrororganisation der Ausschaltung entgehen konnten, kann eine Lösung des Konfliktes im Prinzip nur durch eine politische Lösung vollständig erzielt werden. Nichtsdestotrotz gilt es zu betonen: eine politische Lösung ist keine Sache des Militärs. Das Bemühen darum kann jedoch nicht von der Verpflichtung getrennt werden, entschlossen alle Versuche gewaltsamer Einflussnahme des Gegners zu bekämpfen so wie bei gegenwärtiger palästinensischer Ambitionen, mittels Terror politischen Gewinn zu erzielen.

Die Unterscheidung dieser zwei Ebenen der Problemlösung muss deutlich gemacht werden: Die Lösung eines Konfliktes liegt in den Händen der Politiker. Das Militär – und nur das Militär – ist jedoch relevant, solange es keine Lösung gibt, und verantwortlich dafür, die gewaltsamen Aspekte des Konfliktes unter Kontrolle zu halten.

Teil des häufig anzutreffenden Missverständnisses ist die Verwechslung von Terror und ideologischem Konflikt. Da die Armee über keinerlei Instrumentarien verfügt, mit letzterem fertig zu werden, wird oft geschlussfolgt, dass es „keine militärische Lösungen“ gäbe. Wie bereits betont, kann von einer Armee nur erwartet werden, dass sie sich mit den gewalttätigen Aspekte des Konfliktes befasst – nämlich dem Terror – und nicht, dass sie eine Lösung findet oder der Kampf nur eine Exit-Strategie für den Konflikt darstellt. Es wäre besser, wenn das Militär den Antiterrorkampf nicht als „begrenzten Konflikt“ bezeichnen, sondern ihn stattdessen als „Krieg gegen die Terrorismus“ wörtlich nehmen würde. Dieser semantische Wandel könnte dem Militär vielleicht helfen zu verstehen, dass es verpflichtet ist, den Terrorismus konsequent zu bekämpfen, und nicht, sich in die politischen Dimensionen des Konfliktes einzumischen, welche den zivilen Rängen der Gesellschaft überlassen werden sollten.

Natürlich muss man sich in einem solchen Kampf ganz allgemein mit Aspekten der psychologischen Kriegsführung auseinandersetzen, mit der Finanzierung des Terrors fertig werden und andere gewaltfreie Elemente zur Unterstützung militärischer Aktivitäten heranziehen. Diese zusätzlichen Maßnahmen werden jedoch mit dem Ziel getroffen, um Ambitionen der Terrorgruppen einzuschränken, und sind nicht Teil der politischen Dimension, in welcher der Konflikt gelöst werden muss.

Aus dem soeben Dargelegten ergibt sich deutlich, dass, solange der dem Ausbruch des Terrors ursächliche Konflikt, noch in voller Kraft ist, die fundamentale Aufgabe des Militärs die Eliminierung der Terror-Fähigkeit der anderen Seite ist, unabhängig davon, ob dies eine einmalige Maßnahme darstellt oder über Jahre fortgesetzte Anstrengungen erfordert. Diese Zielvorgabe ist eindeutig und militärischer Natur. Man kann sie jedoch nicht erreichen, wenn jene, von denen die Durchführung dieser Aufgabe erwartet wird, stattdessen vage Konzepte wie „Zermürbung“, „Wahrnehmung“, „Eindrücke“ und ähnliche Begriffe verwenden, welche die prinzipielle Unbesiegbarkeit des Terrors behaupten.

Ein „hinreichender Sieg“, der den Vollzug des Terrors im Vorfeld aufhalten kann, wird umso bedeutungsvoller, wenn sich Terroristen durch das fortgesetzte Scheitern ihre Pläne entschließen – bewusst oder unbewusst – die Zahl der Terrorangriffe zu reduzieren. Dies wäre bereits ein „Sieg“ in weit höherem Maße, wäre dadurch nicht nur das Durchsetzungsvermögen der Terroristen eingeschränkt, sondern auch ihre Fähigkeit, von der Absicht zur Tat zu schreiten. Dieses Resultat ist möglich, wenn z.B. Terrorgruppen zu beschäftigt sind, sich selbst zu schützen als Terroraktionen zu planen und durchzuführen oder wenn die Stimmung der Bevölkerung sich gegen sie richtet und sie daran – direkt oder indirekt –hindert, ihre Absichten umzusetzen.

Defensive Antiterrormaßnahmen, einschließlich der Sicherung möglicher Ziele, können die Fähigkeit von Terrorgruppen, ihre Pläne umzusetzen ernsthaft einschränken. Doch nur wenn man die Terrororganisationen in ihren Schlupfwinkeln und Mobilisierungspunkten angreift, bevor sie zur Tat schreiten, kann man einen Abfall ihrer operationellen Fähigkeit erreichen.[13] Die Umsetzung eines Terrorangriffs ist ein komplexer Prozess, welcher die Teilhabe vieler verschiedener Gruppen erfordert, angefangen bei den Predigern und Anwerbern bis zu jenen, welche den Abzug oder den Auslöser am Sprengstoffgürtel drücken. An einem dieser Punkte – so früh es geht – zuzuschlagen, führt nicht nur zur Unterbindung versuchter Terroranschläge, sondern reduziert auch die Zahl der Versuche. Ein derartiger Erfolg, wenngleich er kein endgültiger und schneller Sieg wäre, stellt gleichwohl eine bedeutende Leistung dar und sollte auch als solche anerkannt werden.

Ein militärischer Sieg wird in klassischen Manöverkriegen u.a. durch die Zahl der dem Feind in Truppenstärke und Ausrüstung zugefügten Verluste gemessen. Im Gegensatz dazu werden im Kampf gegen den Terrorismus die Erfolge der IDF anhand von nicht-militärischen Kriterien gemessen wie dem Maß an Sicherheit und Ruhe. Diese Ruhe findet ihren Ausdruck auch anhand ziviler Maßstäbe wie z.B. ökonomischen Wachstumszahlen.

In einer von Terroristen verfassten und verbreiteten strategischen Studie über das Ziel, Israel zu bezwingen, wird deutlich, dass die überwiegende Zahl ihrer Versuche, ruchlos, aber gegenüber einem offenen Krieg begrenzt, eine Absicht verfolgen – die Moral israelischer Bürger zu zerstören. Der dem zugrunde liegende Plan strebt nach Einwanderungsbeschränkungen, ausbleibenden Tourismus, sinkenden ausländische Investitionen und Kapitalflucht. All dies würde zu negativem Wirtschaftswachstum, Depression und Auswanderung sowie schließlich interner Desintegration Israels führen.

Eine Überprüfung dieser Indikatoren vom März 2002 zeigt, dass einige dieser Ziele in der Praxis tatsächlich realisiert wurden und Terroristen kurz davor standen, auch die anderen zu erreichen. Handelt es sich um ein fachliches Versagen von Seiten des Militärs, welches die Situation nicht korrekt einschätzte, oder war es eher das Versagen des politischen Apparates, welcher davon absah die Armee einzusetzen? Es ist wichtig, dieser Frage nachzugehen und den Sachverhalt zu klären. Was jedoch letztlich zählt, ist die Erkenntnis aus wiederholten historischen Lektionen: eine Armee, die angemessen handelt, kann Terror verhindern und den Krieg dagegen gewinnen.

Operation Defensive Shield (April 2002)

Die im Westjordanland seit der „Operation Defensive Shield“ (April 2002) vorherrschende Situation ist ein exzellentes Beispiel wie Terrorismus mit Hilfe militärischer Gewalt bezwungen werden kann – zumindest auf der Ebene des „hinreichenden Sieges“, dem Ausschalten erfolgreichen Terrors durch Dauermaßnahmen und ohne endgültige Lösung des Konfliktes. Israel entschloss sich zum Krieg, nachdem im März 2002 132 zivile Opfer zu beklagen waren – was einer jährlichen Quote von 1500 Toten entsprochen hätte. In Folge der Operation sank die Zahl der Terroropfer in Israel auf 11 im Jahr 2006, ein mathematischer Rückgang auf weniger als 1 Prozent der Ausgangsquote von 2002. 2007 fiel die Zahl der zivilen Opfer Israels durch Terror aus dem Westjordanland sogar weiter. Nach rein praktischen Maßstäben war Israel ganz offensichtlich siegreich. Dies gilt auch, obwohl das palästinensische Bemühen, den Terror fortzusetzen und Juden auf israelischem Territorium zu töten nicht nachließ. Es war ein herausragender Sieg – die Art Sieg über den Terrorismus, den man von einer Armee erwarten kann.

Natürlich bleibt vom militärischen Standpunkt aus gesehen die Zahl von jährlich 11 Terroropfern immer noch unakzeptabel und es sollte alles getan werden, um diese Zahl auf Null zu reduzieren. Dennoch gibt es keinen Zweifel, dass diese Zahl und die entsprechende relative Ruhe sowie die ermöglichte Konjunktur ein offenkundiges Versagen des Terrorismus darstellen. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass jene, welche mit dem Slogan „Lasst die IDF siegen“ darauf drängten, den IDF militärische Handlungsfreiheit zu gestatten, als ihr die Hände gebunden waren, Recht behielten. Als die Regierung den IDF schließlich gestattete zu handeln, war sie erfolgreich.

Dennoch besteht kein Zweifel, dass eine Entscheidung auf dem Schlachtfeld nicht die gesamte Wahrheit darstellt. Es gibt die Geschichte des amerikanischen Offiziers, welcher einem nordvietnamesischen General begegnete und zu ihm sagte: „Wissen Sie, wir haben all unsere Kämpfe in Vietnam überprüft und es hat sich herausgestellt, dass wir die südvietnamesische Guerilla-Bewegung geschlagen und alle von Norden her eindringenden Guerilla-Truppen ausgeschaltet hatten.“ Der Nordvietnamese antwortete daraufhin: „Das ist korrekt, doch wieso spielt das eine Rolle?“

In dieser Antwort versteckt findet sich eine wichtige Wahrheit über das Verhältnis zwischen politischer und militärischer Führung. Die Ergebnisse des Schlachtfeldes sollten den politischen Körperschaften zu verstehen geben, dass die Situation ihnen gestattet, den Forderungen von Terroristengruppen zu widerstehen. Wenn sie sich aus dem einen oder anderen Grund trotzdem dafür entscheiden, Kompromisse einzugehen, zu kapitulieren, sich zurückzuziehen oder Zugeständnisse zu machen, dann ist all die Arbeit des Militärs umsonst. Mit anderen Worten, es ist möglich dass ein Sieg über den Terrorismus nicht zu einer verbesserten politischen Situation führt. An dieser Stelle unterscheidet sich die klassische Kriegsführung, wie z.B. am Beispiel des Zweiten Weltkrieges, von der Art Kriegsführung, die hier zur Diskussion steht. Aus diesem Grund ist die in einem solchen Konflikt auf den zivilen Entscheidungsträgern liegende Last schwerwiegender.

Aus genau diesen Gründen müssen zivile Anordnungen an das Militär präzise und detailliert sein, um eine akkurate Erfüllung eines politischen Ziels zu gewährleisten. Dieses Ziel muss zudem von der politischen Führung so klar als möglich formuliert werden. Dies hat Israel im Zweiten Libanonkrieg erneut erfahren müssen.

Davon unabhängig darf die Schwierigkeit einer politischen Führung, einen Sieg über den Terrorismus zu nutzen, dem Militär nicht als Entschuldigung dienen, einen militärischen Sieg nicht mehr anzustreben.

Entschlossenheit

Der bereits verstorbene Oberst Shmuel Nir (Samu), zur gleichen Zeit als Divisionsnachrichtenoffizier im IDF-Nordkommando wie ich als Nachrichtenoffizier, schrieb einen Artikel, auf dessen Grundlage man sich für das Konzept „Zermürbung“ anstelle des Konzeptes „Sieg“ entschied. Durchaus verdienstvoll in einigen Aspekten enthält seine Argumentation jedoch einen schwerwiegenden, fundamentalen Fehler. Samu analysierte die Machtkomponenten unserer Gegner im Konflikt und bestimmte – korrekterweise – dass wir es nicht nur mit physischen Stärke zu tun hätten, sondern auch mit einer reziproken Beziehung von Ressourcen, Fähigkeiten und Entschlossenheit. In seiner Diskussion der Entschlossenheit behauptet er – ohne es zu beweisen – dass „der wesentliche Vorteil der schwächeren Seite … in der Komponente der Entschlossenheit [liege], welche sich als nationale Kraft des Durchhaltevermögens und der Fähigkeit offenbart, Bestrafungsaktionen angesichts vorhersehbarer oder möglicher Verluste und Zerstörungen zu verkraften.“[14]

Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Es ist nicht erwiesen, dass Terrororganisationen tatsächlich eine größere Ausdauer besitzen als demokratische Gemeinschaften; es ist bis heute nicht erwiesen, dass Terrororganisationen zu größeren Opfern bereit sind als ihre Opfer; und es ist auch nicht erwiesen, dass eine Gesellschaft, von der Terror ausgeht, bereit ist, größere erwartete Gegenschläge zu verkraften als jene, welche den Terror bekämpfen. Es war Bin Laden, welcher den Vereinigten Staaten einen Waffenstillstand anbot, nicht umgekehrt. Wer hat also die größere Ausdauer? Zeigte nicht die israelische Gesellschaft ebenso viel Ausdauer wie ihre Gegner während des Terrors vom November 1947 bis Mai 1948, in welchem Israel 1200 Tote erdulden musste, oder im dem September 2000 einsetzenden Terrorkrieg, in welchem Israel 1400 Tote erlitt? Da ein Staat, der Terror bekämpft, in der Regel größere Ressourcen und Fähigkeiten in Anwendung bringen kann als eine Terrororganisation und da der Staat einer Terrororganisation nicht in Ausdauer unterlegen ist, muss Samus These von einem Vorteil des Terrors im allgemeinen Kräfteverhältnis als widerlegt gelten.

Samu behauptet zudem, dass „Sieg eine Frage gesellschaftlicher Wahrnehmung“ sei. Folglich findet sich die Argumentation, dass Israel den Libanon nicht verließ, weil die IDF im Kampf geschlagen wurde, sondern weil die Wahrnehmung der israelischen Gesellschaft sich unter Druck des Guerillakrieges und dem hohen Blutzoll wandelte, welcher unverhältnismäßig hoch erschien (während der letzten 17 Monate der israelischen Präsenz im Südlibanon starben insgesamt 21 israelische Soldaten).

Erfolg auf dem Schlachtfeld führte zur Zerschlagung der kommunistischen Terrormöglichkeiten in Griechenland, ohne dass sich die Wahrnehmung verändern musste. Dasselbe gilt für die gegenwärtige Situation im Westjordanland. Die gegenwärtige Ruhe wurde nicht erreicht, weil jemand seine Wahrnehmung der anderen Seite geändert hätte, sondern weil die IDF und General Security Services die Handlungsmöglichkeiten der Terrororganisationen nahezu vollständig beseitig haben. Eine ganze Reihe von Umfragen sowie die palästinensischen Wahlergebnisse deuten darauf hin, dass sich in palästinensischer Wahrnehmung und Erkenntnis nicht viel verändert hat, doch gleichzeitig zeigen die Statistiken, dass der Terror dort massiv reduziert wurde.

Allerdings ist dies nur ein „Sieg dritten Grades“ von jener Art, die beständige Anstrengungen zur Bewahrung des Erreichten bedarf und es ist ebenso wahr, dass es den Terrororganisationen gelegentlich gelingt, zu handeln und zu töten. Geht man ungeachtet dessen davon aus, dass es der IDF auch zukünftig gelingen wird, das Maß an Terror so gering zu halten, sollte es von der terroristischen Seite aus klar sein, dass die Absicht des Terrorismus, die israelische Lebensart zu zerstören, absolut gescheitert ist. Es ist sogar möglich, dass, ein solches Resultat noch wesentlich deutlicher ausgefallen wäre, hätte sich Israel nicht aus dem Gazastreifen zurückgezogen und Terrorgruppen damit nicht gestattet, einen „Sieg“ zu behaupten,. Die Tatsache, dass Israel sich ohne jeglichen Druck aus Gaza zurückzog, hat nichts am Sachverhalt geändert. Wenn wir uns mit Wahrnehmungen und Bildern auseinandersetzen, ist Realität nicht der entscheidende Faktor. Was zählt ist, wie das israelische Handeln von palästinensischer Seite wahrgenommen wird. Wenn Israel Terroristen tötet oder verhaftet (aus professioneller Perspektive ist Verhaftung vorzuziehen), handelt es sich nicht um einen „Sieg der Wahrnehmung“, sondern um einen kleinen Schritt auf dem langen Weg zu einem praktischen Sieg im wirklich physischen Sinne. Wenn das Alter von Terroraktivisten von Ende zwanzig auf ältere Teenager zurückgeht, dann hat es zunächst den Anschein, als hätten wir es mit einem „Fass ohne Boden“ zu tun. Tatsächlich handelt es sich aber um einen realen Erfolg. Die Ersatzgeneration ist jünger, mit weniger Erfahrung als die vorrangegangene und hat folglich nicht die gleichen Fähigkeiten zu organisieren, anzuwerben und zu führen. Dies verbindet sich mit dem Gefühl von Repression, ausgelöst durch die Verhaftung oder Ausschaltung der Vorgänger sowie dem klaren Bewusstsein, dass ihre Leben einem ähnliche Risiko ausgesetzt sind, und es nur eine Frage von Zeit ist, bis sie ebenfalls Zielscheibe werden. Diese neue Generation ist vorsichtiger und mehr mit Fluchtmöglichkeiten beschäftigt. Sie verursacht deshalb weniger und ganz sicher weniger gut organisierten und gefährlichen Terror.

Die Übernahme dieser falschen Grundannahmen – dass Terroristen entschlossener und ausdauernder seien als demokratische Staaten und das Sieg immer eine Frage von Wahrnehmung, statt Resultat realer physischer wie repressiver Maßnahmen – hat viele dazu verleitet zu glauben, dass es keine militärische Herangehensweise für einen Sieg über den Terrorismus gäbe.

Dieser Fehlschluss hätte vermieden werden können, hätte man begriffen, dass niemand vom Militär erwarten kann, ideologische Konflikte zu lösen und dass auch ein militärischer „Sieg“ verschiedene Grade an Erfolgen bedarf, und die erste Anforderung an den Sieg darin besteht, den Terrorismus auf physische Art und Weise einzudämmen, und nicht die politischen Wahrnehmungen des Gegners zu ändern. Langfristig kann das militärische Versagen einer Terrororganisation dazu führen, dass sie ihre Ideologie ändert, doch dies kann nicht die Mission des Militärs sein, welches sich auf die Fähigkeiten des Gegners und nicht auf seine Intentionen konzentrieren sollte.

Teil 2:

Notwendige Bedingungen für eine Sieg im Kampf gegen den Terrorismus

Sechs Basisbedingungen

Eine Analyse terroristischer Ereignisse in der ganzen Welt (ganz besonders aber der israelischen Perspektive im Kampf mit palästinensischen Terroristen und der Hisbollah) zeigt, dass sechs Basisbedingungen definiert werden können, welche, wenn erfüllt, die Grundlage für einen Sieg über den Terrorismus bieten.

· die Entscheidung der politischen Elite, Terrorismus zu besiegen und die politischen Kosten einer Offensive zu tragen;

· die Kontrolle des Territoriums, von dem aus Terroristen operieren;

· relevante Geheimdienstinformationen;

· die Isolation des Territoriums, in welchem Antiterror-Operationen durchgeführt werden;

· multidimensionale Kooperation zwischen Geheimdienst- und Militäreinsätzen;

· Trennung der nicht in den Terrorismus verwickelten Zivilbevölkerung von terroristischen Einheiten.

Diese Bedingungen sind notwendig aber nicht hinreichend; sie gewährleisten nicht den Sieg über den Terrorismus, doch ohne sie ist ein Sieg nicht möglich.

Clausewitz war im Recht als er sagte, dass „Krieg … seine eigene Grammatik [habe].“ Selbst in der chaotischsten menschlichen Situation, welche wie eine endlose Ansammlung individueller, unlogischer und zusammenhangsloser Zufälle – nämlich Krieg – erscheint, gibt es grundlegende Regeln. Ein Land kann sich dagegen entscheiden, Krieg zu führen, doch wenn es sich für den Krieg entscheidet, dann muss es sich an die grundlegenden Regeln der Kriegsführung halten. Ein Versuch, sie zu ignorieren wäre vergeblich. Nimmt man sie nicht ernst, kann der Krieg nicht gewonnen werden. Der Kampf gegen den Terrorismus ist ein Sonderfall, folglich wird er von den „grammatischen Regeln“ des gewöhnlichen Krieges auf ganz besondere Weise beeinflusst, mit unterschiedlicher Intensität und anderen Schwerpunkten als im klassischen Krieg. Darüberhinaus benutzt der Krieg gegen den Terrorismus zusätzliche Prinzipien, welche jene des herkömmlichen Krieges eher ergänzen, als sie negieren. In diesem Abschnitt soll versucht werden, diese Prinzipien als notwendige, aber nicht hinreichende Vorbedingungen eines Sieges über den Terror herauszuarbeiten.

Unter „Sieg“ soll hier die dritte der oben erwähnten Arten verstanden werden – ein „hinreichender Sieg“, welcher nicht lange Jahre der Ruhe bedingt, sondern einen Aufstandes eindämmt, was nur durch fortgesetztes Bemühen aufrechterhalten werden kann. Terrorgruppen werden nicht ausgeschaltet, sondern der Handlungsmöglichkeit beraubt. Ein erneutes Ausbrechen von Anschlägen wird nur durch beständige Antiterrormaßnahmen gewährleistet. Eine Bedingung, mit Terrorismus fertig zu werden, ist die Einsicht, dass der Kampf lange dauern wird, und dass selbst nach einem Erfolg es langfristige, unablässige Bemühungen, harte Arbeit, das Leben von Soldaten und Geduld erfordern wird, damit er nicht wieder aufflammt. Grundlage jeder politischen wie militärischen Entscheidung (essentiell für jeden Staat, der sich dazu entschließt, den Terrorismus zu bekämpfen und nicht vor ihm zu kapitulieren) ist die Erkenntnis, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Keine Lösung ist vollständig, kein Erfolg hinreichend genug, dem Terror eine Ende zu erklären. Die Standhaftigkeit einer Bevölkerung im Kampf gegen den Terrorismus ist nicht weniger wichtig als der Erfolg einer Armee, die in diesen Kampf geschickt wird.

Die Bedeutsamkeit der Bedingungen

1. Eine klare politische Entscheidung der politischen Führung, den Terrorismus zu besiegen und die politischen Kosten einer militärisch offensiven Politik zu tragen

Da in vielen Fällen Terrorismus unerträglich und schwer zu besiegen scheint, zögern viele Politiker und Militärs, das Ziel eines Antiterrorkampfes als „Terror besiegen und beenden“ zu definieren. Man bevorzugt, das Ziel als „Terrorprävention“ oder „Terrorreduktion“ oder „dem Terror zuvorkommen“ zu bezeichnen oder indirekte Formulierungen wie „auf ein Maß reduzieren, dass das normale Leben möglich ist“ oder „eindämmen, so dass das gesellschaftliche Leben nicht geschädigt wird“ zu verwenden. Derart schwammige Definitionen führen zu einer Art Nachlässigkeit, welche die entschiedene Anwendung von staatlicher Gewalt vermeidet und es ermöglicht, ein Versagen im Antiterrorkampf zu vertuschen. „Reduzieren“ und „Zuvorkommen“ sind Begriffe, welche unklar bleiben und nicht wirklich zu messen sind, geschweige von Definitionen, welche sich auf indirekte Ergebnisse mittels völlig undefinierter sozialer Begriffe beziehen.

Der von Politikern geforderte „Sieg“ kann, wie oben dargelegt, auf einen „hinreichenden Sieg“ reduziert werden, aus militärischer Perspektive ist das Ziel jedoch eindeutig: Terroristen daran zu hindern, ihre Pläne auszuführen unabhängig von ihren ungebrochenen Wünschen und fortgesetzten Anstrengungen. Damit ist auch klar, dass jeder terroristische Anschlag ein Versagen des Militärs darstellt, was nichts über den politischen oder öffentlichen Erfolg des Terrorismus aussagt, welcher nicht Sache der Armee ist und womit sie sich nur am Rande auseinanderzusetzen hat.

Jede zivile Führung, welche ihr Ziel dahingehend nicht entschlossen definiert, ist somit direkt verantwortlich für ein Scheitern des Krieges gegen den Terrorismus. Gleichwohl ist klar, dass jede präzise Definition konzentrierte Gewalt erfordert, weshalb es die Verantwortung der militärischen Führung ist, autorisiert von der politischen Führung, präzise militärische Definitionen der Ziele dieser Gewalt zu geben. Ihre Umsetzung muss von dem Verständnis ausgehen, dass militärische Maßnahmen (und paramilitärische wie das Einziehen finanzieller Ressourcen sowie die Blockade finanzieller Kreisläufe) den operationalen Aspekt des Terrorismus einschränken sollen, d.h. die Ausübung von Gewalt. Gleichzeitig muss sich die politische Führung um die anderen Aspekte kümmern, die politische Isolierung der Terroristen und die Gewährleistung der nötigen international rechtlichen Legitimation für den Krieg gegen den Terror.

Ein prominentes Beispiel für ein durch falsch definierte Ziele verursachtes Versagen spielte sich zwischen 1985 und 2000 im Libanon ab. In all diesen Jahren gab die Regierung dem Militär nicht den Auftrag, der Hisbollah die Fähigkeit zu nehmen, Israel oder die IDF anzugreifen. Als Mitte 1986 General Yossi Peled zum Nordkommando kam, stellte er fest, dass es keine Zielsetzung gab, die in eine klare militärische Mission verwandelt werden konnte. Also legte er für sich selbst eine fest: „Ruhe für die Zivilbevölkerung des Nordens.“ Zu jener Zeit erschien dies auch dem Autor, Nachrichtenoffizier im Nordkommando von 1986 und 1989, als ausgezeichnete Definition. Retrospektiv halte ich es jedoch für falsch. Es bezog sich nie auf ein konkretes Ziel, wie eben die Zerstörung von Hisbollahs Fähigkeit, Israel und die IDF anzugreifen. Ohne klar-definiertes Ziel kann die Armee dem Terrorismus keinen tödlichen Schlag verpassen. Schlimmer noch: jede Aktion wurde an einem falschen Standard gemessen: bot sie mehr oder weniger „Ruhe für die Zivilbevölkerung des Nordens?“ Die korrekte Frage wäre aber gewesen: „Brachte sie uns näher an unser Ziel, die Fähigkeiten der Hisbollah zu zerstören?“ Hätte die Antwort dies bestätigt, dann hätte die Aktion durchgeführt werden müssen bei gleichzeitiger Suche nach einer Reduktion der Angriffe auf die nördliche Zivilbevölkerung. Stattdessen verwandelten wir den zweiten Aspekt in das Ziel und beschränkten so unsere Möglichkeiten, den Krieg gegen die Hisbollah bis zum Rückzug 2000 zu führen.

Es liegt in der Verantwortung des Militärs, Politikern absolut klar zu machen, dass es allein mit defensiven Methoden unmöglich ist, den Terrorismus zu besiegen, und Politiker müssen auch vollständig verstehen, dass der Krieg gegen den Terrorismus einen politischen Preis hat. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die internationale Gemeinschaft nicht immer bereit ist, einen Angriff – und dieser gehört zum Kampf gegen den Terror – zu gestatten, wenn er unter Anwesenheit von nicht in Terrorismus verwickelten Zivilisten durchgeführt wird, die mit hohem Risiko gefährdet sind. Wer immer nicht bereit ist, diesen Preis zu bezahlen, sollte besser gar nicht daran denken, die genannten Ziele zu erreichen, denn rein defensive Maßnahmen sind, wie festgestellt, nicht ausreichend. Die Frage, wie viel Energie der Offensive, wie viel der Defensive zukommen soll, wird sich während des Konfliktes mit dem Terrorismus stellen, doch ein Sieg wird nur möglich wenn (und manchmal vor allem) eine offensive Politik betrieben wird.

Die Definition des Ziels und die Einsicht in die Notwendigkeit eines Angriffs, auch wenn er das Leben unschuldiger Zivilisten gefährden wird, sind beide notwendig für den Erfolg jeglicher militärischer Aktion gegen Terror- und Guerillagruppen.

2. Kontrolle des Territoriums

Die praktische Bedeutung dieser Kontrolle ist offensichtlich funktional und drückt sich in der Fähigkeit aus, in dem entsprechenden Territorium mit kleinen Gruppen zu operieren und streng militärischen Erwägungen ohne politische Einschränkungen zu folgen. In praktischer Hinsicht heißt dies, dass, wenn nötig, sich Truppen in jenen Gebieten mit aktivem Terrorismus befinden müssen, z.B. dort, wo Nachrichtendienste Informationen über terroristische Organisierung erhalten haben. Wenn der Kommandeur in der Lage ist, auf Grund eigener Erwägungen eine Entscheidung zu treffen, ohne die Notwendigkeit, eine (gewöhnliche längere Zeit in Anspruch nehmende) politische Autorisierung einzuholen, kann der wichtige Vorteil der Gebietskontrolle im Kontext des Antiterrorkampfes eingesehen werden. Das Ziel für eine kleine Einheit (Truppe oder Kompanie) geführt von einem Unteroffizier und ohne gepanzerte Fahrzeuge (MTW oder Panzer) ist es, schnell an jeden Ort zu gelangen, die Informationen auszunutzen, Verdächtige festzunehmen oder Waffen und Infrastruktur zu zerstören. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das Gebiet zunächst unterworfen und kontrolliert werden. Dies erfordert eine größere Streitkraft, um den terroristischen Apparat und sein Personal zu lokalisieren, festzusetzen und auszuschalten, so dass weder Terroristen noch Guerillas die Einsatzkräfte vor Ort bedrohen können. Diese Art von Kontrolle zu erreichen ist ein längerer Prozess, der Tage, oder in schwierigen Situationen auch Monate dauern kann.

Der zweite Faktor territorialer Kontrolle ist die Fähigkeit, die Bewegungen der Bevölkerung, aus welcher die Terroristen für einen Angriff hervorkommen und in welcher sie in Folge wieder verschwinden, zu kontrollieren. Diese Überwachung bedeutet, dass die Streitkräfte, welche den Terror bekämpfen, Straßenkontrollen errichten, an denen die Bevölkerung und ihr Eigentum inspiziert werden. Diese können dauerhaft oder nur temporär sein, abhängig von der Sicherheitslage und der vom diensthabenden Kommandeur ausgewerteten Nachrichtenlage – die Prioritäten dabei sind Sicherheit und die Notwendigkeiten des Antiterrorkampfes.

Zwei Aspekte klassischer Bodenkontrolle spielen dabei keine relevante Rolle. Erstens ist es nicht nötig, Truppen auf relativ hoch gelegenem Territorium zu stationieren, sondern nur, nach einem entschlossenen und mitunter langem Krieg, fähig zu sein, das Territorium von ernsten terroristischen Elementen und Aktivisten zu befreien, bis die Terrorismus bekämpfende Truppe selbst nicht mehr bedroht wird. Zweitens besteht, sobald das Territorium unter Kontrolle ist, keine Notwendigkeit mehr, Truppen permanent in städtischen und dicht besiedelten Gebieten zu stationieren. Die Antiterrortruppen können stattdessen entlang Zugangsstraßen und den Randbezirken bewohnter Gebiete positioniert werden, so dass sie zu einer schnellen Reaktion im Gebiet oder der sofortigen Absperrung von Straßen in der Lage sind, entsprechend den speziellen Kampfbedingungen vor Ort.

In den letzten Jahren haben wir in Israel alle Stadien des Antiterrorkampfes in z.T. verkürzter aber deutlicher Art und Weise erlebt: bis zum Ausbruch der ersten Intifada 1987 kontrollierte Israel die Territorien mit begrenzten Truppen. Israelische Zivilisten und eine begrenzte Anzahl an Soldaten konnten sich jederzeit in Gebieten mit hoher Palästinenserdichte aufhalten ohne Angst und ohne Notwendigkeit von Straßenblockaden oder täglicher Gewaltanwendung. Die Intifada hat die israelische Widerstandsfähigkeit gegen Terror auf die Probe gestellt. Da die Kontrolle des Territoriums nahezu vollständig war, hatten die IDF Terrorismus fast vollständig ausgeschaltet (sie konnten allerdings mit Massendemonstrationen nur schwer umgehen). Erst nachdem jedoch die Gewalt ausbrach, bewegte sich die Armee in die Bevölkerungszentren und auch nur, wenn sie geschützt waren.

Nach dem Osloer Abkommen (1993) zogen sich die IDF wieder aus den bewohnten Gebieten zurück (1994-1995) und weite Teile wurde in den folgenden fünf Jahren ihrer Kontrolle entzogen. Dementsprechend ist es keine Überraschung, dass, als Israel sich plötzlich mit Selbstmordattentaten und anderen Formen von Terrorangriffen konfrontiert sah (2000-2002), das Land keinerlei militärische Lösung besaß, ungeachtet des Einsatzes von Panzern, MTWs, Flugzeugen oder Helikoptern. Die erschreckende Wahrheit war, dass es keine militärische Lösung geben konnte, da die IDF nach Oslo die Kontrolle über das Territorium verloren hatten. Erst die Rückeroberung des Gebietes in der „Operation Defensive Shield“ (April 2002) und die folgende Kontrolle (welche mehrere Monate andauerte) konnte die Grundlage und Basisbedingungen dafür schaffen, den Terrorismus erfolgreich zu bekämpfen. Aus diesem Grund konnten IDF und der Israelische Sicherheitsdienst (ISA) die heutige Situation vor der Fertigstellung des Sicherheitszauns erreichen, in welcher der Prozentsatz der Terrorprävention gewachsen und die Zahl der versuchten Anschläge gefallen ist. Nach nur ein paar Jahren sank der Terrorismus auf etwa einen halben Prozent seines Höchstwertes.

Es ist wichtig hier eine Beobachtung über den Unterschied der israelischen Situation und den Bedingungen an anderen Orten der Welt anzustellen. Israel übernimmt weder Verantwortung über die zivile Regierung der Palästinensergebiete, noch für deren zivile Verwaltung. Der Grund dafür ist, dass die Palästinensische Autonomiebehörde sich in diesen Gebieten als souverän sieht – mit enormer israelischer Unterstützung aber ohne israelische Autorität. In allen anderen Orten hieße Kontrolle des Territoriums auch Kontrolle über seine Zivilregierung – mit anderen Worten, ein echte Militärverwaltung. Dies ist der springende Punkt einer nicht-militärischen Kontrolle und essentiell für effektive militärische Maßnahmen.

Es ist vollkommen klar, dass es keine Kontrolle des Territoriums geben kann ohne zusätzliche Reibung sowohl mit der Zivilbevölkerung als auch mit Terroristen. Auf den ersten Blick scheint dies einem natürlichen Instinkt und all jenen zu widersprechen, die sagen: „mehr Reibung, größerer Verlust; weniger Reibung, weniger Verlust.“ Die tatsächliche Situation zeigt hingegen, dass dieser Ansatz hinfällig und Reibung, als Teil der Kontrolle des Territoriums, notwendig ist, um die zum operieren nötige Bewegungsfreiheit zu erzielen. Reibung ermöglicht die Informationsbeschaffung, hindert die Terroristen daran, Pläne ungestört ausführen zu können und gibt der Armee ein Gefühl für die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung. Nur dann ist es möglich, schnell und effizient auf sowohl Geheimdienstinformationen wie auch Ereignisse zu reagieren.

Die Geschichte hat gezeigt, dass der Versuch, Ruhe durch Reduzierung der Reibung zu erreichen langfristig scheitern muss, selbst wenn kurzfristig eine angenehme, betäubende Gelassenheit eintritt. In einigen Fällen wird die Ruhe deswegen bewahrt, weil die andere Seite sie braucht, um erneute Terrorangriffe vorzubereiten (so Arafat, nachdem er 1994 in die Palästinensische Autonomiebehörde zurückgekehrt war). Es ist tatsächlich oft auch im Interesse der Terroristen, die Wiederaufnahme des Terrors zu verschieben (so z.B. für die Hisbollah aus mit dem Iran und Syrien zusammenhängenden Gründen nachdem die IDF sich 2000 aus dem Libanon zurückgezogen hatte). Wann immer die Antiterrorkräfte die Kontrolle des Territoriums verloren, kam der Terror zurück, neu organisiert und mit stärkeren Kräften, um zehn Mal härter zuzuschlagen. Die Terroristen warteten bis sie spürten, dass sie ihre Interessen erneut mit Gewalt durchsetzen konnten. Diese Dynamik zeigte sich ganz deutlich im Südlibanon am Vorabend des Zweiten Libanonkrieges 2006 sowie im Gazastreifen in Folge des Abzugs von 2005.

Dies ist das Wesen der tahdiya (Zeit der Ruhe), wie sie von Hamas vorgeschlagen wird, denn es gibt keinen Zweifel, dass sie sich im Schutze eines Waffenstillstands stärken wird, um sich dann mit Macht gegen Israel zu wenden. Terrororganisationen nutzen ihre Kontrolle des Territoriums und den Mangel an Reibung mit der IDF, um ihre Waffenbestände aufzufüllen (z.B. nachdem die IDF sich vom Gaza-Streifen zurückzogen und die Philadelphi-Route aufgaben). Damit Israel fähig ist, entsprechend zu reagieren, müssen die IDF folgende Schritte beachten: das Territorium erobern, es kontrollieren, die terroristischen Einsatzkräfte weitestgehend ausschalten und ein effektives Überwachungssystem etablieren. Jeder dieser Schritte ist schwierig, anspruchsvoll, zeitraubend und mit dem Preis menschlichen Lebens verbunden. Doch es gibt keinen Ersatz für die Kontrolle des Territoriums für irgendjemanden, dessen Mission ein erfolgreicher Kampf gegen den Terrorismus ist.

3. Relevante Geheimdienstinformationen

Das Territorium zu kontrollieren gestattet, relevante Geheimdienstinformationen zu sammeln, ohne welche der Terrorismus nicht bekämpft werden kann. Die Relevanz wird von drei Faktoren bestimmt: Präzision, Qualität und Timing. Eine enge Beziehung besteht zwischen der Kontrolle des Territoriums und diesen Informationen. Ohne Kontrolle gibt es in Regel geringe reale Chance, Agenten innerhalb der Bevölkerung, aus welcher heraus die Terroristen operieren, anzuwerben. Alle Erfahrung hat gezeigt, dass menschenvermittelte Nachrichtenbeschaffung für den Antiterrorkampf zentral ist. Aus diesen Gründen hat die Kontrolle des Territoriums einen wesentlichen Einfluss auf die operativen Möglichkeiten der Geheimdienste. Da Festsetzung die Basis für den Erwerb von wichtigen Informationen mittels Verhören darstellt und großangelegte Verhaftungen nur mittels tatsächlicher Kontrolle des Territoriums durchgeführt werden können, bietet nur die Kontrolle die nötige Flexibilität um vollständige Netzwerke aufzubauen, welche Teilinformationen aus unklarer Quelle nachgehen können.

Es erübrigt sich zu erwähnen, dass gute Geheimdienstinformationen durch Prävention von Terrorangriffen Kontrolle leichter machen. Und es ist ebenso klar, dass je präziser die Informationen sind, umso akkurater gegen die Terroristen unter Vermeidung von Kollateralschäden vorgegangen werden kann. Auf diese Art und Weise ist es auch möglich, einige der schlimmsten Hindernisse einer effektiven Kontrolle zu beseitigen – Verzweiflung und sinnlose Schädigung der lokalen Bevölkerung, welche viele dazu bringt, sich den Terroristen anzuschließen. Terroristische Elemente von der unschuldigen Bevölkerung zu isolieren, muss als eine anhaltende und essentielle Anstrengung gesehen werden, die auf Geheimdienstinformationen angewiesen ist. Aus diesem Grund müssen diese Informationen präzise sein. Zusätzlich müssen sie rechtzeitig zur Verfügung stehen, um die Durchführung von Antiterrormaßnahmen und Angriffen auf Terroraktivisten zu ermöglichen. Tatsächlich ist das Verfallsdatum der Informationen entscheidend; Berichten muss Handeln folgen solange sie noch Wert haben (z.B. solange der Gegner am jeweiligen Ort verbleibt).

Kampf gegen den Terrorismus verlangt eine ganz spezielle Qualität von Informationen. Man muss Routinen so bestimmen, so dass jegliche Anomalie auffällig wird, und man muss rechtzeitig alle Stadien eines vorbereiteten Anschlags identifizieren. Um beides zu erreichen, müssen zwei Leistungen erbracht werden. Es muss erstens ein Netzwerk etabliert werden, welches das gesamte Territorium abdeckt und das normale Verhalten des Gegners detailliert beschreibt. Zweitens muss auf die eine oder andere Art und Weise die Kommandokette der Terrororganisation infiltriert werden, ganz gleich wie lose sie organisiert sein mag, um herauszufinden, was sie plant, wann und wo sie beabsichtigt zu handeln. Eine solche Geheimdienstaktivität konzentriert sich auf eine bestimmte Person oder einen bestimmten Ort. Nur die Kombination beider Faktoren gestattet, dass militärisch gegen Terrorismus vorgegangen werden kann.

Jenseits der für den Antiterrorkampf nötigen Geheimdienstinformationen ist es wichtig, den Kampf zu legitimieren. Es ist heute klar, dass sowohl innere als auch äußere Legitimation notwendig ist, ganz besonders, wenn das Terrorismus bekämpfende Land eine Demokratie ist. Die Sympathie und unterstützende öffentliche Meinung der internationalen Gemeinschaft ist lebenswichtig für einen langwierigen Kampf gegen den Terrorismus, welcher versucht seine Mörder als „Freiheitskämpfer“ zu verkaufen. Geheimdienstinformationen spielen bei diesem Kampf um Legitimität und Sympathie eine entscheidende Rolle, in dem sie die Lügen und Grausamkeit des Terrorismus auf solche Weise aufdecken, dass die Zivilisten des Landes sowie der ganzen Welt eine Politik der Terrorbekämpfung verstehen. Soweit es geht, müssen Geheimdienste den Kampf um Köpfe und Herzen der Welt unterstützen, ohne ihre professionelle Glaubwürdigkeit zu verlieren. Dies ist nicht einfach. Es ist eine neue Herausforderung, welche noch dringend der Klärung bedarf, deren Bedeutung jedoch nichtsdestotrotz offenkundig ist. Sie bringt jedoch die Gefahr mit sich, dass Geheimdienstbemühungen von ihren wichtigsten Hauptaufgaben abgelenkt werden könnten.

4. Die Isolation des Territoriums in welchem der Terror sich organisiert

Terroristen können nicht handeln, es sei denn sie haben die Handlungsfreiheit in ihrem Gebiet, in welchem sie folgendes benötigen:

· ein Land als sicherer Hafen, wo sie bei Verfolgung Unterschlupf finden, wo sie sich ausbilden und das Wissen erwerben können, um ihre Fähigkeiten zu verbessern;

· Waffen – da davon auszugehen ist, dass sie keine kaufen oder eigenständig in ausreichender Stückzahl produzieren können;

· finanzielle Unterstützung, welche es ihnen ermöglicht, Sympathisanten zu unterstützen, Terroristen zu entsenden, Waffen zu kaufen und sich um die Familien der Aktivisten zu kümmern, die gefallen sind oder verhaftet wurden;

· zwei Arten des Nachschubs: Experten in bestimmten Kriegsformen sowie „gewöhnliche“ Kämpfer, welche es ihnen erlauben, ihre Ränge zu füllen, sollte der Antiterrorkampf erfolgreich sein.

Wenn das Militär die Grenzen nicht versiegelt, sind Versuche, die Terroristen auszuschalten vergeblich. Die Terroristen werden so ihre Depots und ihre Ränge jenseits der Grenze neu füllen und es wird quasi unmöglich, sie aufzuhalten. Dadurch entsteht tatsächlich ein Fass ohne Boden. Druck auf die Terroristen auszuüben wird ineffektiv, denn sie bleiben in der Lage, ihre Bedürfnisse mittels des Nachschubs von außerhalb ihres Operationsgebietes zu befriedigen, unabhängig vom Druck. Es ist entscheidend, die Grenze von zwei Seiten zu schließen, sowohl um das Eindringen von Unterstützung für die Terroristen zu verhindern als auch, dass Terroristen nach Israel hineingelangen.

Als Illustration mag das amerikanische Versäumnis dienen, die irakisch-syrische und die irakisch-iranische Grenze zu versiegeln, als einer der Gründe für das Versagen, in den ersten Jahren des Aufstands Terrorangriffe im Irak zu verhindern. Allein 95 Prozent der ausländischen Kämpfer im Irak, die eine Masse der Selbstmordattentäter ausmachen, kamen über Syrien.[15] Und noch im Dezember 2007 vermeldete das amerikanische Verteidigungsministerium, dass die irakischen Sicherheitskräfte immer noch dabei seien, Grenzbefestigungen um den ganzen Irak herum anzulegen.[16] Folglich haben während eines Großteils des irakischen Aufstandes Terroristen Unterstützung, Verstärkung, Wissen und Waffen über zwei souveräne Länder erhalten.

Dieses Versäumnis, den irakischen Aufstand gegen diese Verstärkung zu isolieren, machte den Antiterrorkampf aus militärischer Sicht zu einer Sisyphos-Aufgabe. Ganz gleich, wie viel Schaden die Amerikaner den Terroristen zufügten, deren Verbindungen zu Ländern jenseits des Kriegsgebietes ermöglichte ihnen, ihre Lücken zu schließen und stärker zu werden. Ein ähnliches Problem stellte sich in den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten in Afghanistan, da die Taliban sich Schutzzonen jenseits der Ostgrenze zu Pakistan einrichteten. Es ist äußerst schwierig, die Zufuhr von Waffen, Geld und Menschen zu unterbinden, wenn die Quellen sich weit weg befinden, und noch zehn Mal schwieriger, wenn sie sich in souveränen Ländern und UN-Mitgliedstaaten befinden.

Einer der Gründen, weshalb die IDF daran scheiterten, in der von 1985-2000 eingerichteten Sicherheitszone im Südlibanon Hisbollah zu bekämpfen, war ihr Unvermögen, die Sicherheitszone vom Nordlibanon her zu isolieren. Auf diese Weise konnte die Hisbollah einen Guerillakrieg führen, ohne ihre Aktivisten in Gefahr zu bringen, wenn sie innerhalb der Sicherheitszone angriff. Die überwiegende Zahl der Guerillaangriffe wurde von Kräften, die von außen eindrangen, durchgeführt und nur ein kleiner Bruchteil von Bewohnern der Sicherheitszone. Hisbollah war auffallend erfolglos bei dem Versuch, sich innerhalb des Gebietes zu etablieren, doch es war die Unfähigkeit der IDF, es zu isolieren, was der Organisation ermöglichte, einen permanenten Krieg mit Hilfe der Unterstützung aus Gebieten jenseits der IDF-Kontrolle zu führen. Es gelang den IDF gleichwohl, das Territorium zu kontrollieren und ein effektives Geheimdienstnetzwerk aufzubauen, gerade auch dank der Unterstützung, die sie innerhalb der Bevölkerung des Gebietes unabhängig von ethnischer Identität anwerben konnte. Das Versäumnis, den Konfliktort zu isolieren, blieb jedoch problematisch.

Im Zweiten Libanonkrieg bevorzugten die IDF ebenfalls anzugreifen, ohne zunächst das südlibanesische Gebiet an der Litani-Linie zu isolieren. Dies stellte sich als einer der schwerwiegendsten Fehler der IDF heraus und war einer der Hauptgründe, weshalb der Krieg ohne einen klaren israelischen Sieg endete. Obwohl die IDF die absolute Lufthoheit besaßen, setzte die Hisbollah ununterbrochen die Zufuhr von neuen Kämpfern und Waffensystemen fort. Nicht weniger bedeutsam war der Fakt, dass die Hisbollah-Kräfte an der Front sich nicht abgeschnitten und daher nicht wirklich bedroht fühlten. In Konsequenz kämpften sie gegen die IDF ohne einen Zusammenbruch zu erleiden.

Ähnliche Überlegungen treffen auch für den palästinensischen Schauplatz zu. Israel entschloss sich, die Kontrolle des Umlandes von Gaza aufzugeben, als es seine Truppen von der Philadelpi-Route zwischen Gaza und dem ägyptischen Sinai abzog. Das Ausmaß an Schmuggel nahm derart drastisch zu, dass nunmehr Katjuscha-Raketen und schultergestützte SA-7 Luftabwehrraketen zum palästinensischen Arsenal hinzugefügt wurden. Im Gegensatz dazu konnten diese Waffen nicht ins Westjordanland gelangen, genau weil Israel dort das Umland fest kontrolliert. Durch diese Bodenkontrolle war es Israel auch möglich, Produktion und Einsatz von vor Ort fabrizierten Raketen zu verhindern, welche von Gaza aus in hohen Mengen auf Israel abgeschossen werden. Kurz, Israel hat in seinem Kampf gegen islamistische Gruppen wie Hamas oder Fatah-zugehörige Gruppen einen Preis für den Verlust der Kontrolle in Gaza zahlen müssen, denn diese Gruppen setzten nach dem israelischen Rückzug ihre Angriffe auf israelische Zivilisten mit Raketen fort.

Andere Länder haben in ihrem Kampf gegen Terror- oder Guerillagruppen ähnliche Fehler gemacht. So setzten die Amerikaner keine Bodentruppen ein, um zu verhindern, dass über Laos Kämpfer und Waffen aus Nordvietnam nach Südvietnam eindrangen. Grund dafür war, dass die Vereinigten Staaten ein Abkommen unterzeichnet hatten, die laotische Neutralität nicht zu verletzen, und dass das US-Außenministerium die verschiedenen Präsidenten davon überzeugen konnte, sich an dieses Abkommen zu halten, ungeachtet der Tatsache, dass sowohl Nordvietnam als auch China an ihrem Bruch nicht gehindert wurden. Das Militär scheiterte dabei, Entscheidungsträger davon zu überzeugen, dass es absolut notwendig sei, die Umgehungswege durch offiziell neutrale Länder zu blockieren. Dies war im wesentlichen auch der Hauptgrund für das amerikanische Scheitern, nach der Tet-Offensive – ein militärisches Desaster für den Vietcong – reguläre nordvietnamesische Truppen daran zu hindern, die wohlbekannten Routen zu nutzen, um nach Südvietnam zu gelangen. Es waren diese Truppen, welche letztlich die Entscheidung brachten.[17]

Die für den Antiterrorkampf benötigte Isolierung schließt auch nicht-geografische Aspekte ein. So muss z.B. ebenso versucht werden, mittels ökonomischer Isolation die Zufuhr von Geldmitteln – sei es durch Überweisungen, Geldwechsel oder in den Koffern von Kurieren – in das Gebiet zu unterbinden. Ebenso ist die Isolation von Informationszufuhr äußerst wichtig, ganz besonders im professionellen Bereich, wie bei der Herstellung moderner Sprengstoffgürtel. Zusätzlich gilt es, Versuche zu unterbinden, dass Informationen durch Experten oder CDs mit professionellen Informationen zur Verbesserung der Kriegsführung übermittelt werden.

5. Multidimensionale Kooperation zwischen Geheimdienst- und Militäreinsätzen

Den vorangegangenen Bedingungen kommt inzwischen universelle Anerkennung zuteil. Sie beziehen sich auf klar definierte militärische Missionen. Die nächste Bedingung – in gewisser Hinsicht neu, zumindest für das verteidigungspolitische Milieu Israels – setzt sich mit den Beziehungen innerhalb des Antiterrorkampfes auseinander. Dieses Thema wird in der britischen Forschung diskutiert, v.a. im Hinblick auf die Unterdrückung der kommunistischen Guerilla in Malaya, aber auch im Hinblick auf Vietnam[18] – im ersten Fall hinsichtlich des Erfolges, im zweiten Fall wegen der aus dem Scheitern gelernten Fehler. In Israel liegt der Nachdruck anders, da die Fragen eher militärischer, denn ziviler Natur sind.[19] Die passendste Lösung für Israel war das Resultat eines langen Prozesses mit der Versuch-und-Irrtums-Methode, v.a. nach dem Ausbruch der Zweiten Intifada (September 2000) als angesichts des hohen Blutzolls eine Kombination von Fähigkeiten, den Terrorismus auszuschalten, zwingend notwendig wurde. Um es mit einer heute durchaus möglichen Situation zu illustrieren: im Westjordanland wird eine Operation mit Spezialeinheiten der Polizei durchgeführt; Informationen wurden vom Mossad und dem militärischen Nachrichtendienst gesammelt, verarbeitet jedoch von den General Security Services (GSS); Aktion und Reservetruppen werden von der örtlichen Brigade befehligt, welche der Judäa-und-Samaria-Division unterstehen; die Truppen erhalten enge Unterstützung durch unbemannte Flugkörper sowie Angriffshubschraubern der Luftwaffe, mit Hilfe des Territorialkommandonachrichtendienstes, wiederum unterstützt durch die Kartografie-Einheit des Generalstabs. Innerhalb weniger Stunden nach Erhalt der relevanten Informationen durch die Geheimdienste – sei es durch Agenten im Ausland oder den Beobachtungen einer Spezialeinheit im Herzen einer spezifischen Stadt – kann die Operation in Gang gesetzt werden.

Die Einsicht, dass die Reaktionszeit und die Kooperation der verschiedenen Elemente – Geheimdienste, Armee und Polizei – entscheidend für den Antiterrorkampf ist, führte zu zwei wichtigen Veränderungen in Methodik und Organisation dieses Kampfes:

Ein hohes Maß an Autorität wurde an die untersten Ränge delegiert, jene im Kontakt mit dem Feind und im Feld. Heutzutage ist die Handlungsfreiheit eines Brigadekommandeurs im Feld und eines GSS-Koordinators in diesem Gebiet zehn Mal größer, als während einer Kampfpause. Sie sind ein essentielles Element des Systems und jeder Versuch, diese Autorität zu minimieren, oder zuvor Autorisierung von höheren Stellen zu verlangen, nimmt diesem Sicherheitssystem einen wichtigen Aspekt ihrer Fähigkeit, den Terrorismus zu bekämpfen.

Die Elemente, welche Geheimdienst- und Militäreinsätze effektiv machen – wie Vernehmungsbeamte, Übersetzer, die Kontrolle unbemannter Flugobjekte etc. – und welche aus ökonomischen oder Überwachungsgründen in Hauptquartieren zentralisiert waren, wurden auf untere Ebenen dezentralisiert. Dies wurde getan, damit die Kräfte im Feld Informationen schneller erfassen und verstehen sowie unverzüglich reagieren konnten. Die Reaktion mag im Zusammentragen von Information, das Entsenden von Einsatzkräften oder die Ankunft von Vernehmungsbeamten am Ort der Festsetzung eines Verdächtigen bestehen, um sofortiges Handeln zu ermöglichen. Ziel ist, ohne Verzögerung auf ein Ereignis, eine Information oder ähnliches zu reagieren. Aus diesem Grund müssen die Fähigkeit zur Untersuchung, die Autorität, Informationen zu beschaffen und eine Situation zu evaluieren auf der unteren Ebene stattfinden. Diese Einsicht zu akzeptieren ist grundlegend für jede Aktion.

Nur wenn die bürokratischen Hindernisse, welche in jeder Organisation existieren, überwunden, die verschiedenen Vorteile jeder Abteilung und Organisation kombiniert und die Hindernisse resultierend aus verschiedenen Arbeits- und Kommandostrukturen, ignoriert werden, können die für die Terrorismusbekämpfung nötigen Fähigkeiten erreicht werden. Dies ist zweifelsohne eine der bedeutendsten Leistungen der israelischen Sicherheitskräfte. Raum für Verbesserung besteht nach wie vor in einigen Bereichen, doch wir haben es ganz sicherlich weit gebracht. Die Feststellung, dass Menschen Fehler machen, dass Fehler in Aktionen, die unter Druck und in Eile ausgeführt werden müssen, unvermeidlich sind, ist zentral für jede Theorie des Antiterrorkampfes. Die in Israel übliche Zusammenarbeit zwischen den kämpfenden Organisationen und den Nachrichtendiensten ist ein gutes Beispiel für andere Länder mit denselben Problemen und Herausforderungen. Zudem muss, da diese Methode verlangt, dass Autorität an die Kräfte im Feld delegiert wird, ein Prinzip der Absicherung entwickelt und mit einem Maß an Handlungsfreiheit ausgestattet werden, wie es sonst nur in den höheren Rängen vorkommt. In gewisser Hinsicht bezieht sich diese Art von Bewusstsein auf eine der interessantesten Einsatzmöglichkeiten der klassischen Kriegsführung – den „Kommandos“. In dem speziellen Fall des Antiterrorkampfes ist es die einzige Alternative, die Erfolgen zu erzielen vermag.

6. Trennung der nicht in Terrorismus verwickelten Zivilbevölkerung von terroristischen Einheiten

Es ist von höchster Bedeutung, dass Antiterroroperationen einen Keil treiben zwischen die Zivilbevölkerung, die nichts mit dem Terrorismus zu tun hat und die Terrorgruppen, gegen welche sich die militärische Operation richtet. So hat Oberstleutnant David Kilcullen, ein ehemaliger australischer Offizier, nun im Beraterstab von General David Petraeus zur Aufstandsbekämpfung im Irak, festgestellt: „Der Gegner ist darauf angewiesen, dass Menschen in gewisser Hinsicht handeln (Sympathie, Billigung, Schweigen, Reaktion auf Provokation) um zu überleben und seine Strategie umzusetzen. Wenn die Bevölkerung nicht entsprechend reagiert, werden sowohl Aufständische als auch Terroristen allmählich verschwinden.“[20] Es ist hier wichtig zu betonen, dass diese Trennung nur erreicht werden kann, wenn die zweite Bedingungen für den Erfolg des Antiterrorkampfes erfüllt wird – die Kontrolle des Territoriums, in welcher der militärische Kampf mit Terroristen ausgetragen wird.

Es lassen sich drei Ebenen der Trennung unterscheiden:

Eine Trennung kann ganz einfach daraus erwachsen, dass das Militär die notwendigen Vorkehrungen trifft, dass unschuldige Zivilisten, welche nichts mit irgendwelchen Terroristen zu tun haben, nicht verletzt werden. Dazu gehört die Verhinderung von Kollateralschäden, wenn Gewalt bei der Verhaftung oder Ausschaltung von Terroristen eingesetzt wird. Es ist entscheidend für eine Streitkraft, Prozeduren zu vermeiden, die Zivilisten schädigen oder ihre Bewegungsfreiheit einschränken, wenn solche Maßnahmen – Straßenblockaden oder Absperrungen – gegen Terroristen verwendet werden. Es ist äußerst schwierig, jeden einzelnen unschuldigen Zivilisten von jeglicher Art Schaden zu bewahren, trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, wenn man in einem zivilen Umfeld, in dem Terroristen aktiv sind, Antiterrormaßnahmen umsetzt. Nichtsdestotrotz muss alles getan werden, um Situationen zu vermeiden, in welchen Unschuldige verletzt oder der Zivilbevölkerung umfassender Schaden zugefügt wird.

Eine der enormen Erfolge der IDF war es, dass die israelische Luftwaffe im Zweiten Libanonkrieg nur Hisbollah-nahe Schiiten in Beirut angriff, hingegen versuchte, den Schaden für andere Teile der libanesischen Hauptstadt zu vermeiden. Libanesische Schiiten, Christen und Sunniten saßen in Beirut in Cafés, während wenige hundert Meter weiter das Hisbollah-Quartier Dahiya nahezu vollständig zerstört wurde. Der Rest der libanesischen Bevölkerung wusste, dass das Hauptquartier der Hisbollah in Dahiya lag und dass es der einzige gefährdete Stadtteil war. Die Sorgfalt und Präzision der israelischen Luftwaffe unterstrich das Prestige der IDF und vermied eine Situation, in welcher viele Libanesen motiviert worden wären, sich der Hisbollah anzuschließen.

Eine zweite Ebene der Trennung zwischen Zivilisten und Terroristen kann dadurch erreicht werden, dass es möglich wird, einen klaren Keil oder gar einen deutlichen Interessenskonflikt zwischen beide Gruppen zu treiben. Ein Beispiel für diesen Erfolg war die israelische Kontrolle Südlibanons vor dem Rückzug im Mai 2000. In der Zeit, in der Israel eine südlibanesische Sicherheitszone unterhielt, gelang es der Hisbollah nicht, in diesem Gebiet Aktivisten für Terrorzellen anzuwerben. Für diese Entwicklung gab es zwei Ursachen. Zum einen gelang es verdeckten israelischen Einheiten, die meisten Anwerbungsversuche in der lokalen Bevölkerung zu unterbinden. Zum anderen wurde dies deutlich von dem Umstand gestützt, dass sich unter den Einwohnern der südlibanesischen Sicherheitszone ein starkes ökonomisches Interesse am Anhalten der Ruhe und den Vorteilen einer israelischen Kontrolle bei gleichzeitiger Anbindung an den libanesischen Staat entwickelte. Es sollte hinzugefügt werden, dass der Lebensstandard im Südlibanon höher war als in vielen Teilen des Landes und dass daher ein Großteil der südlibanesischen Bevölkerung diesen Vorteil nicht aufgeben wollte.

Die dritte und höchste Ebene der Trennung findet sich dort, wo die lokale Bevölkerung tatsächlich aktiv den Kampf gegen die Terrororganisationen aufnimmt. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Chancen, einen terroristischen Aufstand zu schlagen, drastisch ansteigen. Wenn die beiden früheren beiden Ebenen erreicht werden, ist es Terroristen unmöglich an, an Stärke zu gewinnen, doch wenn diese dritte Ebene umgesetzt wird, sind die Bedingungen für einen aktiven Kampf dagegen geschaffen. Dies war die Situation im Südlibanon, wo die meisten Christen und Drusen sich vor einer Hisbollahherrschaft fürchteten. Um den Erfolg der Hisbollah zu verhindern, unterstützte die Zivilbevölkerung die IDF aktiv.

Es scheint, als hätten Anfang 2008 die Vereinigten Staaten, diese Ebene der Trennung der sunnitischen Zivilbevölkerung von Al-Qaida in der Al-Anbar Provinz im Westirak erreicht. Dies erklärt z.T. den Erfolg der 2007 von den USA umgesetzten „surge strategy“ unter Gen. David Petraeus. Selbst die sunnitische Bevölkerung, welche zuvor die amerikanischen Anstrengungen, die Errichtung einer demokratischen (schiitisch dominierten) Regierung in Bagdad zu ermöglichen, bekämpft hatte, verstand das Ausmaß des Schadens, wenn der Irak von Al-Qaida-Angehörigen übernommen würde. In Konsequenz waren sunnitische Araber bereit, für die Stabilität ihrer Gebiete zu kämpfen und die Infiltration extremistischer Elemente von außen zu verhindern.

Jeder Staat, der Terroristen bekämpft, sollte versuchen, die dritte Ebene der Trennung zu erreichen, in jedem Fall sollte aber die erste gewährleistet werden. Der israelische Erfolg gegen den palästinensischen Terrorismus, welcher im Frühjahr 2002 begann, rührt von der Tatsache her, dass die IDF verstanden, wie man die zivilen Verluste unter Palästinensern ohne Terrorbeziehungen beim absoluten Minimum halten konnte. Dennoch waren dem israelischen Bemühen um Erfolg deutliche Grenzen gesetzt. Je länger eine Zivilbevölkerung, wie die Palästinenser einer Hetzkampagne der Terrorgruppen, ja, der Palästinensischen Autonomiebehörde selbst, ausgesetzt ist, umso schwieriger wird es, eine hohe Ebene der Trennung zwischen Bevölkerung und Aufständischen zu erreichen.

Israels Scheitern, die Fähigkeiten palästinensischer Terroristen vollständig zu eliminieren, verlangte, dass man sich mit dem geringsten Maß an Entschlossenheit in diesem Kampf begnügt. So war Israel beispielsweise unfähig, die Zivilbevölkerung dahingehend zu motivieren, den Terrorismus zurückzuweisen und einen bewaffneten Kampf gegen Hamas und andere militante Islamistengruppen zu führen, welche große Teile der palästinensischen Bevölkerung bewegen.

Eine interessante Frage ist die nach den Prioritäten, ganz besonders die nach der richtigen Reihenfolge bei der Erfüllung der zuvor erwähnten Bedingungen. Es scheint absolut notwendig die politischen Entscheidungen an erste Stelle zu setzen. Ob es wichtiger ist, das Kampfgebiet zu isolieren oder es zu kontrollieren, bleibt offen. Isolation sollte, wenn möglich zuerst verfolgt werden (im Irak war es hingegen notwendig, mit Eroberung zu beginnen, wenngleich die Amerikaner sich nicht auf Kontrolle dieses riesigen Gebietes vorbereiteten). Die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten können erst nach der Eroberung ernsthaft unternommen werden, unabhängig von Isolation und sogar vor der Kontrolle. Das organisatorische System muss im Vorfeld vorbereitet werden, doch die Erfahrung hat gezeigt, dass es sich während des Krieges wandelt und dass ein Preis bezahlt werden muss bis es korrekt stabilisiert ist je nach Zeit, Ort und Herausforderung. Was 1936 von Seiten der Briten gegen die Palästinenser unternommen wurde kann heute nicht unternommen werden, selbst wenn das Territorium identisch ist.

Teil 3:

Die Prinzipien des Krieges in asymmetrischer Konflikten

Was ist asymmetrische Kriegsführung?

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ganz besonders seit den Ereignissen des 11. September 2001 wurde viel über das Wesen zukünftiger Kriege und darüber, wie sich die heutigen von den vergangenen unterscheiden, gesagt und geschrieben. In diesem Kontext tauchte der Begriff „asymmetrisch“ auf, um eine ganz wichtige Art der Kriegsführung zu beschreiben. „Asymmetrische Kriegsführung“ scheint einen Krieg zu bezeichnen, in welchen zwei verschiedene Seiten, die Gewalt ausüben, um ihre Ziele zu erreichen, nicht die gleiche militärische Stärke aufweisen.[21]

In Israel wird dieser Begriff verwendet, um auf einen Krieg zwischen IDF und Organisationen bzw. Armeen zu verweisen, die alles tun, um nicht als Armeen erkannt zu werden. Sie stellen in dem Sinne keine Armeen dar, da sie auf dem Feld schwer auszumachen und als konzentrierte Kraft kaum anzugreifen, ihre Kommando- und Kontrollstrukturen schwer zu identifizieren und ihre Fähigkeit zu kämpfen schlecht einzuschränken sind. Der Gegner weicht aus und kann im Hintergrund verschwinden, hat flachere Hierarchien und keine komplexen Pläne, die durchkreuzt werden könnten. Wenn also die eine Seite modern und industriell fortgeschritten mit einer professionellen Armee ist, die andere Seite hingegen nicht, dann lässt sich von einem asymmetrischen Krieg sprechen.

Eine weitere wichtige Komponente der Asymmetrie ist die Art und Weise, wie sich Entscheidungsträger auf beiden Seiten auf ihre Verluste und auf die der Zivilbevölkerung der anderen Seite zugefügten Schäden beziehen. Allgemein gesprochen, und ganz sicher in unserem Teil der Welt, ist es leichter für die Seite, die kein modernes Land darstellt, Entscheidungen über Tod und Schädigung von Zivilisten zu fällen. Tatsächlich zeigt sich, dass Zivilisten das Hauptangriffsziel solcher Organisationen darstellen. Die Entscheidungen des modernen Landes sind hingegen auf der anderen Seite stark beeinflusst von dem Wunsch, so wenig militärische Opfer als möglich zu erleiden, und gewöhnlich nicht weniger von der Sensibilität gegenüber den legalen und moralischen Aspekten, der Schädigung von Zivilisten. Die Asymmetrie in der Art und Weise, wie Terroristen und Guerillas den Zivilisten des Feindes gegenüberstehen, sowie ihr Wille, selbst zu leiden und den Tod der eigenen Zivilisten auszunutzen ist nicht weniger entscheidend als die Unterschiede in militärischer Stärke, vermutlich sogar noch mehr.

Die hier vorgeschlagene Definition von „asymmetrischer Kriegsführung“ ist „ein Krieg zwischen einer regulär staatlichen Armee und einer Organisation, welche Terrorismus oder Guerillataktiken innerhalb des von der regulären Armee kontrollierten Gebietes oder in Überschreitung der Grenzen diese Gebietes verwenden, bei gleichzeitiger Unterstützung (aktiv oder passiv) durch die Zivilbevölkerung im Operationsgebiet.“ Diese Definition schließt nicht den globalen Jihad oder Terrorzellen in London, die den Angriff auf Zivilisten planen, den Kampf des MI5 gegen diese Zellen, oder Antiterrormaßnahmen in einem arabischen Dorf in Israel ein. Es beinhaltet auch nicht den Abschuss von Boden-Boden-Raketen aus dem Iran, syrische Gasangriffe oder einen Kampf gegen Luftabwehrgeschosse in Syrien. Aus israelischer Perspektive deckt es jedoch den Krieg gegen Terrorismus jenseits der Grenze seit 1965 (dem ersten Angriff der Fatah), den Krieg gegen den Terrorismus aus Jordanien, Gaza und dem Westjordanland seit den 1960er Jahren sowie die israelischen Kämpfe im Libanon ab.

Was sind die Prinzipien des Krieges?

Entsprechend dem IDF-Begriffslexikon:

Die Prinzipien des Krieges sind Prinzipien, welche die Regeln militärischen Denkens und Handelns ausdrücken, welche als permanente Basis einer Kampfdoktrin dienen … Die Anwendung dieser Prinzipien des Krieges unterscheidet sich auf unterschiedlichen Ebenen und unterschiedlichen Operationen … Ihre relative Bedeutung variiert von Ereignis zu Ereignis … Die Liste der Prinzipien ist ein methodologisches Werkzeug, welche sich von Armee zu Armee und von Epoche zu Epoche unterscheidet.[22]

Das Lexikon betont, dass, obschon die Prinzipien dieselben bleiben, die Liste sich gemäß Ort und Zeit wandelt sowie die Anwendung immer kontextabhängig ist.

Gemäß der Einleitung zur Britischen Doktrin der Kriegsführung von 1996[23] haben viele Länder eine Liste von Kriegsprinzipien übernommen und konzentrieren sich dabei auf die wichtigsten, welche sich in der Langzeiterfahrung als in der Kriegsführung anwendbar erwiesen haben. Diese Prinzipien sind kein Erfolgsrezept, werden sie jedoch mit Bedacht angewendet, dienen sie als Richtlinien zur Planung und Durchführung von militärischen Operationen auf allen Ebenen, sowie als Kriterien zur Erwägung aller Handlungsoptionen. Diese Prinzipien zu ignorieren, erhöht das Risiko einer Niederlage.

Es muss dabei betont werden, dass diese Prinzipien dem Zweck dienen, Militäreinsätze auf dem Schlachtfeld zu planen und zu kommandieren, nicht jedoch die der militärischen Auseinandersetzung zugrunde liegenden Konflikte zu lösen. Aus diesem Grund wäre es vielleicht angebrachter, von „Prinzipien des Kampfes“ statt „Prinzipien des Krieges“ zu reden, um die Grenzen ihrer Anwendbarkeit zu unterstreichen. So beziehen sie sich z.B. in keinster Weise auf bedeutende Fragen des Krieges wie soziale, politische, ökonomische, territoriale und kulturelle Faktoren, ohne die Konflikte und Kriege zwischen Nationen und Gruppen nicht verstanden werden können.

Die britische Liste enthält zehn Prinzipien:

  1. Auswahl und Aufrechterhaltung eines Ziels

  2. Aufrechterhaltung der Moral

  3. Sicherheit

  4. Überraschung

  5. Offensivhandlungen

  6. Kräftebündlung

  7. Kräfteökonomie

  8. Flexibilität

  9. Kooperation

  10. Nachhaltigkeit/Administration

Die Vereinigten Staaten listen folgende neun auf:

  1. Ziel

  2. Offensive

  3. Masse

  4. Kräfteökonomie

  5. Manöver

  6. Einheit der Führung

  7. Sicherheit

  8. Überraschung

  9. Einfachheit

Während die britische Liste „Flexibilität“, „Kooperation“, „Aufrechterhaltung der Moral“ und „Verwaltung“ aufzählen, enthält die amerikanische „Einheit der Führung“, „Manöver“ und „Einfachheit“. Die Briten haben einzig die Reihenfolge ihrer Prinzipien geändert. Vor kurzem haben die Amerikaner drei weitere Prinzipien zu der offiziellen Literatur unter dem Titel „Weitere Prinzipien“ hinzugefügt. Jene sind:

  1. Zurückhaltung

  2. Ausdauer

  3. Legitimität

Die IDF haben 1998 zehn Prinzipien definiert[24] (Erklärungen in Klammern durch den Autor):

  1. Mission und Ziel – Einhalten der Mission durch Zielvorgabe (Verständnis der Mission innerhalb des vom Ziel vorgegebenen Rahmens und entsprechendes Handeln)

  2. Optimale Verwendung der Kräfte (das maximal Erreichbare mit allem Verfügbaren anstreben bei gleichzeitiger adäquater Kombination der eigenen Fähigkeiten)

  3. Initiative und Offensive (der Befehlshaber im Feld beschließt Aktion, er muss Kontakt und Gefecht mit Gegner suchen)

  4. Kriegslist (Überraschungsaktionen; wichtiger: Schwachpunkte des Gegners identifizieren, anvisieren, ausnutzen)

  5. Kräftebündlung (alle Vorstöße, Aktionen und Resultate müssen Mission und Ziel dienen)

  6. Stetigkeit des Handelns (unablässiger Druck, um Gegner an Reorganisation zu hindern; Ausnutzung der eigenen Erfolge)

  7. Tiefe und Reserven (Bedrohung auf Distanz halten, um Handeln in Krisensituationen aufrechtzuerhalten

  8. Sicherheit (Blöße der Flanken sowie Schwäche nach einem gezielten Vorstoß vermeiden)

  9. Aufrechterhaltung von Moral und Kampfgeist (Motivation der Soldaten und Bewahrung der Funktionsfähigkeit der Einheiten unter Druck; wesentlich für eine kleine Armee als Kompensation der materiellen Schwäche)

  10. Einfachheit (jedes Element des Kriegsplans muss einfach zur Ausführung sein, selbst wenn Gesamtplan und Mission kompliziert sind)

Das Prinzip der Administration (weder auf der amerikanischen noch auf der IDF-Liste) ist – über das Verständnis hinaus, dass eine Armee verwaltet werden muss – äußerst wichtig und Grundlage für die Bündelung der Kräfte auf der operativen Ebene und ganz sicher auch auf strategischer Ebene. Es zu vernachlässigen, hieße, der Armee am Sieg zu hindern. In einem Land mit kleiner Armee auf der Innenseite eines Konfliktes (Israels permanenter Zustand) ist der Wechsel strategischer Vorstöße entscheidend und von guter Administration abhängig.

Die IDF-Liste der Kriegsprinzipien unterscheidet sich etwas von der der Briten und jener der Amerikaner. Sie enthält weder die „Einheit der Führung“ – möglicherweise weil die IDF-Kommandokette anders strukturiert ist – noch enthält sie „Manöver.“ (Nach dem Zweiten Libanonkrieg sollte die Einbeziehung letzteren erwogen werden. Es erschien einst so offensichtlich, dass eine Erwähnung nicht notwendig war). Andererseits enthält die IDF-Liste „Stetigkeit des Handelns“ (von den Amerikanern erst kürzlich hinzugefügt), anstelle „Manöver“, sowie „Aufrechterhaltung der Moral“ (wie die Briten). „Tiefe und Reserven“ sind ein exklusives Prinzip der IDF, offensichtlich auf Grund der enormen Bedeutung für Israel hinsichtlich des numerischen, demografische und geografischen Verhältnisses zu seinen Nachbarn.

Anwendbarkeit der Prinzipien auf asymmetrische Kriegsführung

Unglücklicherweise ist Israel seit vielen Jahren gezwungen, einen Krieg gegen verschiedene Guerillagruppen zu führen, der allen Kriterien eines asymmetrischen Krieges entspricht: Hisbollah im Libanon, Hamas in Gaza sowie palästinensische Terrorgruppen im Westjordanland und Gaza. Dies betrifft nicht nur uns allein. Viele andere Länder haben ein hohes Maß an Erfahrung im Kampf mit Guerilla- und Terrorgruppen – in den Dschungelregionen Vietnams, der Philippinen und Malayas, den Wüsten Omans, den Bergen Griechenlands, Algeriens und Afghanistans, sowie den Gassen Beiruts, Ammans, Bint Dschubeils, Gaza Citys, Nablus oder Bagdad.

Es gibt ausreichend empirische Beweise, dass staatliche Armeen recht erfolgreich Terror- und Guerillaorganisationen bekämpfen und ihre operative Fähigkeit ausschalten können, selbst wenn der Konflikt in anderen Gebieten erhalten bleibt. Wie bereits dargelegt, ermöglicht uns ähnlich viel Erfahrung, zu erörtern, ob es die wirkliche Notwendigkeit gibt, die Prinzipien des Krieges zu ändern. Das Folgende bezieht sich auf die von den IDF zusammengetragenen Erfahrungen im Kampf gegen den Terrorismus unter besonderer Berücksichtigung der Bedingungen in Israel sowie der von den IDF akzeptierten Prinzipien, wenngleich es scheint, dass diese durchaus für die Mehrzahl der Armeen weltweit anwendbar sind mit entsprechenden Änderungen je nach Armee und Sachverhalt.

**1. Mission und Ziel

Dieses Prinzip ist entscheidend für jeden militärischen Schritt. Es verlangt, dass sowohl Mission als auch Ziel klar definiert werden, und gewährleistet, dass eine Mission tatsächlich dem Ziel dient. Die Erfahrung zeigt, dass jedes Mal, wenn eine Mission nicht vollständig klar war, wie z.B. im Zweiten Libanonkrieg, Israel einen hohen Preis zu zahlen hatte. Das Prinzip verlangt von jedem Befehlshaber, die ihm unterstehenden Streitkräfte zu nutzen, um eine Mission durchzuführen, welche dem definierten Ziel entspricht. Das Ziel hat dabei oberste Priorität, und dient wie eine Art Leuchtfeuer der Erhellung einer Mission. Auf jeder Ebene einer militärischen Hierarchie ist das Ziel die Mission der nächsthöheren Ebene. In einigen Extremsituationen kann festgestellt werden, dass eine Mission nicht durchzuführen, einem Ziel besser dient. In solchen Situationen hat das Ziel immer die höhere Priorität. Auf der taktischen Ebene ist es z.B. ratsamer, Terroristen, die ein Haus bereits verlassen haben, anzugreifen anstelle des Hauses, welches als Mission vorgesehen war.

Hätte es im letzten Libanonkrieg klare Ziele gegeben, wie „Hisbollahs Kriegsfähigkeit als im Südlibanonen gegen Israel operierende Guerillaorganisation zu zerstören, um der libanesischen Regierung die Wiederherstellung ihrer Souveränität in der Region zu ermöglichen,“ und hätte die Mission des Nordkommandos gelautet, „Verhinderung des Katjuscha-Beschusses Israels“, so gibt es kein Zweifel, dass man den Streitkräften klarere Befehle hätte geben können, die erfüllbar gewesen wären. Die operative Übersetzung von Ziel und Mission hätte für die Befehlshaber nichts anderes bedeutet, als dass es keine Alternative dazu gegeben hätte, die Bodentruppen anzuweisen, den Südlibanon zu besetzen, die Infrastruktur der Hisbollah zu zerstören, sowie ihre Fähigkeiten, Katjuscha-Raketen abzufeuern, auszuschalten. Dies wäre eine klare, legitime militärische Mission gewesen. Ebenso klar wäre gewesen, dass die Mission, Bint Dschubeil als Erfolgssymbol der Hisbollah zu erobern, keine Grundlage gehabt und weder mit Mission noch mit Ziel in Übereinstimmung gestanden hätte – mit anderen Worten: es hätte keinen Grund gegeben, sie durchzuführen.

Im Gegensatz dazu war die Ausschaltung des Terrorismus im Westjordanland im April 2002, als dessen Konsequenzen auf 1600 ermordete Zivilisten pro Jahr hochgerechnet werden konnten, deswegen möglich, weil eine klar Mission definiert wurde (wenn auch nicht in exakt diesen Worten): „den Terrorismus mit Hilfe der Armee stoppen (Ziel), um Israelis ein normales Leben zu ermöglichen“. Das Ergebnis war die „Operation Defensive Shield“.

**2. Optimale Verwendung der Kräfte

Dieses Prinzip erscheint auf dem ersten Blick als weniger notwendig für den Kampf gegen den Terrorismus, doch das ist nicht der Fall. Eine der größten Herausforderungen im Kampf gegen Terror- und Guerillagruppen ist, dass eine Kombination vieler Fähigkeiten für einen Erfolg notwendig ist. Wenn Geheimdienste, Spezialeinheiten, Luftwaffe, Bodentruppen sowie Polizei nicht effektiv jede in ihrem jeweiligen Gebiet eingesetzt werden, kann Terrorismus nicht überwunden werden. Einer der herausragendsten Erfolge des israelischen Verteidigungssystems ist seine Fähigkeit, dass Äußerste aus seinen verschiedenen Elementen herauszuholen. 2002 erbrachte die Kombination der erstklassigen Nachrichtendienste des Israelischen Sicherheitsdienstes und des Militärischen Geheimdienstes, die treffsichere Zielgenauigkeit der israelischen Luftwaffe sowie die Professionalismus der Streitkräfte eine vereinte, koordinierte Operation innerhalb des Palästinensergebiete. Sie war effizient, effektiv und vermied Kollateralschäden. Dies war das Geheimnis des Erfolges des Antiterrorkampfes im Westjordanland und im Gazastreifen. Es handelte sich um ein klassisches Beispiel einer „vollständigen Verwendung von Kräften“, in welcher jedes Element seine eigenen Fähigkeiten mit ins Feld bringt und, in der Kombination, zu einem synergetische Resultat führt, weit mehr als die Summe der einzelnen Teile.

Dieses Prinzip manifestiert sich noch auf eine andere Weise. Die IDF sieht sich mehreren Herausforderungen gleichzeitig gegenüber: Konfrontationen im Westjordanland, dem Gazastreifen und im Libanon, sowie eine Vorbereitung auf mögliche Kriege in der Zukunft. Wenn das Prinzip einer vollständigen Verwendung der Kräfte vernachlässigt wird und man nicht die Bestleistungen der verschiedenen Einheiten, eingesetzt an verschiedenen Stellen und zu verschiedenen Aufgaben, nutzt, wird die IDF nicht in der Lage sein, diese Herausforderung zu bestehen. Dieses Prinzip verlangt, dass die Streitkräfte im Einsatz gegen den Terrorismus den besonderen Charakter jeder Einheit ausnutzen, um einen drohenden Krieg vorzubereiten, und dass die für die Vorbereitung Verantwortlichen darüber nachdenken, wie die Einheiten im Ernstfall erfolgreich in Einsatz gebracht werden könnten. Die Einhaltung des Prinzips der „vollen Verwendung“ ist von entscheidender Bedeutung sowohl für den Einsatz als auch den Aufbau einer Streitkraft mit Arbeitsteilung zwischen regulärer Armee und Reserve. Die für die Verteilung der Mittel Verantwortlichen werden darin zustimmen, dass langfristig auf der Ebene des Generalstabs das wichtigste Ziel die Durchführung verschiedener Aufgaben zu einem angemessenen ökonomischen Preis ist.

**3. Initiative und Offensive

Nach dem Erfolg von „Initiative und Offensive“ in der „Operation Defensive Shield“ im April 2002 (nach Scheitern der Defensivstrategie in den vorrangegangenen anderthalb Jahren) und der Einsicht, dass die Abwesenheit von „Initiative und Offensive“ der Schwachpunkt im Kampf einiger Einheiten im Zweiten Libanonkrieg war, steht heute fest, dass es ohne beide unmöglich ist, Terror- und Guerillaorganisationen zu bekämpfen. Auf Grund der Tatsache, dass der Gegner ausweicht, ist dieses Prinzip wichtiger in der asymmetrischen als in der regulären Kriegsführung, bei der größere Einheiten operieren und es nicht immer Raum für unkoordinierte lokale Initiativen gibt. Jeder Unteroffizier muss verstehen, dass das Ergebnis eines solchen Krieges, in welchem kleinere Einheiten gegen Terror- und Guerillagruppen eingesetzt werden, von ihm und seiner Initiative im Aufspüren und Konfrontieren des Gegners wo und wann immer möglich abhängt. Dies ist der Schlüssel für den Kampf im kleinen und mitunter isolierten Rahmen eines asymmetrischen Krieges.

**4. Kriegslist (Strategem)

Hier unterscheidet sich die israelische von der britischen und amerikanischen Terminologie, welche in beiden Fällen von „Überraschung“ spricht. In der israelischen Definition ist Überraschung ein wichtiger vielleicht sogar notwendiger Bestandteil eines Strategems, jedoch nicht seine Essenz. Entscheidender ist vielmehr, die Überraschung des Gegners auszunutzen, um ihn an seiner schwächsten Stelle zu treffen und ihm das Standbein zu rauben. Überraschung ist niemals der letzte, sondern der erste Schritt; das Ziel ein entscheidender Schlag. Kriegslist und Ausnutzung des Überraschungseffektes sind beide wichtig und bringen zusätzlichen Gewinn. Während des letzten Krieges hatte die Armee das Prinzip des Strategems nicht verinnerlicht. Sie begnügte sich damit, Nasrallah zwar zu überraschen, jedoch nicht, diese Überraschung für einen Sieg auszunutzen. Bei jedem Schritt eine Kriegslist in Anwendung bringen, sollte im Zentrum jeder militärischen Erwägung stehen. In einem regulären Krieg mag es keine Wahl geben und ein Strategem kann durch größere Streit- oder Feuerkraft ersetzt werden. Im asymmetrischen Krieg hingegen gibt es keinen Ersatz, denn in vielen Fällen ist ein Zuviel an Kraft eher schädlich als von Vorteil.

Verglichen mit dem Prinzip der „optimalen Verwendung der Kräfte“ erscheinen die folgende drei, „Kräftebündelung“, „Stetigkeit des Handelns“, sowie „Tiefe und Reserven“ auf den ersten Blick weniger entscheidend für den Kampf gegen den Terrorismus. Gleichwohl sind sie tatsächlich wichtig und notwendig.

**5. Kräftebündelung

Genau dies unterblieb im Zweiten Libanonkrieg. Die IDF konzentrierte ihre Bodentruppen nicht an irgendeiner Stelle, noch hatte sie ein zentrales Ziel im Südlibanon, von wo aus sie ihre Truppen an der ganzen Front ins Gefecht schicken konnten. Für lange Zeit gab es auch keinen Stoßrichtung im Kampf gegen den Terrorismus im Westjordanland oder dem Gazastreifen. Dies änderte sich als die Mission als Verhaftung oder Ausschaltung all jener definiert wurde, welche Terroraktivisten in Gang setzten – von führenden Köpfen der Hamas hin zum Techniker, der die Sprengstoffgürtel am Körper der Terroristen anbrachte. Sie alle gaben die Stoßrichtung vor. Erst als es also klar wurde, dass die meisten vorhandenen Ressourcen der IDF sich darauf konzentrieren mussten, die einzelnen Glieder einer Terrorkette zu lokalisieren und zu verhaften bzw. auszuschalten, gelang es den IDF das Ausmaß des Terrors zu reduzieren.

Im Krieg gegen den Terrorismus wird das Ziel in vielen Fällen nicht ein physischer Ort sein, sondern eher ein spezifischer Prozess oder Individuen. Folglich muss eine angemessene Planung in asymmetrischer Kriegsführung aus einer sorgfältigen Definition der nötigen Stoßrichtung, welche Terroristen an der Durchführung ihrer Pläne hindert, bestehen. Ziel ist das Gravitationszentrum der Terrororganisation. Wird dies zum einzigen Kriterium für eine militärische Aktion, dann werden alle involvierten Systeme wissen, wo ihr Fokus liegt, und ihre Anstrengungen priorisieren.

**6. Stetigkeit des Handelns

In jedem Stadium des israelischen Krieges gegen Terror- und Guerillagruppen, gelang es dem Gegner, Ruhepausen zu nutzen, sich neu zu strukturieren und später erneut Terrorangriffe durchzuführen, bis es uns gelang, das Prinzip der Stetigkeit des Handelns ins Spiel zu bringen. Erst als Israel dieses Konzept verstand und sich entschloss, hartnäckig die „Rasenmähertaktik“ anzuwenden – d.h. alle zu verhaften bzw. auszuschalten, die in der Terrorkette auftauchten – konnte Terror überwunden werden. In einem Versuch, anhaltende IDF-Aktionen zu stoppen, welche sie daran hinderten, ihre Stärke zurückzuerlangen, schlug die Hamas eine tahdiya – eine wechselseitige Ruhephase – vor. Da das Ziel der Hamas darin bestand, eine Atempause für Reorganisation und Regeneration der Kräfte zu erhalten, tat der israelische Staat gut daran, dies nicht zu gewähren.

Von strategischer Warte aus gesehen führt eine ausbleibende Stetigkeit des Handelns (wie bei den Rückzügen aus Gaza und Libanon sowie die unterlassene Konfrontation des dortigen Terrors) zu einem Kräftezuwachs des Terrorismus, welcher eine zukünftige Auseinandersetzung erschwert. Selbst jene, die darauf bestehen, dass diese Schritte politisch gerechtfertigt werden, können ihre militärische Bedeutung nicht leugnen. Dies zeigt, wie wichtig die Prinzipien des Krieges auf allen Ebenen sind und dass es nicht wichtiger ist, einen anonymen Terroristen zu jagen und zu fassen, als den Gegner daran zu hindern seine Ressourcen zu organisieren und zu verbessern. Im Krieg gegen den Terrorismus ist die Stetigkeit des Handelns – obschon häufig eine organisatorische Herausforderung – eine der wichtigeren Prinzipien, ganz besonders auf Grund der Abhängigkeit fortgesetzter Beschaffung von Informationen, die nicht immer verfügbar sind.

**7. Tiefe und Reserven

Die folgenden drei Beispiele verdeutlichen die Wichtigkeit von strategischer Tiefe. Israel musste auf die harte Art und Weise lernen wie entscheidend Tiefe ist, wenn der Gegner über Raketen verfügt. Kassam-Raketen auf Ashkelon und Katjuschas in Haifa haben die Relevanz von zehn theoretisch unbedeutenden Kilometern unterstrichen. Hätte Israel z.B. einen Zehn-Kilometer-Streifen im Südlibanon kontrolliert, hätten die meisten der Raketen, die so in Haifa einschlugen, ihr Ziel nicht erreicht. Ebenso wären Ashkelon und Sderot außerhalb der Reichweite der Kassam-Raketen würde Israel nur fünf Kilometer von Nordgaza kontrollieren.

Im Kampf gegen Terrorismus im Westjordanland erhöht ein einfacher Zaun mit anschließendem Manöverraum die Sicherheit. Wenn es keine Tiefe auf der anderen Seite des Zauns gibt und er nur von der israelischen Seite verteidigt wird, ist das Resultat eine Entführung von Soldaten, wie im Gazastreifen oder im Libanon. Folglich kann nichts diese Tiefe ersetzen, selbst im Fall eines Zaunes.

Vor dem Rückzug der IDF war die Situation im Südlibanon eine andere als danach. Der Verlust dieser schmalen Tiefe, welche Israel im Norden hatte, führte zu einer Konzentration von Aktivitäten der Hisbollah, welche bis auf israelisches Territorium durchzudringen vermochte, ohne dass die Terroristen Zeit und Energie am Zaun aufbringen musste. Heute soll die Präsenz von UNIFIL-Truppen diese Art Tiefe gewährleisten, doch hat dies m.E. wenig Aussicht auf Erfolg und die Tiefe wird uns erneut verloren gehen.

Die Rolle der „Reserven“ sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden, sowohl in strategischer als auch in operativer Hinsicht: sie ist nicht ganz so deutlich im Kampf gegen den Terror, aber entscheidend für den Kampf gegen Guerillatruppen. Hätte das Nordkommando im Zweiten Libanonkrieg wirkliche Reserven zur Verfügung gehabt und nach ersten Erfolgen in der Gegend von Bint Dschubail eine größere Truppe zur Besetzung der Umgebung geschickt, hätte dies die Bodentruppen der Hisbollah halbiert, und an manchen Stellen, wo die IDF sie im Rücken hätten angreifen können, zu ihrer Ausschaltung geführt. Der Umstand, dass man entlang der ganzen Front Anstrengungen unternahm, anstelle Reserven einzusetzen, verhinderte wirkliche Erfolge.

Die vier Prinzipien „optimale Verwendung der Kräfte“, „Kräftebündlung“, „ Stetigkeit des Handelns“, sowie „Tiefe und Reserven“ unterstreichen die Vorteile einer regulären Armee über Guerilla- oder Terrororganisationen – falls sie sie zu nutzen versteht. So kann z.B. das Prinzip der „optimalen Verwendung“ die technische Überlegenheit, die ein Land in der Regel gegenüber Terror- und Guerillagruppen besitzt, zum genuinen Ausdruck bringen. Wenn die Armee es versteht, die technischen Ressourcen vollständig zu nutzen, angemessen zu integrieren und die Kriegsanstrengungen zu intensivieren, verfügt sie über einen enormen Vorteil. Eine der Geheimwaffen der IDF in ihrem Kampf gegen den Terrorismus im Westjordanland und Gaza seit 2000 war der erfolgreiche Einsatz der technischen Fähigkeiten. Im Zweiten Libanonkrieg setzten die IDF ebenso mit Erfolg Technologie ein, um die schweren Abschussvorrichtungen für Langstreckenraketen der Hisbollah zu zerstören. Andererseits zeigten sich bei Israels Versuchen, die kleinen Raketenabschussvorrichtungen zu zerstören, von welchen die Mehrzahl der Raketen abgeschossen wurde, die Grenzen der Technologie sowie die Gefahr, von ihr abhängig zu werden.

Die Prinzipien der „Kräftebündelung“ und der „Stetigkeit des Handelns“ sind für eine reguläre Armee daher effektiv, weil ihr in der Regel weitaus mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, als kleineren Terror- und Guerillaorganisationen. Hier macht die geringere Größe Terror- und Guerillagruppen schwächer, denn deren konzentrierte Vorstöße gehen selten über die operationelle Ebene hinaus. Deshalb ist klar, wieso permanenter militärischer Druck die Versuche der Terroristen, ihrerseits Druck auf Armee und Zivilisten auszuüben, einschränkt, mit der Ausnahme von sehr zielgenauen Aktionen wie der konzentrierte Kassambeschuss von Sderot. Wenn das Militär diese Vorteile nicht maximal ausnutzt und dem Gegner Raum für Ruhe, Reorganisation und Planung lässt, werden die Ergebnisse sehr leicht problematisch werden. Dies wurde mehr als deutlich zwischen September 2000 und März 2002: die IDF reagierten auf einzelne Akte palästinensischen Terrorismus, u.a. weil die politische Ebene ein beständiges Agieren im Westjordanland nicht gestattete. Das Resultat war ein drastischer Anstieg der Zahl terroristische Angriffe und Opfer, v.a. unter Zivilisten. Der Wandel der Wahrnehmung und u.a. die Umsetzung der beiden erwähnten Prinzipien reduzierten diese Zahlen massiv und unmittelbar. Das Prinzip der „Stetigkeit des Handelns“ wurde seitdem im Westjordanland gewissenhaft eingehalten, da sein unabdinglicher Charakter erkannt wurde.

Allgemein gesprochen sind „Tiefe und Reserven“ eher das Privileg von Staaten und weniger von Organisationen, daher wird ihre Umsetzung einem Staat den größten Vorteil bringen. In einem Staat, der sich an dieses Prinzip hält, vermag es die Armee, den Gegner in kleinere und isoliertere Gebiete zu treiben, was ihr die Chance gibt im neugewonnenen Raum von allen Richtungen gleichzeitig zu operieren. Für Terror- und Guerillaorganisationen, welche gewöhnlich klein sind, ist Tiefe in der Regel nicht erreichbar. Terroristen verfügen über keine Reserveeinheiten und Guerillagruppen müssen eine relativ fortgeschrittene Stufe erreicht haben, um eine Art Armee darzustellen, welche in Kampfsituationen über signifikante Reserven verfügt.

Wie sich zeigen ließ, stellen die Prinzipien „optimale Verwendung der Kräfte“, „Kräftebündlung“, „ Stetigkeit des Handelns“, sowie „Tiefe und Reserven“ – mitunter als Beweis für die Irrelevanz der Prinzipien des Krieges in asymmetrischen Konflikten herangezogen – tatsächlich Kernvorteile regulärer Armeen gegenüber irregulären Truppen dar.

**8. Sicherheit

Sicherheit ist essentiell für den Kampf gegen den Terrorismus; sie ergänzt das Prinzip „Initiative und Offensive.“ Auf Grund seiner Bedeutung ist mangelnder Entschlossenheit der Entscheidungsträger im Antiterrorkampf über die der Sicherheit zuzuweisenden Ressourcen ein großes Problem. Ausgehend von der Annahme, dass Ressourcen begrenzt sind: wie viel kann davon vom Primärziel, Terror- und Guerillagruppen per Angriff zu konfrontieren, abgezogen werden, um die Streitkräfte in ihrer Basis sowie während des Kampfes zu schützen? Wie viele der gesamten Truppen sollten zum Schutz des Rückens und der Zivilbevölkerung eingesetzt werden? Ein weiterer Sicherheitsaspekt ist ein Plan, Truppenaktivitäten vor dem Gegner zu verbergen – ein weiterer Faktor, den wir im Libanon offensichtlich nicht begriffen. Hisbollah zeigte uns deutlich, dass sie unsere Schwäche auszunutzen verstanden.

**9. Aufrechterhaltung von Moral und Kampfgeist

Dieses Prinzip gehört zum Kernanliegen eines jeden Befehlshabers, ganz besonders im Antiterrorkampf, in dem oft kleine Gruppen oder gar Individuen gegen Terroristen eingesetzt werden. In den meisten Fällen können solche Operationen nicht durch die Artillerie, Luftwaffe oder das Moment größerer Militäreinheiten im Umfeld unterstützt werden. Im Kampf gegen Terror- und Guerillakräfte ist der Kampfgeist des individuellen Soldaten oder einer kleinen Einheit von äußerster Bedeutung, ganz besonders bei hoher Entfernung von der nächsthöheren Befehlsebene, so dass sie selbst über ihr Vorgehen zu entscheiden haben. Moral und Kampfgeist werden ganz besonders in asymmetrischen Kriegen herausgefordert, welche eher Langzeitkonflikte ohne absehbares Ende darstellen als einmalige Anstrengungen, wie die Kriege, welche die IDF in der Vergangenheit zu kämpfen gewohnt war. Es liegt in der Natur asymmetrischer Konflikte, dass Soldaten nicht nur ein große Anzahl stumpfsinniger, ermüdender und frustrierende Missionen zu erfüllen haben – und jene müssen äußerst erfolgreich ausgeführt werden – sondern, dass reguläre Einheiten mitunter Missionen durchführen müssen, die eher Spezialeinheiten entsprechen würden. Diese Ansprüche testen sowohl Moral als auch Kampfgeist, Disziplin wie Professionalität von Soldaten und Befehlshabern. Die Notwendigkeit, z.B. Zivilisten bei der Sicherung von Straßensperren gegenüberzustehen, oder aggressive Operationen in dicht besiedelten Gebieten durchzuführen, verkomplizieren die Fragen von Moral und Disziplin zusätzlich. Folglich ist das Prinzip, Moral wie Kampfgeist aufrechtzuerhalten umso wichtiger in alle Formen des Kriegs gegen Terror- und Guerillagruppen.

**10. Einfachheit

Obwohl diesem Prinzip grundsätzlich auf dem Schlachtfeld Bedeutung zukommt, ist es im Kampf gegen den Terrorismus zehn Mal wichtiger. Das liegt hauptsächlich daran, dass Antiterrorkampf auf Grund der Notwendigkeit, innerhalb der Zivilbevölkerung zu operieren, komplizierter Natur ist. Komplexe Aktionen erhöhen in der Regel die Gefahr für die Truppen durch die Interaktion mit der Umgebung. Aus diesem Grund ist Schlichtheit auf dem Feld wichtig, auf der operativen Ebene ebenso wie auf der taktischen: die Armee hat ein klares Interesse daran, dass jede Einheit in der Lage ist gegen den Terrorismus vorzugehen und möchte folglich die Abhängigkeit von intensiv operierenden Spezialeinheiten reduzieren. Über diesen Wunsch nach Vermeidung einer beschränkenden Abhängigkeit hinaus müssen viele Aktionen innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden (oft um das Prinzip des steten Handelns zu bewahren). Ohne Einfachheit würde es zu wenige Operationen geben und einige würden zu spät durchgeführt auf Grund zu langer Vorbereitungszeiten. Konfrontiert mit einem schwer zu fassende Feind ist Einfachheit beinahe eine Bedingung sine qua non um den Langzeitdruck aufrechtzuerhalten.

Die vorrangegangene Analyse macht folglich klar, dass keine der IDF-Prinzipien, wenn im Kontext der asymmetrischen Kriegsführung betrachtet, ohne Rolle, irrelevant oder unwichtig sind. Dennoch sollte offensichtlich sein, dass die Anwendung dieser Prinzipien Bedacht und Professionalität erfordert. Kein Einsatz, kein Krieg gleicht dem anderen, und die Art und Weise, auf welche diese Prinzipien in einen Plan oder die Durchführung von Notwendigkeiten integriert werden müssen, wandelt sich jedes Mal. Darüberhinaus messen sich die Fähigkeiten eines Befehlshabe im Falle eines Konfliktes zwischen mehreren Prinzipien an seinen Prioritäten und ihrer Umsetzung. Mit der Ausnahme des ersten Prinzips „Ziel und Mission“ hängt alles von einem Befehlshaber und seiner Lageeinschätzung ab.

Die Frage stellt sich nun, ob ein Prinzip fehlt, ohne welches der Kampf gegen Terror- und Guerillaorganisationen erschwert wird, und welches, wenn hinzugefügt, bessere Planung wie auch ein deutlich leichterer Kampf möglich wären. Meiner Ansicht nach ist der wesentlichste Unterschied zwischen klassischen und asymmetrischen Kriegen die Verwicklung von Zivilisten als aktive oder passive Partner auf einer der beiden Kriegsseiten. Dieser Unterschied gehört zur Essenz der asymmetrischen Kriegsführung und seine Dimensionen werden von der nicht-regulären Seite bestimmt, welche Terror- und Guerillataktiken innerhalb und neben der Zivilbevölkerung anwendet.

Angesichts anderer Bedingungen, die sich in jüngster Zeit massiv verändert haben, scheint es, dass die Berichterstattung der Medien einen Wandel aus zwei Gründen bedingt hat:

Die Öffentlichkeit ist nur teilweise, aber dafür unmittelbar mit den Ereignissen und der Situation auf dem Schlachtfeld konfrontiert. Wenn jene misslingen, gibt es keine Möglichkeit, Korrespondenten und Kameraleute am Ort des Geschehens aufzuhalten oder zu verhindern, dass ihre Bilder die Außenwelt erreichen. Entscheidungsträger werden also permanent mit einer nicht kontrollierbaren Berichterstattung konfrontiert und müssen auf jene unmittelbar eingehen. Aus diesem Grund kann Druck von außen die Führung eines kleinen Landes wie Israel, welches sensibel auf die internationale Öffentlichkeit reagiert, beeinträchtigen. Aus diesem Grund handelt Israel mitunter nach anderen Interessen als den eigenen.

Eine intensive Analyse asymmetrischer Kriegsführung zeigt zwei Neuerungen: Zivilisten dienen als Teil der Stärke und Ressourcen von Terrororganisationen. Reibung mit ihnen kann folglich nicht vermieden werden. Und Medien sorgen für eine Öffentlichkeit der Antiterroroperationen auf eine Art und Weise, welche mit Wahrscheinlichkeit die Reaktion von Entscheidungsträgern beeinflussen wird. Diese zwei Neuerungen zusammen genommen verlangen, dass ein neues Prinzip zu der IDF-Liste hinzugefügt werden muss: „Image und Legitimität,“ dessen Zweck es sein sollte, Befehlshaber aller Ränge dazu zu bringen, bei Planung und Durchführung von Aktionen beide einzubeziehen. Das heißt, dass auf jeder Ebene, wer auch immer im Kampf eine Aktion plant oder ausführt, beachten muss, wie es in den Medien dargestellt und erscheinen wird. Er sollte durch Instruktionen oder Auslassungen bei Planung und Durchführung sowohl die interne (in Israel) als auch externe (auf internationaler Ebene) Legitimierung israelischer Aktionen im Krieg stärken. Militärische Planer müssen sich dessen bewusst sein, dass Zivilisten am Konflikt beteiligt sind: auf der einen Seite werden einige von ihnen in ausweglosen Situationen geschädigt werden, auf der anderen Seite muss unermüdlich versucht werden, ihre Schädigung zu verhindern so weit dies möglich ist. Und bei all den Unternehmungen, muss die größtmöglichste Sorgfalt auf die Notwendigkeit gelegt werden, Aktionen – auch scheiternde – der israelischen und internationalen Öffentlichkeit zu erklären.

Im Unterschied zu den Amerikanern ist es nicht nötig, dass Israel „Zurückhaltung“ in der Kriegsführung zu den Prinzipien hinzufügt. Dies wäre für Israel ein schwerwiegender Fehler. Mitunter mag die Notwendigkeit entstehen, doch ganz allgemein muss ein kleines Land wie Israel in der Lage sein, mit Terror- und Guerillaorganisationen auf durchaus unproportionale Weise zu reagieren und Aktionen so auszuführen, dass die andere Seite überzeugt wird, dass sie ebenfalls etwas zu verlieren hat. Ein proportional geführter Krieg würde Israel in einen Zermürbungskrieg führen, dessen Regeln von den Terroristen bestimmt werden und den es verlieren würde. Ein Land wie Israel kann nur dann erfolgreich mit Terror- und Guerillataktiken umgehen, wenn es sich die Möglichkeit vorbehält, nicht proportional zu antworten; ansonsten würde es sich einem von den Regeln des Gegners diktierten Krieg ausgesetzt sehen.

Ich habe ausgiebig erwogen, ob das Prinzip der Nachrichtenbeschaffung hinzugefügt werden sollte, ohne welche es unmöglich ist, den Terrorismus zu bekämpfen. Ich habe mich schließlich dagegen entschieden, da es über die Prinzipien des Krieges hinausgehen würde. In einem Artikel in Maarachot,[25] habe ich die notwendigen Bedingungen für den Antiterrorkampf definiert, von denen eine Geheimdiensttätigkeit ist. Dies ist jedoch eine Bedingung und kein Prinzip des Krieges. Zudem habe ich festgestellt, dass auch die Briten Zweifel haben, ob es eher ein Prinzip oder eine Bedingung ist. Auch sie kamen schließlich zu dem Schluss, dass es letztere sei.

Schlussfolgerungen

Die obige Diskussion hat gezeigt, wie man im Wesentlichen Terror besiegen kann, selbst wenn es lediglich ein Sieg ist, der den Terrorismus daran hindert, seine Pläne erfolgreich umzusetzen, und die Intentionen der Terroristen davon nicht berührt werden. Ein Sieg dieser Art verlangt permanente und entschlossene Anstrengungen, von dem Moment an, an dem er erreicht wird. Sollte dies nicht geschehen, werden sich die Umstände recht schnell in ihre ursprünglichen, tragischen Formen verwandeln, sobald die Terrororganisationen sich dafür stark genug halten.

Eine Einschätzung des Antiterrorkampfes muss die Frage nach der Ebene des Sieges über den Terror stellen, die unter den Bedingungen des Krieges erreicht werden kann – totaler, temporärer oder hinreichender Sieg – und wie man die Ebenen des Sieges mit der Zeit steigern kann. Es ist offensichtlich, dass solch eine Diskussion nur dann relevant ist, wenn man die Behauptung unterstützt, dass ein demokratischer Staat im Wesentlichen die Fähigkeiten hat, den ihn bedrohenden Terror zu unterwerfen.

Sechs Bedingungen wurden formuliert, ohne welche kein Militär den Terrorismus bekämpfen kann. Werden diese Bedingungen erfüllt – was zugegebener Maßen nicht einfach ist – beginnt ein schwieriger, komplexer, erdrückender und stumpfsinniger Krieg ohne Fahnen und Fanfaren: die Geheimdienstinformationen werden zusammengerechnet, Schlüsse gezogen, kleine Truppen unter schwierigen Bedingungen in Bewegung gesetzt in ein Gebiet mit einer aus Terroristen und Unschuldigen gemischten Bevölkerung, dichtbesiedelten Stadtzentren und isolierten Dörfern, um kleine taktische Ziele zu erreichen. Der Krieg muss sich auf Prävention konzentrieren, d.h. Verhaftung von und Angriff auf Terroraktivisten, die den Terror vorantreiben und eine unverzichtbare Ressource für die Terrororganisationen darstellen. Es ist ein langer Krieg ohne ein Versprechen des Sieges, doch wenn die Bedingungen eingehalten werden, wird es möglich sein, ihn zu führen. Angesichts der Umstände in der sich Israel befindet, ist es auch absolut nötig. Die Erfolgsgeschichte im Westjordanland seit 2002 zeigt dies deutlich.

Eine Betrachtung der IDF-Prinzipien des Krieges unter Berücksichtigung der Erfordernisse beim Planen und Ausführen des Antiterrorkampfes (d.h. eines asymmetrischen Krieges) zeigt deutlich, dass jedes einzelne dieser Prinzipien und alle zusammengenommen entscheidende Richtlinien für die Führung eines solchen Krieges sind.

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Der Autor dankt Dr. Dore Gold für seinen Beitrag zu dieser Analyse. Eine frühere Version des Artikels erschien ursprünglich auf Hebräisch in Maacharot: Journal of the Israel Defense Force in drei Teilen. Teil 3 dieses Artikels basiert auf einem Vortrag, gehalten in der Fisher Institution for Air and Space Strategic Studies, Herzliya, Israel, Mai 2007.

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Generalmajor (Res.) Yaakov Amidror ist Programmdirektor des Institute for Contemporary Affairs im Jerusalem Center for Public Affairs und Vizepräsident des Lauder Academic Institute in Jerusalem. Er ist ehemaliger Kommandeur des IDF National Defense College und des IDF Staff and Command College, Er ist zudem ehemaliger Kopf der IDF Intelligence Research and Assessment Division mit der speziellen Verantwortung der Vorbereitung des National Intelligence Assessment. Zusätzlich diente er als militärischer Sekretär des israelischen Verteidigungsministers. Er wurde vor kurzem von der IDF gebeten, die Informationen vor und während des Zweiten Libanonkrieges 2006 zu analysieren. Er ist Autor von Thoughts About Security and Military Affairs (Israel National Security College, 2002) und Intelligence: Theory and Practice (Ministry of Defense Publishing House, 2006).


[1]Lt. Gen. David H. Petraeus, Lt. Gen. James F. Amos, und Lt. Col. John A. Nagl, U.S.

*Army/Marine Corps Counterinsurgency Field Manual *(Chicago: University of Chicago

Press, 2007), S. 2.

[2]John A. Nagl, Learning to Eat Soup with a Knife: Counterinsurgency Lessons from Malaya

*and Vietnam *(Chicago: University of Chicago Press, 1996), S. 15.

[3]Eric Schmitt, “U.S. Is Shying from the Bosnian Conflict,” New York Times, 19. Juli 1992.

[4] Ben Fenton, “General Warns of Unwinnable Guerrilla War,” Daily Telegraph, 3. März 2002.

[5]James Dobbins, “Iraq: Winning the Unwinnable War,” Foreign Affairs, Council on

Foreign Relations, Januar/Februar 2005.

[6]“Can a Lull Be Turned into a Real Peace,” Economist, 15-21. Dezember 2007.

[7]Thomas Ricks, “In Iraq, Three Wars Engage U.S.,” Washington Post, 3. Februar 2008.

[8]Ibid.

[9]“Can a Lull Be Turned into a Real Peace,” Economist.

[10]Ibid.

[11]U.S. Army/Marine Corps Counterinsurgency Field Manual, S. 16.

[12]Yaakov Amidror, “The Military Strike as a Cognitive Paradigm of Effects,” Maarachot,

Dezember 2005, S. 403-404.

[13] Dabei handelt es sich nicht um eine neue Idee. Siehe das Kapitel über den Kampf mit irregulären Truppen im Buch* Battle Doctrine*, Vol. II.

[14]Colonel Shmuel Nir (Samu), “The Nature of Limited Conflict,” in Hagai Golan and

Shaul Shai (eds.), “The Limited Conflict,” Maarachot, 2004.

[15]Ann Scott Tyson, “Iran Continues to Support Shiite Militias in Iraq, Pentagon Says,”

Washington Post, 19. Dezember 2007.

[16]U.S. Department of Defense, Measuring Stability and Security in Iraq, Report to

Congress, Dezember 2007, S. 39.

[17]See Richard H. Shultz, Jr., The Secret War Against Hanoi (New York: Harper Collins,

2002), S. 204-206.

[18]Ibid.

[19] Einer der Gründe ist, dass Israel es nicht gewagt hat, schwere Aktionen gegen eine Zivilbevölkerung durchzuführen.

[20]Dave Kilcullen, “Understanding Current Operations in Iraq,” Small Wars Journal,

http://smallwarsjournal.com/blog/2007/06/understanding-current-operatio/.

[21]Michael Evans, Alan Ryan and Russel Parkin (eds.), Future Armies, Future Challenges

(Crows Nest NSW, Australia: Allen & Unwin, 2004), S. 148-156.

[22]*IDF Dictionary of Terms *(Ministry of Defense, 1998), S. 484.

[23]British Defense Doctrine, Warfare Publications, 1966.

[24] Es sollte erwähnt warden, dass es zu diesem Zeitpunkt eine Diskussion darüber gab, welches Prinzip wichtiger sei – „Einfachheit“, favorisiert von Generalleutnant Ehud Barak, damals Generalstabschef, oder „Administration“, favorisiert von Major (Res.) Benjamin Amidror, Vorsitzender des IDF-Zweigs für Doktrin und Ausbildung. Folglich erschienen elf Prinzipien in einer vom Command and Staff College herausgegebene Broschüre, sowohl mit „Einfachheit“ als auch mit „Administration“. Das Prinzip „Optimale Verwendung der Kräfte“ wurde von Generalleutnant Moshe Levy in seiner Zeit als Generalstabschef hinzugefügt.

[25]Yaakov Amidror, “The Necessary Conditions for Fighting Terrorism,” Ma’arachot #412,

Mai 2007, S. 32-37.