Ägypten im Sisi-Fieber – Vom General zum Präsidenten?

• General Abd el-Fattah el-Sisi, maßgeblich verantwortlich für den Sturz des ägyptischen Präsidenten Mursi am 3. Juli 2013, ist gegenwärtig sowohl Oberkommandierender der Streitkräfte, erster Vize des Premierministers und Minister für Verteidigung und militärische Produktion. Im Unterschied zu seinen Vorgängern geht er entschieden gegen die dschihadistischen Kämpfer auf dem Sinai vor, um vor Ort die ägyptische Souveränität wiederherzustellen und die Macht der Hamas im Gazastreifen zu reduzieren.

• Sisi sieht sich als Retter berufen, um Ägypten vor der Muslimbruderschaft zu bewahren. Talkshows und Leitartikel haben sich für eine mögliche Präsidentschaftskandidatur des Generals ausgesprochen, um – wie sie es nennen – die terroristische Bedrohung des Landes zu bekämpfen. Die meisten anderen Kandidaten haben derweil angedeutet, sie würden im Falle einer Kandidatur Sisis auf ihre verzichten.

• Die Anstrengungen mehren sich, Sisi zum politischen Erben der Präsidentenikone Gamal Abd el-Nasser zu erklären. Sisi nahm entsprechend an der Gedenkveranstaltung zum 43. Todestag Nassers teil, wo sein Porträt neben dem von Nasser gezeigt wurde. In Ägypten wird letzterer als ein Führer gesehen, der die Muslimbruderschaft bekämpft und das Land an die Spitze der arabischen Welt und der Blockfreien Staaten gebracht hat.

• Auf diese Weise versucht Sisi, seinen Führungsanspruch nicht nur gegenüber den Ägyptern, sondern auch gegenüber der amerikanischen Regierung zu legitimieren, die diesen in Frage stellt und ihn als Anführer eines Umsturzes betrachtet. So eröffnet sich auch für Russland eine Möglichkeit sich in Ägypten einzubringen und die eigene Position im Nahen Osten zu stärken.

• Die amerikanische Entscheidung, Ägypten die Finanzhilfe zu streichen und die Lieferung von Waffensystemen zu verzögern, hat den Zusammenhang zwischen amerikanischer Unterstützung Ägyptens und der ägyptischen Einhaltung des Friedensvertrages mit Israel aufgekündigt. Die 14 Mrd. Dollar, die Ägypten unmittelbar nach Sisis Machtübernahme von Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten überwiesen wurden sowie die weiteren 40 Mrd., die versprochen sind, gemahnen daran, dass die Ägypter nicht mehr unbedingt auf die Amerikaner angewiesen sind.

• Beobachter weisen immer wieder auf den allmählichen Stimmungsumschwung in Ägypten hin, bei dem den Amerikanern nach anfänglicher Freundschaft und Bewunderung nun mit offener Feindschaft begegnet wird. Tatsächlich hat die Krise mit der Obama-Administration und Sisis Umgang damit dessen Glaubwürdigkeit als selbstbewusster ägyptischer Nationalist untermauert, der sogar einer Supermacht die Stirn bietet – v.a. einer, die die Muslimbruderschaft in Ägypten und anderswo unterstützte.

Ägypten nach Mursi: Ist der politische Islam am Ende?

• Knapp ein Jahr nachdem einer der ihren demokratisch zum ägyptischen Präsidenten gewählt wurde, endete für die Muslimbrüder der 80-jährige Traum von der Macht in einem Fiasko.

• Die Muslimbruderschaft wurde gestürzt, da sie die Opposition falsch eingeschätzt hatte, zu sehr darauf versessen war, alle Schlüsselpositionen des Staates zu besetzen und eine mögliche Allianz zwischen liberalen Kräften und der Armee nicht vorhersehen konnte.

• Die Niederlage der Muslimbrüder ist ganz sicherlich ein Gewinn für all jene Kräfte, die in der arabischen Welt gegen Dschihadisten und der Muslimbruderschaft ähnliche Gruppen kämpfen und zeugt davon, dass der politische Islam von gemäßigten und liberalen Kräften verdrängt werden kann.

• Im ägyptischen Fall stürzte Mursi über eine ungeschriebene Allianz aus Armee und Massenprotesten – kommt dies zusammen, vermag sich kein Regime zu halten.

• Israel hat es der ägyptischen Armee gestattet, Truppen zur Bekämpfung von Dschihadisten auf den Sinai zu schicken, auch wenn dies den Vorkehrungen des Friedensvertrages widerspricht. Damit hat Ägypten einen größeren Handlungsspielraum vor Ort, um den Friedensvertrag zu bewahren.

• Israels vorrangiges Interesse ist die Bewahrung des Status Quo des Friedensvertrages und – wenn möglich – die Eindämmung oder Ausschaltung der Dschihadisten auf dem Sinai. Für Israel erleichtert sich die Zusammenarbeit mit Ägypten, nachdem die Armee das Ruder übernommen hat.

Zwei Jahre Arabischer Frühling: Reflexionen über Demokratie in der arabischen Welt

Auf einem Treffen mit amerikanischen Senatoren wurde der damalige israelische Premierminister Yitzhak Rabin gefragt, ob er sich einen Friedensvertrag mit arabischen Regimen vorstellen könnte, die sich nicht zur Demokratie bekennen und stattdessen ihr eigenes Volk knechten würden. Rabin antwortete daraufhin: „Wenn wir warten müssen, bis sich in den arabischen Ländern Demokratie durchsetzt, dann muss Israel wohl mindestens hundert Jahre warten.“

Seit seinen Anfangstagen sieht sich das Land von autoritären Regimen umgeben, in denen es keinerlei Meinungsfreiheit, persönliche Freiheit oder Freiheit irgendeiner anderen Sorte gibt. Die Bürger der Nachbarländer leben in einer Welt der Verbote, in der sie ständig raten müssen, was akzeptiert oder angemessen ist, um zu überleben. Anstatt zu sagen, was sie denken, lassen sie ihre Herrscher hören, was jene hören wollen, und behalten die wahre Meinung tief in sich verborgen.

In den Jahren nach dem Ende des westlichen Kolonialismus teilte sich die arabische Welt in Monarchien und diktatorische Regime, die auf konfessioneller Spaltung basierten. Die einzige Ausnahme war der Libanon, der zu einer konfessionellen Republik wurde. Etwas später stürzten einige dieser Monarchien zugunsten militärischer Juntas und anderer Diktaturen, wodurch das Gefühl eines tiefgreifenden Mangels an individueller Freiheit sich noch vertiefte. Dieser Prozess machte auch nicht vor jenen arabischen Regimen halt, in denen sich Militärherrschaft mit zivilen Regierungen abwechselte.

Das Resultat blieb in jedem Fall dasselbe: der Kern der arabischen Welt wurde von Militärs beherrscht, während im Rest angeblich auf Allahs Gnaden beruhende Erbmonarchien regierten. In beiden Fällen wurde das Konzept westlicher Demokratie nie umgesetzt, da die arabischen Herrscher es nie akzeptiert hätten und es der islamischen Tradition fremd blieb. Am nächsten kommt das islamische System der westlichen Demokratie in der Institution der Shura, welche eher als eine Art Beratungsausschuss ohne echte Gewalt zu verstehen ist, da alle Autorität beim Herrscher liegt. Die übernommenen westlichen Einrichtungen, wie z.B das Parlament, sind nur Imitationen westlicher Vorbilder – die Macht verbleibt in den Händen der herrschenden Junta.

Der geheime Syrien-Krieg der Hisbollah

· Der syrische Bürgerkrieg hat den Libanon erreicht und bedroht das brüchige religiöse Gleichgewicht des kleinen Landes. Grenzgefechte sind zur Regel geworden. Die syrische Armee beschießt libanesische Dörfer, von denen sie behauptet, dass sie syrischen Rebellen Zuflucht bieten würden.

· Gegenüber dem nordlibanesischen El Hermel liegt auf syrischer Seite eine Reihe von schiitischen Dörfern, die sich Gefechte mit den mehrheitlich sunnitischen Dörfern liefern, welche in der Gegend von Qusayr um Homs die syrischen Oppositionskräfte unterstützen. Unter dem Vorwand, diese Dörfer zu schützen, greift die Hisbollah dabei direkt und militärisch ein und behauptet, gegenwärtig 18 Dörfer im breitesten Teil des Orontes-Flussbeckens zu kontrollieren.

· Die französischen Mandatsbehörden hatten die libanesisch-syrische Grenze in den Jahren nach der Gründung des Großlibanon gezogen, doch diese Grenze nie fertiggestellt. Was stattdessen zu geschehen scheint ist eine Art Demarkation, in der die Hisbollah in einer Reihe von schiitischen Dörfern präsent ist und sie so für den Libanon annektiert, während die Anwesenheit der Freien Syrischen Armee in den meisten sunnitischen Dörfern diese faktisch für Syrien einnimmt.

· Die Hisbollah scheint dabei einen 20-Kilometer-Korridor in zu der Enklave der syrischen Alawiten an der Mittelmeerküste zu formen, um so mit der strategischen Kontrolle der Orontes-Beckens in Syrien und dem Libanon einen zusammenhängenden alawitisch-schiitischen Ministaat zu schaffen. Doch auch ein derartiger schiitischer Gürtel wäre auf beiden Seiten seiner Grenze mit sunnitischen Kräften konfrontiert.

· Damit „exportiert“ die Hisbollah auf Teherans Bestreben hin, Assad zu stützen, ihr militärisches Know-How und ihre Kampfkraft zum Einsatz gegen ihre arabischen Nachbarn. Auf diese Weise entfremdet sie sich jedoch von der sunnitischen Mehrheit in Syrien und den Sunniten des Libanon. Die Einschätzung liegt also nahe, dass im Falle eines Sturzes Assads die Hisbollah im libanesischen Kontext um ihr Überleben kämpfen müsste.

· Seit Jahren kämpft die Hisbollah darum, sich als glaubwürdige libanesische Kraft zu erweisen. Doch in ihrem Kampf auf Seiten des syrischen Alawiten-Regimes zeigt sie nun ihr wahres Gesicht – sie ist nur eine weitere libanesische Miliz, eine Schiitenarmee, die ihren Sponsoren und Schutzherren in Teheran dient.

Kurdistan – Brennpunkt zwischen Türkei, Irak und syrischer Revolte

Das Assad-Regime ist am Zerfallen. Berichten syrischer Rebellen zufolge hat sich eine Reihe von Städten wie Amouda und Qabani im kurdischen Nordosten Syriens Mitte Juli kampflos auf die Seite einer lokalen Gruppe – der Freien Kurdischen Armee – geschlagen. Nach langem Abwarten haben sich somit politische Gruppierungen syrischer Kurden in die Revolution eingebracht, um die kurdischen Städte des Nordostens unter ihre Kontrolle zu bringen.

Die Freie Kurdische Armee wurde von der Demokratischen Unionspartei (PYD) gegründet, die historische Beziehungen zur Kurdischen Arbeiterpartei PKK hat. Letztere wird sowohl von der Türkei als auch den Vereinigten Staaten als Terrororganisation betrachtet, die zum Zweck der kurdischen Autonomie Krieg gegen die türkische Regierung führt. Die syrischen Kurden konzentrieren ihre Kräfte darauf, die Kontrolle der größten kurdischen Stadt Syriens Qamishli zu erlangen. Über der eroberten Stadt Ayn al-Arab im Distrikt Aleppo weht bereits die kurdische Fahne.