Eine neue Kritik an Israel schlägt seine Beseitigung und Ersetzung durch einen binationalen palästinensisch-israelischen Staat vor. Israels neue Kritiker bezweifeln die Legitimität jüdischer Eigenstaatlichkeit, obwohl sie nichts zur Gültigkeit Dutzender neuer Staaten sagen, die im letzten halben Jahrhundert entstanden und von denen vielen jegliche verwurzelte nationale Identität fehlt. Der neue Angriff auf Israels Existenzrecht als jüdischer Staat trägt besonders ironische Züge, weil die jüdische Nationalität tausende Jahre vor dem Aufkommen der meisten modernen Nationalstaaten bestand.
Die modernen Kritiker der jüdischen Eigenstaatlichkeit vernachlässigen die Tatsache, dass der Ausdruck israelischer Gemeinsamkeit – wie der vieler Staaten in der ganzen Welt – in keiner Weise die Rechte seiner Minderheiten angehörenden Staatsbürger verletzt, die gleiches Recht unter dem Gesetz und dem politischen System genießen. Sie ignorieren auch, dass diese Form des nationalen Ausdrucks nicht einmalig ist; die meisten Staaten identifizieren sich auf formale Weise mit dem religiösen oder kulturellen Erbe ihrer zahlenmäßig überlegenen Gemeinden. Trotzdem wird nur Israel zur Kritik ausgewählt.
Israel ist der einzige im letzten Jahrhundert gegründete Staat, dessen Rechtmäßigkeit nicht nur durch den Völkerbund, sondern auch die Vereinten Nationen anerkannt wurde. Das Völkerbund-Mandat schuf nicht die Rechte des jüdischen Volkes auf eine nationale Heimstätte in Palästina, sondern erkannte viel mehr ein schon existierendes Recht an – denn die Verbindungen des jüdischen Volkes zu ihrem historischen Land waren den Führern der Welt des letzten Jahrhunderts bekannt und von ihnen akzeptiert.
Bis 1864 entstand in Jerusalem eine klare jüdische Mehrheit – mehr als ein halbes Jahrhundert bevor das britische Empire und das Völkerbund-Mandat ankamen. In den Jahren, in denen die jüdische Präsenz in Eretz Israel wieder hergestellt wurde, fand ein riesiger arabischer Bevölkerungszustrom statt, weil arabische Immigranten die Vorteile höherer Löhne und wirtschaftlicher Chancen nutzen wollten, die durch die jüdische Besiedlung des Landes entstanden. Präsident Roosevelt schloss 1939, dass „arabische Immigration nach Palästina seit 1921 die totale jüdische Immigration in der gesamten Zeit weit überschritt“.
Israels neue Kritiker wollen jüdische nationale Rechte delegitimisieren, indem sie argumentieren, deren Behauptung sei eine Erweiterung des europäischen Imperialismus. In Wirklichkeit fochten jüdische Untergrundbewegungen in den 40-er Jahren einen antikolonialistischen Krieg gegen die fortgesetzte britische Herrschaft. Israel war eine antiimperialistische Macht, als es gegründet wurde, während die arabischen Staaten mit imperialistischen Mächten verbündet waren und ihre Armeen vom französischen und vom britischen Reich ausgebildet und versorgt wurden.
Vor 1967 gab es keine aktive Bewegung zur Bildung eines einzigartig palästinensischen Staates. 1956 sagte Ahmed Schugairy, der acht Jahre später die PLO gründen sollte, dem UN-Sicherheitsrat: „Es ist allgemein bekannt, dass Palästina nichts anderes ist als Süd-Syrien.“ In den frühen 60-er Jahren betrachteten die Palästinenser Ägyptens Abdul Nasser genauso als ihren Führer wie jeden anderen Palästinenser. Vor diesem historischen Hintergrund ist es unmöglich zu sagen, dass die Palästinenser einen Anspruch auf das Land Israel haben, der dem der Juden vorrangig sei, wie es Israels Kritiker geltend machen.
Der neue Angriff auf Israel gründet zum Teil auf der Ignoranz der jüdischen Geschichte in der heutigen, stark säkularisierten Welt. Er kommt aber auch aus der neuen antisemitischen Welle, die sich in einer Meinungsumfrage der Europäischen Kommission widerspiegelt, die Israel als das Land aufzeigt, das von den meisten Europäern als eine Bedrohung des Weltfriedens angesehen wird. Der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi – anspielend auf den antisemitischen Unterbau, der zu dem Ergebnis der Umfrage führte – sagte, „dem Ausmaß gegenüber, dass dies ein tieferes, generelleres Vorurteil gegenüber der jüdischen Welt andeuten könnte, stellen wir unsere noch radikalere Abscheu entgegen.“