Europäisch-israelische Beziehungen nach dem Brexit

Der Brexit – d.h. die Entscheidung Großbritanniens, die EU zu verlassen – stellt in erster Linie für die Briten ein ernstzunehmendes Problem dar, das von der britischen Führung mit Umsicht und so schnell es geht gelöst werden muss.

Europäische Staatsoberhäupter zeigten sich von der britischen Entscheidung schockiert. Umfrageergebnissen vertrauend waren sie zuversichtlich, dass die Mehrheit der Briten Verantwortung und Solidarität unter Beweis stellen und in der EU verbleiben würden, wie es ihr Premier Cameron sich gewünscht hatte.

Nach anfänglicher Enttäuschung und Bitterkeit scheinen sich europäische Politiker allerdings zu erholen und Haltung zurückzugewinnen.

Schlagzeilen, die ein globales Börsenbeben vorhersagten und nicht davor zurückschreckten, den Vergleich zum Aufstieg der Nazis in Deutschland zu ziehen, werden bald vergessen sein. Die Schreckensmeldungen und Untergangszenarien haben sich wieder rargemacht, Märkte und Börsen sich wieder gefangen.

Deutlich scheint, dass die EU nicht so schnell auseinanderfallen wird. Tatsächlich ist sie recht lebendig und dürfte anscheinend kurz- wie mittelfristig einen Verein von 27 Ländern mit knapp einer halben Milliarde Einwohnern und einem durchschnittlichen Bruttosozialprodukt von über $30,000 repräsentieren.

Der Brexit wird die europäische Nahostpolitik nicht beeinflussen. Dessen muss sich Israel bewusst sein. Im Unterschied zu Großbritannien, das gelernt hat, umfassende Krisen im Wesentlichen selbstständig zu meistern, kann es sich Israel nicht leisten, isoliert dazustehen und ist daher immer auf echte Freunde und Allianzen angewiesen. Einige Stimmen in Israel fordern daher, dass sich das Land fortan auf die attraktiven asiatischen Märkte konzentrieren soll und Europa aufgrund seiner propalästinensischen Stoßrichtung aufgeben sollte. Diesem Ansatz liegt jedoch ein Denkfehler zugrunde. Selbst unter den aktuellen Gesichtspunkten darf die ökonomische Macht der EU nicht unterschätzt werden. Sie stellt daher nach wie vor eine wichtige wirtschaftliche und diplomatische Kraft dar, mit der sich Israel aus geografischen, historischen und kulturellen eng verbunden sieht.

Ebenso muss festgestellt werden, dass Europa nicht monolithisch verstanden werden kann und es substanzielle Unterschiede zwischen West- und Osteuropa gibt. Israel unterhält zu all diesen Ländern bilaterale Beziehung in allen Bereichen. Mit einigen dieser Länder sind diese Beziehungen enger und freundlicher, bei anderen besteht jede Menge Raum zur Verbesserung. Der Brexit dürfte die israelischen Beziehungen nach Europa oder seine Exporte nicht beeinträchtigen. Als Mitglied der wichtigen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und Unterzeichner vieler Abkommen und Verträge teilt Israel viele gemeinsame Interessen im Hinblick auf Wirtschaft, Wissenschaft und Energiepolitik. Israel beteiligt sich weiterhin an Project Horizon 2020 dem umfangreichen, auf sieben Jahre angelegten Forschungs- und Entwicklungsprogramm der EU und hat auch zum ersten Mal eine Mission im NATO-Hauptquartier in Brüssel eingerichtet.